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JAHRBUCH
DER
KAISERLICH-KÖNIGLICHEN
bEOLOGISCHEN REICHSANSTALT.
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XLI. BAND. 1891.
Mit 9 Tafeln.
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WIEN, 1892. [N er:
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ALFRED HOLDER,
K. U. K. HOF- UND UNIVERSITÄTS-BUCHHÄNDLER, |
Rothentlurmstrasse 15. AT ET N
rer.
IV
Heft IV.
(Ausgegeben im April 1804.)
Generalregister der Bände XXXI—XL des Jahrbuches und der Jahrgänge 1881
bis 1890 der Feen der k. k. Be Reichsanstalt. Von
DE BRFMatoSch . ...-.:
Tafel
I—III zu:
IV zu:
V-—VI zu:
VII zu:
VIHI—IX zu:
Verzeichniss der Tafeln.
Dr. A. Bittner: Triaspetrefakten von Balia in Kleinasien. . . .
A.v.Elterlein: Beiträge zur Kenntniss der Erzlagerstätte des
Schneeberges bei Mayın in Südtirol » 22 2 2 220...
Dr. F. Kinkelin: Neogenbildungen westlich von 8. Barthelmae in
Unterkrainn..: 2. eu ee ee che
K.J.MaSka: Die diluviale Fauna und Spuren des Menschen in
der Schoschuwker Höhle in Mähren a RR
Dr. M. Kriz: Die Höhlen in den mährischen Devonkalken und ihre
Vorzeit... 2 Wi. ; b
re 1
Seite
206
Personalstand der k. k. geologischen Reichsanstalt.
Director:
Stur Dionys, k. k. Hofrath, Ritter des k. sächsischen Albrechts-Ordens,
eorr. Mitgl. d. kais. Akad. d. Wissensch., Membre assoecie de l’Acad.
Royale des Sciences, des Lettres et des beaux arts de Belgique,
eorr. Mitgi. der naturf. Gesellsch. „Isis“ in Dresden, Soeio corrisp.
del R. istituto veneto di scienze, lettere ed arti in Venedig etc.,
III., Rasumoffskygasse Nr. 2.
Viee-Direetor:
Stache Guido, Ritter des österr. kaiserl. Ordens der eisernen Krone
III. Cl., Commandeur d. tunes. Niscian-Iftkhar-Ordens, Phil. Dr.,
k. k. Oberbergrath, Ehrenmitglied der ungar. geolog. Gesellschaft
in Budapest und der naturforsch. Gesellsch. „Isis“ in Dresden ete.,
III., Oetzeltgasse Nr. 2.
Chefgeologen:
Mojsisovies Edler von Mojsväar Edmund, Commandeur des
montenegrinischen Danilo-Ordens, Officier des k. italienischen
St. Mauritius- und Lazarus-Ordens, sowie des Ordens der Krone
von Italien, Ehrenbürger von Hallstatt, Jur. U. Dr., k. k. Ober-
bergrath; wirkl. Mitglied, der kaiserl. Akad. der Wissenschaften
in Wien, corresp. Mitglied der kaiserl. Akad. der Wissenschaften
zu St. Petersburg, der R. Aceademia Valdarnese del Poggio in
Monte varechi, des R. Istituto Lomb. di seienze, lettere ed arti
in Mailand, der Acad. of Natur. Science in Philadelphia, der
geolog. Gesellschaften in London und Lüttich, Ehrenmitglied der
Soeiete Belge de Geologie, de Paleontologie et d’Hydrologie in
Brüssel, des Alpine Club in London und der Soc. degli Alpinisti
Tridentini ete., III., Strohgasse Nr. 26.
Paul Carl Maria, Ritter des kaiserl. österr. Franz Josef-Ordens, Kk. k.
Bergrath, Mitglied der Leop. Car. Akad. der Naturf. in Halle, III.,
Seidelgasse Nr. 34.
Tietze Emil, Ritter des k. portugiesischen Set. Jaeob-Ordens, Besitzer
des Klein-Kreuzes des montenegrinischen Danilo-Ordens, Phil. Dr.,
k. k. Oberbergrath, Mitglied der Leop. Car. Akad. der Naturf. itr
Halle, Ehreneorrespondent der geogr. Gesellschaft in Edinburgh,
eorresp. Mitglied der geogr. Gesellschaften in Berlin und Leipzig.
d. schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur in Breslau ete.»
IlI., Ungargasse Nr. 27.
Vorstand des ehemisehen Laboratoriums:
John von Johnesberg Conrad, II., Erdbergerlände Nr. 2.
h
I
Geologen:
Vacek Michael, IlI., Erdbergerlände Nr. 4
Bittner Alexander, Ph. Dr., III., Thongasse Nr. 11
Adjuneten:
Teller Friedrich, III, Geusaugasse Nr. 9.
Foullon Heinrich, Freih. v. , III., Rasumoffskygasse N. 1%
Assistent:
Tausch Leopold v., Phil. Dr., VIII, Josefstädterstrasse Nr. 20.
Bibliothekar.
Matosch Anton, Ph. Dr., II., Hauptstrasse Nr. 33.
Praktikanten:
Camerlander Carl Freih. v., IV., Vietorgasse Nr. 25.
Geyer Georg, IIl., Rasumoffskygasse Nr. 23.
EaeumsE Gejza v., VIII, Marxergasse Nr. 27.
Mi Stelle unbesetzt.)
Für die Kartensammlung:
Jahn Eduard, III, Messenhausergasse Nr. 7
Für die Kanzlei:
Girardi Ernst, k. k. Rechnungsofficial, VI., Windmühlgasse Nr. 2a.
Diener:
Erster Amtsdiener: Schreiner Rudolf
Laborant: Kalunder Franz Bi
Zweiter Amtsdiener: Palme Franz moffak
Dritter Amtsdiener: Ulbing Johann ’3 ni
Amtsdienergehilfe für das Laboratorium:
Ruiek Stanislaus
Heizer: Kohl Johann
Portier: Kropitsch Johann, Invaliden-Hofburgwächter , ur,
lidenstrasse Nr. 1.
u. u, —_
Ausgegeben am 1. August 1891.
JAHRBUCH |
DER
KAISERLICH-KÖNIGLICHEN
GEOLOGISCHEN REIGHSANSTALT,
JAHRGANG 1891. XLI. BAND.
1. Heft.
Mit Tafel I—III,
WIEN, 1891.
ALFRED HÖLDER,
K, U. K, HOF- UND UNIVERSITÄTS-BUCHHÄNDLER,
| Rothenthurmstrasse 15.
Soeben erschien:
Dr. Max Blanekenhorn
Grundzüge üb Golog.t Il en =
und 2 hr von ee im Maasstabe 1:500, 000, ES u
phischen (54:76 em) und einer geognostischen in Farben an zwei (
(54:90 em). -
== Preis 36 Mark. 2 na
Die Tiefbohrung bei Batzdorf nördlich bei
Bielitz-Biala.
Von D. Stur.
Die Terraineinsenkung, längs welcher die Nordbahntrace von
Wien nach Krakau gezogen wurde, besitzt ein gleich hohes Interesse
für den Bergmann wie für den Geologen. Diese Einsenkung scheidet
nicht nur das mährisch-schlesische Culm-Dachschiefergebirge in Nord-
west von dem in Südost gelegenen Karpathensandstein-Gebirgszuge;
sie bildet speciell heute eine thatsächliche Grenzscheide zwischen den
Kohlen führenden Culm- und Carbonablagerungen des mährisch-schlesisch-
polnischen Steinkohlenbeckens und dem viel jüngeren Karpathensand-
steine.
Die besagte Einsenkung ist nichts weniger als klar aufgeschlossen.
Diese Grenzscheide ist vielmehr durch eine sogenannte „Auflagerung“
(D. Stur, Die Culmflora der Ostrauer und Waldenburger Schichten.
Abhandl. d. k. k. geol. Reichsanstalt. 1877, Bd. VIII, H.2, pag. 252 [458]),
die aus Diluvial- und Tertiärgebilden zusammengesetzt zu sein pflegt,
ganz und gar verdeckt und nur langwierigen und kostspieligen Unter-
suchungen zugänglich.
Seit Hohenegger’s Zeiten haben die Montanisten es an Ver-
suchen nicht fehlen lassen, den sich hier der Erkenntniss der thatsäch-
liehen Verhältnisse in den Weg liegenden Schleier zu lüften. Doch bis
heute ist die südliche Grenze, bis zu welcher die Culm-Carbonablage-
rung reicht, und bis zu welcher es den Schürfern gelang, abbauwürdige
Kohlenflötze nachzuweisen, nicht wesentlich in der Richtung zum Kar-
pathensandstein hinaus gerückt worden.
Der Geologe findet in dem breit aufgelegten Karpathensandstein-
zuge keine Thatsache vorliegen, welche ihm darüber Bestimmtheit bieten
würde, dass die Culm-Carbonablagerung in dem ceolossalen Raume
zwischen dem Culm-Dachschiefergebirge bei Weisskirchen einerseits und
den krystallinischen Inselbergen der Tatra andererseits fehlen müsse.
Bei eingehenderer Betrachtung der durch viele Mühen der Geo-
logen zusammengetragenen Daten findet man allerdings um die west-
Jahrbuch der k.k. geol. Reichsanstalt. 1891. 41. Band. 1. Heft. (D. Stur.) 1
> D. Stur. [2
lieheren krystallinischen Inselberge der Tatra von PiStjan an bis an
den Ostfuss der hohen Tatra, auf der archäischen Ablagerung, keine
Culm-Carbongesteine folgen. Sie mangeln hier ganz und gar und was
wir daselbst bemerken konnten, liess sich in Ermanglung sicherer Culm-
und Carbonpetrefakten höchstens für Rothliegendes erklären.
Erst viel östlicher, namentlich bei Dobschau und von da östlich
bis in die Gegend von Kaschau (D. Stur, Bericht über die geologische
Aufnahme der Umgebung von Schmölnitz und Gölnitz. Jahrb. d. k.k.
geol. Reichsanstalt. 1869, Bd. XIX, pag. 404) kennen wir Conglomerate,
Sandsteine und Schiefer, wovon die letzteren an den Culm-Dachschiefer
erinnern, wovon die Sandsteine grosse Producten, auch andere Kohlen-
kalk-Brachiopoden, am häufigsten aber Reste von mitunter grossen Cri-
noiden führen, die wir vorläufig als der Steinkohlenformation im Allge-
meinen angehörig (Gailthaler Schiefer) betrachtet haben. Wir erhielten
namentlich aus Dobschau in neuester Zeit eine sehr werthvolle Suite
dieser Petrefakten, die uns die älteren Funde in unserem Gedächtnisse
auffrischten.
Diese Produeten führenden Gesteine lassen sich, obwohl deren
Petrefakten zur Vornahme der Bestimmung derselben bisher Niemanden
eingeladen haben, doch in keiner Weise mit jenen marine Thierreste
führenden Einlagerungen der Ostrauer Schichten, die früher aus Ober-
schlesien von Römer, später aus dem Idaschachte bei Hruschau aus
unserem Gebiete von mir bekannt gegeben worden sind, für ident zu
erklären; vielmehr liegt es viel näher, diese grosse Producten enthal-
tenden Gesteine von Dobschau und Umgebung mit der bekannten Berg-
kalkfauna von Altwasser in Niederschlesien in Vergleich zu nehmen,
folglich in den Steinkohlengesteinen östlich der hohen Tatra, Repräsen-
tanten des Liegenden des Kohlen führenden Culmearbons, also in
weiterer Linie als Vertreter des Culm-Dachschiefers zu betrachten.
Eine dritte Thatsache liegt uns aus noch östlicherer Gegend vor,
die ich hier auffrischen möchte — über ein Vorkommen von Schiefern
mit Pflanzen, die dieselben unzweifelhaft dem Carbon zuweisen. Nach
Notizen und Aufsammlungen von P. Partsch hatte die k. k. tech-
nische Commission im Jahre 18356 bei Zemplin westlich im dortigen
Schiefer Pflanzenreste gefunden, und zwar Reste von Asterophyl-
lites und von Pecopteris, die das Carbonalter der betreffenden Ab-
lagerung ausser Zweifel stellen. Das Gestein ist ein glimmeriger, ganz
schwarzer Schiefer, die Pflanzen weiss in Kalk versteinert, jedoch nicht
so glänzend wie alpine Anthraeitschiefer. (Abhandl. d. k. k. geol. Reichs-
anstalt. Bd. VIII, Heft 2. Die Culmflora der Ostrauer und Waldenburger
Schichten, pag. 318.)
Der letzterörterte Carbonpflanzenfund ist geeignet zur Annalıme
zu drängen: Dass auf die Ablagerung des Dobschauer und Kaschauer
Producten-Culm ebenso eine Culm-Carbonablagerung mit Kohlenflötzen
im Nordosten und Norden von Zemplin folgen könne, wie wir -eine
solehe Folge über dem Culm, von Bobrownik an, über Ostrau und Kar-
win kennen.
Da nun aber der Pflanzenfundort von Zemplin, südlich des Kar-
pathensandsteinzuges, an der Südseite desselben vorliegt, so werden
wir in diesem Falle gedrängt anzunehmen, dass die Culm-Carbonablage-
[3] Die Tiefbohrung bei Batzdorf nördlich bei Bielitz-Biala. 3
rung die ganze Breite des Karpathenzuges unterteufe und vom Nord-
rande desselben bei Ostrau-Karwin bis an dessen Südrand bei Zemplin
ausgedehnt sein könne.
Während also der Mangel an Culm-Carbongesteinen (OÖstrauer und
Schatzlarer Schichten) an der westlichen Reihe der krystaliinischen
Inselberge der Tatra uns an jene Stellen des böhmischen Massivs er-
innert, an welchen, wie bei Zöbing, Hurr bei Budweis, bei Schwarz-
Kosteletz, ferner bei Starkenbach und Hohenelbe in Nordböhmen, über
dem archäischen Grundgebirge fast unmittelbar die Ablagerung des
Rothliegenden folgen und Culm und Carbon fehlen — spricht die Pflanzen-
fundstelle bei Zemplin zu Gunsten der Annahme: Dass das weite Ge-
biet des Karpathensandsteines in seinem Untergrunde ausgedehnte Flötz
führende Culm-Carbongebiete bergen könnte.
Und so sehen wir an der Linie der Nordbahn die Wünsche der
Montanisten und das Sehnen der Geologen nach Aufschluss vereinigt
zum gemeinsamen Vorgehen.
Vor einigen Tagen wurde mir die Nachricht überbracht, dass in
letzter Zeit bei Bialite; und zwar bei Batzdorf zwischen Bielitz und
Dzieditz, ein Bohrloch bis in die Tiefe von 222 Metern niedergebracht
wurde, ohne ein erwünschtes Resultat erreicht zu haben.
Die Bohrung wurde auf die Thatsache basirt, dass bei Goczalko-
witz, Pless südlich, Bielitz nördlich, 3—4 Steinkohlenflötze unweit der
Grenze Oberschlesiens bekannt seien — es daher kaum anders sein
könne, als dass man auch südlich dieser Grenze in unserem Gebiete
Kohlenflötze erschürfen müsse.
Die mitgebrachten Bohrproben lehren Folgendes:
Teufe 20 Meter. Grauer Schiefer und glimmeriger, lichter Sandstein;
ein kleines Quarzgerölle lag der Probe bei.
„ .20—22 Meter. Detto.
»„ 22 Meter. Grauer Sandsteinschiefer.
a 2 EBaHRER Aufgelöster, weicher, grauer Schiefer.
TE RR Wie 20—22 Meter.
» 34, Wie 22 Meter.
hist, Roth, grau und braun gebänderter weicher
Schiefer.
150 VI Lichtgrauer harter Mergel, splitterig mit Harnischen.
eb, Detto.
5 net 3 10 EERSTAER Weissgrauer, weissglimmeriger, feinkörniger Sandstein.
ar 3 Liechtbrauner, dichter Kalkmergel.
0 Bu Detto.
a Lichtgrauer, dichter glimmeriger Sandstein, dicker
geschichtet als bei 58 Meter.
en, Fein zerstossene Probe mit licht- und dunkelgrauen
Schieferbröckelcher.
„..80—86 Meter. Detto.
„ 86 Meter. Wie 79, zweifärbig, grau.
ST Baur, Einfärbig dunkelgraue Probe von Schiefer.
nt Der Lichtgrauer Mergel, roth gestreift.
11 cnng Dunkel- und liehtgrau gefärbte Mergelprobe, plastisch,
wenn nass.
”
1
4 D. Stur. [4]
Teufe 114 Meter, Zweifärbig grau, lichte und dunkle Bröckchen.
LREBRG vu... Dunkelgrauer Mergelschiefer mit Kalkspathadern.
„ 120—127 Meter. Grauer Sandsteinschiefer mit Kalkspathadern.
„ 137 Meter. Detto.
nn 1 6 Dunkelgrauer, splitteriger Schiefer mit Glimmer.
180 5 Weicher, dunkler Schiefer.
Br, Dunkler Schiefer mit Kalkspathadern.
u, Dunkler Sandsteinschiefer mit Kalkspathadern und
Glimmer.
ABB lı,, Bituminöser Sandsteinschiefer mit Kalkspath.
222 Detto.
n
Wie man den vorangehenden Daten entnehmen kann, hat das
222 Meter tiefe Bohrloch vorherrschend graue, schieferige Gesteine mit
Kalkspathadern durchteuft. Einige Abwechslung in der Schichtenreihe
bemerkt man darin, als an zwei Stellen, bei 58 und 69 Meter, ein auf-
fallend lichter, glimmeriger, feinkörniger Sandstein erbohrt wurde und
überdies die verquerte Schichtenreihe bei 39 und bei 106 Meter ziegel-
oder dunkelroth und braun gefärbte Gesteine wahrnehmen liess.
Jenen Proben, die grössere Bruchstücke der betreffenden Gesteine
darstellen, sieht man es gleich beim ersten Anblieke an, dass die ver-
querte Schichtenreihe den Gebilden des Karpatbensandsteins angehört.
Auf unseren Karten finden wir sie mit der Farbe „Alttertiärer Sand-
stein und Schiefer“ bezeichnet.
Nach dem Gesammteindrucke der erhaltenen Proben bin ich ge-
neigt, in der betreffenden Schichtenreihe die jüngsten Schichten des
tertiären Wiener Sandsteins, denen auch rothe, überhaupt bunte Schiefer
eingeschaltet sind, zu erkennen.
Die Mittheilung, dass die Bohrung häufig mit Nachfall zu thun
hatte, und dass steil aufgerichtete Schichten durchgebohrt werden
mussten, lässt auf gestörte Lagerung der verquerten Schichtenreihe
schliessen.
Wer den eben erörterten Bohrversuch und sein Resultat zur Kennt-
niss nimmt, der ist gewiss zu entschuldigen, wenn er nur diesen Fall vor
Augen habend und kennend, sich der Behauptung ergibt, dass in der
hier in Rede stehenden Terrainsdepression und namentlich südlich dieser
Tiefenliniemäher zum Karpathensandsteingebirge, vom Kohlenindustriellen
nichts mehr zu holen ist.
Der Geologe darf in diesem Falle nieht säumen, die ihm be-
kannten einschlägigen Thatsachen zu erörtern, die geeignet sind, vor
einem voreiligen Abschlusse der Bemühungen, die Culm-Carbonschichten
näher dem Karpathensandsteingebirge zu erforschen, zu warnen.
Es war im Jahre 1874, als mir eine Suite von Carbonschichten
zur Bestimmung eingesendet wurde, die meine Aufmerksamkeit sehr
lebhaft zu erregen geeignet war.
Die Suite enthielt durchwegs unzweifelhafte Arten der Schatzlarer
Schichten, aus einer Gegend, in weleher nur die Gesteine des Culm-
Dachschiefers und Devongesteine bis dahin bekannt waren. Diese That-
sache erschien mir um so wichtiger, als gleichzeitig das Mitvorkommen
von Kobhlenflötzehen notifieirt wurde — hier also ein unerwartetes und
ungeahntes Vorkommen von Schatzlarer Carbon vorlag, Wer es aus
[5] Die Tiefbohrung bei Batzdorf nördlich bei Bielitz-Biala. 5)
Erfahrung weiss, welche colossalen Massen von ausgezeichneten Stein-
kohlen die Schatzlarer Schiehten überall bergen, wo sie anstehen, z. B.
in Schatzlar und in Preussisch-Niederschlesien, in Karwin und in Ober-
schlesien, in Frankreich, in Belgien, in England und Westphalen, der
wird meine Aufregung in Folge dieser Bekanntgabe begreifen.
An Ort und Stelle angelangt, sah ich also gleich, dass das Vor-
kommen am SträZberge bei Chorin am linken Ufer der Bedva zwischen
Hustopetsch und Wallachisch-Meseritsch gelegen, deın Karpathensandstein-
gebiete angehört — und diese Thatsache war geeignet, meine lebhaften
Hoffnungen bis auf Null herabzustimmen.
Immerhin durfte ich die Möglichkeit, dass hier die Karpathen-
sandsteingebilde nur oberflächlich auflagern und wie den Culm-Dach-
schiefer, so auch die Schatzlarer Carbonschichten nur oberflächlich über-
deeken könnten, nicht aus den Augen lassen — um so mehr, als die
vorläufigen Schurfarbeiten an mehreren Stellen die Schichten entblösst
hatten und ich hier eigenhändig in den zwischen den lichten Sand-
steinen eingeschalteten Schieferthonschichten sammeln konnte, in welchen
die Schatzlarer Pflanzenarten reichlich abgelagert zu finden waren.
Ich will an dieser Stelle den Gang der Untersuchung am Sträz-
berge nur kurz und so weit skizziren als es nöthig ist, das erhaltene
Resultat zu charakterisiren.
Es wurde am Sträzberge ein Schacht abgeteuft. Dieser stand bis
zu der Teufe von 30 Klaftern in einem Gebilde, das sich vorherrschend
als ein plastischer Thon präsentirte und von den Arbeitern Tegel be-
nannt wurde. Dieser Tegel war gleich vom Tage an mit verschieden-
artigsten Gesteinsblöcken derart gespickt, dass diese faust- und kopf-
grosse, auch grössere Blöcke nach der Teufe häufiger wurden.
In der Tiefe von 25 —30 Klaftern mehrten sich die Blöcke be-
deutend und während diese früher hauptsächlich aus Teschenit oder
Pikrit bestanden, wurden in der Teufe von 25—30 Klaftern hauptsäch-
lich Bruchstücke von Kohlensandstein, von Schieferthon und daran
haftender Kohle bemerkt.
In der 30. Klafter fuhr man ein wohl geschichtetes Kohlengebirge
an, welches den ganzen Lichtraum des Schachtes einnahm. In der
Teufe von 32 Klaftern wurde in der Sohle abermals der die Gesteins-
trümmer enthaltende Tegel sichtbar und man sah ihn bis zur Teufe
von 34 Klaftern immer mehr und mehr in den Liehtraum des Schachtes
nach Südost, die Kohlengesteine verdrängend, fortschreiten, so dass
fast nur der halbe Schachtraum noch anstehendes Kohlengestein zeigte.
In der 35. Klafter trat wieder der Tegel nach Nordwest zurück, so
dass in der 36. Klafter der Teufe abermals der Schacht ganz in Kohlen-
gesteinen stand und zugleich hatte man an der Schachtsohle ein Kohlen-
flötz von 26 Zoll durchschnittlicher Mächtigkeit aufgeschlossen.
Von nun an war Streichen und Fallen des Flötzes klar geworden
und man konnte das Streichen in h 16—17, das Verflächen nach
h 21—22 unter 46—47 Grad abnehmen.
Bei fortgesetzter Teufung des Schachtes sah man leider bald,
dass im Liegenden des Flötzes der Schieferthon nur eirca 8 Zoll stark
war und unter dem Schieferthone abermals der Tegel mit Gesteins-
trümmern folgte. Gleichzeitig wurde der Tegel unter dem mit gleichem
6 D. Stur. [6]
Streichen und Fallen fortsetzenden Flötze immer mächtiger, so dass
schon in der 39. Klafter der Schacht bereits ganz im Tegel stand,
während das Kohlengebirge, seinem Fallen entsprechend, schief in Südost
nach der Tiefe fortsetzend, seitwärts aus dem Bereiche des Schachtes
gelangt war und man gezwungen wurde, mit einer Auslenkung das
Flötz zu verfolgen. Da nun der weiter durch viele Klafter abgeteufte
Sehacht nur noch den Tegel und kein Steinkohlengebirge mehr fand,
so wurde es bald klar, dass das durch den Schacht getroffene Kohlen-
gebirge als ein isolirtes Trumm, vom Tegel rundum umschlossen, auf-
zufassen sei. Die weiteren Arbeiten haben es bis zur Evidenz erwiesen,
dass das Kohlengebirgstrumm nach allen Richtungen, sowohl nach dem
Streichen als Verflächen vom Tegel umschlossen und begrenzt sei,
namentlich keine Fortsetzung nach irgend einer Richtung habe.
Von Wichtigkeit kann nur noch die Nachricht sein. dass man bei
Verfolgung des Flötzes nach allen Richtungen, indem man es voll-
ständig abgebaut hatte, angeblich 26.000 Centner Kohlen gewonnen hatte.
Der gänzliehe Ausbau des Kohlenflötzes innerhalb des Kohlen-
gesteinstrummes brachte somit dieselbe Thatsache zur Kenntniss, wie
an vielen anderen Stellen des Karpathensandsteinzuges der zum Behufe
der Gewinnung von Kalk erfolgte gänzliche Ausbau einer oder der
anderen Kalkblockklippe, nach welcher nichts weiter als der Hohl-
raum zurückbleibt, in welchem die Blockklippe plaeirt war.
Der Fund von Pflanzenresten der Schatzlarer Carbonschichten am
Sträzberge bei Chorin führte also in seinen Consequenzen zur sicheren
Erkenntniss, dass in der besagten Einsenkung, und zwar sogar im
Gebiete des Karpathensandsteins, Kohlenflötze enthaltende
Blockklippen des Schatzlarer Carbons eingeschlossen vorkommen.
Durch die Verfolgung des Vorkommens der Schatzlarer Pflanzen
am Sträzberge ist ferner jene Annahme, dass in dem weiten Gebiete
des Karpathensandsteinzuges die Culmearbonablagerung ausgedehnt
vorkommen könne, zur Thatsache geworden.
Freilich ist die Bedeutung dieser Thatsache dahin zu beschränken,
dass bisher nur einige solche grössere oder kleinere Blockklippen und nur
in der nächsten Umgebung von Chorin- Hustopetsch sicher nachgewiesen
erscheinen. Man hat nämlich in einem zweiten Schachte unweit westlich
vom Sträzberge eine grössere Blockklippe des Schatzlarer Carbongesteins
und eine viel kleinere dritte Blockklippe im Osten des Sträzschachtes
im Gehänge zur Be@va, in einem tonnlägigen kleinen Schachte auf-
geschlossen, in welchem ich selbst Kohlenschmitzen besichtigte und
Schatzlarer Pflanzen sammelte. Endlich geht eine sogenannte Sage im
Volksmunde um, dass vor Jahren im Nordosten bei Perna eine vierte
Bloekklippe erschürft worden war, aus welcher man auch Steinkohle
gewonnen hatte.
Dem Geologen drängt sich zunächst die Frage auf: Woher können
die Carbon - Blockklippen in der Gegend von Chorin - Hustopetsch
stammen ?
Die sich bei der Beantwortung dieser Frage aufdrängende wichtigste
Thatsache ist jedenfalls die: Dass die Blockklippe am Straäberge
26.000 Centner Kohle geliefert hat, also eine sehr beträchtliche Grösse,
vespeetive Inhalt besitzen musste.
[7] Die Tiefbohrung bei Batzdorf nördlich bei Bielitz-Biala. 7
Diese Grösse der Blockklippe hat nichts Ungewöhnliches an sich.
Man kennt ja Kalkblockklippen, die schon seit einem halben Jahrhundert
im Abbau begriffen sind.
Weit auftälliger ist an der Blockklippe am Strääberge die äussere
Gestalt, in welcher sie sich bei dem Abteufen des Schachtes dem Beob-
achter präsentirte. Man sah, dass die Blockklippe scharfe vorspringende
Eeken besass, was namentlich in der 35. Klafter klar hervortrat ; diese Ecken
wurden von dem plastischen Thone so umschlossen und bewahrt, dass
das an dieser Ecke erschürfte Kohlenflötz gar keine Spur von irgend
welcher Zerstörung, mechanischer Abreibung oder Umwandlung der
Kohle wahrnehmen liess, wie man solche z. B. an Kohlenausbissen zu
treffen gewohnt ist und unmittelbar als vorzügliches Brennmateriale
verwendet werden konnte. Man kann also bei dieser Beschaffenheit der
Aeusserlichkeit nicht daran denken, anzunehmen, dass diese Bloekklippe
von weitem hergebracht wurde. Ebenso eckig, nicht mit Gewalt ab-
gerundet, erschienen auch die anderen kleineren Blockklippen wo nach
Herausnahme einer Randpartie des Gesteins der Abdruck derselben im
Tegel sichtbar wurde und wo die Kohlensehmitzen bis an den Rand der
Blockklippe, ohne auch die geringste Veränderung zu zeigen, zu ver-
folgen waren.
Dann drängt sieh ferner die Ansicht dem Beobachter auf, dass
die Blöcke des Schatzlarer Carbongesteins schon längst abgelagert
waren, die Kohle der Schmitzen und des Flötzes genau die fertige
Beschaffenheit zeigte, wie wir diese in den Kohlenbauen von Schatzlar
oder Karwin zu schen gewohnt sind; dass also die Einbettung der
Blockklippen des Sehatzlarer Carbongesteins in den Tegel von Chorin
erst lange nach der Ablagerung des Carbons an Ort und Stelle statt-
finden musste.
Alle diese Thatsachen und Erwägungen drängen den Geologen
zur Annahme, dass, da die Blockklippen eckig, unabgerieben sind, die-
selben also nicht als von Weitem her transportirt erscheinen, die an-
stehende Formation, von welcher sie als Theile abstammen, nieht weit
weg von der Ablagerungsstelle derselben liegen könne.
Eine wichtige Einwendung gegen die letztere Annahme scheint
in der Thatsache zu liegen, dass die nächste Umgebung von Chorin
nur Culm-Dachschiefer- und ältere Gesteine anstehend zeigt und hier
überall die Ostrauer und Schatzlarer Schiehten weit und breit zu fehlen
scheinen, also das Vorkommen von Schatzlarer Carbonschichten hier un-
motivirt erscheint.
Thatsächlich liegt in der oft erwähnten Terrains-Einsenkung das
südliebste bekannte Vorkommen der Ostrauer Schichten bei
Schönbrunn, vom Strääberge 40 Kilometer entfernt; noch um 20 Kilo-
meter weiter nach Osten folgt erst das Vorkommen der Schatzlarer
Schichten bei Karwin.
Noeh wichtiger ist die Thatsache, dass die Ostrauer Schichten bei
Schönbrunn fast unmittelbar am Siüdostrande des Culmdachschiefers
angelagert erscheinen, dagegen die Karwiner Schatzlarer-Schichten von
demselben Südrande des Culmdachschiefers bei Sehönbrunn an 20 Kilo-
meter südlicher erst vorliegen.
N
D, Stur. [8]
Gegenüber diesen Thatsachen sollte man erwarten und finden,
dass bei Chorin-Hustopetsch auf den Culmdachschiefer von Weisskirchen
erst die Ostrauer Schichten, und erst in weiterer Entfernung nach Süd-
osten die Sebatzlarer Schichten folgen, während thatsächlich bei Chorin
die Ostrauer Schichten weder anstehend noch auch in Blockklippen
auftretend bisher gefunden wurden, und heute nur Blockklippen
des Schatzlarer Carbons, ganz nahe am Culmdachschiefer , angefahren
wurden.
Doch darf man dieser Thatsache nicht mehr Gewicht beilegen,
als ihr wirklich zukommt. Im niederschlesischen Becken und bei
Schatzlar liegen die Schatzlarer Schichten unmittelbar auf dem archä-
ischen Grundgebirge, also auf weit älterem Gebirge. ohne Zwischen-
einschaltung der Ostrauer Schichten ; sie können daher auch in der
Gegend von Weisskirchen, ohne Zwischenlagerung der Ostrauer Schichten
auf dem Culmdachschiefer selbstständig auftreten und wir können er-
warten, dass südlich von einer Linie, welche Chorin-Hustopetsch
mit Karwin verbindet, im Gebiete des Karpathensandsteines, diesen
unterlagernd, thatsächlich das Schatzlarer Carbon ansteht und von
diesem „Anstehenden“ die Blockklippen von Chorin - Hustopetsch
stammen.
Wem nun alle die bisher erwähnten Thatsachen bekannt sind,
der wird das Unternehmen: mittelst einer BohrungbeiBielitz
nördlich im @ebiete des Karpathensandsteins die Fort-
setzung des Ostrauer Culmcarbons zu entdecken, gewiss
motivirt finden, aber auch die Schwierigkeiten, die diesem Unternehmen
entgegenstehen, vollkommen würdigen können.
Zuerst sei jene Schwierigkeit klar gemacht, die der Untersuchung
mittelst Bohrlöchern das Treffen der Blockklippen in der Tiefe des
Gebirges verursacht.
Bei der Abteufung des Schachtes am Sträzberge war diese
Schwierigkeit handgreiflich demonstrirt. Wenn nämlich der Anschlags-
punkt des Sträzschachtes nur um einige Meter weiter in nordwestlicher
Richtung ursprünglich verlegt worden wäre, so hätte dieser Schacht
unmöglich die Carbon - Blockklippe treffen können, und wäre derselbe
ohne auch nur die geringste Spur von der Existenz dieser Blockklippe
mit 26.000 Gentner Kohlen, die ebenso gut auch weit grösser,
umfangreicher und kostbarer an Kohle hätte sein
können, zu erlangen, vorbeigefahren. Der Sträschacht hatte über-
dies die im Gehänge der Bedva bekannt gewesene kleine Klippe, die
eigentlich die Veranlassung zur Untersuchung gegeben hatte, auch nicht
getroffen.
Im Angesichte dieser Thatsachen kann man, ohne zu fürchten,
widerlegt zu werden, behaupten, dass auch das Bohrloch bei Bielitz
bei einer ganzen Anzahl von kohlenführender Blockklippen vorbei-
gefahren sei und dass im Falle ein Glückskind den Anschlagspunkt
des Bohrloches anders gewählt hätte, das Unternehmen zu einem glück-
lichen Resultate gelangt wäre.
Ebenso kann ein Befragter den Rath ertheilen: Man möge nur
noch weiter bohren, vielleicht gelingt es, in der Teufe von wenigen
Metern einen Kohlenfund zu machen.
[9] Die Tiefbohrung bei Batzdorf nördlich bei Bielitz-Biala. 9
Zugegeben, dass die Fortsetzung des Bohrloches bei Bielitz auf
Kohle stösst, wer wird heute den Muth finden zu rathen, man möge
pun mit einem 250 Meter tiefen Schachte nachfahren und den Fund
ausnützen, — im Angesichte der im Sträzschachte festgestellten Möglieh-
keit, dass der fertige Schacht an der Fundstelle eine Blockklippe mit
den Schatzlarer Schichten antrifft, aus welcher möglicher Weise
nicht einmal 26.000 Centner Kohle zu holen wären, —
im Falle nämlich, wenn die Blockklippe kleiner wäre, als jene, die
im Schachte des Sträzberges gefunden wurde.
Das Schicksal hat im vorliegenden Falle den Bergmann und den
Geologen Hand in Hand vor eine schwierige Aufgabe gestellt.
Die Untersuchung des Karpathensandsteinzuges, in welchem der
Strääschacht die Möglichkeit der Gewinnung namhafter Mengen von
ausgezeichneter Steinkohle gezeigt hat, — fallen lassen, bedeutet:
sich eines möglichen bedeutenden Gewinnes entschlagen.
Die Untersuchung des Karpathensandsteinzuges auf in ihm eventuell
enthaltene Steinkohlen in die Hand zu nehmen, bedeutet: eine
langwierige, kostspielige, vielen Wechselfällen ausgesetzte Unternehmung
zu beginnen, deren Endresultat nach bisher vorliegenden Er-
fahrungen sich durchaus noch nicht prälimiviren lässt.
Es wurde bisher nur ein einziger Versuch durchgeführt, und dieser
hat die Möglichkeit, einzelne Blockklippen mit Kohlen-
flötzen im Karpathensandsteinzuge zu finden, erwiesen,
in einem weiten Gebiete, in welchem bisher keine sichere Begründung
vorlag, auf welcher man die Annahme des Vorkommens von Kohle
überhaupt hätte basiren können.
Das Vorkommen der Blockklippen mit Steinkohlen führt uns, da
nämlich die colossalen Blöcke nicht von weitem hertransportirt sein
können, nothwendig zur Voraussetzung, dass auch das anstehende
Steinkohlengebirge nicht weit davon entfernt vorliegen könne.
Zunächst ist also die Vermehrung unserer Erfahrung und unserer
Kenntnisse von der inneren Beschaffenheit des Karpathensandsteinzuges
anzustreben. Wenn uns mehrere solche Fälle, wie der Sträzschacht,
bekannt sein werden, würden wir sicherer weiterschliessen können,
namentlich dann, wenn es erwiesen werden sollte, dass die Bloekklippen
nicht stets vereinzelt, sondern zahlreicher, gruppirt, oder gar in Reihen
gedrängt vorkommen, wie man dies ja von den neocomen und jurassi-
schen Blockklippen weiss.
Der Straääschacht hat ferner gezeigt, dass die Blockklippen nicht
in grosser Teufe, sondern theils ganz oberflächlich zu finden sind, oder
in einer mässigen Tiefe von 30—40 Klaftern erreicht werden können.
Thatsächlich hat dann die Fortsetzung des Schachtes bis zur Tiefe
von 137 Metern keine neue Beobachtung zu machen erlaubt, da bis
zu dieser Tiefe der Blöcke enthaltende Tegel durchfahren wurde und
keine weiteren Blockklippen getroffen wurden.
Hieraus könnte man die Lehre folgern, dass es nicht sehr tiefe
Bohrlöcher sein müssen, die man bei der Untersuchung des Blockklippen
führenden Terrains in Anwendung bringen sollte. Minder tiefe Bohr-
löcher sind verhältnissmässig viel weniger kostspielig und weniger
zeitraubend und können drei weniger tiefe Bohrlöcher mehr Aufschluss
Jahrbuch der k. k. geol. Reichsanstalt. 1891. 41. Band. 1, Heft. (D, Stur.) 2
10 D. Stur. | [10]
bringen, als ein einziges tiefes Bohrloch, wie es in dem vorliegenden Falle
bei Bielitz Thatsache ist.
Ferner wäre zu beherzigen, dass man der Feststellung des An-
schlagspunktes eines Bohrloches die möglichste Sorgfalt zuwende und
übertags genaue Nachsuchung anstelle, ob man in dem betreffenden
Terrain oberflächlieh sichtbare Blockklippen des Carbons nicht nach-
weisen könne. Am Strääschachte hatte die Erfahrung gezeigt, dass da
neben einer am Tage sichtbaren Blockklippe mehrere unterirdische
Blockklippen situirt waren, wovon eine auch vom Sträzschachte seitlich
angefahren wurde.
Erst wenn durch die Vermehrung der Bohrlöcher auch unsere
Erfahrung über die geologische Beschaffenheit des Karpathensandstein-
zuges gefördert und vermehrt sein wird, wird es vielleicht rathsam
erscheinen, an Hoffnung verheissenden Stellen auch tiefere Bohrlöcher
abzuteufen.
Der Geologe muss es im Interesse der Wissenschaft und der
Industrie wünschen, dass die Untersuchung des Karpathensandsteins
nicht fallen gelassen werde und hat mit der wahrheitsgemässen Dar-
legung der bekannten Thatsachen seine Aufgabe vorläufig erfüllt.
Beiträge zur Geologie von Galizien.
(Fünfte Folge.)
Von Dr. Emil Tietze.
M. Der Karniowicer Kalk.
Im verflossenen Sommer 1890 habe ich Gelegenheit gehabt, wenig-
stens für einige Tage wieder einmal die Umgebungen von Krakau zu
besuchen und bin dadurch in die Lage versetzt, Einiges zur Ergänzung
der Beschreibung beizutragen, welche ich in meiner grösseren Abhand-
lung von dieser Gegend gegeben habe. (Vergl.: Die geognostischen Ver-
hältnisse der Gegend von Krakau. Wien 1888, aus dem Jahrbuch der
k. k. geol. Reichsanstalt 1837, nebst Karte.)
Insbesondere interessirte mich die Frage nach dem Vorkommen und
dem Alter des sogenannten Karniowicer Kalkes, die ich in jener
Abhandlung als eine noch nicht abgeschlossene hingestellt hatte. Seit
jener Publieation nun haben andere Beobachter über diesen Gegenstand
weitere Untersuchungen gemacht und so hat auch Herr F. Bartoneec
in Sierza, Inspector der gräflich Potocki'schen Thon-, Eisen-, Galmei-
und Kohlengruben, mehrfache Begehungen des hier in Betracht kommen-
den Terrainabschnittes vorgenommen. Diese haben ihn mit den Aufschluss-
punkten des fraglichen Kalkes genauer bekannt gemacht, wie sich denn
der Genannte überhaupt, seit er die Leitung jener Bergbaue über-
nommen hat, auf das Eingehendste und in anzuerkennendster Weise
über die Verhältnisse jenes Gebietes zu unterrichten gesucht hat.
Von ihm erhielt ich auch eine Einladung, gewisse Theile eben
dieses Gebietes gelegentlich wieder zu besichtigen und seiner freundlichen
Begleitung verdanke ich, dass ich auf verschiedene Einzelheiten auf-
merksam wurde, die mir theilweise bei meiner früheren Bereisung jener
Landschaft entgangen waren. Zu diesen Einzelheiten gehörten nun auch
solche in der Gegend von Karniowice und Filipowice, aus welcher das
Auftreten des Karniowicer Kalkes bekannt ist.
Wir besuchten das Thal von Filipowice, wo zunächst bezüglich
der Verbreitung des produetiven Kohlengebirges (vergl. meine Arbeit
über Krakau, pag. 109, 113) einige Daten nachzutragen sind. Die aller-
dings sehr undeutlichen Spuren der Steinkohlenformation treten näm-
lich in etwas grösserem Umfange zu Tage, als dies auf meiner Karte
zur Darstellung gelangt ist.
Jahrbuch der k.k.geol. Reichsanstalt. 1891. 41. Band. 1. Heft. (E. Tietze.) DIE
12 Dr. Emil Tietze. [2]
Auf der Generalstabskarte, welche meiner Karte zu Grunde gelegt
ist, sieht man, und zwar bereits mehr im nördlichen Theile des Dorfes
Filipowice, aber noch südlich von der Thalgabelung, die im nördlichsten
Theile desselben Dorfes eintritt, einen trockenen Wasserriss gezeichnet,
welcher, von Westen kommend, auf der rechten Seite des Filipowicer
Baches einmündet und in Wirklichkeit nicht ganz trocken ist, sondern
ein kleines Bächlein führt. In der Nähe der Einmündungsstelle nun
steht auf der westlichen Thalseite eine kleine Partie des Kohlenge-
birges an, welches hier auch noch, wenngleich ebenfalls in wenig aus-
sedehnter Weise, auf der östlichen Thalseite bemerkt werden kann,
dort sogar mit Ausbissen von Kohle selbst. Diese letztere Stelle ist erst in
allerletzter Zeit von den Bauern aufgedeckt werden, zum Theil weil
nach einem Material zur Ziegelbereitung gesucht wurde, welches von
den lehmig zersetzten Schiefern der Kohlenformation geliefert wird.
Dieses Vorkommen wird hier ziemlich direet (das heisst unter
Zwischenschiebung nur ganz wenig mächtiger und vermuthlich auch noch
zum Carbon gehöriger Sandsteinlagen) von dem deutlich entwickelten
Conglomerat des Buntsandsteins bedeckt, welches man ganz in der
Nähe sogar im Bachbett anstehen sieht, wie denn auch meine
Karte hier auf der östlichen Thalseite die Anwesenheit dieses
Conglomerats zum Ausdruck gebracht hat. Nördlich von dem be-
schriebenen Punkte führt ein Weg westlich über den Berg in der
Richtung nach Psary und dem oberen Theil von Karniowice und wie-
derum etwas nördlich von der Abzweigung dieses Weges kommen noch
einige kleine, zum Theil überwachsene Kohlenhalden auf der westlichen
Thalseite vor, deren Anwesenheit leicht übersehen werden kann.
Es ergibt sich also, dass die Spuren der Steinkohlenformation
hier etwas weiter nach Norden reichen, als ich dies verzeichnet hatte.
Es ist allerdings heute schwer zu ermitteln, ob nicht an dem zuletzt
erwähnten Punkte die bewusste Formation erst in einer gewissen, wenn
auch sicher nicht bedeutenden Tiefe unter der Oberfläche ansteht, in
welchem Falle ihr Aufschluss durch den alten Grubenbau auf Grund
eines Versuches und nicht auf Grund unmittelbarer Anhaltspunkte statt-
gefunden hätte. Bei der flachen Lagerung, welche längs der Mitte des
Dorfes und darüber hinaus die Gebilde des Buntsandsteins beherrscht,
wäre es übrigens nicht auffallend, wenn das augenscheinlich überall
unweit der Thalsohle vorhandene Carbon mehrfach in die Nähe der
Oberfläche träte. Das allgemeine Bild aber, welches ich (pag. 111
meiner Monographie) von dem Profil von Filipowice entworfen habe,
wird keinesfalls durch die hier mitgetheilten Beobachtungen verändert.
Wir behalten einen Schichtensattel vor uns, an dessen Basis die Kohlen-
formation nachgewiesen erscheint, über welcher zunächst die permo-
triadischen Absätze und dann sowohl nach Norden wie nach Süden zu
die verschiedenen in dieser Gegend vorhandenen, späteren mesozoischen
Bildungen bis zum Jura einschliesslich folgen.
Dass übrigens der Jura in der Richtung nach Lgota, das ist nach
Norden zu, wenigstens ursprünglich vollständiger entwickelt gewesen
sein mag, als dies vielleicht aus meiner Karte hervorgeht, möchte ich
schon’ aus der mir gewordenen Mittheilung schliessen, dass in einem
Stollen dicht bei dem Steigerhause in der Colonie Galman, inmitten
[3] Beiträge zur Geologie von Galizien, 13
eines, wie ich mich persönlich überzeugte, hauptsächlich aus triadischen
Gesteinsbrocken bestehenden Gebirgsschuttes nahe der Oberfläche des
dortigen Galmeigebirges auch einige Fossilien der Baliner Oolithe gefunden
wurden, die offenbar einer ehemals dort verbreiteten, später zerstörten
Ablagerung angehörten. Damit wird der Schluss nahe gelegt, dass auch
die von mir bei Niesulowice und Lgota, inmitten einer diluvialen Sand-
bedeckung, angegebenen Vorkommnisse des oberen Jura den braunen
Jura ebenso im Liegenden haben, wie er im südlichen Theile des
Filipowicer Thales im Liegenden des oberen Jura sich befindet.
Um nun aber endlich auf den Karniowicer Kalk des Filipowicer
Thales zu kommen, so sahen wir denselben in der Nähe jener oben
bereits erwähnten Thalgabelung im nördlichsten Theile des Dorfes her-
vortreten, und zwar ganz in der Nähe der Vereinigungsstelle der beiden
Quellbäche des Filipowicer Baches, zunächst im östlichen (ungefähr in
der Richtung von Östreänica herkommenden) Bache, wo er an zwei
Punkten sichtbar wird, getrennt durch eine kleine Partie von Por-
phyrtuff und überlagert von einer wenig mächtigen Bank des Conglo-
merates. Der Kalk besitzt eine nur geringe Mächtigkeit.
Ein anderer Punkt des Auftretens dieses Kalks befindet sich im
unteren Theil des westlichen (in der Richtung von Galman herkommen-
den) Quellbaches, etwa 150 Schritte ober der Vereinigungsstelle der
beiden Quellbäche. In diesem, namentlich nach aufwärts zumeist aus-
getrockneten Bache sind die Aufschlüsse sehr mangelhaft und überdies
nur auf den Wassereinriss selbst beschränkt, während die Gehänge,
wie dies meine Karte angibt, von Löss eingenommen, bezüglich auch
von Wald bekleidet werden, der jeden weiteren Einblick in die Zu-
sammensetzung des Gebirges verhindert. Immerhin deuten herumliegende
Rollstücke an, dass hier der Kalk zunächst wieder von einer Conglo-
meratbank bedeckt wird. Nasse Stellen darüber könnten auf die An-
wesenheit einer wasserundurchlässigen Thonlage bezogen werden. Noch
weiter hinauf in dem Einriss liegen einige Stücke von Porphyrtuff
herum, bis schliesslich nach oben, gegen das Ende des Waldes zu, einige
Spuren von Röthdolomit auftreten, ziemlich übereinstimmend mit der
Position, in der man nach dem bisherigen Kartenbilde das Vorkommen
dieses Dolomits über den Porphyrtuffen in Ergänzung dieses Bildes zu
erwarten hatte.
Wiederum ein anderes Vorkommen des Karniowicer Kalks ist
etwas westlich von der Mitte des Dorfes Filipowice zu beobachten, und
zwar in jener kurzen Schlucht, welche zunächst südlich von den früher
geschilderten Kohlenausbissen in den Filipowicer Bach mündet (also
direet südlich von jenem auf der Karte als trockener Wasserriss ge-
zeichneten Bächlein). Am oberen Ende der genannten Schlucht befindet
sich ein Steinbruch, der eine interessante Schichtenfolge blosslegt. Unten
sieht man bunten Sandstein. Darüber folgt ein etwa 2 Fuss mächtiges
Conglomerat , bedeckt von einer ebenfalls nicht mächtigeren Lage von
Porphyrtuff, in welchem sich bereits Kalklinsen eingeschaltet finden.
Darauf folgt die compaete Hauptmasse des Kalkes, ungefähr 4 Meter
mächtig, und über dieser kommt noch eine schwache Lage von rothem
Porphyrtuff, der hier das Schichtenprofil vorläufig abschliesst, soweit
dasselbe nämlich durch die Steinbruchsarbeiten aufgeschlossen ist. Man
14 Dr. Emil Tietze. [4]
erkennt indessen weiter nach der Höhe fortschreitend, dass über den
aufgezählten Schichten wieder Conglomerate auftreten. Der Kalk ent-
hält an dieser Stelle Spuren von Pflanzenabdrücken, zumeist schilfartigen
Gebilden, die man, ohne dass ich hierauf besonderen Werth legen will,
versucht sein könnte mit dem Yuceites des Voltziensandsteines zu
vergleichen.
Man kann nun eine Strecke lang den Weg verfolgen, welcher
oberhalb der zuletzt beschriebenen Schlucht, an einem auf der Höhe
stehenden Kreuz vorbei, gegen Psary zu führt. k
In der Nähe dieses (auf der Generalstabskarte angegebenen)
Kreuzes sieht man noch Spuren des conglomeratischen, dem Buntsandstein
angehörigen Schotters. Bald westlich dahinter gelangt man zu den oberen
Verzweigungen, bezüglich Anfängen einer bewaldeten Schlucht, welche
bereits in das Karniowicer Thal, und zwar westlich von Dulawa, mündet.
In allen Verzweigungen dieser Schlucht (es sind deren etwa fünf)
ist der Karniowicer Kalk entblösst. In der östlichsten Schluchtabzweigung,
zu welcher man auf dem angegebenen Wege zuerst gelangt, sieht man
von oben hinabsteigend zuerst Porphyrtuff, zum Theil Stücke eines festeren
Porphyrs enthaltend, welcher dem Gestein von Miekinia ähnelt, darunter
eine schwache Partie von Conglomerat und darunter dann den Karnio-
wicer Kalk, welcher seinerseits von buntem Sandstein unterteuft wird.
In der zunächst westlich davon folgenden Schluchtverzweigung liegt
ebenfalls Sandstein unter dem Kalk, doch erscheint der Sandstein hier
mit thonigen und tuffigen Zwischenlagen durchsetzt und über dem Kalk
liegt direet Porphyrtuff.
In den übrigen (noch westlicher gelegenen) Schluchtabzweigungen
ist nur der Kalk deutlicher entblösst und sind die übrigen Gesteine in
Folge von Verschüttungen und Bewachsung des Terrains nicht genügend
aufgeschlossen, um eine genaue Reihenfolge derselben ermitteln zu
lassen. Hier in dieser Gegend kann man im Kalk noch am meisten
Pflanzenreste finden. Doch sind einigermassen deutliche Stücke, wie es
scheint, grosse Seltenheiten. Unter den Exemplaren, die ich selbst mit-
bringen konnte, ist die Gattung Taeniopteris und sehr wahrscheinlich
(nach freundlicher Bestimmung Stur’s) auch Zamites vertreten. Andere
Stücke erwiesen sich als gänzlich unbestimmbar.
Alle die bisher erwähnten Vorkommnisse von Karniowicer Kalk
sind nun zweifellos dem Schichteneomplex zuzutheilen, welchen ich ‚als
Perm-Buntsandsteinformation angesprochen habe. Die Zwischenschiebung
des Kalkes zwischen die Sandsteine, Conglomerate und Porphyrtuffe dieses
Complexes ist eine ganz evidente.
Anders verhält es sich mit denjenigen bisher zum Karniowieer
Kalk gestellten Bildungen, welche die an Masse bedeutendsten und auf-
fälligsten Partien dieses angeblichen Schichtenhorizontes ausmachen und
welche theils zwischen Filipowiee und Miekinia, theils östlich oberhalb
Karniowice felsbildend auftreten.
Für diese letzteren Partien, von welchen ich diesmal allerdings
nur die Felsen bei Karniowice nochmals zu besuchen Zeit hatte, möchte
ich nunmehr mit ziemlicher Sicherheit ein höheres Alter annehmen und
sie als klippenartige Kuppen des Kohlenkalks auffassen, welche inmitten
der Absätze der Perm-Buntsandsteinformation auftauchen.
[5] Beiträge zur Geologie von Galizien. 15
Es bestehen, wie ich schon in meiner grösseren Arbeit ausführte
(l. e. pag. 104—106, vergl. pag. 112), zu bedeutende Schwierigkeiten für die
Deutung der Lagerungsverhältnisse, wenn man diese Kalke als Einlage-
rungen in die genannte Formation auffassen will. Dieselben sind überdies
an den Stellen ihres Aufschlusses mächtiger als die früher beschriebenen
Kalkbänke. Aber trotz dieser Mächtigkeit setzen sie sich rechts und
links von jenen Aufschlüssen nicht fort, was sie doch thun sollten,
wenn sie einer zwischen die Schichten des Buntsandstein eingeschobenen
Bank angehörten. Wenn die echten Karniowicer Kalke allerdings auch
nur in der Art auftreten, dass sie auf der Karte als kleine unbe-
deutende Fleckchen dargestellt werden müssten, so liegt dies daran,
dass die Entblössung dieser Bänke in zumeist schmalen Erosionsfurchen
erfolgt ist, zwischen welchen das Terrain verdeekt bleibt. Beiderseits
soleher Schluchten muss dann natürlich jede Spur der bewussten Bänke
verschwinden. Die jetzt in Rede stehenden Kalke dagegen bilden Kuppen
und Felsen auf schon an sich erhöhten Terrainstellen. Ihre Fortsetzung,
wäre sie wirklich vorhanden, müsste sich an den betreffenden Gehängen
bemerkbar machen, weil kein Grund ersichtlich ist, warum gerade
einzelne Stellen dieser Gehänge zur Bildung kuppenförmiger Hervor-
ragungen und Aufschlüsse dieser Kalke prädisponirt gewesen sein
sollten. Unter sonst gleichen Verhältnissen müssten die letzteren an
diesen Gehängen längs ihrer ganzen Erstreckung felsbildend auftreten,
anstatt, wie dies thatsächlich geschieht, in der Umgebung jener Klippen
spurlos zu verschwinden, während doch Spuren anderer Gesteine (Conglo-
merate und dergleichen) daselbst zu finden sind.
Zudem ist eine gewisse petrographische Aehnlichkeit dieser klippen-
förmig auftretenden Kalke mit gewissen helleren Varietäten des Kohlen-
kalks der Gegend von ÜCzerna vorhanden, während andererseits eine
Verschiedenheit derselben gegenüber den oben erwähnten Kalken des
bunten Sandsteins herausgefunden werden kann. Diese Kalke des Bunt-
sandsteins, für welehe man in Zukunft den Namen Karniowicer Kalk
ausschliesslich zu verwenden haben wird), haben fast überall einen
gelblichen oder auch gelbröthlichen Farbenton und zeigen überdies eine
eigenthümliche, den besprochenen Klippenkalken in geringerem Grade
zukommende Durchlöcherung, durch welche sie trotz ihres sonst zucker-
körnigen oder fast krystallinischen Aussehens ein wenig an Kalkiuffe
erinnern, mag auch ein zelliges Aussehen namentlich bei dolomitischen
Kalken anderwärts auch echt marinen Bildungen nicht fehlen. Ihnen
gehören dafür allein und ausschliesslich die etwa aufzufindenden
Pflanzenspuren an, während man beispielsweise an dem Felsen östlich
von Karniowice vergeblich nach Pflanzen suchen wird. Die bereits
von Hohenegger und Fallaux (Geognostische Karte des ehe-
!) Dr. Gürich hat in den Erläuterungen zu seiner kürzlich erschienenen
Karte von Schlesien (Breslau 1890) den Namen „Karniowicer Schichten“ in einem sehr
weiten Sinne gebraucht, indem er darunter die ganze Buntsandsteinformation, bezüg-
lich das damit eventuell verknüpfte Perm des Krakauer Gebietes im Allgemeinen ver-
standen hat. Auch Zareczny hat neuerdings eine ähnliche Bezeichnungsweise einge-
führt. Ich habe bereits in einem Referat (Verhandl. d. k. k. geol. Reichsanstalt. 1890,
pag. 276) Gelegenheit genommen, auf die Unzukömmlichkeit dieses Vorganges hinzuweisen,
welcher der mit dem Namen Karniowice verbundenen, ausschliesslich an die dortigen
Kalke anknüpferden Tradition widersprechend nur zu Verwechslungen führen könnte.
16 Dr. Emil Tietze. [6]
maligen Gebietes von Krakau. Wien 1866, pag. 14 der Erläuterung)
angedeutete Vermuthung, dass die der Buntsandsteingruppe dieses
Gebietes untergeordneten Kalke Süsswasserabsätze!) sein könnten, liegt
jedenfalls bei diesen echten Karniowicer Kalken ziemlich nahe, während
man bei den bisher irrthümlich hierher gerechneten Bildungen eher
nach Korallen oder dergleichen zu suchen versucht sein könnte.
Die bereits ziemlich alte Ansicht Alth’s (Poglad na geologie
Galieyi zachodniej in den sprawozdanie komisyi fizyografieznej. Krakau
1872, pag. 99), welche ich in meiner Arbeit der weiteren Prüfung
empfabl, dass nämlich unter der Bezeichnung Karniowicer Kalk zwei
verschiedene Ablagerungen zusammengefasst worden seien, gewinnt nach
dem Gesagten jedenfalls sehr an Wahrscheinlichkeit, wenn auch die soeben,
gleich wie die bereits vor einigen Jahren von mir zu dieser Frage bei-
gebrachten Gesichtspunkte zunächst nur den Lagerungsverhältnissen
entnommen sind. Es scheint aber, dass ziemlich bald nach meiner
ersten Bereisung dieser Gegend auch von anderer Seite und ganz unab-
hängig von mir eine ähnliche Auffassung befürwortet werden konnte,
wie aus gewissen vorläufigen Bemerkungen Zareezny'’s in dessen Arbeit
über das Krakauer Devon hervorgeht (vergl. Jahrb. d. k. k. geol.
Reichsanstalt. 1888).
Der Genannte erwähnte damals (l. e. pag. 48), dass nach seiner
Ansicht die Darstellung der Verbreitung des Kohlenkalks auf den bis-
herigen Karten des Krakauer Gebietes mancher Aenderung bedürfen
werde. Unter Anderem seien echte Kohlenkalke „unter fremdem Namen
als Karniowicer Kalk“ eingezeichnet worden. Dieser Auffassung hat der-
selbe Autor neuestens nochmals bestimmteren Ausdruck gegeben, in
einer in polnischer Sprache erschienenen Arbeit, betitelt: „Studyja
geologiezne w Krakowskim okregu“ (pag. 6 in der oben schon genannten
Zeitschrift „Sprawozdanie Komisyi fiziografieznej“, Krakau 1889). Er
schreibt dort, er finde es „etwas sonderbar“, dass die pittoresken Felsen
im Kamienica-Thale vor Filipowice zu den Karniowicer Kalken ge-
zählt werden. „Trotz gänzlicher Uebereinstimmung aller bisherigen,
sowohl in der Karte als in den Beschreibungen gegebenen Bestimmungen,
muss dieser Kalk entschieden zu den Kohlenkalken gerechnet werden, denn
obwohl er auf den ersten Blick dem Karniowicer Kalke ähnlich ist, entbält
er doch unzweifelhafte marine Versteinerungen (Crinoiden, Pruducten,
Korallen zu der Art Syringopora retieulata gehörig ete.). Ein ähnlicher
Kalk, wahrscheinlich Kohlenkalk, bildet im Miekinia-Thale niedrige
Felsen, in denen ich jedoch trotz eifrigen Suchens ausnahmsweise bis
Jetzt keine Fossilien entdecken konnte. Ein ganz gleicher Kohlenkalk
bildet hervorragende (zum Theil schon verschüttete) Stufen auf der
!) Man würde, wollte man diese Vermuthung weiter ausmalen, etwa an Quellen-
absätze zu denken haben, welche in der Nähe der Küste stattfanden und bereits
untertriadische, respective permische Bildungen zum Untergrund hatten, während sie
andererseits bei wechselndem Wasserstande des untertriadischen Meeres wieder über-
fluthet und von anderen Ablagerungen derselben Epoche bedeckt wurden. Jene Kalk
absetzenden Quellen jedoch könnte man gleichsam als eine Nachtragserscheinung in
Zusammenhang bringen mit dem Ausbruch des Porphyrs von Miekinia, welcher Ausbruch,
wie ich seiner Zeit gezeigt habe, vor der Ablagerung des untertriadischen Schichten-
complexes jener Gegend stattgefunden hatte, während allerdings die dortigen Porphyrtuffe
vielfach etwas jünger sind als der bewusste Porphyr.
N 1 0 nl DE ae ir 17 02,
Bi 0. Al DEZ
= &
[7] Beiträge zur Geologie von Galizien. 17
Höhe, in der obersten Verzweigung desjenigen Thälchens, welches etwas
östlich vom Kamienica-Thal beginnt und von hier direet südlich gegen
Wola Filipowska herabläuft.“
Obsehon der Name Kamienica-Thal auf den uns zur Verfügung
stehenden topographischen Karten in der fraglichen Gegend nicht er-
scheint, kann gemäss der voranstehenden Beschreibung, wenn man die
Einzelheiten derselben im Zusammenhange untereinander und mit ge-
wissen voranstehenden Sätzen auffasst, kein Zweifel darüber obwalten,
dass hier zum Theile auch von jenen Kalken die Rede ist, welehe auf
meiner Karte in der Gegend zwischen Filipowiee und Miekinia als
Karniowicer Kalk eingetragen wurden, gleichwie sie beispielsweise schon
bei Römer unter demselben Namen figurirten. Es sind dies jedoch
Vorkonmnisse, welehe mich bereits im Texte meiner Arbeit zu den
oben wieder berührten Bedenken veranlassten und ich freue mich, dass
diese Bedenken nunmehr durch die von Zareezny mitgetheilten Ver-
steinerungsfunde auch ihre paläontologische Bestätigung erhalten haben.
Direet „sonderbar“ braucht man aber deshalb die frühere Be-
stimmung jener Kalke nicht zu finden. Jede Bestimmung gründet sich
zunächst auf das dem betreffenden Forscher zugängliche Beobachtungs-
material. Wenn einem späteren Forscher, so wie das der natürliche
Verlauf solcher Dinge mit sich bringt, ein umfassenderes Material von
Thatsachen zur Verfügung steht, so wird er natürlich auch eine genauere
Bestimmung zu geben im Stande sein. Man wird es ganz selbstver-
ständlich finden, dass er mehr zu wissen in der Lage ist als seine Vor-
gänger, aber man wird es eben deshalb auch nieht auffallend oder
sonderbar nennen, dass diese Vorgänger noch nicht auf dem fort-
geschrittenen Standpunkte des Nachfolgers standen, so lange ihnen ge-
wisse für die Beurtheilung einer Frage wünschenswerthe Behelfe noch
fehlten.
Verhalte sich das aber, wie es wolle, jedenfalls ist Herr Zareezny
zu der Auffindung derartiger Behelfe in unserem Falle zu beglück-
wünschen; denn ihm gebührt das Verdienst, durch seine oben eitirten
Andeutungen zur Klärung der uns hier beschäftigenden Frage wesentlich
beigetragen zu haben. Meine eigenen diesmaligen Ausführungen be-
zweckten indessen zu zeigen, dass gewisse, von mir bereits früher aus-
gesprochene Vermuthungen sich als begründet erweisen, und dass ferner
der echte, nach Ausscheidung der zu einer älteren Ablagerung gehörigen
Klippen noch übrig bleibende Karniowicer Kalk ein sicheres Glied
derjenigen Schichtenreihe sei, für welche ich in erster Linie (in Ueber-
einstimmung mit Hohenegger, Fallaux und Hauer) das Alter
des Buntsandsteines in Anspruch genommen habe, jedoch mit der
Modification, dass in eben dieser Sehiehtenreihe eine theilweise , vor-
läufig allerdings nicht näher zu präeisirende Vertretung des Perm mit
enthalten sei.
Was im Uebrigen aus den heute von mir mitgetheilten Angaben ge-
schlossen werden kann, das ist zunächst eine gewisse Variabilität in der
Aufeinanderfolge der einzelnen Gesteine, aus welchen sich die Perm-
Buntsandsteinformation dieser Gegend zusammensetzt, ein Umstand, auf
den ich übrigens schon früher auf Grund anderer Einzelheiten aufmerksam
gemacht habe (1 e. pag. 102, 111, 116). Es gibt unter den mitgetheilten
Jahrbuch der k. k. geol. Reichsanstalt. 1891. 41. Band. ı. Heft. (E. Tietze.) 3
18 Dr. Emil Tietze. [8]
Schiehtenfolgen, innerhalb deren der eigentliebe Karniowieer Kalk
auftritt, nieht zwei, die untereinander völlig übereinstimmen würden.
Bei diesem Umstande bin ich indessen genöthigt, noch einige
Augenblicke zu verweilen, um gewissen missverständlichen Auffassungen
entgegenzutreten, welche von Zareezny in dessen oben eitirter neuester
Arbeit vorgebracht wurden, denn diese Ausführungen scheinen mir nur
allzu geeignet, die von demselben Autor durch seine Funde auf der
einen Seite geförderte Klärung der Altersfrage des Karniowicer Kalkes
auf der anderen Seite wieder zu trüben.
Ich eitire den ganzen hierher gehörigen Abschnitt (].e. pag. 7); der
Autor sehreibt: „Die Karniowicer Schichten besitzen nicht die Reihenfolge,
wie sie auf der Wiener Karte“ (worunter meine Karte der Umgebung
von Krakau zu verstehen ist) „angegeben erscheint, nach welcher zu
unterst der Karniowicer Kalk liegen soll, der dann erst von Sand-
steinen, Conglomeraten und Tuffen überlagert wird. Sie besitzen auch
nieht die von Alth angegebene Aufeinanderfolge, nach welcher das tiefste
Glied Conglomerate sein sollen, über welchen zuerst Sandsteine, Porphyr-
tuffe und als oberste Lage die Karniowicer Kalke erscheinen. Sie haben
auch nieht die vonRömer und Olszewski angenommene Reihenfolge,
wonach der Karniowieer Kalk zwischen dem Conglomerat und dem
Tuff liegen soll. Das tiefste Glied dieser Schichten ist nämlich , wie
Römer riehtig angibt, eine dicke, im Krakauer Bezirke weit verbreitete
Lage des Karniowicer Sandsteines, der stellenweise Calamiten und
Lepidodendren einschliesst, also eine unzweifelhaft paläozoische Lage,
die höchstwahrseheinlieh noch zur Kohlenformation gehört. Auf dieser
ruht, nur stellenweise abgesetzt, der sogenannte Karniowicer Kalk,
das ist ein krystallinischer, kalkiger Süsswassertuff mit Abdrücken von
Landpflanzen, und erst auf dem Karniowicer Kalk liegen Conglomerate
und Tuffe. Ueberall, wo Kalk und Conglomerate zusammen auftreten,
liegen die Conglomerate auf den Kalken und niemals unter denselben.
Sie enthalten im Gegentheile oben Knollen von Porphyr und Porphyrtuff,
welcher sie fast überall unmittelbar bedeckt. Meiner Ansicht nach be-
zeichnet erst der Karniowicer Kalk das Ende der Kohlenformation (sie!)
und er geht unmittelbar dem Erscheinen des Porphyrs von Miekinia
voraus. Er ist übrigens eine evident locale Bildung, die sich auf das
Gebiet zwischen den Thälern von Karniowice und Miekinia beschränkt,
und die während der Entstehung der groben Conglomerate an vielen
Stellen der Zerstörung unterlag. Die in ihm und in dem unter dem-
selben liegenden Karniowicer Sandstein erodirten Gruben füllt auch
stellenweise das Conglomerat aus, welches in diesem Falle auch im
gleichen Niveau wie der Karniowicer Kalk oder unterhalb der Bänke
desselben zu liegen scheint, wodurch dann die Bänke des Kalkes
plötzlich aufbören und wie abgeschnitten erscheinen. Dadurch werden
falsche Eindrücke hervorgerufen, die beispielsweise Degenhardt zu
der Behauptung veranlassten, dass die Conglomerate, Kalke und Tuffe
mehrfach mit einander wechsellagern.*“
Zunächst muss ich da von dem Erstaunen sprechen, das ich
empfand, als ich von der Reihenfolge erfuhr, welche ich bezüglich der
Glieder unserer Perm-Buntsandsteinbildung aufgestellt haben soll. Diese
angebliche Reihenfolge ist augenscheinlich nur der meiner Karte bei-
[9] Beiträge zur Geologie von Galizien. 19
gegebenen Farbenerläuterung entnommen, in welcher sämmtliche Farben
der Karte vertical untereinander gestellt aufgeführt werden, was
natürlich auch bei den Farben geschehen musste, welche für die ver-
schiedenen Bildungen zwischen dem Röth und dem Carbon gewählt
wurden. Irgend eine Aufeinanderfolge für diese Ausscheidungen musste
ja doch ausgesucht werden, auch wenn man denselben zunächst keinen
besonderen stratigraphischen Werth beilegte. Wozu aber schreibt man
Kartenerläuterungen, wenn dieselben nicht berücksichtigt werden? Es
heisst in meiner Arbeit über die geognostischen Verhältnisse der Gegend
von Krakau (l. e. pag. 15) ausdrücklich, dass, abgesehen von dem obersten
Niveau des Röth, „welches auch eine ganz bestimmte stratigraphische
Stellung einnimmt“, jene Ausscheidungen innerhalb der Perm-Buntsand-
steinformation sich ganz vorwaltend auf petrographische Begriffe be-
ziehen. „Niveauunterschiede sollen damit weiter nicht angedeutet sein,
da manche der betreffenden Bildungen nicht mit genügender Constanz
anhalten und auch Wechsellagerungen vorkommen. Nur von den Porphyr-
tuffen könnte man vielleicht sagen, dass sie gern ein etwas höheres
Niveau einnehmen.“ Ueber den letzteren Punkt spreche ich noch einmal
mit der erforderlichen Einschränkung auf Seite 16 (unten).
Im Uebrigen ist auch aus meinen Einzelbeschreibungen allent-
halben zu entnehmen, dass ich mich zu dieser Frage vielfach anders
verhalte, als mir Herr Zareezny insinuirt, wenn auch im Grossen
und Ganzen die von mir in dem erwähnten Farbenschema adoptirte
Reihenfolge, wie ebenfalls aus meiner damaligen Einzelschilderung und
wie des Weiteren aus meiner heutigen Mittheilung hervorgeht, dem that-
sächlichen Befunde wenigstens in manchen Fällen conform ist, abgesehen
von der Position des Karniowicer Kalkes selbst, der in jenem Schema
allerdings den untersten Platz einnimmt. Es geschah dies aber nicht
ohne Absicht, denn so lange ich im Zweifel bleiben konnte, ob nicht
ein Theil der früher von anderen Autoren als Karniowicer Kalk be-
zeichneten Schichten zur Carbonformation im weiteren Sinne gehören,
so lange musste ich, um jede Missdeutung zu vermeiden, diesem Kalk
in meiner Farbenerläuterung einen gesonderten Platz anweisen und
konnte es angemessen finden, diesen Platz zwischen den zweifellos der
unteren Trias, bezüglich dem Perm angehörigen Schichten und dem
Carbon zu wählen, und jener Zweifel hat sich ja jetzt nach Zareczny’s
eigenen Ausführungen als berechtigt herausgestellt. Kann man aber
mehr thun als sich von vornherein gegen denkbare Unterschiebungen
zu verwahren, wie ich das in der oben eitirten Stelle gethan habe und
kann man nicht verlangen, dass ein Autor, der sich vornimmt, an den
Arbeiten seiner Vorgänger Kritik zu üben, sich die Mühe gebe, diese
Arbeiten zu lesen ?
Uebrigens widerspricht sich ja Zareezny, indem gerade er
selbst, und zwar ganz direet, dem Karniowicer Kalk eine sehr tiefe
Lage innerhalb der von mir zum Buntsandsteine, bezüglich zum Perm
gerechneten Bildungen anweist und diesen Kalk sogar noch zur Kohlen-
formation rechnet! Diese tiefe Position nehmen die bewussten Kalke,
soweit sie dem echten Karniowicer Kalk mit Pflanzenresten angehören,
wie wir oben gesehen haben, in Wirklichkeit allerdings nicht ein, aber
der geschätzte Autor hätte, wenigstens von seinem Standpunkte aus,
3*
20 Dr. Emil Tietze. 1 0]
keinen Grund, sich gegen die Stellung auszusprechen, welche jener
Kalk in der Farbenerläuterung zu meiner Karte erhalten hat.
In Wirklichkeit liegt der echte Karniowicer Kalk, wie ich aus-
einandersetzen konnte, stellenweise sogar über Porphyrtuffen und jeden-
falls sehr häufig über buntem Sandstein, welcher letztere dabei, wie das
z.B. in jener Schlucht oberhalb Dulawa der Fall ist, zu ziemlicher
Mächtigkeit anschwellen kann. Es stellt sich aber heraus, dass
Zareezny diesen bunten Sandstein noch dem Carbon zuzurechnen
gewillt ist, denn er sagt ja ausdrücklich, dass der „Karniowicer Sand-
stein“, auf welchem der besprochene Kalk liegt, eine unzweifelhaft
paläozoische Schicht sei, die höchst wahrscheinlich noch zur Kohlen-
formation gehöre.
Wir hätten zufolge dieser seltsamen Auffassung im Krakauer
Gebiet über dem Kohlenkalk zweierlei Kohlenformationen zu unter-
scheiden, eine ältere, deren Bildungen auch petrographisch ganz den
Habitus des wirklichen Carbons an sich tragen und die wenigstens in
den westlicheren Theilen des Gebietes auch vollständig mit den Bil-
dungen der benachbarten Kohlenreviere übereinstimmen, und eine
jüngere Kohlenformation, deren Gesteine den Habitus des bunten Sand-
steines aufweisen und die dabei völlig discordant über der älteren
(wirklichen) Kohlenformation aufliegt, während sie sich ebenso con-
cordant zu den darüber folgenden Bänken des Röth und des Muschel-
kalks verhält. Ich sage absichtlich den darüber folgenden Bänken des
Röth; denn, dass die fraglichen bunten Sandsteine mit den ausserdem
noch unter dem Röth liegenden Porphyrtuffen, Conglomeraten und bunten
Thonen einen einheitlichen Complex vorstellen und zusammengehören,
wird Jeder erkennen, der über vielleicht recht fleissigen und zeitrauben-
den Einzelstudien den Blick für das Ganze nicht verloren hat und dem
bei der Betrachtung einzelner Bäume das Bewusstsein, sich im Walde
zu befinden, nicht abhanden kommt.
Nun aber stellt der geschätzte Autor die Sache so dar, als ob
bereits F. Römer jenen bunten Sandstein als das tiefste, durch
Calamiten und Lepidodendren ausgezeichnete Glied des in Rede stehen-
den Schichtencomplexes aufgefasst und als paläozoisch gedeutet hätte.
Das ist wieder ein merkwürdiges Missverständniss, welches durch ein
genaueres Citat aufgeklärt zu werden verdiente. Ich habe die hierher
gehörigen Publicationen Römers, seine Geologie von Oberschlesien
und seinen Aufsatz über das Vorkommen des Rothliegenden bei Krzeszo-
wice (Zeitschr. d. deutsch. geol. Ges. 1864, pag. 633 ete.) darauf hin
nochmals durchgesehen , ohne jedoch den geringsten Anhaltspunkt für
ein solches Citat zu finden. Ich habe gefunden, dass Römer in dem
zuletzt erwähnten Aufsatz (l. ec. pag. 633 u. 636) die Sandsteine der
Thäler von Filipowice und Miekinia dem bunten Sandstein zurechnete,
trotzdem er sonst geneigt ist, den hier besprochenen Schichteneomplex der
Hauptsache nach in’s Perm zu stellen; ich habe gefunden, dass Römer
der Wahrheit ganz entsprechend, sowie ich das später auch gethan
habe, an der Basis desselben Schichteneomplexes carbonische Schiefer
(nieht Sandsteine) bemerkt hat, aber ich habe nirgends gefunden, dass
in jenen Schriften von einem Sandstein mit Calamiten und Lepi-
dodendren die Rede ist, der noch zu der strittigen Schichtenreihe
A zu: ERTeTE
[11] Beiträge zur Geologie von Galizien. 91
gezählt wurde. Es ist mir mit. einem Wort ganz unerfindlich, worauf
die angegebene Behauptung Zareczny’s beruht. Sollte er etwa die
thatsächlich noch zum Carbon gehörige Sandsteinbank an der Basis des
Filipowieer Thales, von welcher oben (pag. 12 |2], Zeile 19 u. 20 dieser
Beiträge) gesprochen wurde und in der sich freilich leichter Lepi-
dodendren und dergleichen finden könnten, mit den davon ziemlich ab-
weichenden Sandsteinen identifieirt haben, welche wir in mehr oder
minder direeter Verbindung mit den Karniowicer Kalken kennen gelernt
haben? Ich vermag auf diese Frage keine bestimmte Auskunft zu
geben und es ist vielleicht auch müssig, sich allzu lange dabei aufzu-
halten.
Nicht weniger betroffen, als über die vorstehend berührten Punkte,
bin ich übrigens im Hinblick auf die Behauptung, dass der Karniowicer
Kalk älter sei, als der Porphyr von Miekinia. Wer diesen Porphyr in
der Natur beobachtet und gesehen bat, dass er eine direet über dem
dort steiler aufgerichteten Steinkohlengebirge discordant liegende dicke
Platte bildet und dass ganz unzweifelhaft erst über ihm, und zwar
wieder in discordanter Stellung die flach gelagerten Schichten des bunten
Sandsteines folgen (vergl. meine Monographie über Krakau, pag. 115
bis 120), und zwar eines Sandsteines, wie er sonst in dieser Gegend
unter dem Karniowicer Kalk gefunden wird, der begreift nicht, wie
man diesen Porphyr, der doch auch nach Römer (z. B. Zeitschr. d.
deutsch. geol. Ges. 1864, pag. 638) „jünger ist als das Kohlengebirge“,
diesem letzteren selbst zurechnen und der begreift noch weniger, wie
man ihn andererseits als eine dem Karniowicer Kalk nachfolgende
Bildung betrachten kann.
Aus dem Umstande, dass die Porphyrtuffe dieser Gegend vielfach
ein ziemlich hohes Niveau in der zwischen dem Röth und dem Carbon
entwickelten Schichtenreihe einnehmen, lässt sich doch kein Schluss
ableiten, welcher die bei dem Porphyr selbst und direet anzustellenden
Beobachtungen umzustossen vermöchte. In diesen Tuffen werden wir
vielmehr, wie ich mich früher (l. c. pag. 120) ausdrückte, „nur ein
regenerirtes und nicht ein dem Ausbruch der Porphyre gleichzeitiges
Material zu erblicken haben“. Anderenfalls, wenn wir jenen Tuffen eine
grössere Selbstständigkeit zugestehen wollen, haben wir darin vielleicht
theilweise die Spuren von vulkanischen Aschen oder dergleichen vor
uns, deren Ausbrüche während des Absatzes unserer Perm-Buntsand-
steinformation erfolgten und einen Nachklang derjenigen eruptiven
Thätigkeit vorstellten, welehe durch den Ausbruch des Porphyrs selbst
bezeichnet wurde (vergl. die Anmerkung auf pag. 16 [6] dieser Arbeit),
aber das macht diesen letzteren Porphyr, dort, wo er bei Miekinia in
grossen Steinbrüchen abgebaut wird, noch immer nicht jünger als den
echten Kalk von Karniowice.
Aber selbst wenn dieser Porphyr und jene Tuffe absolut gleich-
alterig wären, soweit man das nämlich in Bezug auf Gesteine behaupten
dürfte, von welchen ein Theil, wie die genannten Porphyrtuffe, in etwas
verschiedenen Lagen vorkommt, selbst dann wäre die Behauptung
Zareezny’s noch unverständlich; denn wir haben ja gesehen, dass
der Karniowicer Kalk mit den Tuffen wechsellagert, dass solche Tuffe
sich sogar stellenweise unter ihm befinden und dass er andererseits
39 Dr. Emil Tietze [12]
auch Linsen in diesen Tuffen bilden kann. Da müsste man doch wenigstens
den Schluss auf Gleichzeitigkeit der verglichenen Bildungen machen.
Wenn ich hier von den Porphyrtufien gelegentlich der Frage
spreehe, ob der Porphyr von Miekinia älter als der Karniowicer Kalk
sei oder nicht, so geschieht dies übrigens nur aus dem Bestreben, für
die Möglichkeit jener Behauptung Zareceznys irgend eine Erklärung
za suchen. Der genannte Autor selbst hat auf diesen Punkt, wie ich
zugestehen muss, nicht verwiesen, sondern sich mit dem Ausspruch seiner
Meinung vorläufig beznügzt. „Zahlreiche und interessante Einzelnheiten,*
sehreibt er einige Zeilen später in Bezug auf die _„Karniowieer
Schichten“, könnten „nur in einer grossen und kritischen Beschreibung
gegeben und genügend gewürdigt werden“. Von dieser kritischen
Beschreibung werden wir dann also die genaueren Beweise der hier
zur Diseussion gelangten Behauptungen zu erwarten haben und können
dann Endgiltiges auch über das Alter des Porphyrs von Miekinia zu
erfahren hoffen.
In dieser kritischen Beschreibung wird voraussichtlich auch die
nähere Erläuterung für den folgenden Satz gegeben werden, den ich
hinter den bisher erwäbnten Aussprüchen finde und den ich hier noch
erwähne, weil er, obschon mit der Frage der Karniowicer Kalke nicht
in unmittelbarer Beziehung stehend, doch gleichfalls bekundet, zu wie
abweichenden Ansicbten die neueste Forschung zegenüber den älteren
Beobachtungen in der Krakauer Perm-Buntsandsteinbildung zelangt.
Zareezny schreibt: „In den Sandsteinen von Kwaczala kommen die
auf der Wiener Karte verzeichneten Karniowicer Conglomerate gar
nicht vor. Die Conglomerate von Kwaeczala, Zagörze und Pogorzyce
stossen zwar an die Sandsteine an, sind jedoch eine viel spätere geo-
logische Bildung.“
Zunächst erwähne ich, um weitergehende Missverständnisse zu
vermeiden, dass ich auf meiner Karte nur ganz im Allgemeinen Con-
glomerate der besprochenen Formation ausgeschieden habe. Solche habe
ich auch bei Kwaczala, westlich von Alwernia, verzeichnet, aber nicht
speciell Karniowieer Conglomerate. Ich machte vielmehr (l. e. pag. 15)
in den Erläuterungen jener Karte ausdrücklich darauf aufmerksam,
dass in der Gegend westlich von Alwernia besonders Quarzgerölle an
der Zusammensetzung der bewussten Conglomerate theilnehmen im
Gegensatz zu den Conzlomeraten nördlich der Linie Trzebinia-Krzeszo-
wice (das ist der Gegend von Myälachowiee, Karniowice und Filipowice),
wo die entsprechenden Gerölle hauptsächlich aus Koblenkalk bestehen.
Was aber die Bemerkung anlangt, dass die conglomeratischen
Gesteine von Kwaczala, welche, nebenbei gesagt, wie die meisten der
dort unter dem Röth sichtbaren Bildungen von ziemlich loser Beschaffen-
heit sind, einer viel jüngeren Ablagerung angehören sollen, so verweise
ich darauf, dass schon F. Römer (Geologie von Oberschlesien, pag. 106)
das jugendliche Aussehen dieser Bildungen betont, ohne sich dadurch
von ihrer durch die Lagerungsverhältnisse gebotenen Deutung als einer
zwischen dem Carbon und dem Röth befindlichen Ablagerung abhalten
zu lassen. Uebrigens führt Römer ganz speciell das Auftreten von
Conglomeraten als zu dieser Ablagerung gehörig an und auch Hohen-
ezger und Fallaux sprechen von solchen Conglomeraten bei
[13] Beiträge zur Geologie von Galizien. ‘
N
D}
.)
1
Kwaczafla (pag. 11 und 12 ihrer Arbeit) ganz in demselben Sinne. Sie
erwähnen das Vorkommen von Absätzen daselbst, die aus „nussgrossen
Quarzkörnern“ bestehen und sprechen von einer Einschaltung rother
Thone in diese Absätze. Es ist also nicht allein die „Wiener Karte“,
welche Herrn Zareezny in diesem Falle zu seinen Reeriminationen
Anlass zu bieten vermag.
Diese Karte wird ja, ich zweifle nicht daran, von ihm, der sich,
wie ich höre, schon seit einer Reihe von Jahren mit dem Studium des
Krakauer Hügellandes beschäftigt, in vielen Einzelnheiten berichtigt
und ergänzt werden können. Namentlich gewisse mehr oder weniger
minutiöse Aenderungen von Formationsgrenzen, hie und da auch
grössere Correeturen dieser Art werden von einem so fleissigen Local-
forscher leicht beizubringen sein; glückliche, mit Zeitaufwand und Mühe
zu Stande gebrachte Versteinerungsfunde, wie sie beispielsweise dem
Genannten im Debniker Devon gelungen sind, werden dabei sicherlich
das Lob und die Anerkennung finden, die sie in vollem Masse ver-
dienen. Würde aber: ein soleher Autor seine Aufgabe zum Theil darin
suchen, gleichsam um jeden Preis die Auffassungen seiner Vorgänger
zu demoliren, dann könnte er leicht über sein Ziel hinausschiessen,
wenn dieses Ziel nicht ausschliesslich in dem Beifall des engeren
Kreises eines Theils seiner Landsleute gesucht wird. Namentlich wäre bei
Ausschluss der letztgenannten Voraussetzung eine Art der Literatur-
behandlung zu vermeiden, durch welche die Entwicklung der Ansichten
der früheren Forscher in einer einseitigen Beleuchtung und durch
welche diese Ansichten selbst in einer dem Sinne der betreffenden
Ausführungen nicht ganz entsprechenden Darstellung erscheinen.
N. Der Wasserstollen bei Trzebionka.
Auch ein mirneues Neogenvorkommen kamich anlässlich jener
Reise in die Lage zu constatiren. Bei Trzebionka nämlich (nordwestlich
vom Bahnhofe Trzebinia) befindet sich ein Wasserstollen, welcher vom
südlichen Rande der dortigen mesozoischen Hügelkette bis unter die
Gegend der dort im erzführenden Dolomit des Muschelkalkes angesetzten
Erzbergbaue reicht und welcher der Reihe nach die dort entwickelten
Formationen durchfahren hat, bis er unter den Muschelkalk, und zwar
bis in die Conglomerate des Buntsandsteins, gelangte, eine Thatsache,
die mir früher unbekannt geblieben war.
Das Auftreten dieser Conglomerate im unmittelbaren Liegenden
des Röths ist hier um so interessanter, als sich sonst am nördlichen
Rande der südlich der Kohlenformation von Sierza hinziehenden Hügel
von den Gesteinen der Buntsandsteingruppe fast nur die dieser Gruppe
angehörigen Thone in der Tiefe wie an der Oberfläche nachweisen
liessen (vergl. z. B. meine Arbeit über Krakau, pag. 91), ein Umstand,
der mich sogar (und wohl mit Recht) bewogen hatte), das Ver-
hältniss einer localen gegenseitigen Vertretung zwischen Thonen
und Conglomeraten vorauszusetzen (vergl. 1. ec. pag. 102). Hier, südöstlich
von Sierza, beginnen offenbar die bereits bei Myslachowice, östlich von
Sierza, so mächtig entwickelten Conglomerate sich in das Schichten-
24 Dr. Emil Tietze. 1 4)
profil einzuschalten und dürften hier die rothen Thone des Buntsand-
steines erst im Liegenden erwartet werden, ähnlich, wie sie am Wege
von Trzebinia nach Myslachowice das Liegende dieser Schotterbildungen
ausmachen. Die mitgetheilte Beobachtung hilft somit den Gegensatz
etwas vermitteln, den wir zwischen der Entwicklung des Buntsandsteines
im Norden und im Süden der Kohle von Sierza bisher in viel schärferer
Weise voraussetzen mussten.
Nieht minder wichtig ist aber eine Beobachtung, welche sich am
anderen Ende des Stollens, nämlich am Ausgange desselben gegen
die Ebene zu, südlich von Trzebionka, machen lässt. Hier sind in
geringer Mächtigkeit gelbliche Thone aufgedeckt worden, von denen
man auch noch Spuren (obschon mit anderen Gesteinen vermischt) auf
einer Halde neben dem Stollen herumliegen sieht. Da sich nun Schalen
von neogenen Austern in diesen T'honen finden, die letzteren selbst überdies
das hangendste Glied des ganzen durch den Stollen aufgeschlossenen Profils
darstellen, so ist es unzweifelhaft, dass wir hier eine neogene Ablagerung
vor uns haben.
Durch diese Beobachtung wird eine Angabe F. Römer's, der aller-
dings obne nähere Aufklärung oder Erläuterung nördlich von Chrzanow
in der Nähe der von Trzebinia nach Szezakowa führenden Eisenbahn
Tertiärbildungen auf seiner Karte von Oberschlesien einzeichnete (vergl.
meine Arbeit über Krakau, pag. 95), ebenso gerechtfertigt, wie die
Zweifel beseitigt werden, welche man aus meiner Besprechung dieser
Einzeiehnung herauslesen kann. Ich halte mich verpflichtet, dies aus-
drücklich hervorzuheben.
Schliesslich sei bemerkt, dass in diesem Stollen auch an der
passenden Stelle unter dem weissen Jura eine schwache Lage des
Baliner Ooliths angetroffen wurde, und zwar direct in der Nähe des
Punktes, von welchem jene einer Grenzbildung zwischen weissem und
braunem Jura entsprechenden, von Uhlig untersuchten Fossilien stammten,
deren ich in meiner grösseren Arbeit (l. ec. pag. 108) gedacht habe.
O. Exotische Blöcke bei Bachowice.
Ein anderer Punkt, für welchen meine frühere Darstellung einer Ergän-
zung bedarf, befindet sich bereits südlich der Weichsel im karpathischen
Vorlande nördlich von Wadowice, und zwar in der Nähe des Dorfes
Bachowice, von wo Herr Bartonee uns vor etlichen Monaten zwei
Fossilien eingesendet hatte, die mir sofort die Idee nahelegten, dass
wir daselbst einen neuen Fundort exotischer Blöcke zu ver-
zeichnen haben würden. Diese Fossilien waren ein Planulat des oberen
Jura in einem grauen Kalkstein und ein Calamit der Steinkohlenformation
in einem mittelkörnigen, bräunlich gelben Kohlensandsteine. Mitgetheilt
wurde uns damals ferner, dass in der Nähe dieser Funde Kohlenspuren
entdeckt worden seien.
Herr Bartonee hatte die Freundlichkeit, mich auch zu diesem
Punkte zu begleiten. Letzterer befindet sich östlich von Bachowice in
der Nähe des Jägerhauses, an welchem man auf der von Wozniki
nach Ryezöw führenden Strasse vorbeikommt. Hier werden Andeutungen
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[15 Beiträge zur Geologie von Galizien. 95
älterer, das heisst vordiluvialer Gesteine nicht blos im Bachowski las
nördlich vom Jägerhause sichtbar, von wo sie meine Karte angibt,
sondern auch in der Waldpartie direet südlich vom Jägerhause in den
kleinen Schluchten, welehe dort in der Richtung nach Zygodowice her-
abgehen. Diese Aufschlüsse befinden sich also ungefähr in der Strei-
ehungsfortsetzung jener oligocänen Gesteine, welche meine frühere Dar-
stellung auf der Süd- und Südostseite des Dorfes Bachowice verzeich-
net hat.
In den höheren, das ist dem Jägerhause näher gelegenen Theilen
der genannten Schluchten kommen nun grobkörnige Sandsteine vor,
welche dem Grodeker oder Ciezkowicer Sandstein, wie er auch am Süd-
ende von Bachowice auftritt, durchaus ähnlich sehen und die besonders
in den östlicher gelegenen Schluchtverzweigungen besser zur Geltung
gelangen. Etwas tiefer herrscht ein weisspunktirter Sandstein, mit
welehem, nach den losen umherliegenden Stücken zu schliessen, auch
ein sehr feinkörniges, etwas breecienartiges Conglomerat verbunden er-
scheint. Dieses letztere sieht ganz so aus, dass man sich versucht fühlt,
darin nach Nummuliten zu suchen, und ist es in der That auch sehr
wahrscheinlich, dass die Nummuliten, welche nach einer früheren An-
gabe (vergl. d. Werk v. Hohenegger u. Fallaux, pag. 28, meine
Abhandlung über Krakau, pag. 339, Römer, Geol. v. Oberschl., pag. 360)
bei Bachowice gefunden wurden, dieser Ablagerung entstammten.
Doch gelang es weder mir, noch Herın Bartonee dergleichen
hier wieder zu finden, obschon auf den verwitterten Schichtoberflächen
Spuren von Versteinerungen erkennbar sind, die sich aber als nicht
näher bestimmbare Zweischalerfragmente herausstellen. Da übrigens
das betreffende Gestein mit Säuren braust und Römer das Nummu-
litengestein von Bachowice als breccienartigen Kalk beschreibt, so er-
scheint die ausgesprochene Vermuthung um so mehr gerechtfertigt, als
ich weder jetzt, noch früher im Bachowski las ein anderes kalkhaltiges
Gestein im Bereich der hiesigen oberen Karpathensandsteine entdecken
konnte, auf welches die Bezeichnung Breceie anwendbar gewesen wäre.
Wahrscheinlich ebenfalls in der Nähe anstehend sind gewisse fein-
körnige Gesteine von violettbrauner Färbung, bei welchen sich die
Frage aufdrängt, ob dieselben als blosse Sandsteine oder eventuell als
sandige Eruptivtuffe aufzufassen wären. Herr C.v. John, dem ich eine
Probe davon zur Untersuchung mittheilte, konnte diese Frage zwar
nicht sicher entscheiden, da der von der Probe gefertigte Dünnschlift
zu undeutliche Verhältnisse aufwies, doch liessen sich immerhin Spuren
von Augit und Hornblende in der Masse nachweisen, so dass die An-
nahme, man habe es mit einem Tuff zu thun, viel Wahrscheinliches
hat. Vielleicht ist zersetztes Teschenitmaterial an der Zusammensetzung
des Gesteins betheiligt.
Mit allen diesen Schichten nun sind an einigen Stellen kohlige
Schiefer verbunden , welche die Veranlassung zu der Vermuthung ge-
geben hatten, dass hier Steinkohle vorkomme.
Diese kohligen Schiefer erwiesen sich indessen als jeder prakti-
schen Bedeutung entbehrend, wie dies bei Kohlenfunden im Karpathen-
sandstein von vornherein als wahrscheinlich vorauszusetzen ist. Der
früher erwähnte, dem ©. Suckowi nahestehende Calamit aber hat mit
Jahrbuch der k.k. geol. Reichsanstalt. 1891. 41. Band. 1. Heft, (E. Tietze.) 4
BIE Dr. Emil Tietze. 116]
diesen Kohlenspuren nichts zu thun. Er gehört einem übrigens hier
wenig verbreiteten Gestein an, welches den karpathischen Absätzen als
fremdartiger Einschluss angehört, gleich den jurassischen Kalkblöcken,
welehe stellenweise in grosser Menge an dieser Localität zu finden
sind und welehe man theilweise noch in den karpathischen Sandsteinen
steekend beobachten kann.
Diese jurassischen Kalkblöcke, deren Durchmesser theilweise einen
halben Meter und darüber beträgt, sind nieht ganz ohne Interesse. Ihr
Gestein ist oft ein etwas mergeliges und zeigt nicht selten neben der
hellgrauen eine grünliche Färbung. Bei einzelnen Stücken beobachtet
man zudem unregelmässig, das heisst manchmal häufiger, manchmal
seltener vertheilte oolithische braune Körner in der diehten Hauptmasse
des Kalkes.
Zu Folge dieser Eigenschaften stimmt der betreffende Kalkstein
weder mit den Gesteinen des Jura im eigentlichen Krakauer Gebiet
nördlich der Weichsel, noch mit den Gesteinen der nicht allzu weit ent-
fernten Kalkklippen von Inwald, Andrychau und Roezynny überein.
Noch auffallender wird aber die dadurch angedeutete Verschiedenheit
der verglichenen Jurabildungen durch die organischen Einschlüsse der
Blöcke. Solche Einschlüsse scheinen hier nämlich ziemlich häufig vor-
zukommen, insbesondere Ammoniten. Darunter fallen Planulaten auf,
die in die Verwandtschaft des Perisphinctes biplex gehören, sich aber
leider ebensowenig sicher bestimmen liessen wie die hier vorwaltenden
Phylloceraten. Ausser solehen Ammoniten ist das Gestein aber besonders
reich an Crinoidengliedern und Cidaritenstacheln, welche auf ange-
witterten Flächen massenhaft hervortreten. Auch wurden Spuren von
Gastropoden gefunden.
Es sei bemerkt, dass für die Annahme, es seien hier vielleicht
einige Niveaus, bezüglich verschiedene Schichteomplexe vertreten, An-
haltspunkte nicht vorliegen. Abgesehen von der sonstigen Ueberein-
stimmung der zu vergleichenden Gesteinsstücke zeigen gewisse Stücke
mit Planulaten und andere Stücke mit Phylloceraten vielmehr dasselbe
Gewirr von Orinoiden- und Cidaritenresten auf den Verwitterungsflächen.
Ueberdies liegen auf einem der Stücke ein Planulat und ein Phylloceras
beisammen.
Die letzterwähnte Gattung verleiht der kleinen Fauna den eigen-
thümlichen Charakter, und zwar speciell einen mediterranen Typus, wäh-
rend die Planulaten für sich allein an die Ammonitenfauna der unteren
Abtheilung des weissen Jura im Krakauer Gebiet erinnern könnten.
Das genügt aber zu keiner Gleichstellung mit diesen. Ein Vergleich mit
den jüngeren Absätzen des ausserkarpathischen Jura ist ebenfalls schon
deshalb ausgeschlossen, weil diese Absätze sich nie als sehr reich an Ammo-
niten erweisen und ebensowenig ist ein faunistischer Anklang an die
Nerineenfauna des Inwalder Kalks zu bemerken. Man wird also sagen
dürfen, dass hier in der Gegend zwischen den oberjurassischen Klippen
von Inwald und Andrychau und dem ausserkarpathischen Jura eine
oberjurassische Bildung von eigenartiger Beschaffenheit entwickelt war,
deren genauere Horizontirung späteren Bestimmungen vorbehalten bleiben
muss, wenn es auch, wie hinzugefügt werden soll, den Anschein hat,
117] Beiträge zur Geologie von Galizien ‘)
t
—]
als sei das zu ermittelnde Niveau ein tieferes als das des Inwalder
Tithonkalks.
Vom rein räumlichen Standpunkt aus betrachtet, bildet der be-
sprochene Fund ein neues Bindeglied zwischen dem ausserkarpathischen
und dem karpathischen oberen Jura dieser Gegend.
Nach der karpathischen Seite zu beträgt die Entfernung des be-
schriebenen Punktes von der nächst gelegenen anstehenden Inwalder
Klippe allerdings noch 16 Kilometer in der Luftlinie, dagegen nur
etwa 2!/, Kilometer von dem grossen Vorkommen exotischer Blöcke
des Inwalder Kalks bei Wozniki, wo einer der Jurablöcke so umfang-
reich ist, dass er zur Anlage eines Steinbruchs auf Kalkstein Veran-
lassung gegeben hat (vergl. meine Arbeit über Krakau l. e. pag. 338).
Andererseits ist das nächste anstehende ausserkarpathische Juravor-
kommen nördlich der Weichsel westlich Rusoeice nur etwa 6!/; Kilo-
meter von dem Jägerhause von Bachowice entfernt. Wenn man dabei
berücksichtigt, dass der obere Jura, der südlich von Mirow, zwischen
Oklesna und Rusoeice an die Weichsel herantritt, dort keinesfalls seine
südliche Ablagerungsgrenze gehabt haben kann, da sein Auftreten da-
selbst nur durch später erfolgte Auswaschung abgeschnitten wurde und
überdies seine Gesteinsbeschaffenheit nicht auf die etwaige direete Nähe
einer ehemaligen Küste hinweist, so ergibt sich, dass die ursprünglichen
Entfernungen der verglichenen Bildungen (auf die heutige Oberfläche
projieirt) noch viel kleiner gewesen sein müssen, als dies den obigen
Zahlen entsprieht. Wenn man nun auch annehmen will, dass durch Zu-
sammenschiebung und Faltung die urspiünglichen Distanzen einzelner
Ablagerungsstellen sich andererseits verkürzt haben, so kann das doch
hier nicht allzu viel ausmachen, da speciell der ausserkarpathische Jura
noch ziemlich flach gelagert ist, Jene Zusammenschiebung also im Wesent-
lichen nur die karpathischen Bildungen, denen die Blöcke untergeordnet
sind, betroffen hat.
Es wird demnach immer schwieriger, eine eventuelle Grenze zwischen
den beiden oberjurassischen Entwicklungen zu construiren und trotz
aller Verschiedenheiten wird der einstige direete Zusammenhang zwischen
denselben immer wahrscheinlicher. Ich werde übrigens weiter unten
aus Anlass der Besprechung gewisser neuerer Ermittlungen bei Wieliezka
Gelegenheit haben, nochmals auf diesen Punkt zurückzukommen.
Die oben besprochenen Kalkblöcke sowohl, wie die Blöcke des
earbonischen Sandsteins gehören vornehmlich den tieferen Theilen des
alttertiären Schichtensystemes an, welches bei Bachowice entwickelt
ist. Es sind dies aber nicht die einzigen exotischen Gesteine dieser
Localität. In den östlichen Sehluchtverzweigungen, dort, wo die echten
Ciezkowicer Sandsteine etwas besser aufgeschlossen sind, kommen auch
noch grössere, bis zu 1 Meter im Durchmesser aufweisende Blöcke eines
mittelkörnigen Granits vor, der sich durch weissen Feldspath und
schwarzen Glimmer auszeichnet ?), so dass wir hier auf ziemlich engem
1) Die meisten granitischen oder gneissartigen exotischen Gesteine des Rar-
pathenrandes in dieser Gegend haben weissen Feldspath und schwarzen Glimmer. Ab-
weichend davon, das heisst theilweise durch röthlichen Feldspath ausgezeichnet, ist
4*
28 Dr. Emil Tietze. [18]
Raume die Reste eines etwas complieirter zusammengesetzten Theiles
jenes älteren Gebirges vor uns haben, welches vor dem Absatz des
Flysch an Stelle der heutigen Karpathen, und zwar besonders am
Nordrande derselben bestanden haben muss. Ich sage das im Sinne
jener Anschauungen, die ich schon öfter über die Bedeutung der exo-
tischen Blöcke auseinandergesetzt habe.
Da indessen jurassische und altkrystallinische Blöcke unter den
exotischen Gesteinen der Karpathen besonders häufig sind, so erregt
unter den Bachowicer Funden die Anwesenheit der vorher erwähnten
:arbonischen Sandsteinblöcke naturgemäss die meiste Beachtung, umso
mehr, als dergleichen in den galizischen Karpathen !) bisher kaum nach-
gewiesen sein dürften. Es verlohnt sich daher vielleicht, bei dieser Gelegen-
heit die Frage der Vertretung des Carbons in den karpathischen Terri-
torien und die Rolle, welche dieser Formation daselbst zugestanden
werden kann, etwas allgemeiner in’s Auge zu fassen.
In Schlesien und Mähren spielen solche Blöcke allerdings eine
gewisse Rolle. Nach mündlichen Mittheilungen, die ich von Herrn
Dr. v. Tausch erhielt, treten unweit der Bahnstation Hustopetsch
(bei Wallachisch-Meseritsch in Mähren), und zwar bei dem Dorfe Chorin
der allerdings auch weiter im Innern des Gebirges gelegene Granit von Bugaj (vergl.
meine Arbeit über’ Krakau, 1. c. pag. 355— 358).
Ich will bei dieser Gelegenheit übrigens erwähnen, dass mir vor Kurzem Herr
Hofrath Stur ein Stück völlig rothen Granits zeigte, das sich in der Sammlung der
k k. geologischen Reichsanstalt gefunden hatte mit der Fundortsbezeichnung Iwoniecz,
Es war zugleich auf der alten Etiquette vermerkt, dass dies Gestein aus einem hinter der
dortigen Badeanlage ausgebeuteten Steinbruch stamme. Da dort (vergl. meine früheren
Beiträge, Jahrb. d. k. k. geol. Reichsanstalt. 1889, pag. 324) ein massiger alttertiärer
Sandstein ansteht, so ist der betreffende Granit möglicherweise als grösserer Block in
diesem Sandstein vorgekommen, obwohl es auffällig ist, dass mir bei meinem Besuche
des Bades Iwonicz von einem derartigen Vorkommen nichts erzählt wurde und auch
sonst nichts Analoges daselbst zu Gesicht gekommen ist. Jedenfalls sieht das Gestein
ganz anders und viel röther aus als die mit Sicherheit den exotischen Blöcken Galiziens
angehörigen Granite.
Andererseits ist bei dem fraglichen Stück an ein nordisches Erraticum schon
deshalb schwer zu denken, weil weit ringsum von erratischen Geschieben nichts beob-
achtet wird und weil die Südgrenze des nordischen Diluviums, wie Uhlig (Jahrb. d.
k. k. geol. Reichsanstalt. 1884) gezeigt hat, einige Meilen weiter nördlich, jenseits der
Linie Jasto—Krosno, verläuft,
Freilich habe ich, und das kann bei dieser Gelegenheit gleichfalls zur Sprache
kommen, vor einigen Jahren bei einer im Verein mit Herrn Noth gemachten Excursion
einen rothen, dem skandinavischen Granit überaus ähnlichen kleineren Granitblock noch
weiter südlich in der Gegend des 502 Meter hchen Dukla-Passes gefunden (einige
100 Schritte westlich der Passhöhe und in einer noch etwas grösseren Höhe), allein ich
getraue mich nicht, aus so vereinzelten, mir gänzlich räthselhaften Funden (der letzt-
erwähnte Block konnte vom Boden aufgehoben werden und deshalb ist seine Ver-
schleppung durch Menschenhand nicht ganz ausser dem Bereich der Möglichkeit) irgend-
welche Schlüsse zu ziehen.
Eine künftige Untersuchnng der Umgebung von Iwoniez und Dukla wird vielleicht
der Lösung der Frage näher kommen, ‘ob nicht in dieser Gegend ausnahmsweise ein
exotischer Granit verbreitet ist, dessen Merkmale von denen der sonstigen Karpathen-
granite verschieden und zufällig denen des rothen nordischen Granites verwandter sind.
') Nachweise über die exotischen Blöcke des hier zunächst in Betracht kommenden
Stückes der Karpathen finden sich in meiner grösseren Abhandlung über die Gegend
von Krakau zerstreut (vergl. übrigens 1. ce. pag. 52 und besonders 401—402). Von einem
allgemeineren Standpunkt habe ich das Vorkommen solcher Blöcke in einer früheren
Mittheilung behandelt (Verhandl. d. k. k. geol. Reichsanstalt. 1885, pag. 379). wo auch
verschiedene Literaturangaben zu finden sind.
WE DET PD WER
[19] Beiträge zur Geologie von Galizien, 29
am linken Uter der Beezwa karpathische, zum Theil thonige Bildungen
auf, die der Genannte den oberen Hieroglyphenschiehten zureehnen zu
dürfen glaubt, und inmitten dieses alttertiären Schichteneomplexes fanden
sich Blöcke earbonischen Sandsteines mit Calamiten. Aber noch mehr,
es kamen hier zwei ungeheure Blöcke von echter Steinkohle vor, so
gross, dass darin vor Jahren ein Abbau versucht wurde !) und dass selbst
Fachleute eine Zeit lang glaubten, das anstehende Kohlengebirge vor
sich zu haben. Noch in neuester Zeit sollen übrigens die fraglichen
Arbeiten von sanguinischer Seite wieder aufgenommen worden sein. Wie
mir Dr. v. Tausch gleichfalls mittheilte, gibt es ferner ebenfalls in
der Nähe von Hustopetsch, und zwar beim Dorfe Perna den oberen
Hierogiyphenschichten untergeordnete Sandsteinlagen, in welchen äusserst
zahlreiche, theils kleine, theils grosse Partikeln von echter Steinkohle
direct als Bestandtheil des Sandsteins auftreten.
Aus allem Diesen geht hervor, dass in diesem Theil des mährischen
Karpathenrandes zur Zeit der Flysehbildung anstehendes Kohlen-
gebirge vorhanden und sogar an der Lieferung des Materials für den
Flysch betheiligt war. Es ist das um so bemerkenswerther, als die
nördliche Vorlage der dortigen Karpathen aus Grauwacken besteht,
und als das productive Kohlengebirge in dieser Vorlage nicht mit ver-
treten ist.
Bezüglich der exotischen Blöcke in den schlesischen Karpathen
hat Hohenegger in seiner Beschreibung der „geognostischen Ver-
hältnisse der Nordkarpathen“ (Gotha 1861, pag. 35 u. 36) erwähnt, dass
sich unter diesen Blöcken, abgesehen von Trümmern krystallinischer
Felsarten und jurassischer Kalke, auch paläozoische Gesteine, und zwar
Devonkalk und carbonische, theilweise durch Pflanzen ausgezeichnete
Sandsteine und Schiefer, sowie auch Stücke von echter Steinkohle
finden, welche earbonischen Gesteine und Schiefer auch dort den alt-
tertiären Karpathensandsteinen als Einschlüsse angehören. Er hat sogar
auf seiner zu jener Arbeit gehörigen Karte die grösseren Carbonblöcke
durch eine besondere Bezeichnung hervorgehoben. Zu den östlichsten
Vorkommnissen dieser Art dürften nach diesen Mittheilungen gewisse
Partien von Steinkohlentrümmern gerechnet werden, welche bei Matzdorf
westlich von Bielitz und bei Jablunkau von den Schmieden jener Gegenden
aufgesammelt und zur Feuerung benützt wurden.
Diesen Fundstellen earbonischer Trümmer reiht sich nun einige
Meilen weiter im Osten der galizische Fundort Bachowice an. Wohl
hatten bereits Hohenegger und Fallaux (Erläuterungen zur geogn.
Karte des ehem. Gebietes von Krakau. Wien 1868, pag. 28) in aller
Kürze von dem Vorkommen von Steinkohlenbrocken in den alttertiären
Schichten der Karpathen südlich von Krakau geredet und ich selbst
hatte (Geogn. Verhältnisse d. Gegend v. Krakau, pag. 282 u. 300) in von
!) In einem soeben, gleichzeitig mit diesen Beiträgen erscheinenden Aufsatze
Stur’s (Jahrb. d. k. k. geol Reichsanstalt 189]) wird das Vorkommen eines dieser
Blöcke am Strazberge bei Chorin auf Grund älterer Notizen des genannten Autors
näher beschrieben und dabei mitgetheilt, dass die betreffende Kohle den Schatzlarer
Schichten, also keineswegs der tiefsten Abtheilung des productiven Kohlengebirges in
Mähren, angehörte. Ich bin aber vorläufig noch nicht in der Lage, mich näher auf
diesen Aufsatz zu beziehen, von dem ich erst Kunde erhielt, als meine Arbeit schon
dem Druck übergeben war.
30 Dr. Emil Tietze. [20]
mir allerdings für älter gehaltenen Bildungen jener Gegend das Dasein
kleiner Kohlenfragmente angegeben, allein eigentliche exotische Blöcke
von Steinkohle oder gar von Sandsteinen des Kohlengebirges waren
meines Wissens bisher nicht aus diesem Theile der galizischen Kar-
pathen bekannt. Man muss sich auch, nebenbei gesagt, hüten, in diesem
Gebirge nicht jeden Kohlenfund auf alte Steinkohle zu beziehen, da ein
Theil der (praktisch übrigens selten verwerthbaren) Kohleneinschlüsse
in den betreffenden Flyschgesteinen sicher mit den letzteren selbst
gleichzeitigen Ursprunges ist.
In gewissem Sinne erseheint also der Fund von Bachowice als
ein Seitenstück zu jenen Funden von Kohlenkalkblöcken, welche Uhlig
(Verhandl. d. k. k. geol. Reichsanstalt. 1883, pag. 216) bei Zwiernik
und Niedzwiedzki (Wieliezka, pag. 40) östlich von Wieliezka ent-
deckt haben.
Diese Kohlenkalkreste, sofern sie sämmtlich, wie schliesslich wohl
anzunehmen, den Karpathensandsteinen entstammten und nicht etwa
diluvial-erratischen Ursprunges waren, bewiesen, dass der Kohlenkalk
einst von der Krakauer Gegend her bis in die Gegend des heutigen
Karpathenvorlandes verbreitet war, dass er sodann an der Bildung jenes
eigenthümlichen Gesteinswalles theilnahm, von dem in den Schriften der
letzten Jahre öfters die Rede war und dass er später das Schicksal
der anderen Gesteine dieses Walles theilte, welehe während der Ab-
lagerung der Karpathensandsteine bis auf geringe Ueberbleibsel zerstört
wurden.
Aehnliches gilt nun von der produetiven Kohlenformation, welche
sicher einst in Schlesien (wo sie ja ohnehin, z. B. bei Karwin, heute
noch ganz in die Nähe der karpathischen Erhebungen heranreicht), sowie
in gewissen Theilen Mährens und, wie sich nunmehr zweifellos heraus-
stellt, auch in Galizien an Orten entwickelt war, die heute von kar-
pathischen Sandsteinen eingenommen werden. Der Bachowicer Fund
beweist jedenfalls, dass in der 'T'hat Gesteine jener Formation wenigstens
bis auf eine Entfernung von ungefähr einer deutschen Meile noch
südlich der Weichsel entwickelt waren, sofern wir nämlich das Vor-
kommen der exotischen Biöcke in der Nachbarschaft der Gesteinsklippen
annehmen müssen, von denen die Blöcke abstammen.
Ich habe übrigens eine derartige ehemalige Ausdehnung des
Kohlengebirges speeiell in diesem Theile Galiziens bereits a priori
vermuthet, denn ich schrieb (Die geogn. Verhältnisse d. Gegend von Krakau,
pag. 96), es sei die Vermuthung begründet, dass jenes produetive
Gebirge in der Gegend des Weichselthales zwischen Zarki und Oswieeim
und „vielleicht auch darüber hinaus bis an den Karpathenrand“* unter-
irdisch vorhanden sei, wobei ich mich auf den Nachweis desselben bei
Grojee, südlieh Oswieeim berufen konnte. Allerdings musste ich dabei
auch auf die Thatsache hinweisen, dass nach den Ergebnissen gewisser
bergmännischer Anlagen in der Nähe des Weichselthales zu urtheilen,
aller Wahrscheinlichkeit nach die Zahl und Mächtigkeit der dem Carbon
angehörigen Flötze daselbst im Vergleich mit den nördlicher gelegenen
Partien dieser Formation in der Abnahme begriffen erscheint, was auf
eine schon ursprünglich übermässig grosse Ausdehnung des productiven
Carbons gegen die Karpathen zu, wenigstens für diese Gegend, nieht
[21] Beiträge zur Geologie von Galizien. 31
eben schliessen liess. Es bedarf auch keiner längeren Erläuterung, dass
mit jener Vermuthung, wie schon der Wortlaut des eitirten Passus beweist,
nicht etwa auch die Annahme einer noch heute bestehenden unge-
störten Fortsetzung des Carbons unter den Karpathen selbst ver-
bunden war.
Ueberdies habe ich in den Schlussbemerkungen meiner Darstel-
lung der geognostischen Verhältnisse der Gegend von Krakau (l. e. pag. 409
‚bis 411) keinen Zweifel darüber gelassen, wie ich mieh zu jenen Vor-
stellungen verhalte, denen zufolge das Kohlengebirge des oberschlesisch-
mährisch-galizischen Beckens sich ziemlich weit unter die Karpathen
fortsetzen soll, und zwar unter Beibehaltung seiner im Flachlande zur
Geltung kommenden Tektonik, nur überschoben von den angeblich nach
Norden gewanderten und dabei zusammengefalteten Flyschmassen.
Bei der Abfassung jener Bemerkungen war indessen auf die
Bedeutung der exotischen Blöcke von Gesteinen des productiven Carbons
für diese Frage noch kein Bezug genommen worden, weil innerhalb des
damals behandelten Gebietes noch keinerlei Beobachtungen zu einer
solehen Bezugnahme Veranlassung gaben. Heute erscheint es aber natür-
lich, eine derartige Beziehung aufzusuchen, und gleich vornweg lässt sich
erklären, dass Funde, wie die des Calamitensandsteins von Bachowice,
nur geeignet sein können, den von mir den Suess’schen Anschauungen
gegenüber eingenommenen Standpunkt zu bestätigen, nicht aber zu
widerlegen. Denn nicht die Annahme einer Fortsetzung des Carbons
unter der Flyschdecke im Allgemeinen, sondern, ich wiederhole das,
speciell die Vorstellung von der Fortsetzung derselben Lagerungs-
verhältnisse ist für jene Anschauungen das Bezeichnende.
Wenn Absätze der Steinkohlenformation, woran wohl kein Zweifel
mehr sein kann, eine Strecke lang an der Zusammensetzung jenes Gesteins-
walles theilgenommen haben, aus dessen Zerstörung die exotischen Blöcke
der Karpathen hervorgingen, so haben dieselben einer Klippenreihe, bezüg-
lich einem Gebirgszuge angehört, welcher aus den Gewässern der alt-
tertiären Zeit mehr oder weniger aufragte und daher der Brandung dieser
Gewässer ausgesetzt war. Dieser Gebirgszug ist aber (vergl. pag. 398
meiner Krakauer Arbeit) jedenfalls bald nach Ablauf der Jurazeit ge-
faltet und aufgerichtet worden, soweit nicht etwa schon frühere Störungen
in derselben Region einen Einfluss auf das Relief der Gegend ‚genommen
hatten. Jene nachjurassischen Störungen aber müssen ziemlich intensiver
Natur gewesen sein, wie die Tektonik der discordant von Karpathen-
sandstein umgebenen jurassischen Klippen von Inwald, Andrychow und
Roezynny deutlich genug beweist. Man wird leicht einsehen, dass die
vorjurassischen Absätze dieser Gegend von diesen Störungen in wesent-
liche Mitleidenschaft gezogen werden mussten. Es ist also die Lagerung
des Carbons in dieser Gegend schon zur Zeit des Absatzes des Flyschı
eine von der Lagerung derselben Formation ausserhalb der Karpathen
verschiedene gewesen. Der Flysch jedoch hat das Carbon weder bei
seinem Absatz, noch bei einer späteren hypothetischen, von fern her
wirkenden Ueberschiebung einfach bedeckt, sondern seine Absätze haben
wenigstens theilweise die earbonischen Gesteine als Bestandtheile von
Ufern und Riffen vorgefunden, welche bei ihrer Zerstörung das Material
für jene Absätze abgeben halfen. Damit erledigen sich gewisse Fragen
in sehr einfacher Weise.
239 Dr. Emil Tietze. [22]
So sagt auch schon Hohenegger (Nordkarpathen, 1. e. pag. 36)
in Bezug auf die westlicher gelegenen Grenzgebiete zwischen Karpathen
und ausserkarpathischen Bildungen, dass in der Eocänperiode das Stein-
kohlenbeeken von Ostrau durch „das Eindringen des Karpathenmeeres“,
wie er glaubte, in Verbindung mit plutonischen Kräften „furehtbar an-
gegriffen und theilweise zerstört“ wurde. Er fügt hinzu, dass man mehr-
fach unter der tertiären Decke grossartigen, unterirdischen Auswaschungen
und einem „Abschneiden“ des ganzen Kohlengebirges begegne. Dies
seien Orte, welche der Steinkohlenbergbau sorgfältig zu vermeiden
habe.!) Wie soll man derartige Erscheinungen mit einer blossen Ueber-
schiebung des Kohlengebirges durch den Flysch in Einklang bringen?
Während aber in Mähren und Schlesien die exotischen Carbon-
blöcke noch häufiger auftreten, regt der bereits betonte Umstand ihrer
grossen Seltenheit in Galizien noch speciell zum Nachdenken an. Man
darf sich dabei vor Augen halten, dass Bachowice nicht allein der
einzige bis jetzt bekannte Fundort hieher gehöriger Sandsteinblöcke in
den galizischen Karpathen ist, sondern dass auch an diesem Fundorte
selbst die Stücke von Kohlensandstein quantitativ eine nur unterge-
ordnete Rolle spielen, im Vergleich mit den Blöcken von Granit und
Jurakalk. Es scheint also, dass selbst in denjenigen heute vom Flysch
oceupirten Gebieten, bis zu welchen das Carbon einst thatsächlich sich
erstreckt hat, die Zerstörung seiner Schichten stellenweise schon vor
dem Beginn des Flyschabsatzes eine so weitgehende war, dass die
Agentien, welche später bei der Entstehung der exotischen Blöcke
thätig waren, nicht mehr viel davon zu zerstören vorfanden. Griffen
nämlich jene Agentien das krystallinische Grundgebirge zur alttertiären
Epoche so ausgiebig an, wie das die allenthalben in den betreffenden
Schichten vorfindlichen Granit- und Gneissblöcke beweisen, dann hätten
sie das darauf abgelagerte Kohlengebirge wohl nicht verschont, wenn
dieses noch in ausgedehnteren Partien vorhanden gewesen wäre.
Wenn ich also auch bei meiner Discussion der vorher erwähnten
Suess’schen Ansichten (vergl. besonders 1. e. pag. 410 unten) die Mög-
lichkeit ausdrücklich zugestanden habe, dass eine südliche Fortsetzung
des polnisch-mährisch-schlesischen Kohlengebirges einst bestanden habe
oder stellenweise noch jetzt bestehe, so bezog sich das ganz im Allge-
meinen auf die Denkbarkeit des blossen Vorhandenseins entsprechender Bil-
dungen in einem 'T'heil des vom Flysch bedeckten Gebiets. Dass aber,
so fügte ich hinzu, die Steinkohlenformation „gleichsam ungestört bis
zu ihrem ursprünglichen Ablagerungsende unter dieser Decke fortsetzt,
und dass dieses Ende dabei meilenweit südlich von dem heutigen Kar-
pathenrande sich befindet“, dafür lasse sich, insbesondere durch blosse
‘) Das Vorkommen echter Steinkohlentrümmer zwischen Sandsteinen, schreibt
Hohenegger, habe in der That schon manchen geübten Bergmann „zu kostbaren
Schurfanlagen verführt“. Einer seiner ersten Schritte bei Uebernahme der Bergdirection
in Teschen sei deshalb gewesen, „4 Schurfschächte auf solche eocäne Trümmer ein-
zustellen“, Es ist auch klar, dass selbst im Falle; wo beim ersten Anlauf grössere
Blöcke mit einem Gehalt von etlichen 1000 Centnern Kohle gefunden würden, der Abbau
nicht lohnen könnte, Man vergleiche die Kosten von Bohr- und Schachtanlagen mit
dem Verkaufspreise der Kohlen und man wird finden, dass solche Versuche für den
Unternehmer den garantirten Bankerott bedeuten würden.
[23] Beiträge zur/Geologie von Galizien. gg
Speeulation ein Beweis nicht erbringen. Es schien mir nieht überflüssig,
dies heute wieder hervorzuheben.
Ausall dem Gesagten geht jedenfalls hervor, dass vom praktischen
Standpunkte aus besondere Hoffnungen auf die productive Kohlentor-
mation, die unter den westlichen Karpathen vorhanden sein soll, nicht
zu setzen sind.
Dass aber für die östlicher gelegenen Theile der galizischen Kar-
pathen aus anderen Gründen noch weniger Aussicht besteht, Steinkohle
in der Tiefe aufzufinden, das konnte ich schon früher gelegentlich einer
Discussion über die genetischen Verhältnisse des Erdöls betonen (vergl.
Jahrb. d. geol. Reichsanst. 1579, pag. 300), als es sich darum handelte,
zu zeigen, dass das galizische Erdöl unmöglich auf Kohlenablagerungen
in der Tiefe zurückzuführen sei.
Die vertalkten, fast an das Vorkommen der Tarantaise erinnernden
Pflanzen des Schiefers der Gegend von Zemplin (vergl. Stur, Die
Culmflora. Verhandl. d. k. k. geol. Reichsanstalt. Wien 1877, 8. Bd.,
pag. 318), welche von anderer Seite benützt wurden, um eine einstige
riesige Ausdehnung des mährisch - schlesisch - polnischen Kohlenbeckens
wahrscheinlich zu machen, kommen, wie mir scheint, für diese Frage
nicht in Betracht. Der betreffende Punkt liegt weit südöstlich des Granits
der Tatra, deren ältere Vorlagen auf der galizischen Seite doch keinerlei
Steinkohlen aufweisen und er liegt überhaupt nahezu jenseits. der
altkrystallinischen Zone des karpathischen Bogens, von welcher Zone
die altkrystallinischen Gesteine des nördlichen Ungarns bekanntlich nur
ein fragmentarisches Glied sind. So gut wie diese innerkarpathischen
Schiefer der Gegend von Zemplin könnte man das Carbonvorkommen
der Stang-Alpe in Steiermark mit den Ostrauer Absätzen in directe
Verbindung bringen wollen, was aber wohl auf Widerspruch stossen würde.
P. Ein Ausflug nach Mietniöw.
Auch Wieliezka wurde heuer von mir wieder besucht, und zwar
namentlich auf Grund einer Aufforderung des Herrn Prof. v. Szajnocha
in Krakau, welcher die durch die Controversen der letzten Zeit be-
kannter gewordenen Steinbrüche von Mietniöw mit mir gemeinsam zu
besichtigen wünschte. Ich hatte überdies das Vergnügen, bei diesem Aus-
fluge nach Mietniow ausser von Herrn Szajnocha noch von Herrn
Bergrath v. Strzelecki aus Wieliczka begleitet zu werden.
Bekanntlich handelt es sich bei jenen Controversen vornehmlich
darum, ob in dem Sandstein von Mietniöw, bezüglich in seinen Zwischen-
lagen Versteinerungen vorkommen, durch welche das cretacische Alter
dieses von mir aus anderen Gründen dem Oligocän zugetheilten Sand-
steins erwiesen werden kann.
Wenn nun auch die Nichtauffindung solcher Versteinerungen kein
voller Beweis dafür ist, dass dergleichen überhaupt an gewissen
Stellen nicht gefunden werden können, so muss doch begreiflich ge-
funden werden, dass man bei einem solchen negativen Resultat weniger
leicht dazu gelangt, das behauptete ceretacische Alter der betreffenden
Ablagerung anzuerkennen, als wenn man selbstständig und gleichsam
Jahrbuch der k. k. geol. Beichsanstalt. 1891. 41. Band. 1. Heft. (E. Tietze.) 5
Z4 Dr. Emil Tietze. [24]
handgreiflich zu den erwünschten Beweisen im positiven Sinne gelangt.
Ich muss nun bekennen, dass trotz mehrstündigen Suchens in dem ge-
nannten Steinbruche es Keinem von uns Dreien gelang, auch nur die
Spur eines Petrefaktes aufzufinden. Ich begnüge mich zunächst damit,
diesen Umstand zu ceonstatiren.
Bezüglich eines anderen Punktes jedoch bin ich in der Lage,
eine Ergänzung meiner früheren Darstellung des betreffenden Auf-
schlusses zu geben.
Wir beobachteten nämlich diesmal als Zwischenlagen des Sand-
steins nicht allein jene gebänderten Sandsteinschiefer mit Kohlen-
schmitzen , welche ich schon früher von hier erwähnt hatte, sondern
auch einzelne, etwas unregelmässige Lagen dunkler, im feuchten Zu-
stande plastischer Thone, die ziemlich ähnlich sind jenen Thonproben,
in welchen die von Herrn Prof. Niedzwiedzki seinerzeit von Cho-
ragwica mitgebrachten Cephalopodenschalen gelegen sind. Insofern ich
also das Vorkommen solcher Thonzwischenlagen im Sandstein von
Mietniöw früher Herrn Niedzwiedzki gegenüber bestritt, weil ich
dieselben thatsächlich im Jahre 1884 daselbst nieht beobachtete, wäh-
rend sie bei dem heutigen Stande der Steinbruchsarbeiten augenschein-
lich wieder sichtbar sind, bin ich loyaler Weise verpflichtet, die be-
treffende Beobachtung besonders hervorzuheben. Ich bemerke übrigens,
dass andererseits gerade die eretacischen Fossilien, welche nach den
Angaben Niedzwiedzkis aus dem Mietniöwer Steinbruch stammen,
nicht in solchen Thonen, sondern in sandigen Gesteinen, bezüglich Sand-
steinvarietäten enthalten sind, welche weder mit diesen T'honen, noch
mit dem Hauptgestein des Mietniöwer Bruchs vergleichbar sind. Ich
bemerke ferner, dass jene dunklen Schieferthone ihrerseits eine grosse
Aehnlichkeit mit den oligocänen Schieferthonen von Vereezke in der
Marmarosch besitzen, über welche anfänglich ich im Vereine mit Herrn
Paul, später auch Vacek berichtet haben.
Es verdient gesagt zu werden, dass die Aufschlüsse bei Mietniow
eigentlich aus zwei einander sehr benachbarten Steinbrüchen bestehen
und dass die bewussten Thone sich nur in dem einen dieser Brüche
nachweisen liessen, in welchem gerade zur Zeit unserer Anwesenheit
gearbeitet wurde. Das würde darauf hinweisen, dass solche Thone
nicht in der ganzen Ablagerung gleichmässig vertheilt sind. Daraus
könnte erklärt werden, dass dieselben vielleicht nicht bei jedem Besuch
der Localität gleich gut erkennbar sind, da ihre Beobachtbarkeit von
dem wechselnden Stande der Arbeiten in den Brüchen abhängig sein mag.!)
Manche Thonlagen enthalten schieferige, dünne Sandsteinzwischen-
lagen von weisslicher Farbe. Wenn ein Klumpen solchen Thones herab-
stürzt und auf die Halde gelangt, so zerbröckeln die erwähnten
Zwischenlagen in ganz kleine Stückchen. Solche Thonklumpen sehen
dann beim ersten Blick so aus, als ob Detritus von Petrefaktenschalen
in ihnen enthalten wäre, was beim Suchen nach Versteinerungen oft
zu Enttäuschungen führt.
‘) Zur Illustrirung dieses Umstandes kann dienen, dass Herr Hofrath Stur,
wie er mir mittheilte, im Herbst vorigen Jahres, also später als ich, nochmals in
Mietniow war und nicht mehr in der Lage war, seine früheren Beobachtungen
sämmtlich zu wiederholen.
ui,
a 20 AU Z
w-
2,
[25] Beiträge zur Geologie von Galizien.
Wenn ich nun noch hinzufüge, dass wir auch einzelne seltene
Stücke mit groben Hieroglyphen nachweisen konnten, welche einer
Zwischenlage im Sandstein zu entsprechen scheinen, so habe ich das
rein Thatsächliche unserer diesmaligen Erhebungen mitgetheilt.
Nach meiner Rückkehr von der Reise habe ich nun vor Allem
die im vorigen Jahr von Herrn Stur in derselben Localität gesammelten
Stücke verglichen und darunter eines gefunden, welches den Gesteins-
stücken sehr ähnlich sieht, in welchen die von Niedzwiedzki ge-
sammelten Bruchstücke von Cephalopoden liegen. Es ist ein dunkler,
bröckliger Sandstein mit kleinen, undeutlichen und gänzlich unbestimm-
baren Schalentrümmern, in welchem Brocken eines dunklen Schiefer-
thones enthalten sind. Ausser jenen Schalentrümmern liegt in dem
bewussten Sandstein ein Gastropod, welches indessen leider ebenfalls
nicht sicher bestimmbar ist. Es liess sich also in keiner Weise ein
neues Moment zur besseren Beurtheilung der Sachlage beibringen.
Der allgemeine Eindruck indessen, den wir, Herr Prof. Szajnocha
und ich, von der fraglichen Ablagerung erhielten, war doch wieder der,
dass diese Ablagerung, an und für sich betrachtet, als alttertiär zu
deuten wäre. Man braucht dabei in keiner Weise anzuzweifeln,, dass
Prof. Niedzwiedzki hier wirklich jene cretacischen Fossilien
gefunden hat, welche ihn zuerst bestimmten, die ganze Ablagerung
für Kreide zu halten. Ich erkläre das nochmals ganz ausdrücklich
und bin ja sogar heute in der Lage, wie aus dem Obigen hervorgeht,
gewisse Bedenken bezüglich der Provenienz der jene Fossilien ein-
schliessenden Gesteine fallen zu lassen.
Eines aber möchte ich denn doch hervorheben. Stur hat am
Sehlusse seiner Mittheilung über Mietniöow die Aeusserungen zweier
vorzüglichen Kenner von Kreidepetrefakten, der Herren Schlüter und
Uhlig angeführt, welchen die fraglichen Fossilien zur Ansicht vor-
lagen. Obwohl nun diese Aeusserungen dahin lauten, dass eine nähere
Bestimmung der betreffenden Fragmente nicht möglich sei, spricht die
Natur dieser Reste doch mehr für den neocomen Charakter der Fossilien
als für den eines jüngeren Kreidehorizontes. Einen solchen jüngeren
Horizont muss aber andererseits Niedzwiedzki dabei schon deshalb
für vertreten ansehen, weil das Neocom der Umgebung von Wieliezka
in ganz anderer Ausbildung entwickelt ist als der Sandstein von
Mietniow und weil dieser Sandstein, bezüglich seine von Niedzwiedzki
anerkannten Aequivalente auf den sicheren Neocomschichten aufruhen.
Wie soll man nun die vorliegende Vergesellschaftung einer wesentlich
aus Hamiten oder Crioceren bestehenden Fauna, unter denen nach
Uhlig eine Form ziemlich nahe an die Crioceren des Barr&mien er-
innert, in einem postneocomen Absatz besonders annehmbar finden ?
Denn wenn diese Vergesellschaftung auch prineipiell der Voraussetzung
eines etwas jüngeren eretacischen Alters nicht direet widerspricht, so
ist doch ihr Gesammthabitus sicher mehr der der Zugehörigkeit zu einer
etwas älteren Ablagerung. Liegt es denn im Hinblick auf den frag-
mentarischen Zustand der bewussten Fossilien nicht in der That nahe,
an eine Einschwemmung der Schalen zu denken? Lagen aber die
Schalenbruchstücke auf seeundärer Lagerstätte, dann ist es auch nicht
mehr unbedingt nöthig, die Absätze, die sie einschlossen, für eretaeisch
5*
36 Dr. Emil Tietze. [26]
anzusehen und wenn im Uebrigen alle Umstände für ein alttertiäres
Alter jener Absätze sprechen, wie ich früher ausführlich auseinander-
gesetzt habe, dann wird man naturgemäss diesen letzteren Umständen
am meisten Rechnung zu tragen gewillt sein. Deshalb scheint mir
unter der Voraussetzung, dass die von Niedzwiedzki bei Mietnioöw
entdeekten Reste aus mit dem dortigen Sandstein verbundenen Gesteinen
stammen, die Erklärung Stur's, man habe es mit Einschwemmungen
in ein eocänes, bezüglich oligocänes Lager zu thun, die den Ver-
hältnissen entsprechendste zu sein.
Die alttertiären Bildungen des karpathischen Vorlandes südlich
von Krakau und insbesondere auch der Ciezkowieer Sandstein, zu
welchem ich den Sandstein von Mietniow rechne, liegen, wie ich das
in meiner grösseren Arbeit auseinandersetzen konnte, so evident dis-
cordant über den neoeomen Büldungen desselben Gebietes, dass sehr
leicht etwas neocomer Detritus und dabei local auch Fragmente ereta-
eischer Schalen in jene alttertiären Absätze hineingelangen konnten, so gut
wie ja unbestreitbarer Weise auch die jurassischen Ammoniten und der
carbonische Calamit von Bachowice, von denen gerade vorher die Rede
war, in den gleichen alttertiären Bildungen sich auf secundärer Lager-
stätte finden.
Unser gemeinschaftlicher Besuch des Mietniower Steinbruches hat
sich übrigens nicht auf die Besichtigung dieses Bruches allein beschränkt.
Die Herren Szajnocha und Strzelecki haben mit mir noch einige
der Schluchten begangen , welche von dem Höhenrücken bei Choragwica
und Mietniöow nordwärts gegen die Strasse Wieliezka-Bochnia herab-
ziehen. Leider zeigte sich, dass die Aufschlüsse in diesen Schluchten
der Veränderlichkeit unterliegen und je nach dem wechselnden Spiel
der Gewässer und vegetativen Vorgänge bald ein deutlicheres, bald ein
verwischteres Bild der Verhältnisse bieten. Wir trafen diesmal für
unsere Begehung keinen günstigen Zeitpunkt.
Insbesondere erwiesen sich die Entblössungen des an der Grenze
von Tomaszkowice und Przebieezany verlaufenden Baches, von welchen
ich in mciner grösseren Arbeit (pag. 296) berichtete, viel undeutlicher
als sie früher erschienen. Sie sind seit der Zeit meines ersten Besuches
vielfach verstürzt und verwachsen, was auch Herrn Bergrath Strelecki,
der diesen Bach seit etlichen Jahren nicht besucht hatte, auffiel. Aber
auch in demjenigen Bache, welcher bei dem dureh die Literatur bekannt
gewordenen Aufschluss des Tomaszkowicer Sandsteines herabkommt,
waren manche Verhältnisse nieht mehr in der früheren Deutlichkeit zu
sehen. Anderes war dafür vielleicht besser entblösst als früher.
Jedenfalls liessen sich aber hier noch einige Beobachtungen an-
stellen, welehe auf die neuesten Differenzen zwischen Herrn Nied-
zwiedzki und mir Bezug haben, also auf Streitpunkte , die ich in meiner
Jüngst erschienenen Schrift: „Einiges über die Umgebung von Wieliezka*
(siehe Verhandlungen d. k. k. geol. Reichsanstalt. 1390, Nr. 8) zu dis-
eutiren Veranlassung hatte. Ich meine hier besonders die Frage nach
dem Streichen der Schiefer, welehe direet südlich vom Tomaszkowicer
Sandstein auftreten und deren Diseordanz gegenüber demselben Sandstein
Niedzwiedzki aus dem Umstande folgern wollte, dass diese Schiefer
ein nordsüdliches Streichen besitzen sollten, während der Sandstein selbst
a DA en 2
[27] Beiträge zur Geologie von Galizien. 37
mehr ostwestlich streiche. Herr Prof. Szajnocha, dem ich diesmal als
einem Unparteiischen die Beobachtungen, das Streichen betreffend, über-
liess, econstatirte an mehreren Punkten ein zweitelloses Ostweststreichen der
betreffenden Schiefer zwischen Stunde 6 und 7 bei ziemlich steiler, südlicher
Neigung derselben. An einer Stelle, und zwar gerade an einem Aufschluss,
der ausnahmsweise eine dünne und deshalb auch deutlich geschichtete
Partie des sonst sehr massigen Tomaszkowicer Sandsteines in der Nähe
der Grenze gegen die thonigen und schieferigen Bildungen zu bloss-
gelegt hatte, ermittelte Herr Szajnocha das Streichen dieser Partie
zu Stunde 7. Diese Beobachtungen lieferten also ein die Bedenken
Niedzwiedzki's völlig entkräftendes Ergebniss, insoferne sie eine
nahezu völlige Uebereinstimmung der bewussten Streichungslinien fest-
stellten. Damit wird auch die von mir ausgesprochene Vermuthung
zugänglicher, dass an jener Stelle, an welcher ich früher ein schein-
bares meridionales, also der allgemeinen Richtung ganz entgegen-
gesetztes Streichen gewisser fischführender Schiefer wahrnahm, während
die Lage der in diesen liegenden Fischschuppen auf eine ostwestliche
Richtung hinwies, in der That falsche Sehiehtung vorliegt.
Leider konnten übrigens diesmal solche Fischreste, von denen
ich früher Proben mitbringen konnte, nicht aufgefunden werden. Die
betreffende Fundstelle, die vor Jahren einen sehr guten Aufschluss
gewährte, war in Folge der Veränderungen in der Configuration des
Baches undeutlich geworden, während andere Punkte, die früher weniger
gut entblösst waren, einen deutlicheren Einblick in den Aufbau der
hiesigen Schichten darboten, wodurch sich erklären würde, dass Niedz-
wiedzki das ostwestliche Streichen dieser Schichten in Abrede zu
stellen versucht wurde.
Der Umstand hingegen, dass an der diesmal von Prof. Szajnocha
gemessenen Stelle das Streichen des Tomaszkowicer Sandsteines in
Stunde 7 stattfindet, stimmt mit der Angabe Niedzwiedzkis, der-
zufolge dieser Sandstein nahezu ostwestlich streicht, besser überein, als
mit meiner früheren Angabe, wonach ein Streichen in Stunde 4!/, an-
zunehmen gewesen wäre. Ich habe dieses letztere Streichen indessen
seiner Zeit an einer anderen Stelle abgelesen und bin sicher, mich
nicht getäuscht zu haben. Der Widerspruch der betreffenden Angaben
ist indessen nur ein scheinbarer. Er erklärt sich dureh die Unregel-
mässigkeiten, denen die Streichungslinien in diesem (Gebiet nicht selten
in Folge von Biegungen ausgesetzt sind, wie ich das für den dem
Tomaszkowicer Sandstein verwandten und benachbarten Sandstein
zwischen Choragwica und Strozina schon früher ausdrücklich und mit
besonderer Begründung hervorgehoben habe (vergl. die Monogr. über
Krakau, pag. 294 und Verbandl. d. k. k. geol. Reichsanstalt. Nr. 8,
pag. 7 des Aufsatzes). Habe ich also hier einen Fehler gemacht, so
besteht er darin, dass ich einer zufällig gerade gut anzustellenden
Beobachtung eine zu verallgemeinerte Bedeutung gegeben habe.
Soll ieh nun die Aufzählung der Eindrücke zum Abschluss bringen,
welche auf der gemeinsam mit Prof. Szajnocha ausgeführten Exeursion
gewonnen wurden, so muss ich noch anführen, dass südlich hinter den
Schiefern,, zu welchen die grauen fischführenden Schiefer jenseits des
Tomaszkowicer Sandsteins gehören und welche den Lednicer Schiehten
38 Dr. Emil Tietze. [28]
Niedzwiedzkis zufallen, in dem schon dicht mit Gebüsch und
Gestrüpp bewachsenen Theile des Baches dunkle Schiefer mit dünn-
schieferigen sandigen Lagen und mit Hieroglyphen constatirt wurden,
welche in ihrem Aussehen sehr an Wernsdorfer Schichten erinnern, so
dass es nicht gerathen erscheint, dieselben gleich den Lednicer Schichten
dem Oligocän zuzuweisen. Wir würden vielleicht hier den Beginn des
Neoeoms anzunehmen haben, welches sowohl Niedzwiedzki als ich
im oberen Theile des betreffenden Baches voraussetzen.
Q. Die Ergebnisse zweier Bohrungen in der Nähe von
Wieliczka.
Im Anschluss an diese Mittheilungen will ich nun noch über die
Erfahrungen berichten, welche man bei einigen Bohrungen in der Nähe
von Wieliezka bezüglich der Zusammensetzung des dortigen Gebirges
gemacht hat.
Es ist bekannt, dass man nach einem unter Mitwirkung des
Herrn Prof. Niedzwiedzki festgestellten Plane seit einigen Jahren
damit beschäftigt ist, die Umgebung des Salzgebirges von Wieliezka
durch bergmännische Arbeiten zu untersuchen, um zu ermitteln, ob und
in welcher Weise diese Salzlagerstätte sich über die durch den Bergbau
aufgeschlossenen Regionen hinaus fortsetzt.
Zunächst versuchte man die Verhältnisse im Westen der Grube
aufzuklären, und zu diesem Zwecke wurde das mit Nr. 1 bezeichnete
Bohrloch von Kossocice hergestellt, über welches ich in meiner Mono-
graphie der Gegend von Krakau, in dem Wieliezka behandelnden
Capitel (pag. 211 u. f.) berichtet habe. Da die bei dieser Bohrung er-
zielten Resultate nicht allen Erwartungen genügten, welche man an
dieselbe geknüpft hatte, so wurde etwas südlich davon, das ist etwas
mehr gegen den Karpathenrand zu, im Sommer 1888 eine neue mit Nr. 2
bezeichnete Bohrung in der Nähe von Baryez begonnen, welche im
September 1890, als das Liegende der Salzformation erreicht worden
war, zum Abschluss gebracht wurde. Gütigen Mittheilungen des Herrn
Ministerialrathes Ott im hiesigen k. k. Finanzministerium und des
Herrn Bergrathes v. Strzelecki in Wieliezka verdanke ich die
Möglichkeit, von den wissenschaftlich bemerkenswerthen Ergebnissen
dieser Bohrung an dieser Stelle Kenntniss zu geben, für welches Ent-
gegenkommen ich den Genannten besonderen Dank schulde.
Den erwähnten Mittheilungen zufolge durchstiess man die ober-
flächlichen Aufsehüttungen und die Dammerde bei 1 Meter 5 Centimeter
Tiefe und einen gelben, augenscheinlich diluvialen Lehm mit Wurzel-
fasern bei 1 Meter und 32 Centimeter Tiefe. Darunter folgte ein weisslich
grauer abfärbender Thon bis zu 2 Meter 36 Centimeter und ein asch-
grauer, stark sandiger, mit Wasser schlammig werdender, Glimmer-
schüppehen und Pflanzenreste führender Thon bis zu 6 Meter 34 Centi-
meter. Darunter gelangte man bis zur Tiefe von 7 Meter 80 Centimeter
auf eine Schotterschicht, bestehend aus Geröllen von Mergel, Sandstein,
Kalkstein, Quarz, Granit und Stücken von rothem Thon. Bis hieher
darf man vermuthlich die Anwesenheit quartärer Bildungen annehmen.
[29] Beiträge zur Geologie von Galizien. 39
Sicher tertiär ist nun schon der darunter folgende bläulich graue
Thon, der sich durch muscheligen Bruch auszeichnet und viele Gyps-
knollen, sowie Selenitplatten führt, nach 20 Meter Tiefe etwas salzig wird
und nach 30 Meter Tiefe in Salzthon übergeht, der seinerseits ebenfalls Gyps
führt. Zwischen 39 und 45 Meter Tiefe erscheint Grünsalz mit Gyps und
Thon vermengt, darunter 1!/, Meter stark eine Art Krystallsalz. Diese
Salzlagen haben also zusammen eine Mächtigkeit von nicht ganz 8 Metern.
Darunter folgt wieder Salzthon und etwa vom 51. Meter an bis zu
581/, Meter werden Wechsellagen von Salz, Thon und Gyps angegeben,
wobei es fraglich gelassen wird, ob das hier gefundene Salz dem
Spizasalz entspreche. Nun kommt auf’s Neue Salzthon, dem zwischen
71 und 76 Meter Tiefe einige Lagen von Salzsandstein, aber sonst
überall Partien von Gyps untergeordnet sind, während zwischen dem
110. und 115. Meter dünne Lagen feinkörnigen Sandsteines darin auf-
treten, wobei der Gyps nach unten zurücktritt.
Es folgten nun von 122'/, bis 136 Meter Tiefe harte, graue, fein-
körnige Sandsteine mit einigen, zum Theil stark sandigen Thonein-
lagerungen, und es schien anfänglich zweifelhaft, ob man hier noch die
Salzformation oder vielleicht schon Karpathensandstein vor sich habe.
Ein überaus mächtiger bläulichgrauer Salzthon indessen, dem dünne
Lagen von feinkörnigem Sandstein und ein Mergel untergeordnet waren,
der das Liegende jenes Sandsteines bildete, war geeignet, jene Zweifel
wieder zu zerstreuen. Zwischen 237 Meter 50 Centimeter und 241 Meter
90 Centimeter Tiefe führte dieser Salzthon Gypsknollen und faserigen
Gyps und weiter unten bis zur Tiefe von 264 Meter wechselte er
mit Lagen von Salzsandstein, Gyps und unbedeutenden Partien von
Anhydtrit.
Bei 264 Meter aber erreichte man die Ablagerung des Szybiker
Salzes, welches bis zur Tiefe von 289 Meter 30 Centimeter anhielt.
Das gäbe für die Mächtigkeit der Szybiker Salzlagen hier eine Mäch-
tigkeit von mehr als 25 Meter. Indessen treten darin einige Zwischen-
lagen von Thonen auf, und zeigt sich auch das Salz selbst durch Thon
und Anhydrit verunreinigt. Nur die zwischen 268 Meter 56 Centimeter
und 274 Meter 80 Centimeter angetroffene Salzpartie war ziemlich rein
und nur durch geringe Beimengungen von Anhydrit verunreinigt.
| Darunter folgte eine 9 Meter 10 Centimeter starke Lage von Mergel
und grünlich grauem Thon und wiederum hierunter eine 1 Meter
20 Centimeter starke Partie, in welcher Sandsteine, Thone, Anhydrite
und nochmals Andeutungen von Szybiker Salz vorkamen, um schliess-
lich wieder einem Salzthon mit Gypskörnern Platz zu machen, der von
gewöhnlichem Salzthon bei 311 Meter 30 Centimeter abgelöst wurde.
Dieser hielt an bis zur Tiefe von 355 Meter 30 Centimeter und erwies
sich als das liegendste Glied der ganzen hier beschriebenen tertiären
Schicehtenfolge, denn in dieser Tiefe gelangte man mit dem Bohrloch
in hellen jurassischen, Hornstein führenden Kalk.
In einer Tiefe von 364 Meter 10 Centimeter blieb das Bohrloch
in diesem Kalk stehen, da der Zweck desselben, soweit es sich um
eine Recognoseirung des Terrains handelte, mit der Constatirung des
Liegenden der Salzformation erreicht war.
40 Dr. Emil Tietze. [30]
Dass dieses Liegende bier wieder Jurakalk ist, wie im Kossoeicer
Bohrloche, ist gewiss von hohem Interesse, einmal, weil erwiesen wird,
dass selbst in solcher, doch schon etwas grösseren Nähe vom Kar-
pathenrande der Karpathensandstein zwischen dem Mioeän und dem
älteren Gebirge noch fehlt, und zweitens, weil es offenbar wird, dass
der obere Jura von Krakau herüber noch viel weiter an die Karpathen
heranreicht, als man bisher mit Bestimmtheit gewusst hat. Es wird
dadurch die Vermuthung immer näher gerückt, dass ein Zusammenhang
zwischen dem Krakauer Jura und dem Jura bestanden hat, dessen
Ueberreste wir in den nördlichen Randtheilen der karpathischen Flysch-
zone theils als Klippen, theils als exotische Blöcke erhalten finden,
gleichviel, wie man sich diesen Zusammenhang im Hinblick auf gewisse,
in feineren Gesteins- und Altersfragen beruhende Schwierigkeiten vor-
stellen will. Ich erinnere hier an den von mir (Gegend von Krakau,
l. e. pag. 283—284) besprochenen Kalkstein von Sygneczöw bei
Wieliezka, von dem bereits Beyrich annahm, dass er mit dem
Krakauer Jura zusammenhänge, und ich erwähne, dass die Entfernung
dieser, heute durch den Abbau vernichteten Blockklippe von dem
Baryezer Bohrloch nur 2 Kilometer beträgt. Dabei geht aber die Ver-
bindungslinie der beiden Punkte schräg gegen das Streichen, entspricht
also nicht einmal der kürzesten Entfernung zwischen dem Bohrloch und
den Schichten, denen jener exotische Block angehörte.
Weitere Gesichtspunkte von einigem Interesse gewinnen wir zZu-
nächst durch eine Vergleichung der soeben mitgetheilten Daten mit den
Angaben, die über das Kossoeicer Bohrloch gemacht werden konnten.
Dort wurde der Jura in einer Tiefe von 322 Meter, hier wurde
er in einer solehen von 355 Meter erreicht. Daraus er gibt sich eine
Abdachung desselben gegen Süden zu. Doch entzieht es sich vorläufig
der Beobachtung, ob diese Abdachung zunächst mit der für das Miocän
dieser Gegend bezeichnenden Fallrichtung gegen den Karpathenrand
hin zusammenhängt, oder ob dieselbe ausschliesslich auf ältere Ver-
änderungen der Juraoberfläche zurückzuführen ist.
Auf alle Fälle wird die Annahme solcher älterer Veränderungen
nicht ganz auszuschliessen sein, wenn es sich nicht um den jetzt er-
wähnten speciellen Fall, sondern überhaupt um die Erklärung der
Tbatsache handelt, dass der obere Jura, der doch unweit von hier bei
Krakau oder sogar noch bei Kurdwanow mehr oder weniger ansehn-
liche Hügel bildet, die sich bis gegen 100 Meter über das Niveau des
Weichselthales erheben, hier erst in solcher Tiefe unter der Tegeloberfläche
und jedenfalls in einer Tiefe von ungefähr 285 Meter unter - dem Niveau
der Weichsel bei Krakau erreicht wird. Auch bei Swoszowice wurde
(vergl. meine Monographie über die Gegend von Krakau, 1. e. pag. 189)
der jurassische, unter dem dortigen Miocän liegende Kalk, der dort
bei zwei verschiedenen Bohrungen zur Feststellung gelangte, erst in
einer Tiefe von 48, beziehungsweise von 81 Meter angefahren. Man dart
geneigt sein, diese Tiefenlagen des Jura im Bereich der den Karpathenrand
begleitenden Miocänzone mit einer Verwerfung, bezüglich mit einem
Absinken der jurassischen Schichten, selbstverständlich einschliesslich
ihrer Unterlage, in Beziehung zu bringen. Es hat dabei den Anschein,
als ob dieses Absinken gegen Wieliezka zu ein besonders starkes gewesen
[31] Beiträge zur Geologie von Galizien. 41
wäre, wie einmal aus dem Umstande geschlossen werden könnte, dass
bei Swoszowice, wie eben gesagt, die Tiefe, in der der Jura angetroffen
wurde, geringer ist, als bei Kossocice oder Baryez, und wie zweitens
aus den später zu machenden Mittheilungen über ein noch näher an
Wieliezka befindliches Bohrloch (Nr. III) hervorgeht, in welchem bei
einer viel grösseren Tiefe der Jura überhaupt noch nicht erreicht
wurde.
Es würde nahe liegen, die durch jenen Abbruch des Jura geschaffene
Situation sich als eine der localen Veranlassungen für die Bildung des
Salzlagers von Wieliezka vorzustellen, da die Ausscheidung des Salzes
dann in einem vertieften Canal vor sich gegangen wäre, welcher im
Norden von den stehengebliebenen Rändern der jurassischen Platte,
im Süden von dem zur Mioeänzeit schon vielfach trocken gelegten
karpathischen Gebiet begrenzt gewesen wäre. So sehr ich aber auch
geneigt bin, diesem Gesichtspunkte eine gewisse Bedeutung zuzugestehen,
so sehr fühle ich mich doch verpflichtet, darauf hinzuweisen, dass mit
dieser Vorstellung wiederum die Erfahrungen in dem später zu be-
schreibenden Bohrloch Nr. III nicht völlig harmoniren, da vorläufig nicht
eingesehen werden kann, warum dann dort in einem augenscheinlich
noch zu jenem vertieften Canal gehörigen Gebiet die Salzabsätze, wie
wir sehen werden, durchaus fehlen.
Ein anderer Vergleichspunkt zwischen den von den Bohrlöchern Nr. I
und II durehfahrenen Schichten ergiebt sich im Hinblick auf die Tiefe
des Auftretens der Szybiker Salzlager, welche im Baryezer Bohrloch
(Nr. II) in 264 Meter, im Kossoeicer Bohrloch (Nr. D) im 217'/, Meter
Tiefe erreicht wurden. Auch bier ergiebt sich, was in diesem Falle
übrigens vorausgesehen wurde, eine Abdachung dieses Theiles des
Salzgebirges gegen Süden zu. Das hängt hier indessen vermuthlich mit
der allgemeinen Südneigung der Schichten des subkarpathischen Mioeäns
zusammen.
Die Mächtigkeit des Szybiker Salzes im Kossoeicer Bohrloch
beträgt einschliesslich zweier, zusammen 7°70 Meter starker Zwischen-
mittel 3222 Meter, die Mächtigkeit desselben Schiehteneomplexes im
Baryezer Bohrloch, wenn wir als untere Grenze dabei jene kleine bei
299%/, Meter durchteufte Schichte annehmen, in welcher noch Spuren
von Szybiker Salz vorkamen, beträgt einschliesslich der gänzlich tauben
Zwischenmittel 35°50 Meter, ist also ungefähr dieselbe. Während beim
Baryezer Bohrloch diese unterste, noch zum Szybiker Complex zu rech-
nende Lage von dem Jura durch eine aus Salzthon bestehende Schichtfolge
von 5580 Meter Stärke getrennt wird, musste man im Kossoeicer Bohrloch
noch 70'46 Meter tief gehen, um den Jura zu erreichen. Auch diese
Mächtigkeiten sind von einander nicht so verschieden, dass dies
besonders auffallen würde. Ueberdies besteht das Liegende der Szybiker _
Salze auch im Kossoeicer Bohrloch vorwaltend aus Salzthon und ist in
diesem Bohrloch nur die Anwesenheit einer Lage von Grünsalz unter
dem Szybiker Salz auffällig, für welche im Baryezer Bohrloch das
Analogon fehlt. Rechnen wir weiter aus, dass im Kossoeieer Bohrloch
die Mächtigkeit sämmtlicher Schichten vom oberen Beginn des Szybiker
Salzes bis zum Jura 102'68 Meter beträgt, die eorrespondirende Schieht-
folge im Baryezer Bohrloch aber 91'30 Meter mächtig ist, so kann
Jahrbuch der k.k. geol. Reichsanstalt. 1891. 41. Band. 1. Heft. (E. Tietze.) 6
4» Dr. Emil Tietze. [32]
man auf Grund aller dieser Daten sagen, dass dieser untere Theil der
Salzformation in Mächtigkeit und in Beschaffenheit der Schichten an
den beiden Bohrpunkten nieht wesentlich difterirt, dass also die früher
von mir vertretene Annahme einer verhältnissmässig grösseren Constanz
im Auftreten dieses Schichteomplexes für den besprochenen Fall eine
neue Bestätigung erfährt.
Anders verhält sich die Sache, sobald wir die über den Szybiker
Salzen entwickelten Bildungen miteinander für beide Localitäten ver-
gleichen.
Im Kossoeieer Bohrloche beginnt das eigentliche Salzgebirge mit
einem über den Szybiker Salzen liegenden Salzthon erst in einer Tiefe
von über 200 Meter und die grosse Hauptmasse der darüber folgenden
Schiehten besteht aus Thonen, welche in ihrer Beschaffenheit ganz den
sogenannten „Swoszowicer Thonen“ entsprechen. Im Baryezer Bohrloch
beginnt das eigentliche Salzgebirge mit echtem Salzthon bereits 230 Meter
über dem Szybiker Salz in einer Tiefe von nur 30 Meter unter der Tages-
oberfläche. Blaue Thone aber, welche dem Swoszowicer Thone ent-
sprechen könnten, sind hier nur in der relativ geringen Mächtigkeit
von einigen 20 Metern über dem Salzthon vorhanden. Zudem führen
diese Thoue hier, wie angegeben wurde, viele Gypsknollen und werden
in einer gewissen Tiefe sogar salzig, um schliesslich direet in Salzthon
überzugehen.
Diese Verhältnisse sprechen doch wohl deutlich genug für die
von mir behauptete Aequivalenz eines grossen Theiles der Swoszowicer
Thone mit dem höheren Theil des eigentlichen Salzgebirges. Da hält
es jedenfalls schwer, die Meinung aufrecht zu erhalten, dass die
Swoszowicer Thone ein selbstständiges jüngeres Schichtglied dem
Salzthon gegenüber vorstellen sollen. Bei der nieht bedeutenden (etwa
300 Meter betragenden) Entfernung beider Bohrlöcher von einander wäre
ein so plötzliches Anschwellen der Mächtigkeit des Salzthones und
seiner Zwischenmittel im Baryezer Bohrloch und ein so plötzliches
Zusammenschrumpfen der Swoszowiezer Thone andererseits ein in hohem
srade räthselhaftes Phänomen. Es ist aber überflüssig, die Zahl der
käthsel für die Geologie dieser Gegend in einem Falle zu vermehren,
in welchem eine naturgemässe Erklärung, wie sie hier durch die Inan-
spruchnahme der Faciestheorie geboten wird, so nahe liegt.
Die faciellen Verschiedenheiten des Gebirges über den Szybiker
Salzlagern zeigen sich übrigens für die verglichenen Punkte noch in
anderer Weise. Schon in meiner Monographie der Gegend von Krakau
(l. e. pag. 256) schrieb ich im Hinblick auf die damals erst im Plane
liogenden Arbeiten südlich vom Kossoeicer Bohrloche, es sei nicht
unmöglich, dass dort, das ist also in der Gegend des heutigen Bohr-
loches Nr. II, „auch die Aequivalente des oberen Salzgebirges, als
welche ich die Swoszowicer Mergel (des Kossoeicer Bohrloches) betrachte,
sich wieder etwas mehr anreiehern und dass dort noch einige kleinere
Grünsalzkörper über dem unteren Salzgebirge angetroffen werden“.
Diese Vermuthung hat sich, wie das diesmal mitgetheilte Bohrprofil
erweist, bestätigt. In einer Tiefe von 39 Meter wurde thatsächlich das bei
Kossoeice über den Szybiker Salzen vermisste Grünsalz gefunden.
[33] Beiträge zur Geold®ie von Galizien. 43
Wenn nun auch nicht zu erwarten ist, dass in dieser Gegend be-
sonders grosse Mengen von dieser Salzart vorhanden sind, so ist anderer-
seits bei der Unregelmässigkeit der Begrenzung der daraus bestehenden
Partien auch nicht auszuschliessen, dass stellenweise grössere Mächtig-
keiten des Grünsalzes angetroffen werden könnten, als dies die von der
Bohrung erschlossene Mächtigkeit ist, und es ist ebensowenig ganz
auszuschliessen, dass mehrere solche Grünsalzkörper in etwas ver-
schiedenen Höhenlagen in den Baryezer Salzthonen zerstreut sieh vor-
finden, dies Alles natürlich nur unter der keineswegs sicheren Voraus-
setzung, dass das obere Salzgebirge hier noch den undeutlichen und
verworrenen Schichtungscharakter aufweist, wie er sich im Bereiche
der Grube von Wieliezka selbst bekundet.
Immerhin ist die Tiefe, in der das Grünsalz bei Baryez angetroffen
wurde, relativ so gering, dass es sich vielleicht lohnt, dieses Salz durch
einen Schachtbau aufzusuchen, wenn auch, wie schon angedeutet und
im Hinblick auf die von mir schon früher ausdrücklieh betonte Verarmung
des Salzgebirges gegen Westen hin, besonders schwungvolle Hoffnungen
an einen derartigen Bau nicht geknüpft werden sollten. Weiteren Er-
wägungen wird überdies anheimzustellen sein, ob der Salzgehalt dieser
Region nieht dereinst zur Auslaugung herangezogen werden soll.
Doch beschäftigt uns ja hier zunächst die wissenschaftliche Seite
der gewonnenen Erfahrungen und der Nachweis, dass im Gebiete des
hiesigen Miocäns auf kürzere Distanzen auffallende facielle Veränderungen
vor sich gehen. Dieser Nachweis aber ist, abgesehen von den schon
in meiner grösseren Arbeit angeführten Thatsachen, durch die voran-
stehenden Vergleiche als erbracht anzusehen und wird durch die gleich
zu besprechenden Erscheinungen im Bohrloch Nr. III noch ergänzt werden.
Zur Illustration desselben könnte man vielleicht auch auf das Vor-
kommen von Spizasalz an der Basis des Grünsalzes im Baryezer Bohr-
loch hinweisen, da im Kossoeicer Bohrloch dergleichen nicht angetroffen
wurde. Doch sind die auf diese Salzart bezogenen Spuren zu fraglicher
Natur, um sehon jetzt ernstlich in Rechnung gezogen zu werden.
Dagegen geht aus den Verhältnissen bei Baryez und Kossoeice,
aus dem redueirten Auftreten des Grünsalzes an der einen und aus
dem gänzlichen Fehlen des Grünsalzes über den Szybiker Salzen an
der anderen Localität ein Argument gegen die von Niedzwiedzki
(Wieliezka pag. 101) vertretene Vorstellung hervor, der zu Folge die
Existenz des Grünsalzes von der Anwesenheit älterer Salzgebilde in
seinem Liegenden abhängig sein soll. Solche ältere Salzgebilde sind
ja hier so gut wie in Wieliczka selbst vorhanden, aber die Ablage-
rungen über denselben zeigen theils graduell, theils überhaupt einen
anderen Charakter als in der Grube. Uebrigens habe ich mich schon
an einer anderen Stelle (Krakau, 1. e. pag. 205 u. 206) darüber ausge-
sprochen, dass das obere sogenannte „Salztrümmergebirge* bezüglich
seines Salzgehaltes im Wesentlichen als selbstständig aufzufassen sei.
Während nun die Bohrlöcher Nr. I und II bei Kossoeice und
Baryez die Gegend westlich der Grube in vieler Beziehung aufklärten,
wurden schliesslich auch Arbeiten in’s Werk gesetzt, um die Region
nördlich der Grube besser kennen zu lernen. Es waren hier ursprüng-
lich zwei Bohrungen projeetirt, von welchen die nördlichere, wie die
6*
44 Dr. Enftl Tietze. [34]
Dinge heute stehen, wohl kaum in Angriff genommen werden wird,
während die südliehere, das Bohrloch Nr. III, neben dem Reformaten-
kloster im nördlichen Theile der Stadt Wieliezka selbst zur Ausfüh-
rung kam.
Auf Grund offieieller Daten des k. k. Finanzministeriums, als der
vorgesetzten Behörde der staatlichen Salzwerke, in welche Daten mir
amtlich Einsicht zu nehmen verstattet war, bin ich in den Stand ge-
setzt, das wissenschaftlich Interessanteste über diese Bohrung mitzu-
theilen. Es verdienen gewisse Einzelheiten des betreffenden Bohrprofils
in der That dem Staube der Acten entrückt und der gedruckten Fach-
literatur einverleibt zu werden.
Vorausgeschickt sei, dass die erwähnte Bohrung am 26. Juli 1890,
an welchem Tage sie zunächst eingestellt wurde, die sehr erhebliche
Tiefe von 481 Meter 60 Centimeter unter der Tagesoberfläche erreicht
hatte. Es ist dies eine der grössten Tiefen, welche bisher in Galizien
von einem Bohrloch aufgesucht wurde, da selbst die tiefsten Petroleum-
bohrungen der weiter östlich gelegenen Landstriche grösstentheils noch
ziemlich erheblieh hinter dieser Leistung zurückbleiben.
Oben durchstiess man dabei zuerst eine dünne Lage von Damm-
erde, sodann etwas gelben Lehm mit Wurzelfasern und gelangte bald
zu einem ebenfalls nur wenig mächtigen, weisslich grauen, sandigen
Thon mit Pflanzenresten. Von der Schotterschicht, die im Bohrloch
Nr. II angetroffen wurde, scheint hier nichts vorhanden zu sein.
Mit einem bläulich grauen, sandigen Thon, der sich durch Wasser-
führung auszeichnet, beginnt sodann sehr wahrscheinlich bereits das
neogene Tertiärgebirge. Darunter folgte jedenfalls rasch und bis zur
Tiefe von 9 Meter anhaltend ein bläulich-grauer, glimmerhältiger Sand-
stein, nach welchem man einen grünlich-grauen Thon erreichte. Bis
zur Tiefe hielt nun ein Wechsel von ähnliehen Thonen mit Sandstein-
lagen an, wobei zu bemerken ist, dass die Thone prävaliren. Die
den letzteren eingeschalteten Sandsteine sind indessen meist sehr hart
und dabei von bläulich-grauer Färbung.
Bemerkenswerth sind folgende Einzelheiten. Ungefähr in 60 Meter
Tiefe kommen im Sandstein Klüfte vor, welche mit compactem Sande
ausgefüllt sind. In 364 Meter Tiefe beginnt ein sandiger grünlich-grauer
Thon mit Gypskörnern, der bis zu 379 Meter anhält, aber zwischen dem
373. und 376. Meter von hartem Sandstein mit Gyps und Anhydrit
unterbrochen wird. Ein solcher Sandstein liegt dann noch zwischen
dem 579. und 384. Meter, während der unter dieser Tiefe zunächst folgende,
bis zum 401. Meter anhaltende Sandstein die Gypseinschlüsse wieder ver-
liert. Dann kommen ausschliesslich Thone, die anfänglich noch (bis zu
438 Meter) sandig sind. In der Tiefe von 455 —458 Meter wurde der
dort herrschende Thon als Gas führend erkannt. Schliesslich ist das Bohr-
loch, nachdem sich gewisse technische Schwierigkeiten ergaben, in ge-
wöhnlichem Thon stehen geblieben. Salz wurde nicht gefunden.
Die Ergebnisse dieser Bohrung sind in hohem Grade lehrreich.
Sie bestätigen zunächst die Meinung, die ich in meiner grösseren Arbeit
(l.e. pag. 256) aussprach, als ich bezüglich der im Norden des Berg-
baues projeetirten Bohrungen sagte, dass hier „wie wohl bewiesen
wurde, die Hoffnungen ziemlich geringe“ seien. Sie sind aber nichts-
[35] Beiträge zur Geologie von Galizien, 45
destoweniger selbst für mich überraschend, da ich mir ein so rasches,
absolutes Verschwinden des Salzes, wie es thatsächlieh jetzt nachge-
wiesen wurde, kaum vorgestellt hätte, im Hinblick auf die relativ nicht
bedeutende Entfernung des Bohrpunktes von den Salzschächten. Wenn
nämlich auch keine Hoffnung bestand, die Grünsalzkörper des oberen
geschichteten Salzgebirges hier nochmals auftreten zu sehen, so hätte
man ja vielleicht, wie ich mich ausdrückte, „nicht gerade unbedingt
ein urplötzliches Verschwinden“ des tieferen geschichteten Salzgebirges
voraussetzen müssen, wenn mir auch von vornherein wahrscheinlich
war, dass im Falle des Antreffens correspondirender Lagen dieselben so
verunreinigt und mit taubem Gesteinsmaterial verbunden sein würden,
dass ein praktischer Erfolg dabei nieht in Aussicht stehen könnte,
Es ist nun der ganzen hier geschilderten Zusammensetzung des
von dem Bohrloch aufgeschlossenen Gebirges nach anzunehmen, dass
sich die Bohrung, abgesehen von der geringfügigen Ablagerung von
quartären Bildungen, welche zuerst durchstossen wurden, ganz aus-
schliesslich, und zwar bis zur untersten Tiefe in mioeänen Schichten be-
funden hat, mit welcher Annahme auch die Beschaffenheit gewisser mir
übersandter Bohrproben übereinstimmt. Bei der grossen Mächtigkeit der
durehteuften Schichten, welche die Mächtigkeit der bis jetzt durch den
Grubenbau aufgedeckten Massen des Salz führenden Gebirges auf alle
Fälle sehr bedeutend übersteigt !), ist es indessen ganz unzulässig anzu-
nehmen, dass man hier etwa blos ein Hangendglied der Salzformation
vor sich habe, unter welchem das Salz selbst noch zu gewärtigen wäre.
Vielmehr muss jene Salzformation in den Ablagerungen, welche das
Bohrprofil aufklärte, in ihrer ganzen Masse und Ausdehnung als mit-
vertreten angenommen werden. Und dennoch keine Spur von Salz und
nur jene schwachen Andeutungen eines dem Salzgebirge verwandten
Absatzes, welche wir in gewissen Gyps oder Anhydrit führenden Thonen
und Sandsteinen erkennen dürfen! Selbst diese aber erst in so grosser
Tiefe, dass es schwer hält, sie mit den im Abbau befindlichen Salz-
körpern oder Salzschichten in Parallele zu bringen!
Daraus geht hervor, dass der rasche Facieswechsel, den ich für
die Miocänbildungen in der Umgebung und Fortsetzung des Salzgebirges
anzunehmen genöthigt war, thatsächlich die Rolle spielt, die ich dem-
selben zuwies, ja vielleicht eine noch viel grössere, und dass gewissen,
von anderer Seite vorgenommenen Gliederungen des hiesigen Miocän-
gebirges jeweilig nur eine ganz locale Geltung zukommt, so nützlich
und nothwendig auch die Unterscheidungen in der Aufeinanderfolge
verschiedener Glieder für bestimmte Profile sein mögen und sind. „Für mich
haben nur diese Unterschiede,“ so drückte ich mich erst kürzlich °) aus,
„nicht dieselbe Bedeutung wie für Herrn Niedzwiedzki“; sie ent-
sprechen eben nicht dem, was der Letztere „stratigraphische Einheiten“
nennt und darin also liegt das Lehrreiche der beim Reformatenkloster
!) Ich erinnere daran, dass der tiefste Punkt der Grube nur 286 Meter unter
dem Tagkranze des Franz Josefschachtes liegt, das Bohrloch also in den miocänen
Schichten um ungefähr 200 Meter tiefer reicht als die tiefsten Aufschlüsse der Grube.
Es reicht aber auch sehr beträchtlich tiefer als die Bohrlöcher von Baryez und Kos-
soeice, die doch schon das Liegende des Miccäns angetroffen haben.
?) Verhandl. d. k. k. geol. Reichsanstalt. 1890, pag. 163 (13 des Separatabdrucks).
46 Dr. Emil Tietze. [36]
gewonnenen Erfahrungen, dass sie eine weitere Bestätigung der Grund-
sätze ergeben, zu welchen ein vorurtheilsloses, das heisst nicht von ge-
wissen Schulmeinungen beeinflusstes Studium der galizischen Mioeän-
bildungen wohl stets gelangen wird.
Gerade im vorliegenden speciellen Falle hatte übrigens bereits
Niedzwiedzki selbst sich auf einen Standpunkt gestellt, welcher
der Anwendung der Faciestheorie durchaus entspricht. Er schrieb in
seiner Abhandlung über Wieliezka (pag. 112), dass von der Grube aus
in der Richtung nach Norden eine mehr oder weniger vollständige
allgemeine Abnahme der Salzeinschlüsse innerhalb des Salzthones anzu-
nehmen sei, bis dieser Thon sodann in ein Schichtensystem von ge-
wöhnlichen Thonen und dazwischen lagernden Sanden übergehe, welches
die Liegendthone der Bogueicer Sande regelmässig unterteufe. Diese
Voraussetzung, mit welcher ich mich (Krakau, 1. ce. pag. 219) einver-
standen zeigte, ist jedenfalls ein Beweis dafür, dass bei den eigen-
thümlichen Verhältnissen des hiesigen Miocäns die Annahme eines
relativ raschen Facieswechsels in diesem Miocän selbst von Solchen
nicht ausgeschlossen werden konnte, welche im Allgemeinen mehr ge-
neigt sind die Verschiedenheiten der Gesteinsentwieklung mit geologischen
Niveauunterschieden in Verbindung zu bringen, als local veränderte
Absatzbedingungen für dieselben verantwortlich zu machen.
Wir dürfen nur heute jene Voraussetzung in etwas weiterem Sinne
nehmen als sie Niedzwiedzki nahm. Der Letztere glaubte nämlich,
wenn ich recht verstehe, dass der Wechsel von Thon und sandigen
Lagen, welcher im Norden der Grube anzutreffen sein würde, nur als
ein Aequivalent des Salztrümmergebirges aufgefasst werden dürfe, denn
einmal fasste er denselben als einen Schiehtenecomplex auf, welcher
unter den Liegendthonen der Bogueicer Sande seinen Platz habe,
welehe Liegendthone ihrerseits mit den Swoszowicer Mergeln paralle-
lisirt wurden; andererseits aber sah er darin einen Schichteneomplex,
der für jünger zu halten wäre als das tiefere geschichtete Salzgebirge.
Er schrieb nämlich ausdrücklich, dass die Aequivalente dieses Schichten-
systems (das Salztrümmergebirge) nur deshalb im Bereich des Gruben-
baues salzführend auftreten, weil dasselbe dort „über Salzlagern zu
liegen kam“, eine Auffassung, gegen die ich übrigens (l. e. pag. 219)
in einer Anmerkung meine Bedenken zu äussern nicht unterlassen konnte.
Es wurde aber schon geltend gemacht, dass die riesige Mächtig-
keit des in dem bewussten Bohrloch angetroffenen aus Thonen mit
Sandsteinzwischenlagen bestehenden Schichteneomplexes die Annahme
begründet, dass hier auch die tiefsten Lagen des Salzgebirges ihre Ver-
tretung finden und andererseits ergiebt das Bohrprofil keinen Anhalt
für eine Formationsgrenze, welche die Grenze zwischen den Aequiva-
lenten des Salztrümmergebirges nach oben gegen die Liegendthone der
Bogueicer Sande darzustellen hätte. Wir haben vielmehr einen ein-
heitliehen, vorläufig nicht weiter trennbaren Schichteneomplex vor
uns, in welchem alle durch den Grubenbau aufgeschlossenen Bildungen
ihr zeitliches Aequivalent finden dürften.
Aus dieser Betrachtung ergiebt sich, dass es zunächst vom rein
praktischen Standpunkt aus gerathen schien, die bewusste Bohrung ein-
zustellen, denn Gründe für die Hoffnung, abbauwürdiges Steinsalz in der
[37] Beiträge zur Geologie von Galizien, 47
Gegend des Reformatenklosters aufzufinden, liessen sich nach den ge-
wonnenen Erfahrungen noch weniger geltend machen als früher.
Es ist aber vorauszusetzen, dass jener rein praktische Standpunkt
hier schon zu Anfang nicht der allein massgebende bei der Anlage des
Bohrlochs gewesen ist; sonst würde ja z.B. Prof. Niedzwiedzki
nicht einer Anlage zugestimmt haben, welche schon zu Folge seiner
eigenen Ausführungen keinen Erfolg versprechen konnte. Es ist viel-
mehr anzunehmen, dass es sich bei dieser wie bei den anderen Boh-
rungen in der Nähe von Wieliezka wenigstens theilweise auch um die
rein wissenschaftliche Feststellung von Thatsachen handelte, deren Kennt-
niss ja übrigens indirect der Praxis stets wieder von Nutzen sein wird.
Deshalb kann der Wunsch nicht unterdrückt werden, es möchte das
Bohrloch, wenn die entgegenstehenden technischen Schwierigkeiten nicht
unüberwindliche sind, noch weiter vertieft werden. Es wäre ja doch
von höchstem Interesse zu erfahren, wie das Liegende des bis jetzt
durchfahrenen Schichtensystems beschaffen ist, ob dasselbe z. B. ähn-
lich wie das Liegende der in den Bohrlöchern Nr. I und II angetroffenen
Mioeänschichten aus Jurakalk besteht oder ob die bei Krakau ent-
wickelten Kreidebildungen bis hierher reichen oder endlich, ob nicht
gar gegen alles Erwarten hier noch Karpathensandsteine die Unterlage
des Mioeäns bilden.
Ausser den hier erwähnten Bohrlöchern ist nun noch eine weitere
Bohrung dem früher festgesetzten Plane gemäss angelegt worden, und’
zwar im Osten von Wieliezka in der Richtung nach Przebieczany hin.
Dieselbe ist noch nicht zu Ende geführt und es fehlen mir vorläufig
noch alle näheren Angaben über dieselbe. Fast möchte ich indessen
annehmen, dass dieses Bohrloch zu weit nördlich gelegen sei, um
eine sichere Entscheidung über die Frage zu gestatten, ob die Salzlager
Wieliezkas nach Osten zu in abbauwürdiger Weise fortsetzen.
R. Bemerkungen über das Schutzgebiet der Quellen von
Regulice.
Da die zur Zeit bestehenden Brunnen im Gebiete der Stadt Krakau
nach der Aussage der competenten Kreise weder in Bezug auf Quantität
noch auf Qualität des Wassers dem Bedürfnisse dieser Stadt genügen,
so sind schon seit Jahren verschiedene Vorschläge aufgetaucht, um
Krakau in anderer Weise mit Wasser zu versorgen. Unter diesen Vor-
schlägen nimmt das Project einer Wasserleitung aus der Gegend von
Regulice her schon deshalb einen hervorragenden Platz ein, weil es
das der Ausführung am meisten nahe gerückte erscheint und weil mit
ihm die Mehrzahl der Vorarbeiten in jener Frage sich beschäftigt hat.
Zu diesen Vorarbeiten gehört auch, dass bereits vor längerer Zeit
unter Intervention der Professoren Alth und Szajnocha ein Schutz-
gebiet für die Quellen festgestellt wurde, welche in dem Gemeindegebiet
von Regulice entspringen und wele!.e nunmehr ganz ernsthaft in Aussicht
genommen wurden, die Stadt Krakau mit entsprechendem Trinkwasser
zu versehen. !)
1) Eine in polnischer Sprache geschriebene Zusammenstellung verschiedener, diese
Frage berührender Gutachten, sowie einen historischen Abriss der Entwicklung derselben
48 Dr. Emil Tietze, [38]
Bezüglich dieses Schutzgebietes hatten sich jedoch im letzten
Sommer Meinungsverschiedenheiten erhoben; es waren Stimmen laut
geworden, welche dasselbe als zu weit ausgedehnt bezeichneten und es
war die Ansicht ausgesprochen worden, dass dadurch einer eventuell
zu beginnenden bergbaulichen Thätigkeit in jener Gegend unnöthige
Hindernisse in den Weg gelegt würden. Diese Umstände bewogen die
Bergbehörde noch im Laufe des Novembers 1890 eine Commission ein-
zuberufen, bei welcher die Angelegenheiten des Regulicer Schutzgebietes
nochmals zur Diseussion gebracht, und zu welcher Herr Bergrath
v.Strzeleeki aus Wieliezka und ich selbst als unparteiische Sach-
verständige zugezogen wurden.
Es wurden bei dieser Veranlassung Herın Bergrath v.Strzelecki
und mir eine Anzahl von Fragen vorgelegt und da die Beantwortung
dieser Fragen, wie ich glaube, wenigstens theilweise nicht ausschliesslich
die bei jenen Verhandlungen Betheiligten angeht, sondern auch ein etwas
allgemeineres Interesse besitzen kann, so will ich mir erlauben in
Folgendem die geologischen Verhältnisse auseinanderzusetzen, welche
nach unserem Dafürhalten für jene Beantwortung in Betracht kamen.
Auf diese Weise werden, unbeschadet dessen, was dann thatsächlich in
der ganzen Angelegenheit geschieht oder nicht geschieht, wenigstens
die Gesichtspunkte fixirt, unter denen diese Angelegenheit vom fach-
männischen Standpunkte aus aufgefasst werden darf, und wenn ich
dabei auch nieht in der Lage bin, neue, unsere Kenntnisse bereichernde
Beobachtungen beizubringen, so hoffe ich doch, dass die von einem
früher nicht hervorgetretenen speciellen Bedürfniss beeinflusste Diseussion
des geologischen Bildes jener Gegend für das bessere Verständniss
dieses Bildes selbst von einigem Nutzen sein kann.
Ich schicke voraus, dass der Regulicer Bach, um dessen Quellen
es sich hier handelt, etwa 5 Meilen !) westlich von Krakau, südlich vom
Dorfe Nieporaz, im nördlichen Theil des bei dem Städtchen Alwernia
gelegenen Dorfes Regulice entspringt, um westlich der durch ihre Thon-
gruben bekannten Hügel von Mirow in der Nähe von Oklesna in die
Weichsel zu münden. Das Wesentlichste über die geologische Zusammen-
setzung des Wassergebietes dieses Baches kann in meiner Darstellung
der geognostischen Verhältnisse der Gegend von Krakau, sowie auf der
dieser Darstellung beigegebenen Karte eingesehen werden. Es ergiebt
sich aus derselben Darstellung, wie übrigens zum Theil schon aus
früheren Publieationen über das Krakauer Gebiet, dass in der Um-
gebung von Regulice Bildungen des Muschelkalkes entwickelt sind, dass
diese Bildungen über Schichten liegen, die dem Buntsandstein und zum
Theil vielleicht dem Perm zufallen, während andererseits jurassische,
theils dem braunen, theils dem weissen Jura angehörige Schichten den
findet man in einem von dem Gemeinderathe der Stadt Krakau herausgegebenen und
verlegten Buche, betitelt: Zdanie sprawy i wnioski w przedmiocie budowy wodociagu
regulickiego, Krakau 1889. Eine Untersuchung der Brunnenwässer der Stadt Krakau
wurde übrigens von Olszewski und Trochanowski gegeben. (Chemiezny rozbiör
wöd studzienych miasta Krakowa, in den Berichten der physiographischen (Commission,
Krakau 1889). Vergl. dieselben Beriehte. 1871, pag. 131.
') In der Luftlinie beträgt die besprochene Entfernung allerdings etwas weniger,
nämlich 30 Kilometer.
ee u ZU a a EU
[39] Beiträge zur Geologie von Galizien. 449
Muschelkalk überlagern, sowie dass in dieser Gegend auch quartäre
Absätze auftreten, unter denen der Löss an der Westseite des Regulieer
Thales und die Sande, welche sich nördlich von Reguliee im Bereich
des Chechlobaches ausbreiten, in erster Stelle zu nennen wären. Fügt
man noch hinzu, dass an einigen Stellen der näheren und weiteren
Umgebung auch das Vor kommen von Melaphyren bekannt ist, und dass
die fraglichen Quellen aus dem Muschelkalk, und zwar aus dessen
unterer Abtheilune entspringen, so ist das zum Verständniss der folgen-
den Betrachtungen unmittelbar Nothwendige vorausgeschickt, soweit
dabei das rein geologische Moment in Betracht kommt.
Es erübrigt mir nur noch mit einigen Worten auch die ungefähre
Grenze des, wie gesagt, unter Mitwirkung der Herren Alth und
Szajnocha festgestellten Schutzgebietes der Quellen zu bezeichnen,
um so den der weiteren Discussion zu Grunde liegenden Thatbestand
überblicken zu können.
Dieses Schutzgebiet umfasst der Hauptsache nach den hügeligen
Theil des Wassergebiets des Regulicer Baches und seiner kleinen Zu-
flüsse (wie insbesondere des als Reserve der fraglichen Quellen in Ans-
sicht genommenen Szymotabaches) bis zum unteren Ende des Dorfes
Regulice, sowie einige jenseits der oberflächlichen Wasserscheiden ge-
legene Gebietstheile. Es wird im Westen von dem Bache von Plaza be-
grenzt, welcher in die westlich von Regulice sich erhebende Muschel-
kalkplatte sich bis zu einer ziemlichen Tiefe einschneidet, reicht also
hier ein wenig über die allerdings sehr nahe an Plaza gelegene Wasser-
scheide zwischen dem Regulicer Bach uns der Szymota) und dem
Plazabache hinaus.
Im Süden bildet der Rand der Muschelkalkplatte oberhalb der
Dörfer Babiee und Kwaezala die ungefähre Grenze jenes Schutzgebiets
bis in die Gegend zwischen Regulice und Alwernia, wo die Grenze den
Regulicer Bach überschreitet, um sich nach der die Ortschaften Grojee
und Alwernia verbindenden Strasse hinzuziehen. Von hier verläuft die
Ostgrenze des Rayons über die Höhe des Berges Brandiska an der
Westseite des Dorfes Grojee vorbei bis zum Höhenpunkte 370 Meter der
Generalstabskarte. Von hier aus geht die Grenze sodann über Zboinik
bis an den die Nordgrenze des Schutzgebiets bildenden Chechlobach,
den sie in der Gegend nördlich der Localität Stawki indessen wieder
verlässt, um sich seitlich von Boleein wieder gegen den Plazabach hin-
zuziehen. Auf diese Weise wurde der nördlich von den Localitäten
Stawki, Oblaski, Nieporaz und Zboinik gelegene, Bagno las genannte
Wald, der einen Theil der vom Chechlo durchflossenen,, nördlich von
Regulice gelegenen Hochfläche bildet, noch dem Schutzgebiet einverleibt.
Die übrigen Theile des Schutzgebiets sind, wie nebenher bemerkt
werden kann, grösstentheils unbewaldet, so dass, wie schon in einem Gut-
achten der früher befragten Sachverständigen gesagt wurde, von einer
eventuellen Entwaldung für den gegenwärtigen Wasserreichthum der
fraglichen Quellen nach dieser Hinsicht keine weitere Gefahr drohen
kann, da die denkbare Verminderung dieses Wasserreichthums durch
Abholzungen im Entstehungsgebiet der Quellen schon vor dem heutigen,
als Basis für das betreffende Project angenommenen Zustand der Dinge
eingetreten sein muss.
Jahrbuch der k. k. geol, Reichsanstalt. 1891. 41. Band. 1. Heft. (E. Tietze.) 7
50 Dr. Emil Tietze. [40]
Wenn nun die Möglichkeit in’s Auge gefasst wurde, dass eine
Schädigung eben jener Quellen durch bergbauliche Unternehmungen be-
wirkt werden könnte, so befand man sich zunächst in der angenehmen
Lage feststellen zu können, dass dergleichen Unternehmungen im Augen-
blick in dem besprochenen Schutzgebiet (und nur um dieses handelte
es sich bei den erwähnten Verhandlungen) nicht bestehen, dass also
ein ernsterer Interessenconfliet, wie er angesichts bestehender älterer
Rechtsansprüche zu besorgen gewesen wäre, ausgeschlossen erschien.
Es musste aber die Frage gestellt werden, ob im Hinblick auf die-
jenigen Stimmen, welche sich für die Zukunft gegen eine Unterbindung der
bergbaulichen Bestrebungen in jener Gegend erhoben hatten, diesen Be-
strebungen überhaupt einige Aussicht auf Erfolg zugestanden werden
dürfe. Bei einer ganz oder theilweise verneinenden Antwort auf diese
Frage konnten selbstverständlich manche Bedenken bei der Behandlung
des Gegenstandes in Wegfall kommen und gewisse Einwände gegen
das Schutzgebiet als der praktischen Bedeutung entbehrend bezeichnet
werden.
In der That gibt es auch nur einige wenige Eventualitäten,
welche sich in dem betreffenden Fall in’s Auge fassen lassen, wenigstens
gemäss den Kenntnissen, die wir zur Zeit über die geologische Be-
schaffenheit des fraglichen Gebiets besitzen und im Hinblick auf die
Anforderungen, die bei dem heutigen Stande der Technik an den Be-
griff nutzbares Mineral gestellt werden. Aber auch diese Eventualitäten
sind, bei Berücksichtigung aller speciellen Umstände, der Hauptsache
nach nicht von der Art, dass an sie Hoffnungen auf lohnenden Gewinn
geknüpft werden könnten, wie denn auch schon ein früheres, das Ge-
biet behandelndes Gutachten die Einrichtung bergbaulicher Unter-
nehmungen bei Regulice als ausser dem Bereich der Wahrschemlichkeit
liegend betrachtet hatte.
Inwieweit diese Voraussicht als begründet zu gelten hat, wird
aus dem zunächstfolgenden Theil meiner Darstellung speeieller ersichtlich
werden.
Es ist in letzter Zeit nicht allzuweit von den Grenzen des Regulicer
Schutzrayons, nämlich bei Trebce, wenige Kilometer westlich von Plaza
nach Steinkohle gesucht worden, wobei die betreffenden Arbeiten, wie
ich aus mir gewordenen Mittheilungen schliessen zu dürfen glaube, bis
in den Buntsandstein niedergebracht wurden. Das legt die Frage nahe,
ob hier und im Bereiche jenes Rayons überhaupt das Vorkommen von
Steinkohle in der Tiefe vorausgesetzt werden kann. Diese Frage ist
nach meinem Dafürhalten bejahend zu beantworten, allerdings nur
soweit eben die rein prineipielle Seite derselben in Betracht kommt.
Schon in meiner Arbeit über die geognostischen Verhältnisse der
Gegend von Krakau habe ich (pag. 98) darauf hingewiesen, dass ein
Durchschnitt, den man von Babice über Chrzanow nach Sierza legen
könnte, das Bild einer etwa zwei Meilen breiten Mulde ergeben würde,
„deren nördlicher und südlicher Rand entgegengesetztes Einfallen der
Schichten und das Hervortreten der älteren Glieder an diesen Rändern
aufweist, während nach der bei Chrzanow gelegenen Muldenmitte zu die
Anwesenheit der jüngsten Glieder der Mulde, das ist in diesem Falle
der jurassischen Gesteine, bemerkt wird“. Diese Mulde wird im Wesent-
|
[41] Beiträge zur Geologie von Galizien. 5]
lichen von mesozoischen Absätzen gebildet. An ihren Rändern treten
die Gesteine der Perm-Buntsandsteinformation auf und an der Basis
dieser letzteren liegt beiderseits die alte Steinkohlenformation. wenn
diese auch gegen das Weichselthal weniger deutlich entwickelt oder
vielmehr weniger gut aufgeschlossen ist als im Norden der Mulde. Es
unterliegt also keinem Zweifel, dass, im Ganzen und Grossen betrachtet,
die Anwesenheit der Steinkohlenformation der ganzen Muldenbreite
nach in der Tiefe anzunehmen ist, genau so, wie wir beispielsweise
unter dem Muschelkalk dieser Gegend nahezu allenthalben den Bunt-
sandstein annehmen dürfen, auch wo derselbe in Folge seiner Be-
deekung durch jüngere Schichten der Beobachtung entzogen wird.
Die Kohle also ist da und wir sind zu dieser Annahme umso
mehr berechtigt, als die Steinkohlenformation in der Gegend jener
Mulde und speciell im Meridian von Regulice noch keineswegs die
Östgrenze ihrer Verbreitung für das Krakauer Gebiet erreicht hat,
wie die Vorkommnisse derselben bei Rudno, Tenezynek und bei Zalas
beweisen. Der Umstand, dass dabei direct südlich von Regulice
oder bei Kwaczala die Kohlenformation noch nicht direct nach-
gewiesen wurde, dass vielmehr ein solcher Nachweis erst an einigen
etwas westlicher gelegenen Localitäten des der Weichsel zugekehrten
Muldenrandes geführt wurde, kommt hierbei wenig in Betracht, denn
was sollte natürlicherweise als das Liegende der Sande und Con-
glomerate von Kwaezala vorausgesetzt werden, wenn nicht das Carbon,
dessen einstige Ausdehnung bis südlich der Weichsel, und zwar bis
zu einem noch etwas östlich vom Regulicer Meridian gelegenen Punkte
(Bachowski las) ich in eben diesen Beiträgen bereits wahrscheinlich
gemacht habe.
Ganz anders aber steht die Frage, wenn es sich nieht mehr um das
blosse Vorhandensein der Steinkohlenformation, sondern um deren
Abbauwürdigkeit in dem fraglichen Gebiet handelt. Im Bereich
der ganzen oben erwähnten Mulde (wenn wir von der östlichen und
westlichen Verlängerung derselben absehen), und speciell im Bereiche
des Regulicer Schutzrayons würde man je nach dem Punkte, an dem
man sich ansetzt, mehr oder weniger den ganzen Complex der dort vor-
handenen mesozoischen Schichtenreihe einschliesslich des bunten Sand-
steines zu durchteufen haben, ehe man Aussicht hätte, auf die Kohlen-
formation zu gelangen und selbst dann noch bleibt es fraglich, ob man
unmittelbar auf Kohlenflötze kommt, weil unter Umständen erst noch
eine Partie des Kohlensandsteines durchfahren werden müsste. Wer
vermöchte unter solehen Umständen mit anderen Kohlenbergbauen der
Umgebung zu ceoneurriren, welche sich mehr oder weniger direet über
dem kohlenführenden Schichteneomplex mit ihren Anlagen entwickelt
haben ?
Dazu kommt noch die Erwägung, dass nach den Erfahrungen,
welche bisher in der Kohlenformation in der Nähe des Weichsel-
thales gemacht wurden, eine grosse Zahl und Mächtigkeit der
Flötze daselbst nieht mit Sicherheit erwartet werden kann, wie denn
leider thatsächlich, zum Theil allerdings auch wegen der "Schwierig-
keiten der Wassergewältigung, keiner der daselbst gemachten Versuche
zu einem dauernden Abbau geführt hat. Und doch sind diese Versuche
p%
52 Dr. Emil Tietze. [42]
(bei Moezydlo, Jaworek Maniska und Zarki, vergl. Geogn. Verhältn. d.
Gegend von Krakau, 1. e. pag. 95) mehr oder weniger an der Basis
des Steilrandes der mesozoischen Mulde erfolgt und waren nicht mit den
Kosten der sterilen Arbeit in den das Carbon bedeckenden Schichten
belastet!
Man würde also bei den Arbeiten auf Steinkohle im Regulieer
Schutzrayon ein vermuthlich schon an sich nieht besonders verlockendes
Terrain unter den schwierigsten Verhältnissen auszubeuten haben, woran
in absehbarer Zeit Niemand ernstlich oder auf die Dauer denken wird.
Nach dieser Seite hin wird also Niemand durch die Aufreehterhaltung
jenes Schutzrayons geschädigt, sondern es wird dadurch im Gegentheil
die Versuchung, Geld und Arbeitskraft zu verlieren, ich möchte sagen
in vorsorglicher Weise abgeschnitten.
Des Weiteren wäre allenfalls in Erwägung zu nehmen, ob in dem
triadischen Kalk- und Dolomiteomplex dieser Gegend Eisen- und Galmei-
erze vorkommen könnten, wie sie sonst in dieser Formation sowohl
im Krakauer Gebiet, als im benachbarten Oberschlesien bekannt sind.
Für diese Frage ist zunächst hervorzuheben, dass die überwiegende
Masse der an der Tagesoberfläche zugänglichen Schichten dieses Complexes
der untersten, unter dem sogenannten erzführenden Dolomit befindlichen
Abtheilung des Muschelkalkes angehört, in weleher das Auftreten ab-
bauwürdiger Erze für gewöhnlich nicht zu erwarten ist. Das Auftreten
des erzführenden Dolomites selbst wird sodann allerdings sowohl von
meiner Karte, als von der früheren Fallaux-Hohenegger'schen
Karte stellenweise angegeben in Uebereinstimmung mit F. Römer,
der unter anderem Namen dieses Niveau daselbst ebenfalls ausge-
schieden hat, allein es ist nicht zu übersehen, dass die Benennung
„erzführender Dolomit“ vor Allem eine stratigraphische ist, dass sie
für eine Schichtabtheilung gewählt wurde, in welcher Erze vorkommen
können, aber nicht müssen. Wären abbauwürdige Erze hier vorhanden,
so würden sie schwerlich bis heute der Beobachtung entgangen sein,
da doch schon so viel und seit langer Zeit im Krakauer Gebiet auf
solehe geschürft wurde. Jedenfalls kann man sagen, dass bis jetzt
keinerlei sichere Anhaltspunkte in diesem Sinne vorliegen, weshalb die
Rücksichtnahme auf diesen Punkt keine dringende ist und entfallen kann.
Von sonstigen Mineralprodueten , deren Abbau möglicherweise in
Betracht kommen könnte, wären nunmehr, wenn wir bei der Betrachtung
derselben, wie bisher, die geologische Altersfolge in der Ordnung von unten
nach oben berücksichtigen , die feuerfesten Thone zu erwähnen, welche
im Krakauer Gebiet an der Basis der dortigen jurassischen Schichten
auftreten und welehe von mir im Einklang mit F. Römerin den braunen
‚Jura gestellt wurden, mit welcher Auffassung schliesslich auch Raciborski
auf Grund seiner Bearbeitung der fossilen Flora dieser Thone überein-
stimmt. ') Diese Thone haben für die Frage des Schutzgebietes insofern
') Anfangs hatte man in Krakau diese Flora für „entschieden rhätisch“ gehalten
(vergl. Jahrb. d: k. k. geol. Reichsanstalt. 1889, pag. 47), dann war Raciborski ge-
neigt, sie den liassischen Floren anzureihen (Sprawozdanie Komisyi Fizyografieznej,
Krakau 1889, Sitzungsberichte pag. 14). Endlich aber gelangte derselbe Autor dazu,
die phytopaläontologische Auffassung Stur’s zu acceptiren, welche von mir bereits in
meiner Beschreibung des Krakauer Gebietes als im Einklang mit den Lagerungsver-
o
[43] Beiträge zur Geologie von Galizien. 53
eine besondere Bedeutung, als sie zu den gesetzlich nieht vorbehaltenen
Mineralien gehören und demgemäss von dem jeweiligen Grundeigen-
thümer ohne besondere Erlaubniss der Bergbehörden ausgebeutet werden
könnten, sobald nicht andere Vorschriften einer solehen Arbeit im
Wege stehen.
Hier sei nun zuerst constatirt, dass das Anftreten abhau-
würdiger Lagen soleher Thone innerhalb der Grenzen des Schutz-
gebietes wiederum noch nicht nachgewiesen ist. Handelt es sich aber
darum, die Wahrscheinlichkeit oder Unwahrsehemlichkeit des Vorhanden-
seins solcher Lagen zu prüfen, so darf hervorgehoben werden, dass die
fraglichen Thone keineswegs überall im Krakauer Gebiet in Begleitung
der jurassischen Schichten vorkommen, dass also die blosse Anwesenheit
soleher‘ Schichten noeh nicht genügt, um das Vorkommen der Thone
an ihrer Basis als nothwendig vorauszusetzen und dass somit die
Versuche zur Auffindung derselben nicht von vorneherein Aussicht auf
Erfolg haben. Durch das Verbot eines Bergbaues auf diese Thone
würden also keinesfalls überall sichere Hoffnungen zerstört werden und
ein solches Verbot würde nicht gleichbedeutend sein mit der Verhinde-
rung der Benützung eines zweifellosen Besitzes.
Das mehr oder minder abbauwürdige Vorkommen derartiger Thone
im Gebiete des Hügellandes westlich von Krakau beschränkt sich nach
den bisherigen Erfahrungen auf eine Zone, welche durch die Ortschaften
Mirow, Grojee, Zalas (Gluchowkischlucht) und Ozatkowice bestimmt
wird, abgerechnet natürlich die Landstriche, an welchen innerhalb
dieser Zone die mit den Thonen zunächst verbundenen Absätze durch
nachträgliche Denudation entfernt sind. Aber selbst innerhalb der auf
diese Weise umgrenzten Gegend sind die Thone nieht überall dort vor-
handen, wo sie in Folge der Conservirung der jurassischen Deeke vor-
handen sein könnten, wenn sie überall ursprünglich entwickelt gewesen
wären. So z. B. hat man in der Gegend von Tenezynek keine Anhalts-
punkte bezüglich der Anwesenheit jenes Mineralproductes.
Es ist also beispielsweise sehr wohl möglich, dass in der Nähe
von Grojee, dort, wo der Schutzrayon der Regulicer Quellen mit seiner
Ostgrenze auf das Gebiet jurassischer Gesteine übergreift, die bei Grojee
entwickelten und dort abgebauten Thone noch bis in das Gebiet des
Rayons stellenweise unter der oberjurassischen Decke hereinreichen,
aber es ist nicht mit Sicherheit, ja nicht einmal mit grosser Wahr-
scheinlichkeit vorauszusetzen, dass sie überall dort vorkommen, wo die
Karten das Auftreten oberjurassischer Bildungen als Decke des braunen
Jura angegeben haben, besonders da der braune Jura in der Richtung nach
Regulice zu local an Mächtigkeit zu verlieren scheint. Auch ist zu
berücksichtigen, dass die Verbreitung der jüngeren jurassischen Bil-
dungen schon deshalb keinen Maassstab für die Verbreitung der zunächst
hältnissen stehend bezeichnet werden konnte und derzufolge wir in jenen Thonen eine
Flora des braunen Jura zur Vertretung gebracht sehen (siehe den Anzeiger der
Krakaner Akad. d. Wissensch. Krakau 1890, vergl. Verhandl. d. k. k. geol. Reiehsanstalt.
1890, pag. 96). Man sieht daraus, wie vorsichtig man in der Dentung pflanzlicher
Reste sein muss. Wie mir Herr Bartonec mittheilt, soll bei Grojec eine dünne,
nieht abbauwürdige Lage feuerfesten Thones stellenweise sogar noch über den mittel-
jurassischen Ammoniten gefunden worden sein, wodurch die Zusammengehörigkeit aller
dieser Bildungen noch deutlicher werden würde, wie ich nebenher erwähnen will,
54 Dr. Emil Tietze. [44]
darunter folgenden Absätze abgibt, weil die Unregelmässigkeiten des
alten Reliefs der Gegend, welches der braune Jura bei seiner Ablage-
rung vorfand, die Verbreitung des letzteren mehr eingeengt haben, als
die der darauf folgenden Schichten des weissen Jura.
Schon im Frühjahre 1890 theilte uns Herr Berginspeetor Bar-
tonee in Sierza, der zur Zeit auch den Abbau bei den Thongruben
von Grojee und Mirow beaufsichtigt, mit, dass man bei Grojee gelegentlich
neuer Aufschlussarbeiten eine aus Muschelkalk bestehende unterirdische
Kuppe angetroffen habe. Diese Kuppe ragte in die Schichten des braunen
Jura empor und schnitt dabei die Verbreitung des Thones ab, welcher sich
um sie herum angelagert findet. Ein solches Verhältniss kann aber mehr-
fach eintreten und es ist unbereehenbar, wo dies der Fall ist. Die
Zusammenfassung dieser Umstände berechtigt zu dem Ausspruche, dass
die Anwesenheit feuerfester Thone im Bereiche des Regulieer Schutz-
gebietes zwar an einzelnen Stellen wahrscheinlich, aber nicht einmal
dort gewiss ist, wo jurassische Schichten an der Oberfläche nach-
gewiesen wurden, und dass die Abbauwürdigkeit der eventuell vor-
handenen Thone vielfach eine problematische ist, namentlich aber in
denjenigen Theilen des Schutzgebietes, welche ausserhalb der oben
erwähnten Zone liegen, wie beispielsweise in der Nähe des Jurarückens,
der sich westlich von Nieporaz in der Gegend von Oblaski und Stawki
erhebt.
Es bleiben von nutzbaren Mineralien im fraglichen Schutzgebiet,
wenn wir von den allenfalls durch Steinbrüche ober Tage zu gewinnenden
Gesteinen, wie den Kalken der Gegend absehen, nur mehr die Rasen-
erze zu erwähnen übrig, welche bei Nieporaz und im Bereich des
Bagno las den dortigen Quartärsanden eingeschaltet sind. Bei Nieporaz
selbst habe ich ihr Vorkommen schon auf meiner Karte markirt. Im
Bereiche des Bagno las treten aber ebenfalls eisenschüssige Ausschei-
dungen auf, die daselbst stellenweise zur Bildung des den Forstleuten
so unangenehmen Ortstein Veranlassung geben, eines Gebildes, welches
bekanntlich in gewissen Sandgebieten eine für Baumwurzeln undurch-
dringliche Kruste im Boden darstellt und auf diese Weise das Wachs-
thum des Waldes hemmt.
Bei der relativ leichten Gewinnungsart dieser Erze, welche mehr
oder weniger in der Nähe der Tagesoberfläche vorkommen, und im
Hinblick auf den Umstand, dass Rasenerze neuerdings ein gesuchter
Artikel sind, kann einer eventuellen Ausbeutung dieses Minerals die
Aussicht auf Gewinn nicht abgesprochen werden, obschon festzuhalten
ist, dass an gewissen heute entsumpften Orten, sowie ich das schon
früher bezüglich der Rasenerze auf den Ackerfeldern bei Boleein sagte
(Geogn. Verhältnisse von Krakau, 1. e. pag. 101), ein Nachwuchs der
Erze nicht mehr zu gewärtigen ist.
Dies ist der Thatbestand in Bezug auf die Frage, ob und in-
wieweit der Regulicer Schutzrayon die Entwicklung hoffnungsreicher
Bergbaue verhindern könnte. Man sieht, dass dies im Grossen und
Ganzen nicht der Fall ist, denn abgesehen von einer eventuellen Aus-
beutung der vorhandenen Rasenerze, die ja doch nie ein Unternehmen
grösseren Styls würde vorstellen können, sind die Aussichten auf die
Eröffnung gewinnbringender Bergbaue entweder haltlos, wie in der
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[45] jeiträge zur Geologie von Galizien. 55
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Kohlenfrage oder zweifelhaft, wie hinsichtlich der Muschelkalkerze und
der feuerfesten Thone.
Ein dringendes Bedürfniss, im bergbaulichen Interesse den Regulicer
Schutzrayon aufzuheben oder einzuschränken, liegt demnach nicht vor.
Es kann nun aber andererseits die Frage aufgeworfen werden,
ob die Regulicer Quellen denn ihrerseits eines solehen Schutzrayons
thatsächlich bedürfen und ob eine Einschränkung desselben ohne
Gefährdung des Zuflusses jener Wasserspender thunlich erscheine ?
In dieser Hinsicht darf zuerst wohl bemerkt werden, dass der
heute bestehende Rayon keineswegs eine exorbitante Ausdehnung besitzt,
insofern der weiteste Abstand seines Umfanges von den zu schützenden
Quellen, das ist im Westen bei Plaza, nur etwa 5 Kilometer beträgt,
wobei jedoch noch in Betracht kommt, dass die Quellen des Szymoto-
baches, welche im Falle gesteigerten Bedarfes den Regulicer Quellen
als Reserve dienen sollen, von dieser Westgrenze nur sehr wenig ent-
fernt liegen. Der Rayon ist also, rein räumlich betrachtet, keineswegs
über eine Entfernung hinausgerückt, welche von vorneherein und unter
allen Umständen als eine in solchen Fällen ungewöhnliche bezeichnet
werden müsste, wenn man auch unter besonderen geologischen Be-
dingungen manchmal mit kleineren Entfernungen sein Auslangen
finden mag. !)
Handelt es sich nun um die Diseussion der geologischen Bedin-
gungen, welche speciell für die Regulicer Quellen und deren Wasser-
bezug von Wichtigkeit sind, so erscheinen die folgenden Erwägungen
als massgebend für die Frage des Schutzrayons.
Da, wie schon gesagt wurde, die bewussten Quellen aus Muschel-
kalkschiehten entspringen, so muss man bestrebt sein, die wasserführende
Muschelkalkplatte der Umgebung von Regulice vor Eingriffen zu
schützen, wie nicht minder diejenigen über dem Muschelkalk folgenden
Bildungen, aus welchen eine Zufuhr von Wasser in den Muschelkalk
möglich erscheint. Dass aber diese Muschelkalkplatte in der That hier
wasserführend ist, beweisen ausser den Quellen von Regulice selbst
noch etliche andere Quellen, die in der Richtung nach Plaza zu und
bei Plaza selbst aus dem Muschelkalk entspringen und welche als ver-
schiedene Austrittsöffnungen für das im Muschelkalk eireulirende Wasser
angesehen werden können. Der Muschelkalk stellt also gleichsam eine
Art von Reservoir vor, welches an verschiedenen Stellen rinnt und es
stellt sich das Bedürfniss heraus, dieses Rinnen auf die bestehenden
Stellen zu beschränken, sowie das Reservoir selbst mit seinen Zu- und
Abflüssen möglichst intact zu erhalten.
Dem hier betonten Bedürfnisse entspricht aber der bestehende
Sehutzrayon nach Thunlichkeit. Er umfasst die östlich von Regulice
sich erhebende Muschelkalkpartie, sowie die westlich davon befindliche
Partie bis zu der Furche des Baches von Plaza. Dureh diese Furche
wird wenigstens theilweise die directe Verbindung einer mehr oder
weniger grossen Anzahl von Muschelkalkschichten gegen die noch west-
!) Man mag hier vergleichen, was ich in einer früheren Folge dieser Beiträge
(Jahrb. d.k k. geol. Reichsanstalt. 1889, pag. 335 u. s. w.) gelegentlich der Besprechung
des Schutzrayons von Iwonicz gesagt habe, für welchen allerdings ganz andere geolo-
gische Verhältnisse Geltung haben,
56 Dr. Emil Tietze. [46]
licher gelegene Fortsetzung derselben Formation zu unterbrochen, so
dass dadurch eine passende Grenze des Rayons nach dieser Richtung
hin geschaffen wurde, wie nebenher bemerkt werden soll. Was nämlich
etwa an Wasser jenseits des Plazabaches hervortritt oder bei bergbau-
liehen Unternehmungen und dergleichen zum Ausfluss aus den Muschel-
kalksehiehten veranlasst werden könnte, steht, sofern oder soweit die
wasserführenden Lagen unterbrochen sind, nicht mehr in so direetem
Zusammenhang mit der Wassereirculation, die innerhalb der Reguliee
benachbarten Partien dieser Formation stattfindet. Indireet dürfte ein
soleher Zusammenhang freilich noch anzunehmen sein für diejenigen
Gebiete, in welchen sich auf der Nordseite des Dorfes Plaza wieder
dureh den Wegfall einer Erosionsfurche die Vereinigung der verschie-
denen Lagen des Muschelkalkes vollzieht, indessen kommt dieser Um-
stand im Hinbliek auf die von dem Wasser dabei zu durchmessenden
grösseren Entfernungen und auf die unterirdischen Umwege, die es bis
zu der Gegend westlich vom Plazabache zu nehmen hätte, weniger in
Betracht. Schliesslich können auch die Grenzen eines Schutzgebietes
nicht in’s Unendliche ausgedehnt werden.
Wollte ınan aber sagen, dass ja von einem ähnlichen Gesichts-
punkte aus, wie dem hier betonten, auch die Thalfurche des Regulicer
Baches selbst eine Unterbrechung der Circulation des Wassers für die
rechts und links vom Regulicer Thal gelegenen Muschelkalkpartien
bewirken könnte, so würde das eine Nutzanwendung auf die Frage
des Quellenschutzes schon deshalb nieht zulassen, weil diese im oberen
Theil des Thales entspringenden Quellen augenscheinlich in der Gegend
der Vereinigung der durch den Bach getrennten Theile der Muschel-
kalkplatte hervortreten und ihre Speisung von beiden Seiten des Thales
bewirkt werden kann. Die Unterbrechung der Muschelkalkpartien östlich
und westlich von Regulice, sowie sie sich auf meiner Karte darstellt, ist
jedenfalls nur eine scheinbare und durch jüngere Ueberlagerungen
hervorgerufen. Auch kommt hier die geringere Entfernung der Punkte,
um die es sich handeln kann, von den Quellen schon wesentlich in
Betracht.
Was nun die Jüngeren Bedeekungen des Muschelkalkes anbetrifft,
von denen gesagt wurde, dass aus ihnen eine Zufuhr von Wasser in
den Muschelkalk unter Umständen denkbar ist, so treten dergleichen,
soweit das Schutzgebiet in Betracht kommt, vormehmlich im Norden
der oberflächlich siehtbaren Muschelkalkpartien auf, theilweise indessen
auch noch im Osten. Von gewissen Quartärbildungen, im Bereich der
Muschelkalkentwicklung selbst, wie von dem Löss auf der Westseite
des Regulicer Thales kann hier als minder wesentlich abgesehen
werden.
Es ist nun aber eine Fortsetzung des Muschelkalkes unter jene
jüngeren Bedeekungen allenthalben anzunehmen, insbesondere im Norden
im Bereich des von dem Chechlobache durchflossenen Hochgebiets ;
denn der Muschelkalk bei Regulice stellt, wie schon früher angedeutet,
nur den südlichen Flügel einer grossen Mulde dar, deren Nordflügel
nördlich der zwischen Trzebina und Filipowice verlaufenden Eisenbahn
zum Vorschein kommt, wie das in meiner Beschreibung jenes Land-
striches gelegentlich der Darstellung der geognostischen Verhältnisse
[47] Beiträge zur Geologie von Galizien. 57
des Krakauer Gebietes dargelegt wurde. Es sind uns solche Aufschlüsse
des nördlichen Flügels jener Muschelkalkmulde bei T'rzebinia, Mloszowa,
Dulowa und Filipowice bekannt, und es liegt auch kein Grund zu
der Annahme vor, dass im Wassergebiet des Chechlo, speciell im
Dulowski las und Bagno las, die dem Inneren jener Mulde entsprechen-
den Muschelkalkpartien etwa in ähnlicher Weise denudirt seien, wie
sie weiter östlich in der Gegend von Rudno und Tenezynek stellen-
weise denudirt sind, in jener Gegend nämlich, welche in der Nähe des
alten, selbstverständlich wie bei allen derartigen Reliefformen, etwas
unregelmässig verlaufenden , östlichen Denudationsrandes des Muschel-
kalkes gelegen ist (vergl. Geogn. Verhältnisse der Gegend von Krakau,
l. e. pag. 396), von dem ich voraussetze, dass er vor der mittleren
Jurazeit gebildet wurde.
Die jüngere Bedeckung des Muschelkalkes, von der hier gesprochen
wurde, besteht zunächst aus mittel- und oberjurassischen Ablagerungen,
sodann im Bereich des Chechloflusses, von welchem Bereich südlich
von jenem Flusse, wie schon gesagt, ein Gebietstheil dem Schutzrayon
zufällt, aus diluvialen Sanden. Ob auch Neogenschichten hier local in
der Tiefe vorkommen, wie sie bei Trzebinia (vergl. oben) und bei
Krzeszowice nachgewiesen sind, lässt sich zur Zeit weder bejahen, noch
verneinen.
Von dieser Bedeekung können im Allgemeinen sowohl die dilu-
vialen Sande als die Kalke des weissen Jura als mehr oder weniger
wasserdurchlässig betrachtet werden. Schlechter Aufschlüsse wegen ist
der stellenweise vorhandene oder als vorhanden vorauszusetzende braune
Jura gerade in dieser Gegend relativ ungenügend bekannt. Die sandigen
Bildungen aber, wie sie denselben vielfach im Krakauer Gebiet aus-
zeichnen und wie sie z. B. etwas westlich von hier bei Koscielee, ge-
rade im Innern der besprochenen Mulde, entwickelt sind, würden eben-
falls zu den Wasser durchlassenden Schichten zu rechnen sein.
Dagegen würden die feuerfesten Thone an der Basis des braunen
Jura als undurchlässig zu gelten haben. Im Hinblick auf diesen Um-
stand aber anzunehmen, dass die Gesammtmasse der über diesen Thonen
liegenden Schichten für die Zufuhr von Wasser in dem darunter liegen-
den Muschelkalk nicht in Betracht komme, wäre nichtsdestoweniger
eine Täuschung.
Die jurassischen Schiehten nämlich, denen in ihrer Verbreitung, wie
ich wiederholt hervorgehoben habe, die bewussten Thone durchaus folgen,
lagern discordant über und an dem Muschelkalk. Findet diese Ueber-
lagerung an der Tagesoberfläche statt, dann kann das Auftreten wasser-
undurchlässiger Thone an der Basis jener Schichten allenfalls den
direeten Austritt oberflächlicher Quellen veranlassen, welche sich unab-
hängig von den Quellen des Muschelkalks verhalten. Findet aber jene
Ueberlagerung oder Anlagerung unterirdisch, das heisst unter der Tages-
oberfläche statt, wie das gerade bei der hervorgehobenen Discordanz
häufig der Fall sein wird, dann kann das betreffende Wasser an den
Punkten, wo jene Thone ausgehen, mit der Muschelkalkoberfläche in
Berührung kommen und in die Unterlage der Thone an geeigneten
Stellen eindringen,
Jahrbuch der &k. k. geol. Reichsanstalt. 1891. 41. Band. 1. Heft. (E. Tietze.) 8
58 Dr. Emil Tietze. [48]
Dazu kommt, dass nach dem früher Gesagten die Existenz der
Thone selbst gar nicht einmal überall mit Sicherheit dort vorausgesetzt
werden kann, wo sich die Hangendbildungen derselben entwickelt finden,
dass sie eventuell stellenweise schon ursprünglich gänzlich fehlen, oder
dass ihre Ausbreitung selbst in den Regionen, wo sie sonst vorkommen,
durch eine bis in den braunen Jura aufragende Kuppe des älteren Ge-
birges unterbrochen sein kann, was sich der Berechnung entzieht. Ein
solches, auch nur stellenweises Fehlen der undurchlässigen Thone würde
dann ebenfalls ein Eindringen des Wassers aus den jüngeren Schichten
in den Muschelkalk zulassen.
Wir sind also jener Thone wegen nicht berechtigt, diejenigen
Landstriche aus dem Schutzrayon auszuscheiden, in welchen der Muschel-
kalk unter einer jüngeren Bedeckung verschwindet. Wir dürfen vielmehr
auch diese Landstriche als wenigstens theilweise von Einfluss auf die
Speisung der Regulicer Quellen betrachten.
Bei den bisherigen Erörterungen haben wir die Neigungsverhältnisse
der das besprochene Gebiet zusammensetzenden Schichten noch nicht
weiter berücksichtigt. Die Hauptmasse der westlich Regulice sichtbaren
Muschelkalkschichten zeigt eine allgemeine, wenngleich nicht starke,
so doch wahrnehmbare Neigung nach Norden. Man könnte deshalb
versucht sein zu glauben, dass nur diejenigen Theile der Muschelkalk-
platte, welche südlich von der Gegend der Quellen liegen, für die
Speisung der letzteren in Betracht kämen. Man könnte annehmen, dass
das in diesen Schichten befindliche, bezüglich ihnen von oben zugeführte
Wasser, sofern dasselbe sich zwischen oder über gewissen Schichtflächen
bewegt, vielfach unterirdisch gegen die Mitte der durch den Chechlo-
Bach bezeichneten Mulde bin abfliessen und somit, wenigstens was
die nördlich von den Regulicer Quellen gelegenen Partien anlangt,
ohne Einfluss auf die Entstehung der bewussten Quellen bleiben werde.
Man könnte daraus weiter folgern wollen, dass dann dennoch die voran-
stehend besprochenen Landstriche, in welchen nördlich von den Quellen
der Muschelkalk unter jüngeren Schichten ruht, dem Schutzrayon vielleicht
ganz überflüssiger Weise einverleibt worden seien.
Der Sicherheit einer solehen Annahme stehen indessen einige
bemerkenswerthe Erwägungen entgegen.
Wenn in geneigten Schichten sich bewegendes Wasser, von
welchem ein Theil unterwegs als Quelle zum Austritt gelangt, ohne
dass die Neigung der Schichten jenseits der Quelle eine andere wird,
in eben dieser jenseitigen Region dureh künstliche Eingriffe angezapft
wird, dann wird das eine Rickwirkung auch auf die gleichsam vor
der supponirten Quelle gelegenen höher ansteigenden Theile des be-
wussten Schichteneomplexes und dessen Wasserführung äussern, dann
wird vor Allem auch die Druckkraft verändert werden, unter der jene
Quelle hervortritt. Der Fall erscheint, wenn auch das Gleichniss hinkt,
in gewissem Sinne ähnlich dem Oeffnen eines Ventils, durch welchen
Vorgang der Druck des Dampfes auf die Kesselwände herabgesetzt
wird. Es wird jedenfalls die Rückstauung des in jenem Schichten-
eomplex nicht völlig frei, wie in einem See, sondern mit Hindernissen
eireulirenden Wassers gegen die besagte Quelle zu gemindert und die
Tendenz zu rascherem Abfluss gegen die soeben als jenseitig be-
[49] Beiträge zur Geologie von Galizien. 59
zeichnete Tiefenregion vermehrt werden, zum offenbaren Nachtheil der
Quelle, deren Austritt durch den bisherigen Gleiehgewichtszustand der
Dinge regulirt war.
Von vorneherein lässt sich also sagen, dass selbst bei dem ein-
fachen, hier zunächst als möglich gedachten tektonischen Verhältniss
gewisse Eingriffe, die nordwärts der Regulicer Quellen bewerkstelligt
werden sollten, namentlich wenn sie nach der Tiefe bis zum Muschel-
kalk ausgedehnt werden würden, als der Wasserversorgung von Krakau
unter Umständen schädlich bezeichnet werden müssten. Nun aber ist
keineswegs ausgemacht, dass die tektonischen Verhältnisse jenes Ge-
bietes in Wirklichkeit so einfach sind, als hier angenommen wurde.
Wir wissen, und darauf wurde im Lauf dieser Auseinandersetzung
ja schon hingewiesen, dass das Gebiet von Regulice einschliesslich der
Hochfläche am Chechlo-Bach zu einer grossen Schiehtmulde gehört,
deren südlicher Rand gleich nördlich vom Weichselthal sich erhebt,
während der nördliche Rand derselben sich von Szezakowa, also von der
russisch-preussischen Grenze über Trzebinia bis in die Gegend von
Krzeszowice verfolgen lässt. Bereits in meiner Darstellung der geo-
gnostischen Verhältnisse der Gegend von Krakau habe ich aber darauf
aufmerksam gemacht, dass diese Mulde von einer seeundären Faltung
unterbrochen wird. Dort, wo sich die Mulde im Westen bedeutend
verbreitert, also etwa in der Gegend zwischen Szezakowa und Sierza
einerseits und Chelmek und Libiaz andererseits wird diese secundäre
Falte westlich von Chrzanow deutlich sichtbar. Die Schichten des
Muschelkalkes wölben sich inmitten des Muldeninnern auf's Neue empor
und noch etwas westlicher bei Jaworzno tritt sogar das ältere Liegend-
gebirge der ganzen Mulde, in diesem Falle die Steinkohlenformation
mit dem Buntsandstein aus der Muldenmitte hervor, so dass man in
jener Gegend von einer Doppelmulde reden könnte.
Jene secundäre Falte schwächt sich in ihrem äusseren Auftreten
östlich von Chrzanow ab und im Gebiet des oberen Chechlo-Baches
zwischen Nieporaz und Dulawa, welches Gebiet ja theilweise für den
besprochenen Schutzrayon in Betracht kommt, ist oberflächlich von
einer Fortsetzung jener Falte nichts mehr nachzuweisen, weil hier das
ältere Gebirge unter der diluvialen Sandbedeckung gänzlich verschwindet.
Wer aber wollte behaupten, dass die Falte in der Tiefe ganz zu be-
stehen aufgehört habe? Eine solche Behauptung wäre um so unwahr-
scheinlicher, als etwas östlich von den Quellen des Chechlo-Baches in
der Nähe von Rudno und Tenezynek auf's Neue ein Theil der Liegend-
schiehten jener mesozoischen Mulde zum Vorschein kommt, so dass die
Kohlengruben bei diesen Localitäten in der Fortsetzung jener zwischen
Jaworzno und Ohrzanow deutlich entwickelten Secundärfalte erscheinen.
Ein soleher unterirdischer Rücken aber würde der Wasserabfuhr
gegen Norden eine Grenze setzen, und zwar schon innerhalb der
Schiehten des Muschelkalks selbst, weil er eine Unterbrechung der nörd-
lichen Fallrichtung dieser Formation bedeuten würde. Wollte man da-
gegen einwenden, die Existenz eines solchen Rückens sei hier nicht
erwiesen, sondern nur wahrscheinlich gemacht worden, so würde das
eine Verkennung der Grundsätze sein, nach denen ein Quellenschutz-
rayon festzustellen ist. Diese Grundsätze bedingen eben die Voraussicht
5*
60 Dr. Emil Tietze. [50]
von Möglichkeiten und wahrscheinlichen Eventualitäten für alle die
Fälle, in welchen eine absolut sichere Entscheidung durch den Mangel
an direet beobachtbaren Thatsachen erschwert wird.
Was die Deckschichten des Muschelkalks und zunächst die juras-
sischen Absätze anlangt, so können aber auch schon die einige Male
betonten, von der eigentlichen Tektonik unabhängigen Unregelmässig-
keiten des alten Muschelkalkreliefs locale Stauungen des bis zur Muschel-
kalkoberfläche durchsieckernden Wassers bewirken, welche den Regu-
licer Quellen zu Gute kommen, ähnlich wie die Stauung, welehe durch
die eben supponirte, rein tektonische Störung der triadischen Bildungen
bewirkt werden kann.
Der Vereinfachung der Betrachtung wegen wurden die Regulicer
Quellen bisher im Wesentlichen als blosse Schichtquellen aufgefasst und
schon von diesem Standpunkt aus konnte einer Verengerung des be-
stehenden Schutzrayons nicht das Wort geredet werden. Es darf aber
auch nicht übersehen werden, dass diese Auffassung eine zu einseitige
wäre, wollte man sich mit ihr begnügen. Schon der Umstand, dass jene
Quellen mit ziemlich bedeutendem Wasserreichthum hervorbrechen, lässt
darauf schliessen, dass ihnen auch aus Spalten und Klüften Wasser zu-
kommt. Ist einmal der Wasserreichthum einer Quelle so gross, dass sie
sofort als Bach aus dem Gestein hervortritt, wie das bei den Regulicer
Hauptquellen der Fall ist, dann hat sie auch schon einen gewissen
unterirdischen Lauf mit entsprechenden Verzweigungen gehabt, der ent-
weder durch tektonisch entstandene Klüfte vorgezeichnet wurde oder der
durch Gesteinsunterwaschungen zur Bildung von Klüften oder Gesteins-
zerrüttungen über jenem Lauf geführt hat. Der letztere Fall wird sogar
jedenfalls eingetreten sein, gleichviel ob der erstere vorangegangen ist
oder nicht.
Nun aber liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass in der Gegend
von Regulice auch tektonische Ursachen innerhalb des Gebirges zu einer
Bildung von Klüften und Sprüngen ‘geführt haben mögen, welche, ganz
unabhängig von dem Abfluss des Wassers längs der Schichtflächen,
auch quer durch dieselben das letztere den Quellen zuzuführen im
Stande sind.
Wir befinden uns nämlich bei Regulice in einer Region der
Streichungsänderungen, worauf ich schon in meiner Monographie über
die Gegend von Krakau (]. e. pag. 148) aufmerksam gemacht habe, da
ich bei einer im Jahre 1883 im Verein mit den Herren Prof. Alth,
Dr. v. Szajnocha und Berghauptmann Wachtel in jener Gegend
unternommenen Exeursion statt des westlich von Regulice üblichen Ost-
weststreichens der Schichten an einigen Stellen der Ostseite des Regulicer
Thales nordwest-südöstliche oder gar annähernd meridiane Streichungs-
richtungen wahrgenommen hatte. !)
Es ist ein vermuthlich damit im Zusammenhang stehendes und
jedenfalls beachtenswerthes Verhältniss, dass auch die Melaphyrvor-
kommnisse der Gegend von Regulice und Alwernia einer in demselben
!) Dieselben kommen gar nicht weit von den Quellen vor, wenn auch nicht
gerade unmittelbar bei diesen selbst, wie man vielleicht, was mir nachträglich auffällt,
aus der Stylisirung auf der oben citirten Seite herauslesen könnte.
ARTEN
[51] Beiträge zur Geologie von Galizien. 61
Sinne von der ostwestlichen Richtung abweichenden Linie folgen, wo-
von man sich durch die Betrachtung meiner Karte leicht überzeugen
wird. Wir kennen ein solches Vorkommen im unteren Theile des Szy-
motathales, dann zwei solehe Vorkommnisse zu beiden Seiten des Regu-
licer Baches bei Alwernia, einen Melaphyrfelsen südöstlich von Alwernia,
nämlich westlich vom Schlosse von Poreba und endlich ist in den T'hon-
gruben von Mirow schon seit längerer Zeit das unterirdische Auftreten
eines von F.Römer als Porphyr bezeichneten, vermuthlich aber eben-
falls zum Melaphyr gehörigen Eruptivgesteins bekannt, welches ziem-
lich genau in der Fortsetzung der durch die vorgenannten Punkte be-
zeichneten Linie auftritt.
Dies Alles giebt ausreichenden Grund zu der Annahme, dass
in der Gegend von Regulice eine Zone der Störungen vorhanden ist,
mit welcher auch bei Beurtheilung der Wasserverhältnisse gerechnet
werden muss.
Als es sich nun darum handelte, aus der Verknüpfung der hier
geltend gemachten, mannigfachen Gesichtspunkte eine praktische Folgerung
zu ziehen, so war das nicht eben schwer. Die geschilderten Verhältnisse
berechtigten schliesslich zu dem Ausspruch, dass der für die Regulicer
Quellen bereits behördlich festgestellte Schutzrayon keineswegs zu weit
gefasst sei, und dass Störungen der natürlichen Wassereireulation in
diesem Gebiete möglichst hintanzuhalten seien.
Was im Hinblick auf diesen Umstand die noch einmal an die Sach-
verständigen ausdrücklich gestellte Frage der Zulassung bergbaulicher
Arbeiten innerhalb jenes Rayons anlangt, so ging die Antwort darauf
aus dem Gesagten fast als eine selbstverständliche hervor.
Vor Allem ist von vornherein klar, dass solehe Arbeiten in der
Muschelkalkformation jedenfalls auszuschliessen sind, desgleichen solche
Arbeiten, welche auf eventuelle Mineralproducete im Muschelkalk selbst
zwar nicht reflectiren, aber diese Formation behufs Erreichung anderer
Gesteine anritzen oder durchteufen, wie dies bei Aufsuchung von Stein-
kohlen der Fall sein müsste.
Aber auch der Bergbau, der sich in den Schichten über dem
Muschelkalk bewegen würde, wobei zunächst ein Aufsuchen oder eine
eventuelle Ausbeutung der feuerfesten Thone in Betracht käme, könnte
den zu schützenden Quellen gefährlich werden, namentlich wenn Wasser
aus solehen Brunnen gepumpt werden müsste. Findet ein solcher Bau
über den Thonen statt, so wäre diese Thhätigkeit geeignet, das über
den wasserundurchlässigen Lagen eventuell abfliessende und bei der
stellenweisen Unterbrechung der letzteren dem tieferen Gebirge zusitzende
Wasser dem Sammelgebiet der Quellen zu entziehen. Werden aber bei
einem solchen Bergbau die fraglichen Thonlager durchstossen oder be-
seitigt, was ja dem Zweck der Thongewinnung entspricht, so würde
dadurch unter Umständen das über den Thonen angesammelte Wasser
in die Tiefe geleitet werden und es könnte dasselbe dann allerdings
direeter als vorher mit dem unterlagernden Muschelkalk in Berührung
kommen und in denselben einsickern, aber es würde dies an anderen
Stellen geschehen als denjenigen, an welchen die hergebrachte Cireu-
lation des Wassers im Gebirge stattfand. Ob bei den Unebenheiten des
Muschelkalkreliefs dies nicht von nachtheiligem Einfluss auf die Spei-
62 Dr. Emil Tietze. [52]
sung der Quellen sein könnte, ist aber schwer vorherzusagen. Die blosse
Möglichkeit eines solchen Einflusses genügt indessen, um auch in diesem
Falle eine ablehnende Haltung gegenüber den Bestrebungen anzunehmen,
welche dem Bergbau wenigstens unter gewissen Beschränkungen freiere
Hand im Gebiete des Schutzrayons verschaffen wollen.
Nur in einem Falle erscheint ein Aufgeben dieser ablehnenden
Haltung statthaft und eine Ausnahme von dem Verbot, im Schutzrayon
Bergbau zu betreiben, allenfalls zulässig.
Dieser Fall bezieht sich auf die Rasenerze, welche, wie früher
gesagt wurde, in gewissen Theilen des Rayons vorkommen.
Bei der geringen Tiefe, in welcher solche Erze gefunden zu werden
pflegen, brauchen Bedenken gegen einen Abbau, bezüglich gegen eine
Entfernung derselben nicht geäussert zu werden. Ich sage absichtlich
nicht blos „Abbau“, sondern auch „Entfernung“, denn es kann der
Fall gedacht werden, dass es sich für einzelne Strecken mehr darum
handelt, durch Beseitigung eines Hindernisses dem Wachsthum des Waldes
Raum zu schaffen als durch den Verkauf der Erze einer direeten Ge-
winn zu erzielen, ein Fall, der dann eintritt, wenn es local zur Bildung
einer Kruste von Ortstein gekommen ist.
Insofern eine solche Kruste das Einsinken der atmosphärischen
Niederschläge gegen die Basis des durchlässigen Diluvialsandes eher
zu erschweren als zu erleichtern geeignet ist und insofern diese Kruste
dann den rein oberflächlichen Abfluss der Wässer gegen die offenen natür-
lichen Entwässerungsrinnen zu begünstigt, kann die Beseitigung derselben
sogar unter Umständen von einem, wenn auch bescheidenen Nutzen für
die Speisung der aus den tieferen Schichten des Gebietes entspringen-
den Quellen werden.
S. Einiges über die Umgebung von Tlumacz.
Schon vor einigen Jahren (Beiträge zur Geologie von Galizien,
3. Folge, Jahrb. d. k. k. geol. Reichsanstalt. 1886, pag. 681 ete.) habe
ich einige Mittheilungen über die Umgebung von T4umaez gemacht. Ich
möchte hier einige Beobachtungen »achtragen, welche ich bei einem
erneuerten Besuch jener Gegend im Jahre 1887 anstellen konnte.
Bereits damals gedachte ich eines kleinen Baches, welcher in der
Nähe des Dorfes Kokutki aus einer im Gyps befindlichen Höhle hervor-
tritt und dessen Wasser sich durch einen kleinen Salzgehalt auszeichnet.
Ich konnte diesmal deutlicher als früher den schwach bitteren Geschmack
jenes Wassers eonstatiren. Ausserdem ist zu bemerken, dass innerhalb
der Höhle etwas Fledermausguano vorkommt, ein Produet, nach welchem
vielleicht auch anderwärts in den ostgalizischen Gypshöhlen seiner land-
wirthschaftlichen Bedeutung wegen gesucht werden sollte, sofern erst
die Höhlen selbst besser bekannt und erschlossen sein werden, als dies
bislang der Fall ist.
Der Eingang in die hier erwähnte Höhle, bezüglich der Austritt
des genannten Baches befindet sich gleich links vom Wege, der von
Kokutki nach Okniany führt.
Von diesem Wege zweigt sich bald links (nördlich) ein Weg nach
dem Dorfe Bratyszöow ab. Der letztere Weg tritt bald in ein zunächst
[53] Beiträge zur Geologie von Galizien. 63
nach Norden verlaufendes Thal ein, welches in der Nähe der Localität
Pod Kamieniem eine scharfe Umbiesung nach Osten (in der Richtung
nach Ostra zu) aufweist, und welches den bezeie hne den Namen Sucho-
dol oder trockenes Thal führt. W ährend (die Westseite dieses Thales
von Löss eingenommen wird, erhebt sich das östliche Ufer steiler und
weist ein Auftreten von neogenen Gypsen auf, welches bei der Auf-
nahme dieses Gebietes übersehen wurde. Noch vor etlichen Jahren kam
an dieser Berglehne eine starke Quelle zum Vorschein, wie mir von zu-
verlässiger Seite versichert wurde, während heute diese Quelle versiegt
ist. Ganz augenscheinlich hat das Wasser hier in dem durehhöhlten
Gyps seitdem "tiefere Horizonte aufgesucht und fliesst unterirdisch ab;
denn an eine andere Ursache seines plötzlichen Ausbleibens, etwa in
Folge klimatischer Veränderungen, ist im Ernst nieht zu denken. Das
Thal, welches ja augenscheinlich einst mehr Wasser geführt hat, indem
es doch ganz einfach als ein Erosionsthal aufgefasst werden darf, be-
kommt somit mehr und mehr den Charakter, auf welchen sein Name
anspielt, ein Beweis, dass der Karstceharakter!) der podolischen Gyps-
gegenden einer beständigen Steigerung unterworfen erscheint, ganz wie
wir das bei anderen Karstgebieten wahrnehmen können.
Hier mag noch die Thatsache mitgetheilt werden, dass von den
zahlreichen Gypstrichtern der östlichen Umgebung von Tfumacz nur
einige wenige mit Wasser gefüllt erscheinen, während die meisten leer
sind. Das ist nicht uninteressant. Wären diese Trichter reine Oberflächen-
erscheinungen,, würden sie etwa nur der oberirdischen Auslaugung ihr
Entstehen verdanken, dann würde ihr Verhalten in der angegebenen
Beziehung wohl ein gleichmässigeres sein. Das Wasser, welches sich in
einigen derselben sammelt, würde sich in den anderen ebenfalls sammeln.
So aber muss man wohl annehmen, dass die Mehrzahl der Triehter mit
den Höhlungen im Gypse communieirt, und dass das Triehterphänomen
dem partiellen Einsturz der Höhlendecken seine Entstehung verdankt,
während bei den gefüllten Trichtern eine später eingetretene Verstopfung
der nach der Tiefe führenden Verbindung vorausgesetzt werden kann.
Dass aber jene vorausgesetzten Deckeneinstürze im ostgalizischen
Gypsgebiete thatsächlich vorkommen, wenn dergleichen auch natürlich
keine alltägliche Erscheinung ist, das hat sich vor etlichen Jahren in
!) Auf diesen Karstcharakter derjenigen Gegenden Ostgaliziens, in welchen der
tertiäre Gyps eine hervorragende Rolle spielt, habe ich schon in meinem früheren Bei-
trage (l. c. pag. 682) ganz ausdrücklich aufmerksam gemacht. Nicht allein die schon
seit lange bekannten Gypstrichter, welche einen höchst auffallenden Zug der betreffen-
den Landschaften bilden und aus deren Anwesenheit sofort, trotz oberflächlicher Mas-
kirung des Terrains durch andere Bildungen, auf die Anwesenheit des Gypses ein Rück-
schluss erlaubt ist, bilden ein Analogon der Karsttrichter des Kalkgebirges; auch das
Vorkommen von Höhlen und unterirdischen Wasserläufen bedingt eine principielle
Aehnlichkeit mit den Karsterscheinungen des Kalkgebirges, eine Thatsache, die bei der
relativ leichten Löslichkeit des Gypses übrigens gar nicht befremdlich ist. Ich finde
besonders deshalb auf diese Umstände hinzuweisen mich bemüssigt, weil bei der hori-
zontalen Lage des podolischen Gypses alle die Vorstellungen, welche die Ursache der
Karsterscheinungen in tektonischen Störungen der betreffenden Gebirgsmassen suchen,
für diesen Fall ihre Ber echtigung völlig verlieren, ähnlich wie im Falle der flach gelagerten
baltischen Silurkalke, die sich ja ebenfalls durch evidente Karsterscheinungen auszeichnen
(Vergl. z.B. meine Ausführungen Jahrb. geol. R.-A. 1880, pag. 732—734.) Dergleichen That-
sachen bei der Theorie der Karsterscheinungen ignoriren zu wollen ist unzulässig. Trotzdem
stellt es sich als nothwendig heraus, immer aufs Neue auf diese Dinge zu verweisen,
64 Dr. Emil Tietze. [54]
der Nähe von Jezierzany (genauer bei dem kleinen Dorfe Konstaneya gleich
südlich von dem genannten Flecken) gezeigt, wo nach mir daselbst ge-
wordenen Mittheilungen ein plötzlicher Erdfall, ein Zusammensinken
eines Stückes der Terrainoberfläche stattfand, welches zur Bildung einer
trichterförmigen Einsenkung führte. Jezierzany liegt südöstlich von
Czortköw und nördlich von Bileze, in dessen Nähe zwischen den Erosions-
furchen des Sereth und der Nietawa nicht allein zahlreiche Gypstrichter )
vorkommen, sondern wo auch nördlich vom Orte eine umfangreiche
Höhle bekannt ist, deren Eingang leider sehr beschwerlich ist, in die
ich indessen ein Stück weit vordringen konnte. Eine nähere Untersuchung
des Höhlenlabyrinthes von Bileze wurde von Adam Kirkov durchgeführt
(vergl. die Krakauer Zeitschr. Zbiör Wiadomosei do Antropologii Krajow£)).
Um noch von anderweitigen Beobachtungen in der Umgebung von
Ttumacz zu sprechen, so möchte ich auf das eigenthümliche Schwefel-
vorkommen bei dem Dorfe Gruszka, südöstlich von Tfumaez, hinweisen,
von welchem in der Literatur, wie ich glaube, noch keine sichere Mittheilung
gegeben wurde. Fötterle(Jahrb.d.k.k.geol. Reichsanstalt. 1851, pag.87)
schreibt allerdings, dass sich südlich nahe von T4umaez zwei Schwefel-
quellen, darunter eine ziemlich starke, befinden sollen, die er selbst zu
besichtigen keine Zeit gefunden habe und OÖ. Lenz (Verhandl. d. k.k.
geol. Reichsanstalt. 1878, pag. 337) giebt an, dass gewisse, dem Gyps
bei T4umacz verbundene Kalke einen Anflug von gediegenem Schwefel
zeigen, aber auch dies geschieht ohne nähere Ortsangabe, so dass bis-
her nur im Allgemeinen von einem Sch wefelvor kommen ; in dieser Gegend
gesprochen wurde, ohne dass speciell des Vorkommens ber Gruszka
gedacht wurde, während ich selbst im Jahre 1886 (Jahrb. d. k. k.
geol. Reichsanstalt, pag. 683) nach mündlichen Mittheilungen des da-
maligen Besitzers von T4umaez, des Herrn Bredt, allerdings das Schwefel-
vorkommen beim Rovenkateiche, unweit Gruszka, erwähnte, ohne indessen
an Ort und Stelle gewesen zu sein.
Diese Stelle befindet sich östlich vom Dorfe Gruszka, an dem Süd-
abhange des Berges Gruszkowka, oberhalb des Rovenkateiches. Daselbst
steht Gvps an, den die Aufnahme von Lenz nicht verzeichnet hat und
auf diesem Gyps finden sich allenthalben Ausblühungen von Schwefel,
nicht aber auf dem sonst in dieser Gegend mit dem Gyps im Hangen-
den desselben verbundenen Kalke, wie man nach der oben eitirten An-
gabe von Lenz vermuthen könnte. Früher sollen hier auch schöne
Schwefelkrystalle unter diesen Ausblühungen vorgekommen sein, von
welchen sich heute allerdings nichts Deutliches mehr findet. Von einem
direeten Zusammenhange jener Ausblühungen mit eigentlichen Schwefel-
quellen wurde nichts wahrgenommen ; der Ursprung der ersteren ist von
dem anderer Efflorescenzen jedenfalls nicht wesentlich verschieden.
Auch die vor einigen Jahren durch gewisse Controversen etwas
bekannter gewordene Gegend von Bukowna am Dniestr nordwestlich
von T4umacz (vergl. Verhandl. d. k. k. geol. Reichsanstalt. 1881, pag. 83;
Petermann's Mitth. 1881, pag. 168. Jahrb. 1882, pag. 115; Zeitschr.
1) Der Gyps von Bileze liegt über Leithakalk, unter welchem ein zum Theil
conglomeratischer Kalksandstein mit Nulliporenknollen folgt, wovon man sich besonders
am Wege von Bileze nach Gleboczek überzeugen kann.
22220
Da
[55] jeiträge zur Geologie von Galizien. 65
deutsch. geol.Ges. 1884, pag. 66 ; Verhandl. d.k.k. geol. Reichsanstalt. 1884,
pag. 198) konnte ich besuchen.
Es war von einer Seite die Behauptung aufgestellt worden, der
Löss jener Gegend werde „in den meisten Fällen von karpathischen
Geschieben überlagert“, welche bis zur Höhe des podolischen Plateaus
reichend beobachtet wurden. Daraus war der Schluss gezogen worden,
die tiefen Thäler des Dniestr und seiner Nebenflüsse seien erst nach
dem Absatz des Löss eingeschnitten worden. Von mir war diese Be-
hauptung angezweifelt und von Uhlig derselben auf Grund eigener
Anschauung entgegen getreten worden.
Meine eigenen Beobachtungen lehrten mich nun, dass bei Bukowna
bis in ziemliche Höhen hinauf, wenn auch nicht bis zur obersten Fläche
des dortigen Plateaus karpathischer, wohl gerundeter Sandsteinschotter
vorkommt. Derselbe reicht bis zu den Höhen, welche die dort über
Jura liegende Kreide einnimmt und besteht aus ziemlich grossen Ge-
schieben von Faust- bis Kopfgrösse, die sich auch noch in der Seiten-
schlucht vorfinden, welche zwischen Bukowna und dem Walde von
Mohilew entwickelt ist. Aber davon, dass dieser Schotter den Löss über-
lagert, konnte schlechterdings nichts wahrgenommen werden.
In der That konnte Uhlig (vergl. Verhandl. 1884, pag. 199) mit
Recht betonen, dass der Löss dort über dem Schotter liegt.
Ich glaube indessen errathen zu haben, weshalb man zu einer
entgegengesetzten Ansicht gelangte. Es finden sich nämlich am Gehänge
des Dniestrthales, welches in der Gegend oberhalb Bukowna und bis
zu diesem Orte eine ungefähr von Norden nach Süden gerichtete Strecke
durchläuft, einzelne Lösspartien in hypsometrisch tieferen Lagen als gewisse
Partien des bewussten Schotters. Man sieht dergleichen schon an dem Wege,
der von Bukowna abwärts zu der dortigen Ueberfuhr geht. Das sind
aber einfach Spuren oder Reste einer den gegebenen Terrainverhält-
nissen sich anschmiegenden Lössbekleidung des westlichen Gehänges
des Thales, welches Gehänge gerade hier stellenweise weniger steil als
sonst ist und sich deshalb local zum Ansatz und zur Conservirung der-
artiger Absätze eignete.
Gerade dieses Verhältniss ist aber der beste Beweis dafür, dass
das Thal mit seinen Gehängen zur Zeit der Lössbildung bereits bestand,
ganz wie wir das für alle genauer untersuchten Thäler Ostgaliziens in
ähnlicher Weise wissen. Alle weiteren, an das angeblich ganz junge
Alter der podolischen Thäler geknüpften Combinationen, wie z. B. die
von dem Abfluss der ostkarpathischen Gewässer in das Weichselthal in
der Zeit vor der Lössbildung (vergl. den eitirten Aufsatz in Peter-
mann’s Mitth.) werden damit hinfällig.
Der Fehler, der da gemacht wurde, beruhte also auf der etwas
zu einfachen Vorstellung, dass die jüngsten Bildungen eines Ge-
bietes nieht blos geologisch, sondern auch hypsometrisch stets die höchst
gelegenen sein müssten, was eben selbst für Gegenden mit flacher
Lagerung, wie die hiesige, nieht überall zutrifft.
Wäre dies der Fall, dann dürfte man ja selbst den besprochenen
Flusssehotter nieht für jünger halten, als die vorausgängigen Meeres-
absätze dieses Gebietes, da er ja noch unter dem höchsten von der
Kreide eingenommenen Niveau anzutreffen ist.
Jahrbuch der k. k. geol. Reichsanstalt. 1891. 41. Band. 1. Heft. (E. Tietze.) 9
66 Dr. Emil Tietze. [56]
Uebrigens ist nicht zu verkennen, dass die hohe Lage jenes
Sehotters, wenn man denselben für diluvial halten will, und etwas
Anderes wird man ja zunächst nicht thun, in der That dafür spricht,
dass der tiefe Einschnitt des Dniestr sich erst seit der Diluvialzeit ge-
bildet hat, wenn er auch schon vor der Zeit des Lössabsatzes im Wesent-
lichen vorhanden war.
Der Fall ist nur insoweit kein besonderer, als auch anderwärts
diluviale Schotter bis zu grösseren Höhen an den Thalgehängen reichen,
und speciell für Galizien habe ich erst vor Kurzem auf die bedeutende
Vertiefung gewisser Flüsse während der Quartärzeit im Hinblick
auf die Höhenlagen der älteren Schotterabsätze hinweisen können
(vergl. Jahrb. d. k. k. geol. Reichsanstalt, 4. Folge dieser Beiträge). In-
dessen ist dabei die Frage erlaubt, ob das, was wir in manchen Gegen-
den diluvial nennen, nicht stellenweise Ablagerungen entspricht, die be-
reits in der jüngsten Tertiärzeit ihren Anfang genommen haben.
Die neogenen Ablagerungen Galiziens nehmen mit den ohnehin
nur mehr spärlich nachzuweisenden Congerienschichten ihr Ende. Eine
marine Bedeckung des ausserkarpathischen und speciell des podolischen
Gebietes hat seit der sarmatischen Zeit nieht mehr und selbst während
letzterer nur mehr unvollständig stattgefunden.
Es muss also, wie ich bereits in meiner Arbeit über die Gegend
von Lemberg (vergl. Jahrb. d. k. k. geol. Reichsanstalt. 1382, pag. 99)
betonte, schon vor der Glacialzeit, das heisst jedenfalls bald nach dem
Rückzug der miocänen Wasserbedeckung, „die Modellirung der Ober-
fläche des galizisch-podolischen Hügellandes durch die Atmosphärilien
u.s. w. begonnen haben“. Die Flüsse haben demnach schon in der
jüngsten Tertiärzeit Raum zur Entwicklung gefunden und wer vermöchte
in Ermangelung von paläontologischen Belegen (wie beispielsweise von
bezeichnenden Säugethierfunden) sicher zu verneinen, dass manche
Sehotter, die aus der ersten Zeit der Thätigkeit jener Flüsse stammen,
bereits pliocänen Alters sind!
Ob der Schotter von Bukowna nun pliocän oder altdiluvial ist,
mag uns übrigens hier gleichviel gelten. Sein Auftreten kann uns nicht
mehr wunderbar vorkommen, wenn wir uns davon überzeugt haben,
dass er nicht erst nach dem Absatz des Löss an Ort und Stelle gelangt
ist. Wir können dann sogar der (übrigens leider nicht speeifieirten) An-
gabe Dunikowski’s Vertrauen schenken, dass auch an dem linken
(von den Karpathen abgewendeten) Ufer des Dniestr stellenweise wie
gegen die Strypa und den Sereth zu noch karpathischer Schotter auf-
tritt. Der Fluss hatte eben, bevor er sich so tief wie heute in die podo-
lisehe Schichtplatte eingesägt hatte, mehr Spielraum für seinen Lauf
und konnte sich anfänglich wohl hie und da auch nördlich der heutigen
Flussrinne bewegen.
Das Einzige, was mir bei dem Schotter von Buakowna merkwürdig
vorgekommen ist, war die im Verhältniss zur Entfernung des Fundortes
von den Karpathen ziemlich bedeutende Grösse der einzelnen Geschiebe,
Der nächste aus den Karpathen kommende Nebenfluss des Dniestr ober-
halb Bukowna ist die Bystryca. Ein Vergleich mit den heutigen Ge-
schieben dieses letzteren Flusses unterhalb Stanislau, etwa bei Jezupol,
dürfte für das weitere Studium dieser Frage empfehlenswertli sein.
u u Fa
Se
[57] Beiträge zur Geologie von Galizien 67
T. Beobachtungen in der Gegend von Polana.
Der Ort Polana, dessen Umgebung ieh im Sommer 1887 unter der
überaus liebenswürdigen Führung seines Besitzers, Herrn Grafen Bülow.
besuchte, liegt zwischen Ustrzyki und Lutowiska an einem Zuflusse des
San, welcher Zufluss den Namen Üzarna reka führt. In denselben mündet
bei Polana der Gluchy potok. Dieser letztere Bach und die Üzarnareka
unterhalb Polana fliessen in einerDepression, welche ungefähr die Riehtung
eines nach Nordwest verlaufenden Längsthales hat zwischen zwei höher
ansteigenden Bergzügen, von denen der nördliche seine höchste Erhebung
im langgestreckten Ostre (nördlich von Skorodne) besitzt, während der
südliche Bergzug den Namen Odryt führt. Der Czarnabach aber bildet
vor seiner Vereinigung mit dem Gluchy potok ein Querthal, welches,
von Norden kommend, den Zug des Ostre in der Gegend des Dorfes
Rosolin durchschneidet.
Bei Polana selbst stehen in den genannten beiden Bächen allent-
halben plattige Sandsteine an, welche grosse Aehnlichkeit mit den
Schiehten von Krosno besitzen, welche ich in meinen letzten Beiträgen
zur Geologie von Galizien (4. Folge, Jahrb. d. k. k. geol. Reichsanstalt,
1889) genau beschrieben habe. Hier wie in der Gegend von Krosno giebt
die (in diesem Fall bereits vor einer Reihe von Jahren aufgenommene)
geologische Karte das Vorkommen oberer Hieroglyphenschichten an und
hier wie dort haben die thatsächlich anstehenden Schichten mit typischen
oberen Hieroglyphenschichten nicht die geringste Aehnlichkeit. Diese
plattigen Sandsteine verfolgt man allenthalben den Bach abwärts bis zum
Dorfe Chrewt, wo die Einmündung der Czarna in den San stattfindet.
Geht man nun von Polana den Czarna potok nördlich aufwärts.
um den Durchbruch des Baches durch die Kette des Ostre zu besichtigen,
so trifft man bei der ersten Krümmung des Baches, dort wo auf der
Generalstabskarte die Höhenangabe von 447 Meter steht, einen etwas
dieker geschichteten Sandstein, der bei steiler Stellung etwas nach Nord-
ost geneigt ist und gleich dahinter dort, wo der Bach eine kurze Strecke
lang ostwestlich verläuft, Menilitschiefer. Weiter bachaufwärts sieht
man wieder Sandsteine, welche theilweise die Neigung zur Ausschei-
dung von eoneretionären Sandsteinkugeln aufweisen, während bei Rosolin
abermals Schiefer über das Thal zu streichen scheinen.
Man erreicht so den Bergvorsprung, an dessen Fusse die für die
Thalsohle berechnete Höhenangabe von 480 Meter auf der General-
stabskarte angebracht ist. Hier steht abermals ein massiger Sandstein
an, der bei einiger Neigung zur Ausscheidung von Sandsteinkugeln im
Einzelnen keine deutliche Schiehtung zeigt, während sich bei Betrachtung
der Verhältnisse im Grossen ergiebt, dass man eine vertical gestellte Ab-
lagerung vor sich hat. Derselbe Sandstein bildet grosse Felsen, die an
das Flussbett knapp herantreten. Unten bemerkt man hier auf der west-
liehen Thalseite eine Höhle in diesen Felsmassen und vielfache Corro-
sionserscheinungen. An einer Stelle kommen auch Einschlüsse von Nulli-
poren darin vor. Gleich dahinter kommen wieder steil gestellte Schiefer,
die Aehnlichkeit mit Menilitschiefern besitzen. Mit den vorgenannten
Sandsteinen sind wir hier schon in den Theil des Durchscehnitts einge-
treten, welcher das höher ansteigende Gebirge durchquert.
y*
68 Dr. Emil Tietze. [58]
Ehe man nun diesen Theil des Durchschnitts verlässt, trifft man
nochmals auf zwei diekbankige Sandsteinzüge, welche über den Fluss
streiehen. Zwischen denselben stellen sich Schiefer ein, welche stellen-
weise, wenn auch eben nicht durchgehends Hieroglyphen auf den Sand-
steinzwischenlagen führen, und welche theils aus Strzolka ähnlichen
Lagen, theils aus dunkelgrauen,, thonigen, nicht blätterigen Schiefern
bestehen. Hinter dem letzten jener Sandsteinzüge treten bei einer nun-
mehr folgenden Stromschnelle wieder Schiefer mit Hieroglyphensand-
steinen auf. Weiter als bis hierher, das heisst bis ungefähr zu der
Mühle, welehe sich südlich der westlichen Kirche von Czarna befindet,
habe ich diesen Durchsehnitt nieht mehr im Zusammenhange verfolgt.
Ich vermag deshalb auch nicht anzugeben, was für Bildungen etwa
zwischen den genannten Hieroglyphensandsteinen und den grauen
plattigen Sandsteinen anstehen, welche man dann später bei Czarna
selbst zu Gesicht bekommt, wohin ich von einer anderen Seite aus gelangte,
Weniger deutliche Beobachtungen als längs des Czarnabaches
lassen sich etwas östlich davon anstellen, wenn man ungefähr bei der
nächsten Schlucht, welehe von Norden her in den Gluchy potok mündet,
gegen den Kamm des Ostre zu aufsteigt, etwa in der Richtung gegen
den Höhenpunkt 675 der Generalstabskarte. Zuerst sieht man plattige
Sandsteine. Dieselben bilden orographisch annähernd deutlich markirte
Kuppen, welche der Kuppe entsprechen, an welcher wir beim Höhen-
punkt 447 die etwas dicker geschiehteten Sandsteine vor den ersten
Menilitschiefern angetroffen hatten. Ich habe den Eindruck, dass diese
gleichfalls nordöstlich fallenden Bänke noch zu den Krosnoschichten ge-
hören, welche wir im Thale von Polana kennen lernten. Es kommt ja
auch anderwärts vor, dass sich in diesem Schichtensystem einzelne
stärkere Sandsteinpartien unterscheiden lassen, welche dann auch auf
das Relief der Gegend einigen Einfluss ausüben können.
Die weiteren Glieder des vorher beschrieberen Durchschnitts fand
ich nun hier weniger sicher angedeutet, was damit zusammenhängen
kann, dass die Berggehänge, an welchen wir nunmehr hinaufsteigen,
nicht so gute Aufschlüsse bieten wie der Czarnabach. Jedenfalls trifft
man nach einiger Zeit einen steil aufgerichteten Sandstein mit kuge-
ligen Coneretionen,, der gegen Rosolin hinüberzieht, dahinter tauchen
dann in Stunde 9 streichende, steil südwestlich fallende, dunkle, thonige
Schiefer mit Kalkspathadern auf.
Dieselben sind zum Theil von Verwitterungslehm bedeckt und kann
man im Bereich des letzteren die eigenthümliche Erscheinung beob-
achten, welche man in Lössgebieten mit dem Namen Lössbrunnen zu
bezeichnen pflegt.
Der Kamm des Östreberges erweist sich nun, rein orographisch
gesprochen und von den Entwässerungs- und Wasserscheidenverhält-
nissen ganz abgesehen, als ein doppelter. Der südliche, gegen Polana
zugewendete Theil dieses Kammes ist allerdings dureh Erosionsfurchen
unterbrochen, während die nördliche Kammhöhe als eigentliche Wasser-
scheide figurirt. Trotzdem ist das Verhältniss besonders stellenweise ein
ganz eclatantes, dass nämlich hier nahe bei einander zwei im Allge-
meinen gleiehwerthige Kammlinien bestehen, zwischen welchen auf der
Höhe sich eine lang gezogene Depression befindet.
[59] Beiträge zur Geologie von Galizien. 69
Diese Depression macht an sich betrachtet den Eindruck, mit einem
Sattelaufbruch zusammen zu hängen. Die Erhebungen beiderseits der-
selben, die beiden Kämme bestehen aus Sandstein, währe nd dazwischen
schieferige Bildungen zu herrschen scheinen.
Zwischen dem Czarnathal und der Gegend des gleich zu erwäh-
nenden Oelbergbaues von Polana sind es vornehmlich zwei grössere
Schluchten, welche vom Ostrekamm herab die Richtung gegen den Gluchy
potok zu nehmen und indem sie in jener Depression des Kammes ihren
Ursprung nehmen, die südliche Kammhälfte durchbrechen und in ge-
trennte Abschnitte zerlegen. Dabei zeigt sich in den Diluviallehmen der
genannten Depression abermals das Phänomen, welches mit der Er-
scheinung der Lössbrunnen zu vergleichen ist. Die Anfänge der
Bächlein, welche nach jenen Schluchten zustreben, verschwinden stellen-
weise in Löchern oder treten dann wieder als mächtigere Quellen, denen
man einen etwas längeren unterirdischen Lauf ansieht, aus einem in
den Lehm gehöhlten Corridor plötzlich hervor. Es ist das gleichsam im
Kleinen eine Art von Karsterscheinungen, auf welche ich die Aufmerk-
samkeit lenken möchte, da solche Erscheinungen doch eigentlich in
unserer karpathischen Sandsteinzone ziemlich selten sind und nur bie
und da vorkommen.!)
Es wurde soeben gesagt, dass die Depression, welche den Kamm
des Ostre der Länge nach halbirt, den Eindruck eines Sattelaufbruchs
mache. Dem gegenüber bin ich allerdings verpflichtet, eine Beobachtung
hervorzuheben, welche diesem Eindruck zu widersprechen scheint. Die
Schluchten nämlich, welche von jener Depression ausgehend die süd-
liche Kammbhälfte in einzelne Kuppen zerlegen, haben bei diesem Durch-
bruch ziemlich gute Aufschlüsse bewerkstelligt. Diese Aufschlüsse aber
lassen erkennen, dass die erwähnten Kuppen, welche dem ersten ober-
flächliehen Eindruck zu Folge die Südflanke eines Sattelaufbruchs zu
bilden scheinen, für sich allein schon einen Schichtensattel repräsentiren,
in dessen Mitte Schiefer zum Vorschein kommen, welche beiderseits
von Sandsteinbänken überlagert werden. Das Fallen der letzteren beider-
seits der Schiefer ist evident, trotz der Steilheit der Schichtenstellung,
als ein entgegengesetztes zu erkennen, während sie sich nach oben,
das ist gegen die Höhe der Kuppen zu über dem Schiefer zu vereinigen
scheinen. In der östlicheren der erwähnten Schluchten, welehe unmittel-
bar westlich von dem Höhenpunkt 731 Meter der Karte herabkommt,
sind die Schiefer an der Basis des Sandsteines deutlicher entblösst und
zeigen dort selbst ein sattelförmiges Fallen. Der Sandstein im Norden
dieser Schiefer veranlasst in der letztgenannten Schlucht einen kleinen
Wasserfall. Dort stehen die Sandsteinbänke allerdings vertical, aber ein
wenig weiter oberhalb des Wasserfalles ist das Fallen des Sandsteines
als ein steil nordöstliches zu erkennen.
Wie sich die Nordflanke des Sandsteinkammes des Ostre verhält,
ob sie ebenfalls einem besonderen, nach oben geschlossenen Sattel ent-
spricht , vermag ich leider nicht anzugeben. Ich möchte deshalb aber
noch immer nicht die auf der Höhe des Ostrezuges zwischen den beiden
!) Sehr deutlich beobachtete ich ähnliche Verhältnisse auf der ungarischen Seite
der Sandsteinzone im Bereich der Diluviallebme von Luh, nördlich Unghvar, und zwar
auf der westlichen Flanke des Unghflusses.
70 Dr. Emil Tietze. [60]
Sandsteinkämmen auftretenden Gebilde für eine Muldenausfüllung halten
und auch noch keinesfalls die Vermuthung zurückweisen, dass die
Schiefer der oft genannten Kammdepression nicht doch mit den Schiefern
an der Basis des oben geschilderten Sattels identisch seien, denen sie
doch sehr ähnlich sehen. In diesem Falle würde man nur vorauszu-
setzen haben, dass die Sandsteinbänke, welche das Hangende der
Sehiefer bilden, eine Einfaltung in die Schiefer erfahren haben, und
dass eine Wiederholung steil gestellter Falten hier in kurzen Distanzen
stattfindet. Mit dieser Anschauung stimmt auch der Umstand überein,
dass nördlich, bezüglich nordöstlich von der 731 Meter hohen, der süd-
lichen Kammbälfte angehörigen Kuppe eine Unterbrechung oder viel-
mehr Abschwächung der Kammdepression eintritt und eine auch hypso-
metrisch zum Ausdruck gelangende Verbindung der Sandsteine beider
Kammhälften stattfindet, welche die Schiefer dieser Depression überwölbt.
Gehen wir nunmehr noch etwas weiter östlich zu den Oelboh-
rungen von Polana, welche sich ziemlich genau nördlich von der Kirche
von Skorodne und ungefähr südlich von derjenigen Kuppe des Ostre-
kammes befinden, für welche die Karte die Höhe 686 Meter angiebt, so
gelingt es dort schon viel schwerer, deutliche und zusammenhängende Be-
obachtungen zu machen. Soviel aber steht fest, dass die ergiebigsten
Oelbohrungen sich daselbst im Bereich von diekschichtigeren thonigen
Schiefern mit Sandsteinzwischenlagen befanden, welche beiderseits wieder
von massiger geschichteten Sandsteinen flankirt werden. Wir haben in
jener Gegend einen Sattel vor uns, ähnlich dem oben beschriebenen.
Von Interesse erscheint, dass der flankirende Sandstein, den man bei-
spielsweise am südlichen Waldrande des Gebirges aufgeschlossen findet,
gerade in der Gegend der Oelgruben einer Knickung des Streichens
oder sogar einer Horizontalverschiebung unterworfen erscheint, in Folge
deren die einzelnen Stellen seines Auftretens sich nicht der Streichungs-
linie gemäss in gegenseitiger Verlängerung ihrer jeweiligen Erstreckung
befinden. Ich habe auf diesen mit der Ergiebigkeit des Oelzuflusses augen-
scheinlich in einem gewissen Zusammenhange stehenden Umstand schon
an einer anderen Stelle einmal kurz hingewiesen. (Siehe die vierte Folge
dieser Beiträge, Jahrb. geol. R.-A., 1889, pag. 307, in der Anmerkung.)
Was nun die Deutung der hier besprochenen Bildungen anlangt,
so ist dieselbe nicht durchgängig leicht, da die tektonischen Verhält-
nisse in einigen Punkten noch der Aufklärung bedürfen. Soviel scheint
aber festzustehen, dass von einer Vertretung der sogenannten „mittleren
Gruppe“ der Karpathensandsteine am Ostre nicht mit Sicherheit ge-
sprochen werden darf. Die massigen Sandsteine, deren wiederholtes
Auftreten wir kennen lernten, weisen vielfach Eigenschaften auf, durch
welche sie sich an den oligocänen Ciezkowicer Sandstein anschliessen.
In Hinsicht auf diesen Umstand liegt es nahe, in den thonigen Schiefern,
welche zwischen jenen Sandsteinzügen vorkommen, und welche das
Liegende derselben zu bilden scheinen, was in einem Falle (bei dem
Sattel auf der Südseite des Ostrekammes) auch thatsächlich erweisbar
ist, ein Aequivalent der oberen Hieroglyphenschichten zu vermuthen.
Allerdings wird diese Vermuthung durch die petrographische Beschaffen-
heit der betreffenden Gesteine nicht eben unbedingt, das heisst nicht
durchwegs unterstützt, wenn auch die bunten Schiefer, welche H.
[61] Beiträge zur Geologie von Galizien, 71
Walter am Östre, an der Strasse gegen Lutowiska zu antraf, ziemlich
gut in den Rahmen der oberen Hieroglyphense hichten hineinpassen.
Würden indessen jene massigen Sandsteine dem Jamnasandstein
der mittleren Gruppe entsprechen, so müsste man in den bezeichneten
Schiefern ein Aequivalent der Ropiankaschichten voraussetzen, womit
die petrographische Beschaffenheit der Schiefer noch weniger in deut-
lichem Einklang stünde. In der That haben auch die bisherigen Beob-
achter (vergl. Paul, Jahrb. d. geol. Reichsanstalt. 1881, pag. 150 und
Walter, ibidem 1880, pag. 644) die Schiefer auf der Höhe des Ostre,
denen die Oelführung daselbst untergeordnet ist, als alttertiär aufgefasst.
Im Uebrigen freilich kann ich mich mit der Auffassung, welche
die Genannten von den Verhältnissen bei Polana besitzen, nicht be-
freunden. Das Kartenblatt Ustrzyki der Generalstabskarte, auf welchem
auch die Umgebung von Polana zur Darstellung gebracht ist, und weiches
von H. Walter unter theilweiser Mitwirkung von Paul geologisch auf-
genommen wurde, stellt die Sachlage in einer dem beobachtbaren That-
bestand durchaus nicht entsprechenden Weise dar. Die Bergzüge Ostre
und Odryt zu beiden Seiten des Thals von Chrewt, Polana und Skorodne
werden daselbst als geschlossene, breitere Züge von mittlerem Kar-
pathensandstein (jüngere Kreide) bezeichnet, welchen sich gegen das
Thal zu obere Hieroglyphenschichten anschmiegen, in deren Mitte gleich-
sam als jüngstes Glied der dadurch bezeichneten Mulde ein Zug von
'Menilitschiefern hindurchgeht. Das ist auch die Anschauung, welche
Paul in seiner Profilzeichnung (auf der oben bezeichneten Seite) zum
Ausdruck gebracht hat, nach welcher Zeichnung die Naphthagruben
von Polana sich am Rande der Mulde befinden würden. So einfach ist
aber, wie wir gesehen haben, die Sache nun eben nicht.
Der vielfach wiederholte Wechsel von Schichtencomplexen, den
man in dieser Gegend beobachten kann, scheint den genannten Beob-
achtern nicht genügend aufgefallen zu sein, vor Allem jedoch wurde
der Umstand übersehen, dass im Bereiche des Ostre selbst ein solcher
Wechsel stattfindet, und dass die Naphthagruben von Polana sich nicht
einfach am Südrande des massigen Sandsteines des Ostre befinden,
sondern dass ihnen südwärts noch eine ähnliche Sandsteinentwicklung
vorliegt. Die rasche Art, in welcher die Durchführung unserer Aufnahmen
für Galizien gewünscht wurde, scheint die Ermittlung der speciellen Ver-
hältnisse in diesem Gebiet beeinträchtigt zu haben.
Diese Verhältnisse sind aber in der That so überaus schwierig und er-
fordern zu ihrer Lösung eine so zeitraubende, eingehende Begehung der
kleinsten Terrainabschnitte, dass man die Missgriffe der genannten
Autoren durchaus entschuldbar finden kann. Bin ich doch selbst bei
einigen, allerdings durch ungünstiges Wetter beeinträchtigten Excur-
sionen hier nicht viel weiter gelangt, als zur Constatirung jener Miss-
griffe und zur Feststellung einer Anzahl von Einzelheiten, welche noch
der weiteren Verbindung und Ergänzung bedürfen, die ich aber mit-
theilte, weil sie künftigen Untersuchungen als Anhaltspunkt dienen können
und weil die bisherigen Angaben über Polana viel zu allgemein und zu
knapp gehalten sind, um zu unmittelbarer Verwendung geeignet zu sein.
Anschliessend an das Vorige kann ich noch hinzufügen, dass mir
auch am Odryt südlich von Polana von einer sicheren Vertretung des
ostgalizischen Jamnasandsteines nichts bekannt geworden ist.
72 Dr. Emil Tietze. [62]
Die westliche Verlängerung des Odrytzuges wird vom Sanflusse
oberhalb des Dorfes Rajskie durchschnitten. Bei diesem Dorfe beob-
achtet man einen Wechsel von Schiefern und Sandsteinen, welche ausser-
ordentlich gestört sind. Z. B. sieht man am linken Ufer des San ober-
halb des Meierhofes dort, wo der kleine von Stawkowezyk kommende
Bach mündet, südwestlich fallende Sandsteine auf der Nordseite dieser
Mündung. Auf der Südseite der letzteren trifft man bereits meridional
streichende und westlich fallende Schiefer mit eingelagerten Sandstein-
bänken, welche mit diesem abweichenden Streichen an die vorgenannten
Sandsteine direet anzustossen scheinen, so dass hier eine Verwerfung
vorliegt. Weiter bachaufwärts kommt bis in die Nähe des höher an-
steigenden Gebirges eine Schieferentwicklung von petrographisch nicht
sehr bestimmtem Charakter. Doch sehen einzelne dünnere Lagen den Menilit-
schiefern ähnlich. Diese Schiefer sind vielfach gebogen und geknickt.
Namentlich wechselt auch das Streichen hier auf ungemein kurze Distanzen.
Die Stunden 8, 9, 10!/,, ja beinahe auch Stunde 12 kommen vor. Das
dauert bis zu der Gegend, in welcher sich die Oelbohrungen von Rajskie
befinden. Dieselben liegen ausgesprochen in der Nähe einer mit jenem
Streichungswechsel zusammenhängenden Horizentalverschiebung.
Südlich dahinter steigt das nunmehr bewaldete Gebirge höher an
und zeigt sich aus einer Sandsteinentwickelung von theilweise massiger
Schichtung zusammengesetzt. Abgesehen von dieser nördlichsten Partie
haben diese Bänke südwestliches Fallen. Hat man das höhere Gebirge
passirt, so kommt man an einen aus der Gegend von Studenne kommen-
den kleinen Bach, wo zwar noch immer Sandsteinbänke von theilweise
recht erheblicher Mächtigkeit anstehen, wo sich indessen zwischen diese
Sandsteine Schiefer einschalten, welche ziemlich deutlich den Habitus
von Menilitschiefern besitzen, welchen Schichteneomplex ich nach dieser
Seite zu bis zu dem östlich von Studenne am Wege gelegenen Wirths-
hause verfolgte. Diese Schichten fallen hier noch immer südwestlich, aber
viel flacher als in der vorher durchkreuzten Hauptsandsteinentwicklung.
Es scheint mir nun allerdings keinem Zweifel zu unterliegen, dass
diese letztere in dem beschriebenen Durchschnitt als das tiefste der
daselbst angetroffenen Gesteinsglieder anzusehen ist, insofern wir hier
einen schiefen Sattel vor uns haben dürften, in dessen Mitte die massigen
Sandsteine vorkommen, wie das auch H. Walter (l. e. pag. 645) ge-
meint haben dürfte; es ist auch schliesslich nicht abzustreiten, dass ge-
rade hier (mehr als bei den massigen Sandsteinen des Ostre) eine ge-
wisse petrographische Aehnliebkeit der betreffenden Sandsteine mit dem
Jamnasandstein Ostgaliziens besteht, allein die eigenthümliche Ver-
quiekung der betreffenden Bänke mit Menilitschiefern, welche nach dem
Hangenden zu stattfindet, spricht nicht dafür, dass hier der der Kreide
zugerechnete und jedenfalls unter den oberen Hieroglyphenschichten
liegende Jamnasandstein ein stratigraphisches Aequivalent besitzt.
Unsere karpathischen Aufnahmen haben sehr viel schätzbares
Material geliefert. Dass aber eine Revision dieses Materials erwünscht
ist, glaube ich jetzt wieder gezeigt zu haben. Dass ferner einer der-
artigen Revision bisweilen mehr Zeit zur Verfügung gestellt werden müsste,
als den ursprünglichen Aufnahmen ist unschwer einzusehen,
'
hi
|
Chemische Analyse der „Friedrichsquelle‘‘ von
Zeidelweid bei Sandau in Böhmen.
Von €. v. John.
Auf Verlangen des Herrn Dr. Robert Reichl in Eger, Badearztes
in Marienbad, wurde von mir eine chemische Untersuchung des von
ihm neu gefassten Säuerlings von Zeidelweid, den er mit dem Namen
Friedrichsquelle belegte, vorgenommen.
Zu diesem Zwecke fuhr ich nach Sandau, wo ich mich behufs
Beobachtung der Quelle und der commissionellen Entnahme des Wassers
mehrere Tage aufhielt.
Die Entnahme des Hauptquantums des Wassers der Quelle für
die eigentliche chemische Untersuchung erfolgte am 28. Juni 1890 im
Beisein des Herrn k. k. Bezirksseceretärs Johann Nerber, des Herrn
k. k. Bezirksarztes Dr. Eduard Quirsfeld, sowie der Herren Dr. Robert
Reichl und Siegfried Reichl.
Die Feststellung der Temperatur, die Kohlensäurebestimmung,
sowie die Messung des pro Minute von der Quelle gelieferten Wasser-
quantums wurde an drei hinter einander folgenden Tagen, Vor- und
Nachmittags, vorgenommen, und ergab, wie schon hier bemerkt sei,
immer übereinstimmende Resultate. Bevor ich zur Angabe der bei der
chemischen Untersuchung gefundenen Daten schreite, sei hier kurz die
Loealität, wo die Quelle auftritt, beschrieben und auch etwas über die
Geschichte der Quelle mitgetheilt. Die auf die Geschichte der Quelle
bezugnehmenden Daten verdanke ich den Mittheilungen des Herrn
Dr. Robert Reichl, welche Mittheilungen mir von mehreren Herren in
Sandau bestätigt wurden.
Die alte Quelle, die, wie beifolgende Skizze zeigt, nicht genau an
derselben Stelle zu Tage trat, wie die jetzt neu gefasste, wird schon
in alten Urkunden erwähnt und ist aus denselben ersichtlich, dass die
Stadt Sandau auf diesen Sauerbrunnen insoferne Anspruch erhebt, dass
Jahrbuch der k.k. geol. Reichsanstalt. 1891. 41. Band. 1. Heft. (C. v. John.) 10
74 C. v. John. [2]
seine Einwohner uneingeschränkt Wasser dort holen dürfen. Die Ge-
meinde Zeidelweid widersetzt sich jedoch diesen Anforderungen von
Sandau und man trifft endlich nach langen Streitigkeiten das Ueber-
einkommen, dass die Gemeinde Sandau für das Schöpfen des Wassers
aus diesem Brunnen einen gewissen Pachtschilling zu zahlen hätte, der
in jüngst vergangener Zeit in 5 Pfund Fischen bestand.
Doch wurde das Uebereinkommen nicht genau eingehalten und
so erstreckten sich die Streitigkeiten bis in die Gegenwart. Erst in
Folge der Grundablösung durch die Kaiser Franz Josefs-Bahn im Jahre
1870 hörten sie auf. Jedenfalls ist daraus ersichtlich, dass diese Quelle
schon seit langer Zeit als Genussmittel von der Bevölkerung getrunken
wurde. Da sich der Brunnen in einer Thalmulde befindet und ganz in
der Nähe desselben traeirt wurde, so war die Anlage eines Verbin-
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Anmacht A S ame Sosefr Bahn
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alter. Wrlkon / gs
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S
Pu
Su
Sud
dungsdammes nothwendig und mussten zur Bildung einer ruhigen soliden
Grundlage und Sicherung desselben gegen das Hochwasser Piloten bis
zur Tiefe von 8 Metern eingeschlagen werden. Die alte Quelle, in der
Richtung von Wien nach Eger auf der rechten Seite des Bahndammes
gelegen, büsste in Folge dieses Eingriffes bald an Ergiebigkeit ein und
als noch der Druck des schweren Bahndammkörpers hinzukam, ver-
siegte sie allmälig fast vollständig. Der von Alters her in quadratischer
Form in Granit gefasste Brfinnen enthält zwar noch Wasser, aber das-
selbe hat keinen angenehmen Geschmack, ist trübe, enthält nur wenig
Kohlensäure und hat keinen nennenswerthen Abfluss. Das Wasser wird
auch von den Umwohnern nicht mehr getrunken. Etwas unterhalb der
alten Quelle tritt an einer Stelle in sehr geringer Menge ebenfalls
Sauerwasser zu Tage, aber auch von unangenehmem Geschmack und
geringem Kohlensäuregehalt.
[5] Chemische Analyse der „Friedrichsquelle“ von Zeidelweid ete. 75
Die oberhalb, also südlich von dem Bahndamme gelegene Thal-
mulde inbibirte sich durch die Verstopfung des Abflusses des Säuerlings
immer mehr mit Sauerwasser, so dass dort nur mehr schlechtes Gras
wuchs und an vielen Stellen sich der Rasen von dem Untergrunde ab-
löste und beim Betreten schwankte. Der Besitzer der Wiese, Herr Bartl
Sommer, versuchte im Jahre 1884 diesem Grundwasser einen Abfluss
zu verschaffen und stiess eine ziemlich dieke Stange in den Rasen ein,
worauf sich zuerst Wasser in einem aufsteigenden Bogen ergoss und
dann eine constante neue Quelle hervorsprudelte. Es hatte also voller
13 Jahre bedurft, ehe die durch den Bahndamm abgesperrte Quelle im
Oberlauf zum Durchbruch kam. Die neue Quelle verfehlte nicht, in der
Umgebung viel Aufsehen zu erregen und bald strömten Leute von allen
Seiten herbei, um von diesem Säuerling Wasser zu holen. Ich selbst
überzeugte mich, wie noch bei meiner Anwesenheit an der Quelle, also
nach 6 Jahren, von zahlreichen Leuten Wasser geholt wurde, was
dafür spricht, dass das Wasser den Leuten schmeekt und gerne ge-
trunken wird. Herr Dr. Robert Reichel erwarb nun die Quelle mit
einem Theil des umliegenden Grundstückes und liess dieselbe mit Aus-
schluss einiger kleinerer Quellen, die in der Nähe auftraten, fassen. Er
fand bei der Bohrung folgende Erdschichten :
en 9 WERE, WFROE Meter
Grauer glimmerhältiger Letten . 095 „
ET RE NE TE er 6'60 Meter.
Blauer glimmerführender Letten. 1:35 , |
ee RINGEN en”. ., 09.
Das Kiesgerölle, das vornehmlich aus Quarz und Schiefer besteht,
ist jedenfalls noch 1'4 Meter tief, da bei der Fassung ein Eisenstab
von 1'4 Meter Länge noch leicht eingetrieben werden konnte, ohne auf
festen Untergrund zu stossen. Der feste Untergrund ist aber, nach den
geologischen Verhältnissen der Umgebung zu schliessen, sicher Glimmer-
schiefer.
Die Quelle tritt, wie die beigegebene Skizze zeigt, in einem kleinen
Thale zu Tage, das sich vom Tillenberg über die Ortschaft Zeidelweid
gegen Norden herunterzieht. Das Thal wird flankirt im Osten von dem
Lindenberg, einem Ausläufer des Tillenberges, im Westen von einem
kleinen Hügel (sogenannter Geseier). Die Quelle entspringt also im
Gebiete des Glimmerschiefers, der sich vom Tillenberg gegen Sandau
herunterzieht und dort an die Granitmasse von Sandau und Königswart
anstösst. Im Westen steht sogleich, schon am Abhang des Geseier,
Thonschiefer an, so dass also die Quelle im Glimmerschiefer, aber hart
an der Grenze gegen den Thonschiefer, zu Tage tritt. Die Umgebung
des Tillenberges besitzt eine ziemliche Anzahl von Säuerlingen, die
theils auf österreichischem, aber auch auf bayerischem Gebiet sich finden.
Hier sei nur erwähnt, dass ausser der neugefassten Friedrichsquelle
noch oben im Ort Zeidelweid ein ziemlich starker, aber stark nach
Eisen schmeekender Säuerling auftritt, dass ferner im Ortsteiche zu
Zeidelweid das Aufsteigen von Kohlensäurebläschen bemerkbar ist und
10*
76 G. v. John. [4]
dass endlich unterhalb der Friedrichsquelle noch kleine Quellen mit
deutlichem Kohlensäuregehalt sich vorfinden. Die Friedrichsquelle, die,
wie mehrfach vorgenommene, übereinstimmende Bestimmungen ergaben,
etwa 26 Liter Wasser pro Minute (pro Stunde 1560 oder pro Tag
37.440 Liter) liefert, ist also die Hauptquelle eines Säuerlinggebietes,
das sich um den Tillenberg gruppirt und wohl die Nachwirkungen ehe-
maliger vulkanischer Erscheinungen darstellt. Dafür spricht auch das
Vorkommen eines alten Vulkanes!) auf dem Rehberg, einem Berg, der
mit dem Tillenberg enge zusammenhängt.
Die Temperatur ist, wie von den Umwohnern der Quelle be-
hauptet wird, eine constante. Von mir wurde dieselbe mehrmals an
drei auf einanderfolgenden Tagen gemesser und constant zu 8:79 C.
gefunden.
Die Quelle steigt jetzt in einer schönen, runden Granitfassung
auf und braust lebhaft von aufsteigender Kohlensäure. Der Geschmack
des Säuerlings ist ein angenehmer und bleibt das Wasser trotz des
verhältnissmässig hohen Eisengehaltes lange klar, was sich durch den
sehr hohen Kohlensäuregehalt desselben erklärt. Beim längeren Stehen
setzt es Eisenoxyd ab. In Flaschen gefüllt, bleibt es, wie ich mich
selbst überzeugen konnte, sehr lange klar, nur muss beim Füllen darauf
gesehen werden. dass kein bedeutender Kohlensäureverlust erfolgt und
die Flaschen wohl verschlossen sind.
Die qualitative Untersuchung zeigt das Vorhandensein folgender
Bestandtheile: Chlor, Schwefelsäure, Phosphorsäure, Kohlensäure,
Natrium, Lithium, Caleium, Magnesium, Aluminium, Eisen, Mangan und
Spuren von Borsäure und organischer Substanz.
Direete Proben auf Jod, Brom, Baryt, Strontium und schwere
Metalle ergaben ein negatives Resultat. Fluor gab nur eine unbestimmte
Reaction, kann also nur in verschwindenden Mengen vorhanden sein.
Bei der quantitativen Bestimmung der einzelnen Bestandtheile
wurden folgende Mengen gefunden:
Kieselsäure. I. 4004 Gramm Wasser gaben 0'1589 Gramm
Kieselsäure, d. i. 03969 Gewichtstheile Kieselsäure in 10.000 Gewichts-
theilen Wasser.
II. 4004 Gramm Wasser gaben 01577 Gramm Kieselsäure, ent-
sprechend 0'3939 Gewichtstheilen Kieselsäure in 10.000 Gewichts-
theilen Wasser.
Im Mittel also 03954 Gewichtstheile Kieselsäure in 10.000 Gewichts-
theilen Wasser.
Caleiumoxyd. 4004 Gramm Wasser gaben bei zwei Bestim-
mungen 0'148 Gramm und 0'145 Gramm Caleiumoxyd, im Mittel
01465 Gramm Caleiumoxyd, oder 0°3660 Gewichtstheile Caleiumoxyd
in 10.000 Gewichtstheilen Wasser.
Magnesiumoxyd. 4004 Gramm Wasser gaben bei zwei Be-
stimmungen 04950 Gramm und 04906 Gramm pyrophosphorsaure
') Dr. August Em. Reuss, Die geognostischen Verhältnisse des Egerer Bezirkes
und des Ascher Gebietes in Böhmen. Abhandl. d. k. k. geol. Reichsanstanstalt. 1852,
I Bd., I. Abtheil,, pag. 42 u. ff.
&
Chemische Analyse der „Friedrichsquelle“ von Zeidelweid etc. 77
Magnesia, im Mittel also 0'4928 Gramm pyrophosphorsaure Magnesia,
entsprechend 01792 Gramm Magnesia oder 0°4435 Gewichtstheilen
Magnesia in 10.000 Gewichtstheilen Wasser.
Eisenoxydul. 4004 Gramm Wasser gaben bei zwei Bestim-
mungen 0'1678 und 0°1698, im Mittel also 01688 Gramm Eisenoxyd,
entsprechend 0°3795 Gewichtstbeilen Eisenoxydul in 10.000 Gewichts-
theilen Wasser.
Kaliumoxyd und Natriumoxyd. I. 1001 Gramm Wasser
gaben 0'1445 Gramm Chloride und 0'060 Gramm Kaliumplatinchlorid,
entsprechend 01155 Gewichtstheilen Kaliumoxyd in 10.000 Gewichts-
theilen Wasser.
I. 1001 Gramm Wasser gaben 0'143 Gramm Chloride und
0'059 Gramm Kaliumplatinchlorid, entsprechend 0'1139 Gramm Gewichts-
theilen Kaliumoxyd in 10.000 Gewichtstheilen Wasser.
Daraus berechnet sich im Mittel 01148 Gewichtstheile Kalium-
oxyd und 06655 Gewichtstheile Natriumoxyd in 10.000 Gewichts-
theilen Wasser.
Lithiumoxyd. 16.016 Gramm Wasser gaben 0'1725 Gramm
Chloride. Aus den einzelnen Bestimmungen ergaben sich 0'400 Gramm
Chlorsilber und 0'0424 Gramm Kaliumplatinchlorid. Es berechnet sich
daraus der Lithiumgehalt zu 00109 Gewichtstheilen in 10.000 Gewichts-
theilen Wasser.
Aluminiumoxyd. 10.001 Gramm Wasser gaben 00139 Gramm
Aluminiumoxyd, entsprechend 00139 Gewichtstheilen Aluminiumoxyd
in 10.000 Gewichtstheilen Wasser.
Phosphorsäure. 10.001 Gramm Wasser gaben 00158 Gramm
* phosphor-molybdänsaures Ammon, entsprechend 00006 Gewichtstheilen
Phosphorsäure in 10. 000 Gewichtstheilen Wasser.
Manganoxydul. 10.001 Gramm Wasser gaben 0°0134 Gramm
Mangansulfür, entsprechend 00109 Gewichtstheilen Manganoxydul in
10.000 Gewichtstheilen Wasser.
Schwefelsäure. 4004 Gewichtstheile Wasser gaben 0'267 und
0'265 Gramm Baryumsulfat, entsprechend im Mittel 02274 Gewichts-
theilen Schwefelsäure in 10.000 Gewichtstheilen Wasser.
Chlor. 1752 Gramm Wasser gaben bei zwei Bestimmungen 0'129
und 0:130 Gramm Chlorsilber, entsprechend 0'0319 und 00322, im
Mittel also 003205 Gramm Chlor oder in 10.000 Gewichtstheilen
Wasser 0°1830 Gewichtstheile Chlor.
Bor. 6006 Gramm Wasser gaben, mit Kali und Fluorwasserstoff-
säure entsprechend behandelt, nur eine Spur von Borfluorkalium.
Fluor. Die mit 10 Liter Wasser vorgenommene Probe ergab
zum Schluss nur Spuren von Fluorealeium.
Kohlensäure. Die Bestimmungen wurden in 50 Cubikcentimeter,
50:05 Gramm Wasser an der Quelle durch Fällung mit ammoniakalischer
Chlorbaryumlösung vorgenommen. Der Niederschlag brauchte 14°95,
14:63, 1482, 1476, 14'80 und 1457 Kubikcentimeter einer Salzsäure-
lösung, von welcher ein Cubikcentimeter 0:01071 Gramm Kohlensäure
7s C. v. John. [6]
entsprach. Dies gibt ein Mittel von 31°’9744 Gramm Kohlensäure in
10.000 Gewichtstheilen Wasser.
Sulfatrückstand. 9401 Gramm Wasser gaben 04455 Gramm
Sulfatrückstand,, entsprechend 47389 Gewichtstheilen Sulfatrückstand
in 10.000 Gewichtstheilen Wasser.
Die bei der quantitativen Analyse gefundenen Mittelwerthe für
10.000 Gewichtstheile Wasser sind folgende: '
GHlor 2, RUE 1 STE SEEN EFT SR
Schwefelsäure 7: 4,4, UI EAN SATA
Kieselsäure.. I, wen. re ter AENTE
Phosphorsäuret ! U. mia AR imae0:0006
Kohlensäure und ein. hinten SF
Kali. ai I 2, OR
Natron -uytı. BEr kin Saat
Läthion = vrsuseittad «Basltätilaien: 0
Kalk. urn dere ee
Magmesia... .. Yin rt AA
BiSsemoX yon na a ar re
Manganexydul, sit.“ 47 Bruker 2 BOLD
e«lhonerde-r Ale 00139
Spuren von Borsäure und organischer Substanz.
Sulfatrückstand, gefunden. . . . . 47389
beregbugt;, ,..34°..0,:, | 43494
Specifisches FEWIEnL N. hen ra U0DD
Die sauren und basischen Bestandtheile zu Salzen
sruppirt.
a) Die kohlensauren Salze als normale Carbonate berechnet.
In 10.000 Gewichtstheilen Wasser sind enthalten:
Schwefelsaures Kalium. . . .. ......02132
3 Natui 74 #4 08700230
Ghlernairiumr Agdinsiina Boa an) 6002
Kohlensaures Natrium . . .....2....0'6903
R Läthiem ld). ounnan , 2100269
x Calcium .wtd) .olisılmhlsiwn0:6823
} Magnesium... ne N ur OA
£ Eisenoxydul .'... .lents.! O6L14
Manganosydul. .; 4.41. 4x. ..0:0117
Phosphorsaures Uplerun ,. ra VOTLT
Thonexde £...2. . ug 6 1 ee u
Kieselsäure . . 03954
Spuren von Borsäure und organischer Substanz.
Halbgebundene Kohlensäure . . . . 1'3159
Freie Koblensäure . . „128-9426
Summe der festen Bande en 40859
[7] Chemische Analyse der „Friedrichsquelle“ von Zeidelweid ete. 79
b) Die kohlensauren Salze als Bicarbonate berechnet.
In 10.000 Gewiehtstheilen Wasser sind enthalten:
Schwefelsaures Kalium. . . .. > ....0:2122
ı Natrium u, Gera
Chlosnsitium. 5 =... #5 Su AEae a
Nalzumbicarbomat .. . . suammil erullidichi
Inthrambicatbönst .- .:.- u. . 00428
Galcinmhicarkonat,.;.. „u.a 09
Magnesiumbicarbonat . . . ...... .14193
Eisenoxydulbicarbonat . ... . 2... ...0'8433
Manganoxydulbiecarbonat . . . . . 00245
Phosphorsaures Caleium . . . ......0'0013
Taonerle 7 u hie mafeit ar Anke La
Birselsäure:.,6 muiseas wahre. sro A
Spuren von Borsäure und organischer Substanz.
Freie Kohlensäure . ... . ....,. 289426
Die aus der Quelle aufsteigenden Gase ergaben bei ihrer Unter-
suchung 99:74 Procent Kohlensäure. Der Rest ist Stickstoff und
wahrscheinlich etwas Grubengas, von deren Bestimmung bei der geringen
Menge derselben abgesehen werden musste.
Aus der Analyse des Wassers der „Friedrichsquelle* von Zeidel-
weid ergibt sich, dass man diese Quelle zu den schwach alkali-
schen Eisensäuerlingen rechnen muss.
Das Wasser ist verhältnissmässig arm an Carbonaten der alkali-
schen Erden und enthält überhaupt nur wenig feste Bestandtheile. Auf-
fallend ist der überaus hohe Kohlensäuregehalt, der es ermöglicht, dass
das in ziemlich bedeutender Menge vorhandene Eisen in Form von
Bicarbonat in Lösung bleibt, ohne sich sogleich an der Luft abzusetzen.
Aus der Umgebung von Marienbad, Königswart und Sandau sind
viele Eisensäuerlinge bekannt, die aber alle von dem Wasser der
Friedrichsquelle in dem überaus hohen Kohlensäuregehalt übertroffen
werden.
Unter den, dem vorliegenden Wasser ähnlichen Eisensäuerlingen
der weiteren Umgebung Marienbads wären besonders die von Sanger-
berg und Königswart zu nennen.
Die Quellen von Königswart z. B. enthalten nach den Analysen
Lerch's folgende Mengen der wichtigsten Bestandtheile:
In 10.000 Gewichtstheilen :
Vietor- Eleonoren- Marien- Neu- Bade-
= =_- —— [2
Quelle
Kohlensaures Eisenoxydul . 0:8542 07445 04748 0'5230 0'4510
Kohlensaures Natron. ... 04558 0'4823 0'1970 03433 0'6432
Kohlensaurer Kalk... .. 32833 35910 36824 36496 22798
Kohlensaure Magnesia ... 2:1150 26582 14708 17730 0'9438
Freie Kohlensäure .. . . . 219792 197680 23°4790 207590 10'2220
80 GC, v. John. [8]
Die Vincenzquelle von Sangerberg enthält nach Kletzinsky in
10.000 Gewichtstheilen :
Kohlensaures Eisenoxydul . . . . .0'9965
Koblensaures Natron. . . . . .».. 04240
Schwefelsaures Natron . . :. . .... 09201
Kohlensauren Kalk . v. 7, 7, FREIE
Koblensaure Magnesia . . . . 2.004239
Das Wasser der Friedrichsquelle ist also im Wesentlichen den
angeführten Wässern ähnlich, unterscheidet sich aber zu seinen Gunsten
von denselben durch seinen hohen Kohlensäuregehalt und durch die
geringere Menge von kohlensauren alkalischen Erden.
Da das Wasser einen guten Geschmack besitzt, sich mit Wein
ohne denselben dunkel zu färben mischen lässt, und wie die Erfahrung
lehrt, seit langer Zeit von den Bewohnern der Umgebung gerne ge-
trunken wird, so wird sich dieses Wasser wohl als Genussmittel empfehlen
und wäre es für die dortige arme Gegend sehr erwünscht, wenn der
Verbrauch, respective Versandt desselben einen bedeutenden Aufschwung
nehmen würde.
Zur geologischen Beurtheilung der Trinkwässer
von Wrschowitz bei Prag.
Von Dr. Friedrich Katzer.
Zu den Anforderungen des öffentlichen Gesundheitswesens, auf
welches neuerer Zeit besonderes Gewicht gelegt wird, gehört in erster
Reihe ein gutes reines Trinkwasser und die Beschaffung eines
solchen in durchaus hinreichender Menge wird allgemein als eine der
wichtigsten Aufgaben der Gemeindeverwaltungen anerkannt. Leider
gestatten es die Verhältnisse nicht, überall eine völlig befriedigende
Lösung dieser Aufgabe mit wünschenswerther Raschheit herbeizuführen.
In dieser Lage befindet sich auch die Stadtgemeinde Wrschowitz,
welche bei verhältnissmässig beschränkter Ausbreitung eine grosse Be-
völkerungsziffer aufweist und daher in höherem Maasse als andere
Orte den hygienischen Anforderungen der Neuzeit Rechnung zu tragen
bestrebt sein muss, leider aber nicht im Stande ist, an die selbständige
Lösung so kostspieliger Fragen, wie die Beschaffung von besserem
Trinkwasser, als in der Gemeinde selbst gewonnen werden kann,
herantreten zu können. Dagegen dürfte aber die Geneigtheit vorhanden
sein, seinerzeit einen Anschluss an die Trinkwasserleitung von Prag
anzustreben, welchen Plan wohl auch andere Vororte der Landeshaupt-
stadt hegen dürften. Von Prag darf diesbezüglich das grösste Entgegen-
kommen erwartet werden, da es in seinem eigensten Interesse gelegen
ist, für die Abschaffung von Missständen in den Vororten, welche den
Gesundheitszustand der Hauptstadt sehr gefährden können, unter Um-
ständen selbst Opfer zu bringen.
Vorläufig ist aber das goldene Prag von gutem und reichlichem
Trinkwasser selbst noch weit entfernt, da im günstigsten Falle die
Durehführung des Projeetes der Zufuhr von Trinkwasser aus dem
Thalgebiete des Beraunflusses und Radotiner Baches bei Lahovicka,
Jahrbuch der k. k. geol. Reichsanstalt. 1891. 41. Band. 1. Heft. (Friedr, Katzer.) ]]
82 Dr. Friedrich Katzer. [2]
auch wenn dessen geologische Begutachtung ganz unanfechtbar wäre,
noch einige Jahre in Anspruch nehmen dürfte. Diese, hoffentlich nicht
gar zu lange Zeit über bleiben die im Bereiche der Stadt und der Vor-
orte bestehenden Brunnen nach wie vor die einzigen Trinkwasserquellen
der Bevölkerung und ist es daher sehr angezeigt, denselben volle Auf-
merksamkeit zu widmen.
Als Mitglied der ständigen Gesundheitseommission der Stadt-
semeinde Wrschowitz habe ich, zum Theil unter Beihilfe des Herm
Apothekers Mag. A. Bauer, den grössten Theil der Brunnen des Ortes
untersucht und glaube einige Resultate von allgemeinem Interesse erzielt
zu haben, die ich im Folgenden zusammenstellen will. Da die geo-
logischen Verhältnisse, welche naturgemäss wesentlichen Einfluss auf
die Beschaffenheit der Bodenwässer ausüben, in Wrschowitz analoge
sind wie in Nusle, den Königlichen Weinbergen und einem grossen
Theile von Prag, so darf ich meine auf enger begrenztem Gebiete ge-
wonnenen Ergebnisse als Beitrag zur Kenntniss der geolo-
gischen Grundlagen der.Prager Trinkwasserfrage über-
haupt bezeichnen. |
Wrschowitz breitet sich zum grössten Theile auf dem südlichen
Gehänge des Plateaus aus, welches in den Königlichen Weinbergen in
dem für den neuen grossen Stadtpark ausersehenen Terrain östlich vom
sogenannten Kuhstall am höchsten ansteigt (oberhalb der Villa Feslovka,
273 Meter). Nur ein kleiner Theil der Gemeinde liegt in dem breiten
ebenen Thale des Boticbaches (195 Meter) und seines kleinen von Alt-
Straschnitz kommenden Zuflusses (sogenannten Vantroky). Der Abfall
des besagten Plateaus gegen diese Thalniederung ist verhältnissmässig
sehr steil, im östlichen Theile des Ortes zwischen der Hus- und Premysl-
gasse aber durch zwei Hügelrücken abgestuft, welche selbst gegen Norden
sanft, gegen Süden jedoch steil abfallen.
Das ganze höhere Terrain, auf welchem sich Wrschowitz aus-
breitet, wird von glimmerreichen Grauwackenschiefern 2e
(Dd4 Barrande's) eingenommen, welche in der Thalebene des Botid-
baches und seines erwähnten Zuflusses von Alluvium bedeckt werden.
Die Grauwackenschiefer besitzen in frischem Zustande eine dunkel-
graue Farbe, erscheinen aber an den entblössten Gehängen angewittert,
meist rostbraun oder eigenthümlich graugrün. Im Wesentlichen vermag
man zwei Abarten der Schiefer zu unterscheiden: die eine Abart stimmt
völlig mit den typischen Gesteinen der Stufe überein. Sie bildet grobe
Schiehten, die mit reichlichen quarzitischen Zwischenlagen abwechseln,
wodurch die Schichtung sehr deutlich hervorgehoben wird, obwohl die
Schiefer häufig durch zahllose transversale Klüfte in lauter unregel-
mässig prismatische Stücke zerlegt erscheinen. Diese Abart ist haupt-
sächlich im höheren Theile von Wrschowitz, etwa von der Jungmann-
und Husgasse aufwärts, sowie in dem angrenzenden Theile der Wein-
berge herrschend.
Die zweite Abart der Grauwackenschiefer ist dünnschichtig bis
blätterig, auch im angewitterten Zustande grau, nur selten von einzelnen
quarzitischen Schichten durchschossen, an welchen man das Verflächen
bestimmen kann, welches sonst durch eine ganz unregelmässige Zer-
ee ES
[3] Zur geolog. Beurtheilung der Trinkwässer von Wrschowitz bei Prag. 83
klüftung und Zerbröckelung der Schiefer verwischt zu sein pflegt. Diese
Abart ist hauptsächlich im unteren Theile der Gemeinde, am unteren
Ende der Jablonsky- und Havlidekstrasse, unterhalb der Piremyslgasse,
in der Nähe des Brauhauses u. s. w. verbreitet. Das verschiedene Aus-
sehen dieser Schieferart von jener zuerst erwähnten ist wesentlich durch
den höheren Thongehalt, dann wohl auch durch das viel feinere Korn
und die bedeutend gleichmässigere Textur veranlasst, aus welchen
Figenschaften sich auch das verschiedene Verhalten gegen Druck-
wirkungen erklären lässt. Denn während die ersteren, mit quarzitischen
Zwischenschichten wechsellagernden Schiefer durch den Gebirgsdruck,
welcher sie fast auf den Kopf gestellt hat, wohl transversal völlig zer-
klüftet wurden, aber sonst ihren Zusammenhang und ihre ganz gleich-
mässige Lagerung bewahrten ; erscheinen die letzteren vielfach zusammen-
gestaut, gewunden und aufgeblättert, so dass die Sehiehtung, wie
erwähnt, stellenweise ganz unkenntlich wird. Diese Erscheinung ist
um so auffallender, als die einzelnen, den Schiefern eingeschalteten
quarzitischen Schichten die wilden Windungen und Biegungen derselben
in der Regel nicht mitmachen. Es lässt dieser Umstand begründster Weise
vermuthen, dass die verworrene Lagerung dieser Schiefer kein blosses
Druckphänomen ist, sondern zum Theil auf die Beschaffenheit der
Schiefermasse selbst und die mit deren Verhärtung verknüpfte Volum-
änderung zurückgeführt werden muss.
Ausser diesen beiden Hauptabarten des glimmerreichen Grau-
wackenschiefers 2c kommt noch eine dritte vor, welche für die Brunnen-
verhältnisse von Wrschowitz, wie wir weiter unten sehen werden, von
besonderer Wichtigkeit ist. Farbe und Aussehen derselben erinnern an
die zweite Abart, in der deutlichen Schichtung nähert sie sich aber
mehr der ersten. Es sind harte, quarzreiche, graugrüne, recht deutlich
geschichtete, unregelmässig zerklüftete Schiefer, welehe sich in grössere
Platten brechen lassen. Quarzitische Zwischenschichten sind darin weit
seltener als in der zuerst angeführten Abart, dafür aber werden sie
häufig von Quarzadern durchzogen. Diese harten Schiefer treten haupt-
sächlich in zwei Zügen auf. Der eine geht aus dem hinteren Theile
des Rhangerischen Gartens (Stadtparkes) bei der Kirche quer über die
Strasse und über den Platz vor dem Gemeindehause durch den oberen
Theil der Zizkagasse und die Pfemyslgasse zum Boti&bache, an dessen
rechtem Ufer die Schiefer in einigen Felswänden entblösst sind. Der
zweite Zug streicht mit dem ersten ziemlich parallel, beiläufig vom
Anfang der Horymirgasse, nahe der Mündung in die Husgasse über die
Terrainerhebung Na sträni und quer über den westlichen Theil der
Safarikgasse. Beide Züge sind an der Oberfläche einigermassen dadurch
kenntlich, dass sie über die Umgebung mehr minder hervorragen ;
namentlich die beiden oben erwähnten Hügelabstufungen des östlichen
Terraines, auf welchem sich Wrsehowitz ausbreitet, gehören denselben
an. Dureh die fortschreitende Baubewegung und Strassenregulirung
müssen früher oder später die derzeitigen Aufschlüsse verdeckt und die
äusseren Anzeichen des geologischen Aufbaues des Terrains der Beob-
achtung entzogen werden; deshalb ist es gewiss nieht ohne Bedeutung
Alles zu fixiren, was diesbezüglich nach dem heutigen Bauzustande der
Stadtgemeinde mit Sicherheit bestimmt werden kann.
11*
54 Dr. Friedrich Katzer. [4]
Das Streichen der glimmerreichen Grauwackensechiefer ist ein sehr
gleichmässig nordöstliches (in der Palackystrasse h 4, in der Jablonsky-
gasse h 31/,, in der Horymirgasse h 4'/,, in der Zizkagasse ebenfalls
h4!/,), das Verflächen, abgesehen von localen Ausnahmen, steil (70—85°)
südwestlich. Nur im untersten Stadttheile sinkt der Fallwinkel der
Schichten bis auf 50° herab.
Das ebene Terrain zwischen dem Wrschowitzer Gehänge im Norden
und dem Bohdalee und Tachlowitzer Hügel im Süden wird von allu-
vialem Sand eingenommen, dem sich nur ganz untergeordnet Schotter-
und Geröllanhäufungen beigesellen. Der Sand ist ein verhältnissmässig
sehr feinkörniger Quarzsand, dessen Korngrösse zwischen 0:3—1 Milli-
meter Durchmesser variirt. Mehr minder durchsichtige oder durch-
scheinende Quarzkörnchen bilden etwa 85 Procent des Ganzen; der
Rest besteht aus rothen Eisenkiesel-, grauen bis schwarzen Kiesel-
schiefer-, ferner aus Feldspath-, Amphibol- und spärlichen Granat-
körnehen, dann aus Glimmerblättehen, einer limonitischen Beimengung
und einzelnen Magnetitpartikelchen. Goldspuren, die man darin einmal
gefunden haben will, vermochte ich nicht nachzuweisen. An den Stellen,
wo der Sand ausgehoben wird, sieht man 6—7 Meter tiefe Wände, an
welchen sich die mehr eisenschüssigen von den reineren Lagen schon
durch die Färbung abheben; bei näherem Zusehen vermag man auch
ganz deutlich die feinkörnigen, von den mehr grobkörnigen Schichten zu
unterscheiden. Im Uebrigen wird die gleichmässige Ablagerung nur
selten von thonigen oder kohligen, gewöhnlich bald auskeilenden Ein-
schaltungen unterbrochen. Schichten von gröberen Geröllen kommen nur
äusserst selten vor.
Auf diesem Sandterrain liegen nur wenige Nummern von Wrscho-
witz, darunter der Bahnhof und das neue k. u. k. Traindepöt an der
Strasse nach Zab£hlitz.
Schon bei oberflächlicher Untersuchung der Trinkwässer machte
sich ein unverkennbarer Unterschied zwischen jenen aus dem Alluvial-
gebiet und jenen aus dem Grauwackenschiefer geltend. Die ersteren
wurden stets vollkommen klar, frisch, ohne Beigeschmack und auch in
den heissen Sommermonaten sehr kalt befunden, die letzteren dagegen
erscheinen zuweilen etwas trübe, besitzen einen eigenthümlichen faden
bitteren Beigeschmack , welcher besonders vermerkt wird, wenn das
Wasser einige Zeit an der Luft steht und sind im Sommer wegen ihrer
verhältnissmässig hohen Temperatur wenig erfrischend. Auch die quali-
tative chemische Untersuchung unterscheidet die Wässer der Brunnen
des Grauwackenschiefergebietes wesentlich von den Wässern des Allu-
vialterrains. Die ersteren enthalten rehr reichlich Chloride und Sulphate,
sowie durchgehends Nitrate, und zwar zum Theil in überraschender
Menge, aber bis auf vereinzelte Ausnahmen (in 2 von 68 Brunnen)
keine Eisensalze; die letzteren enthalten wohl auch Chloride und Sul-
phate, jedoch nur Spuren von Nitraten, dafür aber stets Eisenoxydver-
bindungen. Allein gerade den Grauwackenschiefern 2 ce wird nachgesagt,
dass die aus denselben entspringenden Wässer reich an schwefelsauerem
Eisenoxydul, dem Zersetzungsproduct des in den Schiefern angeblich
stets enthaltenen Pyrits, seien, ja J. Krejdi bezeichnet gelegentlich
Wässer aus diesen Schiefern in Wyschehrad, in Kosi’, am Belvedere
&
4
»
[5] Zur geolog. Beurtheilung der Trinkwässer von Wrschowitz bei Prag. 85
u.s. w. geradezu als Vitriolwässer, welche nur durch lange Gewöhnung
zu Trinkwässern werden konnten. Hieraus ergiebt sich ein Gegensatz
zwischen dem chemischen Verhalten der Brunnenwässer des Wrscho-
witzer Schieferterrains und den Wässern in einigen anderen Verbrei-
tungsgebieten der Stufe 2c, welcher eine nähere Untersuchung wünschens-
werth machte.
Auch die eigenthümliche Gestalt des Wasserspiegels, wie sie sich
aus Tiefmessungen der leider sehr ungleichmässig vertheilten Brunnen
in Wrschowitz ergiebt, gab Veranlassung zur möglichst genauen Fest-
stellung der bezüglichen Verhältnisse.
Die in diesen beiden Richtungen gewonnenen Resultate werde ich
nun im Folgenden darlegen, und zwar erscheint es vortheilhaft, zunächst
die Gestalt der Wasserfläche und die damit zusammenhängenden
Erscheinungen zu besprechen.
Alle Brunnen von Wrschowitz werden vom Grundwasser gespeist.
Der Begriff des Grundwassers muss allerdings etwas weiter gefasst
werden, als sonst üblich ist, indem namentlich von einer wenig ge-
neigten undurchlässigen Schicht, auf welcher sich die eingesickerten
meteorischen Niederschläge ansammeln und fortbewegen könnten, ab-
gesehen werden muss. Die Annahme einer solchen ist einigermassen
nur für das Alluvialterrain statthaft, weil hier die sehr permeabeln
Sand- und Kiesablagerungen auf untersilurischen Schiefern ruhen, deren
Permeabilität eine bedeutend geringere ist, so dass mit Recht ange-
nommen werden darf, dass nur ein Theil des zu diesen Schiefern vor-
dringenden Wassers einen Durchgang in noch grössere Tiefen finden
werde, wogegen der andere Theil sich über die Schichtenköpfe der
Schiefer in der Richtung des Abfalles ihres durch die Sandauflagerung
verdeckten Niveaus fortbewegen wird. Im Schieferterrain entfällt aber
die Bedingung einer nicht allzu steil geneigten, wasserundurchlässigen
Schicht von selbst, weil das Verflächen der Schichten ein sehr steiles
ist. Freilich, die Permeabilität der drei oben erwähnten Schieferabarten
ist eine recht verschiedene: die normalen, transversal stark zerklüfteten
Schiefer sind am meisten, die thonigeren, dichteren Schiefer weniger
und die quarzreichen harten Schiefer fast gar nicht wasserdurchlässig.
Diese letzteren stellen somit eine Unterlage vor, auf welcher sich das
eingedrungene Wasser, bis auf jenen kleinen Theil, welcher durch Risse
und Klüfte weiter vordringt, ansammeln könnte. Dass dies bis zu einem
gewissen Grade in der That geschieht, ist durch die Brunnenmessungen
erwiesen. Da jedoch das Fallen der Schichten ein sehr steiles ist, so
ist das Ansammeln oder besser Anhaften des Wassers an den harten
Sehiefern nieht allein aus der geringen Permeabilität derselben zu er-
klären, sondern man muss annehmen, dass in der Tiefe Wassermengen
vorhanden sind, die in Bezug auf die einsickernden Niederschläge wie
eine undurehlässige Schicht wirken, d. h. das Eindringen derselben in
zu grosse Tiefen verhindern.
Im alluvialen Terrain bildet die ae des Grundwassers —
oder vielleicht besser phreatischen Wassers!) — fast eine Ebene.
!)Daubr&e, Les eaux souterraines ä l’&poque actuelle. Paris 1887, T.I, pag. 19.
86 Dr. Friedrich Katzer. [6]
Das Wasserniveau der Brunnen befindet sich durchwegs 6—7 Meter
unter der Oberfläche und steigt gegen das südliche Gehänge des Thales
nur wenig, gegen das nördliche etwas rascher an. Man braucht sich
bei Feststellung dieser Verhältnisse jedoch nicht auf die wenigen Brunnen
zu beschränken, sondern kann lehrreiche Beobachtungen in allen Sand-
gruben des Terraines machen. Der Sand kann nur bis zu der ange-
gebenen Tiefe von 6—7 Meter ausgehoben werden, weil man tiefer hinab
sofort auf Wasser stösst, welches mit ziemlicher Gewalt empordringt.
Ein tieferer Schaufelstich genügt, um in wenigen Minuten am Boden
der Sandgrube einen Wassertümpel zu schaffen. Die Wassermenge,
welche in diesem Alluvialterrain angesammelt ist, ist eine sehr grosse,
für gewöhnliche Pumpvorrichtungen geradezu unerschöpfliche, wie sich
daraus ergiebt, dass bei einer Veranlassung aus dem grossen Brunnen
auf einem Versuchsfelde bei Nr. 298 mittelst Dampfpumpe durch drei
Stunden Wasser geschöpft wurde, ohne dass mit der Messschnur eine
Senkung des Wasserspiegels eonstatirt werden konnte. Die Länge des
Alluvialterrains beträgt im Wrschowitzer Kataster etwa 2500 Meter,
die Breite 2—700, im Mittel mindestens 300 Meter; die Fläche der
Alluvialniederung macht daher niedrig bemessen 750.000 Quadratmeter
aus. Die Wassermenge, welche jährlich auf diese Fläche niederfällt,
beträgt bei der bekannten Niederschlagsmenge von 50 Centimeter min-
destens 375.000 Cubikmeter. Sollte hievon nur ein Drittel in die Tiefe
dringen, was bei der grossen Durchlässigkeit des Sandbodens gewiss
nicht zu hoch augeschlagen ist, so wären dies 125.000 Cubikmeter
Jährlich, welche dem Sandterrain entnommen werden könnten, ohne dass
der normale Tiefwasserstand eine Einbusse erleiden müsste. In Wirk-
lichkeit gestalten sich die Verhältnisse entschieden günstiger,
schon aus dem Grunde, weil von den Thalgehängen,, besonders aber
vom Norden her, fortwährend Wasser in das Alluvialgebiet zuströmt.
Man würde also ganz sicher gehen, wenn man die Wassermenge,
die täglich geschöpft werden könnte, auf 400.000 Liter veranschlagen
würde, was bei einem Verbrauch von 20 Liter per Kopf und Tag einer
Bevölkerung von 20.000 Seelen genügen würde. Wiewohl nun Wrschowitz
in sehr raschem Aufschwung begriffen ist, so dürfte diese Bevölkerungs-
ziffer doch vor Ablauf eines Decenniums nicht erreicht werden und bis
dahin würde somit ein im Alluvialterrain entsprechend an-
gelegtes Pumpwerk die ganze Stadt mit verhältniss-
mässig gutem Trinkwasser in durchaus hinreichender
Menge versorgen können. Sollte eine solche Anlage etwa geplant
werden, so wäre der wichtige Umstand zu berücksichtigen, dass sich
dass phreatische Wasser im Alluvialterrain, wie es scheint sehr rasch,
in der Richtung von Osten gegen Westen fortbewegt.
Wie einfach und regelmässig die Gestalt der Grundwasserfläche
im alluvialen Gebiete ist, ebenso verwickelt und unregelmässig erscheint
sie im Schieferterrain. Auf Weinberger Grund in der Palackystrasse
gegenüber von Nr. 427 erreicht das Wasser die Oberfläche und
strömt frei aus. Diese Quelle, welche nun seit einigen Jahren fast un-
unterbrochen, und zwar im Sommer reichlicher als im Winter fliesst,
entströmt den stark zerklüfteten Grauwackenschiefern im Hangenden der
thonigeren, blätterigen, undeutlich geschichteten Schiefer, welche aber
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[7] Zur geolog. Beurtheilung der Trinkwässer von Wrschowitz bei Prag. 97
kaum von Einfluss auf den stetigen Abfluss des Wassers gerade an
dieser Stelle sein dürften. Vielmehr ist es sebr wahrscheinlich, dass
durch die vor einigen Jahren vorgenommene Tieferlegung des Strassen-
niveaus einer von den Sammelcanälen des in den Schieferklüften eireu-
lirenden Wassers angefahren wurde. Ursprünglich — vor 5 Jahren —
befand sich der Ausfluss des Wassers im Niveau des Strassengrabens
und die an die Oberfläche emporquellende Wassermenge war ganz
unbedeutend. Heute befindet sich die Quellenmündung fast 3 Meter
über der ursprünglichen Austrittsstelle des Wassers und zugleich hat
sich die Quelle, welche besonders im Frühjahr und Sommer sehr
wasserreich ist, etwa 2 Meter tief in das Gehänge eingegraben. Den
Weg, den die Quelle von ihrer ursprünglichen Mündung zur jetzigen
zurückgelegt hat, ist durch eine nach oben an Tiefe und Breite zunehmende
Rinne bezeichnet. Man hat hier ein Beispiel der rückschreitenden Be-
wegung der Quellen vor sich und kann sich bei dem Effeet, den die
Quelle in wenigen Jahren erzielt hat, wohl vorstellen, dass sie mit der
Zeit das ganze Schieferplateau bis zum höchsten Punkte durchsägen
könnte.
Während bier der Spiegel des phreatischen Wassers über Tage
liegt, befindet er sich etwa 150 Meter weiter südlich, nämlich in den
Brunnen der mit diesem Theile der Palackystrasse ziemlich parallelen
Baräakgasse schon durchschnittlich 20 Meter unter der Terrainoberfläche
und dies trotzdem sich das Terrain rasch senkt. Denn, wie oben dar-
gelegt, ist der Abfall des Gehänges, auf‘ welchem sich Wrschowitz aus-
breitet, von der Palackystrasse zum Botiöbache herab ein verhältniss-
mässig sehr steiler. Die Längsgassen (Baräk-, Hus-, Jungmann-,
Horymir-, Safatik- und Premyslgasse) bezeichnen gewissermaassen Stufen
des Gehänges, während in den Quergassen (Jablonsky-, Havlicek-,
Sokol-, Zizka-, Purkynögasse) die ganze Steilheit des Abfalles deutlich
ersichtlich ist. Diese Gassen sind auch zum Theil nicht befahrbar. Die
oberen Längsgassen besitzen eine Neigung von Westen gegen Osten,
welcher jedoch der Grundwasserspiegel nicht genau folgt. So beträgt
am Westende der Baräkgasse in Nr. 171 die Tiefe vom Brunnenkranz
bis zur Wasserfläche 25 Meter, am Ostende derselben Gasse in Nr. 174
nur 19 Meter nnd noch weiter östlich in der Husgasse Nr. 296 blos
15 Meter. Nach den mir von Herrn Stadtseeretär J. Zajie freundlichst
zur Verfügung gestellten Gassenprofilen liegt aber die Cöte bei Nr. 296
um 23 Meter tiefer als bei Nr. 171 und es müsste daher der Wasser-
spiegel, wenn er sich genau der Terrainneigung anpassen würde, bei
Nr. 296 noch um 10 Meter tiefer liegen, woraus sich ergiebt, dass
der Grundwasserspiegel in der Richtung der flachen Terrainabdachung
von West gegen Ost sogar relativ steigt. Ein absolutes Steigen in
Bezug auf die Horizontale findet allerdings nicht statt; da der Wasser-
spiegel bei Nr. 296 um 13 Meter tiefer liegt als am Westende der
Baräkgasse; aber er nähert sich unverkennbar der Terrain-
oberfläche.
Diese Annäherung des Grundwasserspiegels an die Terrainoberfläche
ist am grössten in der Nähe und besonders zwischen den beiden
Eingangs geschilderten Zügen der verhärteten quarzreichen Grauwacken-
schiefer , worin eben ihre Wichtigkeit für die Wrschowitzer Brunnen-
88 Dr. Friedrich Katzer, [8]
verhältnisse beruht. Sie selbst führen so gut wie gar kein Wasser,
weshalb Brunnen in ihrem Bereiche anzulegen zu keinem Ergebnisse
führen kann, um so weniger, als bei der fast saigeren Schichtenstellung
ein baldiges Durchsinken dieser quarzigen Schiefer nur in der Liegend-
zone zu erhoffen ist. Zum Glück sind diese beiden Züge nicht besonders
mächtig, und zweitens beeinflussen sie die Terrainverhältnisse des öst-
lichen Theiles der Gemeinde in solcher Weise, dass selbst bei einer durch-
sreifenden Regulirung der von ihnen durchzogenen Strecken nicht zu
befürehten ist, dass in ihrem Bereiche viel Veranlassung zu hoffnungs-
losen Brunnenanlagen gegeben sein wird. In Bezug auf das in den um-
gebenden weicheren, zerklüfteten Grauwackenschiefern enthaltene Wasser
verhalten sich die beiden Züge fast wie zwei in eine Flüssigkeit
getauchte Platten, nämlich der Wasserspiegel hebt sich gleichsam durch
Adhäsionswirkung an ihnen und zwischen ihnen in die Höhe. In Folge
dessen befindet er sich hier wenig tief unter der Terrainoberfläche, und
dies ist der Grund, weshalb die Keller der Häuser am unteren Ende
der Palackystrasse, welche auf dem Terrain zwischen den beiden Zügen
stehen, so häufig ertränkt werden, da schon ein geringes Steigen des
Grundwasserspiegels genügt, um ein Eindringen des Wassers in die
Keller zu bewirken.
In dem besprochenen Längsdurehschnitt vom westnordwestlichen
zum ostsüdöstlichen Ende von Wrschowitz zeigt also die Grundwasser-
fläche bei allmäliger Neigung in östlicher Riehtung eine Annäherung
an die Terrainoberfläche, welcher sie sich an den beiden Zügen quar-
ziger, wenig permeabler Schiefer rapid nähert, um weiter ostwärts
jenseits derselben wieder rasch gegen das Alluvialgebiet herabzusinken.
Im beiläufig nordsüdlichen Querprofil von der beschriebenen frei-
strömenden Quelle in der Palackystrasse über die Baräk-, Jungmann-
und Jablonskygasse zum Boti@bache sinkt der Wasserspiegel zunächst,
wie oben erwähnt, rasch bis auf 25 Meter unter Tage und erreicht in
der am Abhange tiefer liegenden Jungmanngasse (nach Brunnenmessungen
in Nr. 236, 281, 290, 289 und 214) die grösste Tiefe. Während
aber in der Baräkgasse die Wasserfläche von Ost gegen West sehr
allmälig steigt, erhebt sie sich hier westwärts gegen die Jablonskygasse
zu äusserst rasch, ja fast unvermittelt, indem sie schon in der Jung-
manngasse von 27 Meter in Nr. 214 auf 12 Meter in Nr. 183 steigt
und in der Jablonskygasse an gewissen Stellen (Borovanka) fast zu
Tage austritt. Eine Erklärung für diese Erscheinung finde ich in der
geringeren Durchlässigkeit der dichten thonigen Schiefer, welche den
unteren Theil der Jablonskygasse und überhaupt den tieferen Theil des
Wrschowitzer Gehänges einnehmen, und an welchen daher eine Stauung
des Grundwassers eintreten muss. Die natürlich nicht scharfe Grenze
zwischen beiden Schieferabarten, die ja durch Uebergänge mit einander
eng verbunden sind und nur in Zonen, nicht aber in einzelnen Schichten,
von einander geschieden werden können, zieht von der Borovanka
ostwärts unterhalb der neuen, in die Havlicekgasse mündenden Längs-
gasse hindurch gegen das Ostende der Horymirgasse. Dieser gegenwärtig
von Feldern und Gärten eingenommene Strich darf nach den Erfahrungen
in der Jablonskygasse als wasserreich bezeichnet werden und bei
der künftigen Verbauung desselben dürften hier Brunnenanlagen mit
7208
[9] Zur geolog. Beurtheilung der Trinkwässer von Wrschowitz bei Prae. 809
geringen Kosten ausgeführt werden können. — Im Bereiche der dünn-
schiehtigen thonigeren Schiefer senkt sich der Wasserspiegel sehr rasch
zum Boticbache., beziehungsweise zum Alluvialterrain herab; deshalb
sind auch alle Brunnen in der Piemyslgasse verhältnissmässig tief.
Fasst man nun die Ergebnisse der Brunnenmessungen und sonstigen
Beobachtungen zusammen, so stellt sich die Gestalt der Grundwasserfläche
im Gebiete der Stadtgemeinde Wrschowitz als aus zwei Längsmulden
bestehend dar. Die obere dieser Mulden umfasst das Terrain der
normalen, stark zerklüfteten, glimmerigen Grauwackenschiefer von der
Palackystrasse südwärts bis gegen die Mitte der Jablonskygasse und
zum Ostende der Horymirgasse, sowie von diesem Punkte dem Streichen
des Gehänges nach bis an’s Westende der Gemeinde in der Baräkgasse.
Der nördliche Flügel der Mulde liegt in ziemlicher Höhe über dem
südlichen, das Muldentiefste befindet sich aber näher zum letzteren. Die
untere Mulde umfasst das Gebiet der dünnschichtigen Schiefer südlich
von der angegebenen Grenze und das Alluvialterrain. Auch ihr Nord-
rand liegt entsprechend der Neigung des Terraines und der Wasserzufuhr
höher als der südliche Rand, nur dass bier der Unterschied wegen der
grossen Flächenausdehnung der Grundwassermulde nicht auffallend
hervortritt. Die obere Mulde der Grundwasserflächen wird im Osten von
den Zügen der wenig permeabeln quarzigen Grauwackenschiefer begrenzt.
Das Grundwassergebiet jenseits derselben gehört als höher ansteigender
Theil schon der unteren Mulde an. Das Tiefste dieser letzteren befindet
sich beiläufig 7 Meter unter der Oberfläche des Alluvialterraines. Die
beiden Profile Fig. 1 und 2 dürften zur Veranschaulichung dieser Ver-
hältnisse dienlich sein.
Nun sei gestattet auch die Qualität des phreatischen
Wassers von Wrschowitz und die darauf bezüglichen Untersuchungen
einer Besprechung zu unterziehen. Zunächst unterliegt es wohl keinem
Zweifel, dass die Beschaffenheit des Bodens wesentlichen Einfluss auf
die Qualität des in demselben eirceulirenden Wassers ausübt. Die auf
die Erdkruste niederfallenden meteorischen Niederschläge enthalten,
abgesehen von Spuren der in der Luftregion enthaltenen Gase, keinerlei
mineralische Stoffe. In die Erdkruste eindringend, beginnen sie aber
sofort eine zersetzende und auflösende Thätigkeit, in welcher sie nament-
lich in den obersten Schichten dureh die Wirksamkeit der Luft unter-
stützt werden. Das in den Boden einsickernde Wasser nimmt die
löslichen Zersetzungsproducte in sich auf und behält sie bis zu einem
gewissen Grade unter allen Umständen in Lösung. Daher wird man
aus der qualitativen Zusammensetzung der Grundwässer stets er-
sehen können, welche Stoffe sie den Gesteinsschichten, in welchen
sie sich bewegten, entzogen haben, wenn auch die quantitative
Zusammensetzung kein richtiges Bild von der relativen Menge dieser
Stoffe zu geben vermag, da ein mehr minder grosser Theil derselben
während des unterirdischen Laufes der Wässer schon zum Absatz gelangt
sein kann. Uebrigens wird man auch bei Beurtheilung der Qualität der
aufgenommenen Bestandtheile auf die möglieber Weise eingetretenen
chemischen Umsetzungen bedacht sein müssen.
Jahrbuch der k. k. geol. Reichsanstalt. 1891. 41. Band. 1. Heft. (Friedr. Katzer) 12
90 Dr. Friedrich Katzer. 110]
‘s ist oben bemerkt worden, dass in allen Brunnenwässern des
Schieferterraines von Wrschowitz in zum Theil sehr bedeutenden Quan-
titäten Sulphate, Chloride und Nitrate nachgewiesen wurden. Es entsteht
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die Frage: wo kommen diese Salze her? Ueber den Ursprung der
Nitrate (und Nitrite) ist irgendwo angedeutet worden, dass dieselben
von den Versteinerungen der Schichtgesteine herstammen könnten. Nun
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[11] Zur geolog. Beurtheilung der Trinkwässer von Wrschowitz bei Prag. 9
sind zwar die glimmerigen Grauwackenschiefer, namentlich die grünlich
grauen, weicheren, verhältnissmässig reich an Petrefakten und vielleicht
dürfte in den Schiefern — ich besitze hierüber keine Erfahrung —
sogar eine gewisse Stickstoffmenge aufgefunden werden können; dennoch
ist es völlig ausgeschlossen, dass der Gehalt an Nitraten im Wasser
von den organischen Einschlüssen der Schiefer abgeleitet werden könnte.
Derselbe ist mit aller Bestimmtheit auf locale Einflüsse zurückzuführen
und findet seine Erklärung in der Infiltration des Bodens durch
stickstoffhaltige, der Nitrification verfallende Stoffe.
Dasselbe dürfte von den Chloriden gelten. Es ist zwar bekannt,
dass sämmtliche Schichtgesteine des mittelböhmischen Silurs geringe
Mengen löslicher :Chloride enthalten, aber es ist ausgeschlossen, den
hohen Gehalt an Chloriden in unseren Brunnenwässern von daher er-
klären zu wollen. Auch die Chloride dürften zum grössten Theil durch
Infiltration in die Brunnen gelangen.
Bezüglich der Sulphate in den Wässern aus dem Bereiche der
glimmerigen Grauwackenschiefer 2c herrscht allgemein die Ansicht,
dass dieselben ihre Entstehung der Zersetzung des in den Schiefern
fein vertheilten Pyrites verdanken. In der That lässt sich n gewissen
Schiefern der Stufe Pyrit nachweisen, so namentlich in den grüngrauen
feinkörnigen. im frischen Zustande weichen, an der Luft verhärtenden
Schiefern von Alt-Straschnitz, vom Gehänge des Bohdalechügels und
auch aus dem tiefsten Theile des Wrschowitzer Gehänges, — ganz
abgesehen von den in dieser Hinsicht mehrfach untersuchten Grauwacken-
schiefern der Bruska, des Prager Belvederes und von Kosir. Allein in
den Schiefern, welche auf Wrschowitzer Gebiete am meisten ver-
breitet sind, und welche den allergrössten Theil jenes (Weinberger)
Gebietes zusammensetzen, aus welchem sich das Grund-
wasser gegen Wrschowitz herabbewegt, ist Pyrit nur in
einzelnen Lagen in minimaler Menge nachzuweisen, während in
der grossen Mehrzahl der Schichten überhaupt keine
Sehwefelverbindungen enthalten sind. Es wurden dies-
bezüglich die Schiefer von verschiedenen Stellen oberhalb des Zde-
kauerischen Gartens, in der Nähe des Weinberger Wasserreservoirs, in
der Palackystrasse, in der Jablonsky-, Havlidek- und Purkyn&gasse
untersucht. In vielen von den 22 Proben konnten Spuren von in Wasser
löslichen Sulphaten nachgewiesen werden; nachdem dieselben jedoch
durch energisches Auslaugen des Pulvers entfernt worden waren, konnten
nur in 5 von 22 Fällen Spuren von Schwefelverbindungen in den
Sehieferproben ermittelt werden. Sehr auffallend war hiebei, dass eben
diese fünf Proben grösseren Tiefen entstammten , beziehungsweise
frischer, weniger verwittert, als die übrigen waren. Diese
Thatsache scheint zu beweisen, dass in den zu Tage ausgehenden
Schiefern 2c bis in jene Tiefen, aus welchen überhaupt bei ver-
schiedenen Anlässen Proben gewonnen werden können, die durch die
starke transversale Zerklüftung in hohem Grade geförderte Zersetzung
so weit vorgeschritten ist, dass von dem ursprünglich in den Schiefern
wahrscheinlich vorhanden gewesenen Eisenkies keine oder höchstens
schwache Spuren übrig geblieben sind. In Folge dessen wird man in
12:
92 Dr. Friedrich Katzer. [12]
Bezug auf den Pyritgehalt unter den auf der Erdoberfläche der Unter-
suchung zugänglichen glimmerigen Grauwackenschiefern 2c zwei Ab-
arten zu unterscheiden haben: pyrithaltige und pyritfreie. Die
ersteren sind nach den bisherigen Erfahrungen die feinkörnigen,
thonigen, von transversalen Klüften weniger durchsetzten; die zweiten
aber die als typisch bezeichneten, von quarzigen Zwischenschichten
durehsehossenen, stark zerklüfteten Schiefer. Diese letzteren sind nicht
nur auf Wrsehowitzer Terrain, sondern im ganzen Verbreitungsgebiete
der Stufe überhaupt viel mehr verbreitet als die ersteren, welche
hauptsächlich im Hangenden der Stufe, am Uebergang in die höhere
Stufe 2d (Dd5 Barr.) auftreten. Die pyritarmen Schiefer dürften aber
in bedeutenden Tiefen ebenfalls einen grösseren Pyritgehalt aufweisen,
denn aus der Zersetzung der Kiese blos in jenen wenig verbreiteten
Schiefern, in welchen in den Oberflächenschichten Pyrit wahrgenommen
wird, lässt sich der immerhin bedeutende Gehalt an Sulphaten in dem
Grundwasser nicht erklären.
Auf Grund der Voraussetzung, dass man aus der qualitativen Zu-
sammensetzung der frei strömenden oder künstlich erschlossenen Quell-
wässer dürfte ersehen können, welche Bestandtheile dieselben dem Boden
entzogen haben, gedachte ich eine umgekehrte Beweisprobe dadurch
durehzuführen, dass ich die stofflichen Veränderungen bei der Ver-
witterung der glimmerigen Grauwackenschiefer verfolgte, um hieraus
ableiten zu können, welche Bestandtheile dureh die Siekerwässer fort-
geführt worden sind und daher namentlich im Grundwasser angetroffen
werden dürften.
selegentlich der Anlage des Parkes auf dem Plateau, dessen Süd-
abfall Wrschowitz einnimmt, wurden theils behufs Planirung des Teerrains,
theils zum Zwecke der Versetzung von alten Bäumen Bodenaushebungen
vorgenommen, durch welche ich in den Stand gesetzt wurde, zu meinem
Zwecke besonders geeignetes Material zu gewinnen. Eine Grube war
von der Terrainoberfläche bis zur Sohle 475 Meter tief. In den fast
saiger stehenden Schieferschichten war die Verwitterung so gleichmässig
vorgeschritten, dass die durch ihre verschiedene Färbung deutlich unter-
schiedenen Verwitterungsproducte fast horizontale Lagen bildeten: Zu
oberst schwarzbraune, recht humusreiche Ackerkrume 80 Centimeter,
darunter eine mehr graue erdige Lage 55 Centimeter, unter dieser eine
kaolinische, nach oben zu hellgraue, in der Mitte gelblichweisse, unten
bräunliche, etwa 60 Centimeter starke Lage, unter dieser eine 45 Centi-
meter mächtige, dem Zerfall nahe Zone, in welcher aber die Schichtung
der Schiefer wieder kenntlich wurde, darunter eine Zone, die sich durch
lichtere Färbung und die sehr deutlich hervortretenden Glimmerblättehen
von dem als normal zu bezeichnenden Schiefer unterschied, und endlich
unten dieser letztere selbst. - Das Gestein von der Sohle der Grube
besass ganz das Aussehen der frischen Grauwackenschiefer 2c, wie
man sie überhaupt zu erlangen vermag, dennoch kann es aus dem oben
erwähnten Grunde nicht als vollkommen unangegriffen bezeichnet
werden. Es versteht sich von selbst, dass die einzelnen Verwitterungs-
zonen nicht scharf von einander getrennt, sondern durch allmälige Ueber-
gänge miteinander verbunden waren. Im Allgemeinen wird man die
[13] Zur geolog. Beurtheilung der Trinkwässer von Wrschowitz bei Prag. 95
einzeln angeführten Zersetzungsstadien überall, wo bei Grundgrabungen
oder sonstigen Gelegenheiten die typischen Grauwackenschiefer 2 c gut
aufgeschlossen werden , wieder zu erkennen vermögen, obwohl die
Mächtigkeit der Zonen meist wohl eine geringere sein wird als in
unserem Falle.
Da die Schichten, wie mehrmals erwähnt, fast senkrecht stehen,
so war es leicht, die verschiedenen Zersetzungsproducte ein und der-
selben Schicht zu entnehmen. Ich wählte nun zur genauen Analyse
das möglichst wenig angegriffene Gestein von der Grubensohle und
dann jenes kaolinische Zersetzungsproduet (130 Centimeter unter der
Terrainoberfläche), welches das höchste Stadium der Verwitterung des
Grauwackenschiefers vorstellt, auf welches die wohl Jahrzehnte lange
Düngung und Bearbeitung der Ackerkrume keinen augenscheinlichen
Einfluss ausgeübt hat. Die quantitative Analyse ergab:
1. Im frischen 2. Im verwitterten
Gestein Gestein
Schwefelsäure SO, . . . Spuren —
Kohlensäure 00, . ., . ..,— Spuren
Schwefel 8 . :; .|. ..i... Spuren —
Kieselsäure &O, . . . . 7415 Procent 66'24 Procent
Aluminiumoxyd 4,0, . . 172 „ 2401 „
Eisenoxyd FO, . . . \ 9.73 { bs Me
Eisenoxydul Fe0. . .. 2 25: m
Mancanoxıyd HnO ',. . "008: %, —
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ee tee mn (aa. =,
SEE LS 2 Pa I har le 5:04
Summa . 100 93 Procent 100°56 at.
Wie aus diesen Ergebnissen !) ersichtlich, äussern sich die stoff-
lichen Aenderungen, welche die Grauwackenschiefer 2c durch die Ver-
witterung erfahren, theils in einer relativen Abnahme, theils in einer
Zunahme gewisser Bestandtheile. Eine Abnahme findet bei Kieselsäure,
den Eisenoxyden, Kalk, Magnesia und Natron (?) statt, eine Zunahme
bei Thonerde, Kali und Wasser. Dürfte man das kaolinische Zersetzungs-
product als blosses Verwitterungsresiduum des frischen Gesteines be-
trachten, dann lässt sich leicht berechnen, dass, um den ursprünglichen
Thonerdegehalt von 1722 auf 24'01 Procent relativ zu erhöhen, aus
dem frischen Gestein 37°14 Procent Kieselsäure, 2:56 Procent Eisen-
t) Herr J. Schneider, damals Assistent der Chemie an der böhm.-technischen
Hochschule in Prag, hat im März 1890 auf mein Ansuchen einige Revisionsbestimmungen
vorgenommen. Er fand unter Anderem im frischen Gestein: S 00077 Procent, SiO,
76'147 Procent. Die übrigen Werthe stimmen mit den angeführten gut überein,
<
94 Dr. Friedrich Katzer. [14]
oxyd (das Oxydul auf Oxyd umgerechnet), 1'48 Procent Kalk, 1:15 Pro-
cent Magnesia ausgelaugt worden sein müssten, auf dass sich die ge-
fundenen Mengenverhältnisse dieser Bestandtheile im verwitterten Gesteine
ergeben. Die Annahme ist aber keineswegs zulässig, schon aus dem
Grunde nicht, weil bei der Verwitterung Thonerdeverbindungen allen-
falls auch in Lösung übergehen, also ein unverminderter Bestand der-
selben im Residuum nicht angenommen werden darf. Die chemischen
Hergänge bei der Verwitterung sind bei der nicht einfachen Zusammen-
setzung der Grauwackenschiefer 2c gewiss so complieirter Natur, dass
sie wohl kaum durch eine ganze Reihe von Bauschanalysen erklärt
werden könnten, geschweige denn durch blos zwei Analysen, welche
sich nur auf die Endglieder der Verwitterungsreihe beziehen. Immerhin
dürfte man aber erwarten, diejenigen Bestandtheile des Grauwacken-
schiefers, welche durch die Zersetzung und Auslaugung nachweislich
eine Abnahme erfahren haben, zunächst und hauptsächlich im Grund-
wasser anzutreffen.
Um mich hievon zu überzeugen, unterzog ich eine grössere Anzahl
von Brunnenwässern des oberen Schiefergebietes von Wrschowitz ?)
einer qualitativ-chemischen Prüfung. In allen wurde Kieselsäure,
Kalk und Magnesia, in den meisten Thonerde, allein nur
in zweien Spuren von Eisenverbindungen gefunden. Dieses
Ergebniss ist insofern ein überraschendes, als Thonerde welche beim
Verwitterungs- und Auslaugeprocess eine relative Anhäufung erfährt,
im Grundwasser nachgewiesen werden kann, wogegen Eisenverbindungen,
obwohl sie im verwitterten und ausgelaugten Schiefer in geringerer
Menge erscheinen als im frischen Gestein, dennoch im Wasser in der
Regel nicht anzutreffen sind.
Aus diesem Resultate ist sofort zu ersehen, dass die gemachte
Voraussetzung, man könne aus den stofflicehen Veränderungen, welche
die Schiefer 2c durch Verwitterung erleiden, direet ableiten, welche
Bestandtheile im Grundwasser erscheinen werden, eine irrthümliche
war. Aus der Beschaffenheit der Quellwässer kann man sich wohl ein
Urtheil darüber bilden, welche Stoffe dem Boden entstammen dürften,
aber umgekehrt aus den Veränderungen, welche die Gesteine durch
den zersetzenden Einfluss von Luft und Sickerwasser erfahren, ist man
nicht berechtigt abzuleiten, welche Bestandtheile im Grundwasser wieder
gefunden werden müssen. Das Verhältniss zwischen dem
chemischen Verhalten des phreatischen Wassers und
des Bodens ist kein solches, um es dureh eine einfache
Formel zum Ausdruck bringen zu können.
Behufs genauerer Erkenntniss der Beschaffenheit der Wrschowitzer
Trinkwässer wurden auch einige quantitative Analysen ausgeführt,
wobei ich mich aber auf die Bestimmung der Hauptbestandtheile be-
schränkte. Der Abdampfrückstand wurde bei 130° ©. getrocknet, die
Salpetersäure nach der Marx-Bemmelen’schen Methode, Schwefelsäure,
'‘) In der Baräkgasse 7, in der Jungmanngasse 16, Jablonskygasse 9, Havlitek-
gasse und der neuen, noch nicht benannten Längsgasse 15, in der Husgasse 2, in der
Palackygasse 5.
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En in ul ml 4 U En Zu) 0 U Ze nz
[15] Zur geolog. Beurtheilung der Trinkwässer von Wrschowitz bei Prag, 95
Chlor, Kalk und Magnesia in üblicher Weise im unverdiehteten Wasser
bestimmt.
Aus dem Alluvialterrain wurde nur das Wasser aus dem Brunnen
im Hofe bei Nr. 298 analysirt. Die gewonnenen Resultate unter-
scheiden sich recht auffallend von den Ergebnissen der Wasseranalysen
aus 4 Brunnen des Schieferterrains, die untereinander ziemliche Ueber-
einstimmung zeigen. Zum Vergleiche genügt es, eine derselben jener
des Wassers aus dem Alluvialterrain gegenüber zu stellen, und zwar
wähle ich die Analyse des Wassers aus dem Brunnen Nr. 296 in der
Husgasse, weil dieselbe ebenso wie jene des Brunnenwassers aus
Nr. 298 im October 1890 ausgeführt wurde.
Es wurden gefunden Milligramme im Liter
“Brunnenwasser des ren des”
Schieferterrains Alluvialgebietes
Nr. 296 Nr. 298
Fun: 0l: . En 675) 1112
Schwefelsäureanhydrid so, . 2602 1021
il N, 0, 194 324
Kalk 0. . s .. 2048 149'2
Magnesia MgO. . Ba 109-1 67°5
Abdampfungsr ückstand . . . 1320 1035.
Man ersieht aus diesen Analysen, dass weder das Brunnenwasser
aus dem Schieferterrain, noch jenes aus dem Alluvialgebiete strengen
Anforderungen, die man an die Qualität der Trinkwässer zu stellen
‚berechtigt ist, entsprechen, dass aber das Brunnenwasser aus dem
Alluvialterrain ganz entschieden besser ist als jenes
aus dem Grauwackenschiefer. Ueberdies ist anzunehmen, dass
das Wasser in Nr. 298 verdorben ist, weil sich in nächster Nähe
des Brunnens Pferdeställe und eine grosse Schlächterei, weiter entfernt
eine Rosshaarspinnerei und eine andere industrielle Unternehmung be-
finden. Man darf also berechtigter Weise annehmen, dass das phreatische
Wasser im Alluvialgebiete im Allgemeinen von besserer Qualität ist als
das analysirte Wasser; dagegen sind die Brunnenwässer des Schiefer-
terrains im Durchschnitt eher schlechter als jenes aus Nr. 296, und es
ist daher leicht zu entscheiden, welchem Wasser man den Vorzug geben
soll, wenn keine andere Wahl übrig bleibt, als eines von beiden zum
Trinkgebrauch und Kochen zu verwenden.
Die angeführten Analysen zeigen zugleich, dass das Grundwasser
des Alluvialterrains einen starken Zufluss aus dem Schieferbereiche er-
fährt, weleher seine chemische Beschaffenheit unverkennbar beeinflusst.
Wäre dies nicht der Fall, dann müsste das Grundwasser dieses Gebietes
besser sein als es in der That ist. Die mächtigen Sandablagerungen
des Terrains wirken als natürliches Filter und verbessern das aus dem
Schiefergebiete zuströmende Wasser in physikalischer und hygienischer
Hinsicht gewiss wesentlich. Den Vorzug der Klarheit, niedrigeren
96 Dr. Friedrich Katzer. [16]
Temperatur und vielleicht Keimfreiheit wird somit das phreatische
Wasser des Alluvialterrains vor jenem des Schiefergebietes stets voraus
haben und dies sind schliesslich Eigenschaften, die bei Beurtheilung der
Trinkwässer ebenso in’s Gewicht fallen, wie die chemische Beschaffenheit.
Ich wäre sehr erfreut, wenn diese kleine Arbeit zu ähnlichen
Untersuchungen an recht zahlreichen Orten Anregung bieten möchte,
weil sich aus denselben, selbst wenn sie in erster Reihe nur von
localem Interesse sein sollten, Material zur Beleuchtung von noch unge-
lösten Fragen eines der wichtigsten Capitel der allgemeinen Geologie
ergeben würde.
Triaspetrefakten von Balia in Kleinasien.
Von A. Bittner.
(Mit 3 Tafeln und mehreren Zinkotypien im Texte.)
In der Sitzung der mathematisch-naturwissenschaftlichen Classe
der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften vom 20. Oetober 1887
(Anzeiger 1887, Nr. XXII, pag. 242) berichtete Prof. M.. Neumayr
„Ueber Trias- und Kohlenkalkversteinerungen aus dem nordwestlichen
Kleinasien“, wie folgt:
„Vor Kurzem brachte Herr Bergwerksdireetor N. Manzavinos
eine Anzahl von Versteinerungen aus dem nordwestlichen Kleinasien
nach Wien... Der Fundort liegt bei dem Orte Kodja-Gümüsh-Maden, im
Distriet Balia der Provinz Karassi, im alten Mysien. Die Fossilien sind
theils in einem schwärzlichen Schiefer, der äusserlich gewissen Halobien-
gesteinen der Alpen auffallend ähnlich ist, theils in weisslichen und
grauen Kalken eingeschlossen. Die Schiefer enthalten Ammoniten der
ausschliesslich triadischen Gattung Arcestes, einen wellig gerippten
Nautilus, der an gewisse Hallstätter Arten erinnert und eine Halobia,
welche mit der Halobia rugosa der alpinen Carditaschichten sehr nahe
verwandt ist, ferner noch einige, vorläufig nicht sicher bestimmbare
Muscheln. Jedenfalls reichen diese Angaben hin, um zu zeigen, dass
hier eine Ablagerung der oberen Trias in alpiner Ent-
wieklung vorliegt.“
Voranstehende Mittheilung ist, soweit sich dieselbe auf die Trias
bezieht, der Vollständigkeit wegen wörtlich wiedergegeben. Die von
Prof. Neumayr erwähnten Fossilien sind von deren Entdecker der
k. k. geologischen Reichsanstalt überlassen worden.
Vor Kurzem nun erhielt dieselbe durch freundliche Vermittlung
des Herrn H. Baron v. Foullon von Herrn Bergwerksdirector N.
Manzavinos abermals eine grössere Sendung der Triaspetrefakten
von Balia-Maden. Dieselben mit Einschluss der ersten Sendung sind
es, welehe der nachfolgenden Beschreibung als Grundlage dienen, mit
Jahrbuch der k. k. geol. Reichsanstalt. 1891. 41. Band. 1. Heft. (A. Bittner.) 13
98 A. Bittner. [2]
Ausnahme der nicht allzu zahlreich vorhandenen Cephalopoden, welche
Herr Oberbergrath E. v. Mojsisovies gelegentlich zu besprechen sich
vorbehalten hat.
Der Ort Balia-Maden liegt etwa 8 Wegstunden in ostnordöstlicher
Richtung von der Hafenstadt Edremid entfernt, nach der neuesten
Kiepert’schen Specialkarte (1: 250000) vom Jahre 1890 (überein-
stimmend mit P. v. Tehihatchef’s älteren Angaben) im oberen Fluss-
gebiete (Deirmen Dere) des Kara-Dere-Tshai (Tarsios), welcher sich
nach Durchströmung des Maniassees in den Susurlu-Tshai (Makestos)
ergiesst. Die genauere Position von Balia-Maden ist westnordwestlich
von der grösseren Stadt Balikesri im Susurlugebiete, dagegen ostsüd-
östlich von Balia-Bazarkiöi im Flussgebiete des Gonen-Tshai (Aesepus).
Balia-Bazarkiöi wieder liegt unfern von dem Punkte, an welchen die
Karten die Lage der alten mysischen Stadt Skepsis verzeichnen. Die
geologische Karte von P.v. Tehihatchef giebt für diese Gegend
alte Schiefer, Thonschiefer und Kalk der Uebergangsformation, Syenit
und Trachyt an.
Es sind unter den von Herrn Manzavinos eingesandten fossil-
führenden Triasgesteinen mehrere Vorkommnisse, die aber keineswegs,
wie es scheint, schärfer von einander getrennt werden können, zu unter-
scheiden.
Das älteste dieser Gesteine dürfte nach den beigefügten Notizen
des Herrn Manzavinos der schon von Prof. Neumayr erwähnte,
Halobien führende Schiefer sein, ein dunkelgefärbtes, theilweise schwärz-
liehgrünes, feinglimmeriges, in Thoneisenstein übergehendes oder Thon-
eisensteinlagen einschliessendes Gestein, welches wirklich gewissen
Abänderungen des nordalpinen Halobia rugosa-Schiefers zum Verwechseln
ähnlich sieht und neben spärlichen Pflanzenresten vorzüglich eine
Halobia führt, welche der Halobia rugosa Gümb. sehr nahe verwandt
ist und weiterhin als HZ. Neumayri n. sp. beschrieben werden soll.
Aus diesen Schiefern oder Schieferthonen scheint sich nach oben ein
Sandstein zu entwickeln, welcher nach den Angaben des Herrn Man-
zavinos thatsächlich an einer Stelle (zwischen der Memishquelle
[Memish-oghlu] und dem Garten von Bumbulla) auf den Schiefern ge-
lagert beobachtet wurde. Es stammen von dieser Localität zunächst
plattige Sandsteine mit feinen weissen Glimmerschüppchen; nach oben
wird der Sandstein diekbankiger und nähert sich in seinem Aussehen
sehr dem Lunzer Sandsteine der nordalpinen oberen Trias. Sehr zähe,
massige, verkohlte Pflanzenreste einschliessende Sandsteine, die zum
Theil in Quarzit übergehen, scheinen ebenfalls diesem Niveau anzu-
gehören (Localität Gümüshlü).
Andererseits geht dieser Sandstein offenbar in ein mehr oder
weniger kalkiges Gestein über, von dessen einzelnen Handstücken bis-
weilen schwer zu sagen ist, ob man sie noch zum Sandstein zählen
oder bereits für Kalk erklären solle. Es ist zum grossen Theile ein
unreines, grau oder gelbliehgrau gefärbtes, sandig verwitterndes Gestein
mit zahlreichen Einschlüssen und Geröllen heller Kalke. Von der
Loealität Kyzyl-tepe heisst es auf einem der von Herın Manzavinos
beigelegten Zettel: „Oestlicher Abhang des Kyzyl-tepe; die Kalksteine
sind oben, die Schiefer unten, die Neigung ist nach Südost.“ Da nun
er!
[3] Triaspetrefakten von Balia in Kleinasien. 99
andererseits auch die Sandsteine als auf dem Schiefer liegend angegeben
werden, so dürfte jedenfalls soviel sichergestellt sein, dass die Schiefer
mit Halobia Neumayri das älteste Niveau repräsentiren und dass ent-
weder an verschiedenen Punkten bald die Sandsteine, bald die sandigen
Kalke über dem Schiefer liegen, oder dass vielleicht die Sehichtfolge
Schiefer, Sandstein, Kalk vorhanden ist. Im letzteren Falle würde man
es mit einer ganz analog entwickelten Serie eng mit einander ver-
bundener Gesteine und Niveaus zu thun haben, wie in den Regionen
der Nordostalpen, wo die Reingrabener Schiefer, Lunzer Sandsteine
und Opponitzer Kalke auftreten, ohne dass hiemit auch nur angedeutet
sein soll, dass diese beiden Schichtfolgen einander auch wirklich
entsprechen.
Diese oberen sandigen und unreinen dunklen Kalke von Balia-
Maden (Localitäten:: östlicher Abhang des Kyzyl-tepe, nordöstlich von
der Hütte des Mustapha) haben die Hauptmasse der von Herrn Manza-
vinos aufgesammelten Petrefakten geliefert; es sind neben verkohlten
Pflanzenresten insbesondere Lamellibranchiaten und Brachiopoden, seltener
Cephalopoden und Gasteropoden in diesen Gesteinen eingeschlossen.
Ausser diesen Vorkommnissen und wie es scheint, im Auftreten
ohne Zusammenhang mit: ihnen, liegt noch ein Gestein vor, welches
als von Ary-Maghara (Bienengrube, nordöstliche Traverse) stammend
angegeben ist. Es ist ein dunkel violettgraues, feinsandig - glimmerig
aussehendes, zähes, kalkiges Gestein, das in ziemlich zahlreichen, aber
durchaus ungenügend erhaltenen Exemplaren eine Bivalve enthält und
vorläufig nicht mit Sicherheit als triadisch angesprochen werden kann,
daher besser unberücksichtigt bleibt.
Es soll nun die Besehreibung der aus den voranstehend bezeich-
neten Gesteinen stammenden Fauna mitgetheilt werden, und zwar derart,
dass die beiden Niveaus der Schiefer und der sandigen und unreinen
Kalke getrennt zur Darstellung kommen.
I. Fauna der Schiefer mit Halobra Neumayri m. von
Balia-Maden.
Halobia Neumayri nov. spec.
Halobia af. rugosa Gümb. bei Neumayr im Anzeiger der kais. Akad. d. Wissensch.,
mathem.-naturw. Cl. 1857, XXI, pag. 242.
Eine Form, die der Halobia rugosa Gümb. in der Gesammtgestalt
ausserordentlich nahe steht und sich von derselben nur durch ihre
Seulptur unterscheidet. Der Wirbel liegt wie bei Halobia rugosa stark
excentrisch nach vorn, zwischen den beiden vorderen Dritteln des
Schlossrandes. Das vordere Ohr ist breit, stark von der übrigen Schale
abgesetzt, durch undeutliche Furchung in einen schmäleren äusseren
und einen breiteren inneren Theil zerfallend, von welchen der letztere
Spuren nach einwärts gerichteter Anwachsstreifung zeigt, ähnlich dem
Byssusausschnitte der Peetiniden. Auch ein hinteres Ohr ist vorhanden
und völlig deutlich ausgebildet, von der übrigen Schale abgesetzt und
15°
100 A. Bittner. [4]
mit auffallend schräger Anwaclhsstreifung versehen, ausserdem dadurch
schärfer markirt, dass die gröberen concentrischen Runzeln der übrigen
Schale ihm zu fehlen pflegen. Die Anwachsrunzelung ist zumeist kräftig
ausgebildet; etwa 15—16 Millimeter vom Wirbel entfernt macht sich
eine besonders starke Unterbrechung bemerkbar, in welcher die erste
durchgreifende Kniekung der Rippen eintritt. Jenseits dieser Unter-
brechung treten die concentrischen Runzeln besonders nächst dem hinteren
Schlossrande stark hervor.
Die Radialfurchen sind zahlreich, scharf eingeschnitten, schon
nahe dem Wirbel beginnend und derart gekrümmt, dass ihre Con-
vexität sich gegen rückwärts richtet. Die am meisten nach rückwärts
gelegenen werden bisweilen so stark von
der radialen Richtung abgelenkt, dass
bei ihnen schon vor jener starken Wachs-
thumsunterbrechung eine Wiederum-
beugung in radiale Richtung eintritt
(oberes der beiden nebenstehend abge-
N RT bildeten Exemplare), gleichsam um die
AN ERSY starke Convexität wieder auszugleichen.
ji eat, Der dem hinteren Schlossrande zunächst
liegende (respective dem hinteren Ohre
benachbarte) Theil vor jener ersten
concentrischen Unterbrechung bleibt dabei
entweder ganz frei von Furchen oder
besitzt nur einige verschwommene Spuren
solcher; erst jenseits der Hauptunter-
brechung stellen sich auch nächst dem
hinteren Ohre mehr oder minder deutliche
Furchen ein. Auch nächst dem vorderen
Ohre bleibt eine schmale Partie rippen-
frei oder ist nur sehr undeutlich berippt.
Jenseits der Hauptunterbrechung sind
die Rippen und Furchen mehr radial gestellt und von da an constant,
bei manchen Stücken (das untere der beiden abgebildeten) ausser-
ordentlich kräftig, ziekzackförmig hin- und hergebogen, was dadurch
hervorgebracht wird, dass die dicht gedrängten concentrischen Runzeln
nicht flach, sondern kammförmig erhaben sind und in schiefer Richtung,
nicht vertical von den radialen Furchen geschnitten werden. Zwischen
den stärkeren primären Radialfurchen erscheinen . in ziemlich unregel-
mässiger Anordnung feinere und gegen den Rand verwischt sich die
gesammte Seulptur, wodurch die Oberfläche jener von Hal. rugosa
ähnlich wird. Taf. IV, Fig.7 bei E.v. Mojsisovies „Ueber die
triadischen Pelecypodengattungen Daonella und Halobia“ giebt ein sehr
gutes und charakteristisches Bild der Halobia rUg0sa , auf welches
hier zum Vergleiche mit unserer Art hingewiesen sei. Die von E. v.
Mojsisovics gegebene Gattungsdiagnose von Halobia (l. ce. pag. 7)
muss dahin ergänzt werden, dass gewisse Halobien auch ein deutlich
entwickeltes hinteres Ohr besitzen, wie aus der hier gegebenen Be-
schreibung hervorgeht. Das gilt auch für Halobia rugosa, vielleicht
[5] Triaspetrefakten von Balia in Kleinasien, 101
auch für andere Formen dieser Gruppe, so für 7. Zitteli Lindstr, von
Spitzbergen.
So nahe Halobia Neumayri in ihren Umrissen der ZH. rugosa
steht, so leicht unterscheidet sie sich von derselben durch ihre eben be-
schriebene schärfere Sculptur. Von den übrigen verwandten und als
Gruppe der Halobia fallax von E. v. Mojsisovies zusammengefassten
Halobien erinnert Halobia fallax in der Ornamentirung ihrer Wirbel-
partie recht lebhaft an unsere Art, gehört aber wie H. superba zu
jenen Formen, bei denen jenseits der Hauptunterbrechung der Verlauf
der Furchen wieder ein gerader wird. Z. intermedia kann zum Ver-
gleiche nicht herbeigezogen werden, da sie eine viel breitrippigere
Form ist, die E.v. Mojsisovies nur in ungenügenden Bruchstücken
gekannt hat; auch ist ihr Wirbel weit weniger excentrisch gelegen.
Der mehr gerade Verlauf der Rippen bei H. ZittelüÜ von Spitzbergen
schliesst auch diese Art von einem näheren Vergleiche mit unserer Form
aus und auch HZ. Hochstetteri von Neuseeland scheint sich enger der
H. Zittelüi als der Halobia rugosa anzuschliessen. Die Hauptunter-
schiede dieser letztgenannten und der H. Neumayri liegen, wie aus
der oben gegebenen Beschreibung hervorgeht, hauptsächlich in der bei
H. Neumayri näher am Wirbel beginnenden radialen Furchung, deren
stärker hervortretenden Convexität, in dem Fehlen der Furchen nächst
dem hinteren Ohre und in der kräftigeren Seulptur überhaupt, während
diese auf der Schale von H. rugosa gleichmässiger entwickelt und
ausserordentlich verschwommen und schwach ausgebildet ist. Diese Ver-
schwommenheit wird hervorgebracht durch die grosse Menge und ge-
ringe Tiefe der Furchen, zwischen denen sich noch eine grosse Anzahl
feiner Nebenfurchen entwickeln, so dass schliesslich die gewöhnlich
breiten und flachen Halobienrippen bei dieser Form auf scharfkantige,
schmale Räume zusammenschmelzen, welche für 7. rugosa, wie schon
E. v. Mojsisovics hervorhebt, ganz besonders charakteristisch sind.
Auch H. Neumayri besitzt dieselben nicht, sondern ihre Rippen nähern
sich denen der übrigen Halobien. Bei Halobia rugosa sind im Gegen-
satze zu den übrigen Formen die Furchen breiter als die Rippen. Die
concentrische Runzelung, die bei 7. rugosa am stärksten an den Wirbel-
partien auftritt — und zwar hier nahezu mit Ausschluss der Radial-
sculptur — erstreckt sich bei Z. Neumayri gleichmässiger über die
gesammte Schale. Diese Unterschiede in der Seulptur geben bei aller
Aehnlichkeit in den allgemeinen Umrissen den beiden Arten doch ein
sehr verschiedenes Aussehen.
H. Neumayri scheint in den Schiefern und den damit verbundenen
Thoneisensteinlagen von Balia-Maden durchaus nicht selten vorzu-
kommen.
Pecten (Leptochondria nov. subgen.) aeolicus nov. spec.
Tab. II, Fig. 13.
Aus einem Stücke zähen Thoneisensteins wurden mehrere gewölbte
und zwei ganz flache Klappen einer pectenartigen Bivalve gewonnen,
welche aller Wahrscheinlichkeit nach zusammengehören.
102 A. Bittner. [6]
Die gewölbte Klappe besitzt sehr wenig abgesetzte, mit der übrigen
Schale nahezu zusammenfliessende Ohren, von denen das linksseitige
(von aussen gesehen) fast constant ein wenig breiter und zugleich
weniger schräg abgestutzt zu sein scheint als das der entgegengesetzten
Seite; es würde das erstere muthmasslich als vorderes Ohr anzusehen
sein. !) Die Berippung der Schale ist ziemlich unregelmässig, die Haupt-
rippen beginnen in geringer Zahl (ungefähr 10) nächst dem Wirbel;
zwischen sie schalten sich entfernter vom Wirbel ebenfalls 10 kaum
viel schwächere ein und weiterhin entstehen zwischen diesen Haupt-
rippen noch in jedem Zwischenraume meist 2, wieder unter einander
ungleiche Rippchen. Es herrscht somit in der Berippung eine ziemlich
weitgehende Unregelmässigkeit, in einem Zwischenraume können auch
3 feinere Rippehen oder nur ein solehes vorhanden sein. Gegen die
Flanken hin erscheint die gesammte Berippung feiner und dichter ge-
drängt, die Ohren sind nahezu oder ganz frei von Rippen. Alle Rippen
sind dünn, rundlich, fadenförmig, sie entwickeln sich durchwegs
selbständig, niemals durch Spaltung. Sie sind fast immer unbe-
deutend wellig hin- und hergebogen, überdies durch die stärkeren An-
wachsringe meist verschoben, durch die äusserst zarte und dichte
feinere Anwachsstreifung oft ein ganz klein wenig rauh. Gegen den
Unterrand bin verwischt sich die gesammte Berippung recht beträcht-
lich. Der Rand verflacht sich überhaupt. Die beiden rechtseitigen
Klappen, welche aus demselben Gesteinsstücke stammen, sind fast ganz
eben, nur in ihrem oberen Theile kaum merklich vorgewölbt, besitzen
eine ganz ähnliche, aber weit undeutlichere Berippung, etwa so wie
jene des Unterrandes der gewölbten Klappen. Das
hintere Ohr ist gar nicht von der übrigen Schale
—aS— abgesetzt, das vordere durch einen tiefen Byssus-
aussehnitt abgetrennt. Leider sind diese Deckel-
klappen nicht zum Besten erhalten, doch dürfte
nebenstehende Skizze ein ziemlich richtiges Bild
derselben geben. An einer der grossen, respective
gewölbten Klappen ist der Schlossrand zu beob-
achten. Es besteht aus einer sehr niedrigen, die
ganze Breite des Schlossrandes einnehmenden Area,
in deren Mitte eine äusserst flache, kaum vertiefte,
breitdreieckige Grube liegt.
Vorausgesetzt nun, dass die beiden verschiedenen Klappen aus
demselben kleinen Gesteinsstücke — wie es wohl wahrscheinlich ist —
wirklich zu einer und derselben Form gehören, so stösst die Fixirung
der generischen Stellung dieser Form auf nicht unbeträchtliehe Schwierig-
keiten. Von verwandten Formen ist es fast allein Peeten inaequistriatus
Goldf. (nach Giebel: Lieskau, pag. 21, Tab. II, Fig. 18), auf den
man beim Vergleiche geführt wird, eine Form oder Formengruppe,
welche bekanntlich unsicher zwischen Peeten, Avicula und Monotis
hin- und herschwankt, nenestens von den Meisten wieder zu Monotis
1) Fig. 13 zeigt das rechtseitige Ohr ein wenig kräftiger entwickelt. Das ist ein
Umstand, welcher vielleicht dagegen spricht, dass die erwähnten flachen Klappen zu
dieser Art gehören.
>
1
}
[7] Triaspetrefakten von Balia in Kleinasien, 103
gestellt wird. Doch wird für diese Formen von keiner Seite das Vor-
handensein eines Byssusohres angegeben, daher trotz aller Aehnliehkeit
in der äusseren Form und in der Seulptur die kleinasiatische Art —
immer vorausgesetzt, dass die erwähnte flache rechte Klappe wirklich
ihr angehört — nicht weiter mit ihnen verglichen werden kann. Ebenso
entfällt der weitere Vergleich mit Monotis überhaupt. Es wäre also
zunächst an Pseudomonotis zu denken. Allein alle sicheren Pseudo-
monotisarten (Typus: Pseudom. speluncaria des Zechsteins) sind ausge-
sprochen ungleichseitige, aviculaartige Formen, so dass auch an eine
Zutheilung zu dieser Gattung nicht gedacht werden kann; überdies
würde einer solchen auch das Schloss des P, aeolicus widersprechen.
Würde die hier beschriebene Form aus paläozoischen Schichten stammen,
so wäre zunächst an das Genus Aviculopecten zu denken, das viele
ähnliche Formen in sich begreift. Aber auch die Charakteristik von
Aviculopecten schliesst die hier beschriebene Form aus, indem diese
Gruppe ungleichseitige Arten mit einer dem. Schlossrande parallelen
Ligamentfurche in sich begreift. Es bleibt also nur noch Peeten im
weiteren Sinne übrig, obschon ebenfalls nicht leicht eines der zahl-
reichen Subgenera und Genera, in welche die ursprüngliche Gattung
zerspalten wurde, als geeignet zur Aufnahme des P. aeolicus bezeichnet
werden kann, wenn man an der Fassung derselben festhalten will.
Es dürfte sich demnach wohl als der beste Ausweg die Aufstellung
eines eigenen subgenerischen Namens für diese Form empfehlen, als
welchen ich „Leptochondria“ vorschlage. Leptochondria umfasst
gleichseitige, ungleichklappige Pectiniden mit ganz undeutlich abge-
setzten Ohren, deren Schlossrand eine sehr breite niedrige Area, in
der Mitte mit ganz unmerklich vertiefter breitdreieckiger Grube auf-
weist; die linke Klappe ist gewölbt, die rechte flach, deckelförmig, mit
tiefem Byssusausschnitte unter dem vorderen Ohre. Die Schalenstruetur
der einzigen bisher hieher zu stellenden Art ist eine fein und unregelmässig
gerippte, die Rippen sind durch Anwachsringe zumeist verschoben.
x
Pergamidia nov. gen. Eumenea nov. spec.
Tab. III, Fig. 1—3.
Eine diekschalige avieulaähnliche Bivalve, wohl das häufigste und
auffallendste Fossil der Schiefer mit Halobia Neumayri. Beide Klappen
gleichgestaltet, beiderseits geflügelt, der hintere Flügel durch ein sehr
schwach ausgeprägtes Eck von dem nicht ausgebuchteten Hinterrande
abgesetzt. Das vordere Ohr sehr diekschalig, weit am Vorderrande
herabziehend und hier einen ungemein stark entwickelten Byssusaus-
schnitt begrenzend, der sich über nahezu zwei Drittel der Höhe des
Vorderrandes erstreckt (Fig. 3a); der Vorderrand der Muschel klafft
demnach in einer ungewöhnlich weitgehenden Weise. Schlossrand dick,
innen der ganzen Länge nach mit rinnenartig vertiefter Ligamentarea
_ versehen ; diese Rinne erstreckt sich auch auf den vorderen Flügel, ist
aber hier seichter und wird von der tieferen Rinne des hinteren Flügels
durch einen schwach angedeuteten niedrigen Absatz geschieden, welcher
Absatz der vorderen Begrenzung der schiefen Bandgrube bei Avicula
104 A. Bittner. [8]
zu entsprechen scheint. Noch undeutlicher als in der rechten ist dieser
Absatz in der linken Klappe — vergl. nebenstehende Zinkotypien,
während Fig. 2 auf
Tab. II nach einem
gerade an dieser Stelle
verbrochenen Exem-
plare gezeichnet ist. Die
untere Begrenzung des
rückwärtigen Theiles
dieser Ligamentfurche
gegen das Innere der
Schale ist völlig gerad-
linig und scharf bis
gegen den Rand hinaus.
Die hier beschriebene Form erreicht beträchtliche Dimensionen,
das grösste der mir vorliegenden Exemplare wird nahezu 1 Deeimeter
lang und fast ebenso hoch. Es ist das in Fig. 1 in redueirter Grösse ab-
gebildete. Die Gestalt der Klappen variirt ein wenig; ein schmäleres
Exemplar ist in Fig. 3 in seiner linken Klappe dargestellt. Die Zuwachs-
streifung tritt nur stellenweise ein wenig deutlicher hervor, andere
Seulptur ist nicht einmal in Spuren vorhanden. Die dieke Schale ist
in Spath umgewandelt.
Die rinnenförmige Bandgrube und der ungewöhnlich weitklaffende
Vorderrand beider Klappen dieser Form lassen es wohl gerechtfertigt
erscheinen, dass für dieselbe eine eigene generische Abtheilung er-
richtet wurde.
Im Schiefer mit Halobia Neumayri sowohl als in den begleitenden
Sandsteinen; eine zweite Art, die weiterhin zu beschreiben sein wird,
auch in den Kalken von Balia-Maden.
? Posidonomya pergamena nov. spec.
Mit Halobia Neumayri auf denselben Gesteinsstücken tritt in sehr
zahlreichen, aber durchwegs verdrückten und verzerrten Individuen eine
Bivalve auf, welche provisorisch ihren Platz bei Posidonomya finden
mag. Die Abbildungen, welche F. v. Hauer in Denkschr. d. kaiserl.
Akad. 1850, II. Bd., Tab. III, Fig. 7, 9 giebt, entsprechen ziemlich
genau dieser Form, die bisweilen noch ein wenig grösser zu werden
scheint. Der Wirbel ist immer völlig zerdrückt, daher der Schlossrand
nieht blosszulegen ; derselbe war jedenfalls nur kurz und von den
Seitenrändern kaum merklich abgesetzt. Die Oberfläche der Schale
zeigt eoncentrische Anwachsstreifung und gröbere Anwachsringe, stellen-
weise auch eine Art radialer Runzelung, welche aber wohl Folge der
Verdrückung ist.
In den zähen eisenschüssigen Lagen sind diese Bivalven weniger
verdrückt, aber nur als Steinkerne erhalten; sie werden dann theilweise
höher, nehmen bisweilen eine starke eoncentrische Wellung an und
erinnern dann auf’s lebhafteste an Stoppani's Ostrea Pietetiana des
Infralias (Tab. 37), nur zeigen sie nie jene Anwachsstelle, welche
Stoppani bei dieser Art zeichnen lässt.
[9] Triaspetrefakten von Balia in Kleinasien, 105
Dieselbe Bivalve scheint auch in den weiterhin zu besprechenden
Kalken aufzutreten, wie gezeigt werden soll.
Es ist ferner nicht ausgeschlossen, dass die oben erwähnten
Bivalvenreste der Localität Ary-Maghara ebenfalls dieser Art angehören.
Das verschiedene Aussehen des Gesteins ist vielleicht darauf zurück-
zuführen, dass es von einem frischen Grubenanbruche genommen wurde,
Corbis spec.
Sehr ähnlich der später zu beschreibenden grossen Corbis Man-
zavinüi aus den Kalken, aber weit kleiner bleibend, entsprechend feiner
eoncentrisch gefurcht und mit weiter rückwärts liegenden Wirbeln. Mit
Pergamidia Eumenea und Halobia Neumayri zusammen von der Localität
Memish-oghlu.
Ausser den hier beschriebenen Arten treten besonders in den
verwitternden, zu einer gelben staubigen Masse zerfallenden Thoneisen-
steinen noch andere Arten auf. Es liegen in Steinkernen und Hohl-
drücken vor insbesondere eine kleine Nucula und mehrere Pleuro-
tomariaartige Gasteropoden. Mit ihnen zusammen fand sich ein
Fragment einer grossen Gyroporella, das circa 7 Millimeter im
Durchmesser hat und in unregelmässige Ringe zu zerfallen beginnt;
die innere Structur ist durch Späthigwerden gänzlich verwischt.
Endlich liegt aus den grünlichschwarzen sandigen Schiefern mit
Halobia Neumayri ein Pflanzenrest vor, welchen Herr Hofrath D. Stur
zu untersuchen und zu bestimmen die Güte hatte. Es ist: Heeria
Lunzensis Stur.
II. Fauna der Kalke mit Spirigera Manzavinii m. von
Balia-Maden.
Terebratula turcica nov. spec.
Tab. I, Fig. 6,7, 8.
Vom Aussehen einer etwas plump gestalteten Ter. gregaria Suess,
leieht biplieat, mit besonders kräftig verdickten Schnabel- und Schloss-
partien. Der Schnabel ist nur wenig vorgebogen, ungewöhnlich schief
abgeschnitten, daher die Endöffnung ansehnlich gross und weit. Die
Figuren 7 und 8 sind nach Stücken mit wohl erhaltener Mündung ge-
zeichnet. Der Wirbel der kleinen Klappe mit Septum. Schale sehr fein
und dicht punctirt.
Ganz eigenthümlich ausgebildet erweisen sich die Schnabel- und
Sehlosspartien. Die Schnabelöffnung erscheint ringsum, auch nach innen,
geschlossen, was bei einzelnen Exemplaren schon äusserlich wahrge-
nommen werden kann. Beim Beginne des Anschleifens erweist sich die
Aussenwand des Schnabels als ungewöhnlich verdickt, später löst sich
eine innere Lamelle von der Aussenwand ab und der Schliff zeigt eine
Jahrbuch der k. k. geol. Reichsanstalt. 1891. 41. Band. 1. Heft. (A. Bittner.) 14
106 A. Bittner, | 10]
halbmondförmige Figur, welche beide Lamellen mitsammen bilden.
Nachdem diese Verdoppelung der Aussenwand bereits verschwunden ist,
erscheint der Schnabel noch immer als geschlossener Ring; an der
Innenseite desselben stossen die verdieckten Wände in einer Naht zu-
sammen. Nun erst zeigt sich im Schliffe der massive Wirbel der kleinen
Klappe, in welchem sich weiterhin die Zahngrubenstützen entwickeln,
welehe in der Mitte der kleinen Klappe zusammenstossend das Median-
septum bilden. Zahnstützen der grossen
Klappe sind nicht vorhanden.
£ vi Ein zweites, sehr schräge durch-
ıQ 2 ms n schliffenes Exemplar zeigt naturgemäss alle
diese Bildungen in rascherer Reihenfolge,
ur theilweise zu gleicher Zeit (nebenstehende
:() MN Fig. DD.
Rn Die eigenthümliche innere Neben-
3 > ( .) 2 lamelle der Aussenwand des Schnabels ist
() auf eine sehr kräftige Verdiekung der
AN Schalenwand und Umstülpung des Schnabel-
4( ) 8 randes nach innen zurückzuführen, wie
M Medianschliffe lehren. Ein durch die Fig. III
a des Medianschliffes in der Riehtung der
ya punktirten Linie gelegter Schnabelschliff
giebt dann natürlich die doppelte Lamelle
und halbmondförmige Figur der Schnabel-
aussenwand.
In der Schlosseinrichtung steht, abgesehen von der Verdoppelung
des Aussenrandes des Schnabels, Ter. turcica dem Typus der rhätischen
Terebratula gregaria (Rhaetina Waagen) am nächsten (vergl. Zug-
mayer, Taf. I, Fig. 7 mit nebenstehender Fig. 8).
Terebratula turceica ist eines der häufigsten Fossile in den Kalken
vom östlichen Abhange des Kyzyl-tepe bei Balia-Maden. Die grössten
Exemplare werden nur wenig grösser als das Tab. I, Fig. 3 abgebildete,
sehr gut erhaltene Stück.
Rhynchonella anatolica nov. spec.
Tab. I, Fig.5.
Wie Terebratula turcica an die rhätische 7er. gregaria, so er-
innert eine nur in wenigen Stücken von Balia vorliegende Rhynchonella
an die rhätische AA. ‚fissicostata Suess.
Es ist eine Form mit ungefähr 24—25 vom Wirbel ausstrahlenden
Rippen, von denen 10 einer Mittelregion entsprechen, welche aber nur
in der breiten Stirnzunge der grossen Klappe ausgesprochen ist,
während derselben ein eigentlicher Sinus fehlt. Die Seiten sind neben
dem Wirbel der kleinen Klappe ein wenig ausgehöhlt. Die Stirn-
commissur ist ungewöhnlich hoch und scharf gezackt, wie das bei
Rhynchonella fissicostata wohl kaum jemals vorkommt; auch scheinen
die Rippen durchaus selbständig vom Wirbel an zu verlaufen, nicht zu
spalten, wie es einige bei Rh. fissicostata stets zu thun pflegen. Die
Rippen sind nieht so sceharfkantig wie bei der rhätischen Art, sondern
[1 | Triaspetrefakten von Balia in Kleinasien. 107
abgerundet. Ob diese Merkmale eine gewisse Constanz besitzen, kann
vorläufig nicht entschieden werden. Vorläufig glaube ich wenigstens
auf Grund der scharf gezackten Stirneommissur diese Form nicht mit
Rh. fissicostata vereinigen zu können.
Rhynchonella levantina nov. spec.
Tab.I, Fig. 1—4.
Wie die rhätische Ahynchonella fissicostata in Rh. subrimosa eine
constante Begleitform besitzt, so erscheint auch Ah. anatolica mit einer
durch schwächere Berippung ausgezeichneten analogen Form vergesell-
schaftet. Dieselbe ist indessen weit stärker berippt als die rhätische
Rh. rubrimosa das in der Regel zu sein pflegt und entfernt sich in
Folge dessen weiter von dieser als Ah. anatolica von Rh. fissicostata.
Es ist eine kleine, zumeist symmetrische, nur selten unsymmetrische
(Fig. 2) Form mit 10—14 Rippen, deren 4—5 mittlere einem merklich
vertieften Sinus der grossen Klappe, respective einer Erhöhung der
kleinen Klappe entsprechen. Die Rippen sind einfach, wenig kräftig
und entspringen unweit der Wirbel. In der Gesammtgestalt, speciell in
der Breite, unterliegt diese Form beträchtlichen Schwankungen, einzelne
Stücke werden darin gewissen Abänderungen der Ah. subrimosa recht
ähnlich, insbesondere den von Zugmayer, Tab. IV, Fig. 27 abge-
bildeten schmäleren Formen. Die echte Ah. rubrimosa der Kössener
Schichten besitzt aber entfernter vom Wirbel ansetzende, oft nur auf
den Stirnrand beschränkte Rippen, während Zugmayer vorzugsweise
solche Stücke zur Abbildung gebracht hat, welche eine durchgreifendere
Berippung, also Annäherung an ZA. fissicostata zeigen. Ein Vergleich
der Abbildungen der RA. levantina wit den von Suess gegebenen
Abbildungen der Rh. subrimosa lässt demnach die Unterschiede beider
greller hervortreten.
Von anderen Arten der alpinen Trias ist es die von mir be-
schriebene Rh. carantana der Bleyberger Carditaschichten, die der
Rh. levantina am nächsten steht; doch ist das einzige bisher bekannte
Stück der Kärntener Art schmäler als RA. levantina. Vielleicht wird
reichlicheres Materiale von derselben erlauben, beide Arten zu ver-
einigen. Phynchonella Ooncordiae m. des Dachsteinkalkes ist im Allge-
meinen spärlicher berippt ais die hier beschriebene Art und gehört
einem anderen Typus an.
Rhynchonella levantina scheint eine der häufigeren Arten des Trias
von Balia-Maden zu sein.
Spirigera Manzavinii nov. spec.
Tab. I, Fig. 9—11.
Unter voranstehendem Namen sei ihrem Entdecker und Einsender,
Herrn Bergwerksdireetor N. Manzavinos zu Ehren, eine der schönsten
und auffallendsten Arten der Fauna vom Kyzyl-tepe bei Balia-Maden
beschrieben und eingeführt. Wie die vorangehenden Brachiopodenarten,
findet auch diese in einer rhätischen Form der Alpen, der grosseu
14?
108 A, Bittner. | 12]
Spirigera oxycolpos Emmr., ihr Seitenstück, ohne doch mit derselben
identisch zu sein.
Spirigera Manzavinit steht in der Grösse den grössten Exemplaren
der alpinen Spirigera oxycolpos nicht nach, bleibt zwar etwas kürzer
als diese Art, übertrifft sie dagegen namhaft in der Breite. Während
Spirigera oxycolpos durch nahezu kreisrunde Form ausgezeichnet ist,
besitzt Spirigera Manzavinii eine quersechseckige Gestalt, welche durch
Fig. 9 recht entsprechend wiedergegeben ist. Manche Stücke sind gegen
den Stirnrand hin noch merklich verbreitert. Die Wölbung der Klappen
ist eine nur geringe, weshalb Sp. Manzavinil im Vergleiche mit Sp.
oxycolpos flach erscheint. Der Schnabel der Art von Balia ist nicht
übergebogen, sondern nur ein wenig vorgebogen, die Endöffnung gross,
insbesondere im Vergleiche mit der winzigen Schnabelöffnung der Kös-
sener Art. Ein Fragment der grossen Klappe erlaubte die Schlossregion
mit ihrer gut entwickelten Area und dem offenen Deltidium sammt den
Schlosszähnen vollkommen blosszulegen (Fig. 11).
Die Anwachsstreifung der Schale ist nicht so fein und diehtge-
drängt wie bei Sp. oxycolpos, sondern die Wachsthumsunterbreehungen
bilden eine Reihe stark markirter, schärferer Absätze in etwas unregel-
mässigen, meist ansehnlich weiten Zwischenräumen. Darin steht diese
Art der neuseeländischen Spirigera Wreyi Suess (Novarareise, geol.
Theil I, 2. Abth.: Paläont. v. Neuseeland, pag. 28, Tab. VII, Fig. 3)
nahe. Jugendformen von Sp. Manzavinü (Fig. 10) dürften kaum von
solehen der Sp. oxycolpos (vergl. Suess, Rhät. Brach. Tab. I, Fig. 5
bis 8) zu unterscheiden sein.
Die Schale der $p. Manzavinii ist faserig, innen eigenthümlich
radial-Jamellar zusammengesetzt. Ein angeschliffenes Bruchstück zeigte
auch den einen Spiralkegel, dessen Umgänge aus einer einfachen
Lamelle bestehen, welche die commaförmige Verdiekung besitzt, wie
jene von Sp. oxycolpos (Suess, l. ec. Tab. I, Fig. 20).
Es dürfte nach voranstehender Beschreibung kaum nöthig sein,
nochmals die Unterschiede dieser hier beschriebenen Art gegen Spirigera
owycolpos hervorzuheben. Spirigera Manzavinii ist nach dem mir vor-
liegenden Materiale eines der häufigsten Fossile des Kalkes vom Kyzyl-
tepe bei Balia-Maden, so dass sie gewissermassen als bezeichnende
Form desselben betrachtet werden kann.
Spiriferina cfr. Emmrichii Suess.
Tab, L’,Figni2.
Waren die bisher beschriebenen Brachiopoden, wenn auch rhäti-
schen Arten nahe verwandt, doch speeifisch von ihnen zu trennen, so
dürfte es kaum möglich sein, die wenigen bis jetzt aus der Fauna von
Balia-Maden vorliegenden Reste von Spiriferinen von rhätischen Arten
der Alpen zu unterscheiden.
Die Tab. I, Fig. 12 abgebildete Schnabelklappe ist ohne Zweifel
eine Repräsentantin der sehr variabeln Gruppe der Spiriferina Emmrichit,
und zwar eine jener gleichmässig und sparsam berippten, wenig sinu-
irten Formen, welche auf den ersten Blick lebhaft an die ältere
Spirif, (Mentzelia) Köveskalliensis Suess erinnern (vergl. Abhandl, d.
[13] Triaspetrefakten von Balia in Kleinasien. 109
k. k. geol. Reichsanstalt. XIV, pag. 284), sich aber dureh ihren tripar-
titen Schnabel als Angehörige der Emmrichii-Gruppe verrathen. Die
Sinusfalten sind bei dieser sparsam berippten Form nur in der Zwei-
zahl vorhanden.
Auf eine weit verschiedene Form der Emmrichii-Gruppe, und
zwar auf die grob gerippte var. acerrima m., welche von Dernö in
Ungarn bekannt wurde, dürfte mit grosser Wahrscheinlichkeit ein
Bruchstück einer Spiriferina mit tripartitem Schnabel und mit Rippen
im Sinus, sonst vom Aussehen der Muschelkalkart Sp. fragilis, zu be-
ziehen sein. Wir hätten also hier wie zu Dernö und in den Starhem-
berger Schichten Niederösterreichs sehr verschiedene Formen dieses
Typus vergesellschaftet.
Spiriferina Suessii Winkl.
Eine einzelne grosse Klappe dieser für Kössener Schichten so
charakteristischen Art, welche sich aber auch bereits tiefer, im Bereiche
des Hauptdolomits, respective Dachsteinkalks in identischen oder doch
sehr nahestehenden Formen wiederholt gefunden hat, ähnlich wie
Spirigera oxycolpos. In demselben Gesteinsstücke mit einem Exemplare
der Spirigera Manzavinit.
Discina spec.
Tal ıBie: 19.
Eine Diseina von länglicher hochgewölbter Gestalt und ziemlich
guter Erhaltung.
Lima (Plagiostoma) mysica nov. spec.
Tab. U, Fig. 1.
Eine dünnschalige und fast vollkommen glatte Lima, welche nur
ganz nahe dem Vorder- und dem Hinterrande einige äusserst schwache,
mit freiem Auge kaum wahrnehmbare Spuren von Radialstreifung be-
sitzt. Der vordere Schlossrand der abgebildeten rechten Klappe ist ein
wenig concav, das hintere Ohr ragt nur sehr wenig hervor, immerhin
aber ist es deutlicher wahrnehmbar, als die Figur das erkennen lässt.
Lima mysica gehört einem in triadischen und jurassischen Ab-
lagerungen sehr verbreiteten Typus an. Am nächsten unter den be-
kannten alpinen Arten steht ihr wohl Lima (Plag.) nuda Parona aus
lombardischen Raibler Schichten (Studio monogr. della Fauna Raibliana
diLombardia, 1889, pag. 83, Tab. IV. Fig. 5); dieselbe ist aber viel
grösser und besitzt starke Anwachsstreifung. Sehr ähnlich ist auch
Lima (Plag.) praecursor Qu. (Jura, Tab. I, Fig. 22—24), doch meint
Quenstedt, dass sie nicht ganz glatt gewesen sei.
Lima (Radula) Baliana nov. spec.
Mapy Ir Bıe, >.
Eine Form aus der Verwandtschaft der besonders im Lias und
Jura verbreiteten duplicaten Limen, welche dadurch ansgezeichnet sind,
110 A. Bittner. | 14]
dass sie in den Zwischenräumen der ziemlich scharf dachförmig ge-
stalteten Hauptrippen eine mehr oder minder deutlich entwickelte
Nebenrippe besitzen.
Die abgebildete rechte Klappe ist mit ungefähr 15—16 Rippen
bedeckt, welche schmal und dachförmig erhaben sind. Ihre Zwischen-
räume zeigen zumeist, aber nicht durchgehends, eine sehr schwache
Nebenrippe, die sich nur da, wo die Hauptrippen weiter aus einander
treten, kräftiger erhebt. Die Ohren sind ziemlich gross, leider nur in
den Umrissen blosszulegen gewesen, während fest anhaftendes Gestein
ihre Oberfläche verdeckt. Das vordere Ohr ist das grössere, es ist am
Vorderrande ein wenig ausgerandet.
So ähnlich manche der beschriebenen Arten der hier angeführten
Lima auch sind, so bin ich doch nieht im Stande, eine mit ihr iden-
tische namhaft zu machen. Es liegen mehrere, darunter auch doppelt so
grosse Exemplare, als das abgebildete ist, vor.
® Hinnites scepsidicus nov. spec.
MabsSLL R1E49;
Der Gattung Hinnites wohl dürfte noch am ehesten der Steinkern
einer unregelmässig gestalteten pectenartigen Schale zuzuweisen sein,
deren Wirbelpartien stark gewölbt sind, während weiterhin die Klappe
viel flacher wird. Die Ohren sind stark ungleich, das rechtseitige
(hintere?) viel kleiner als das linksseitige, im Uebrigen ist die Schale
mit etwa 10 Hauptrippen verziert, zwischen welche nächst dem Rande
in der Regel je 3 feinere Rippen eingeschoben sind.
Diese Form erinnert auf den ersten Blick einigermassen an
Parona’s HAinnites Ombondi aus lombardischen Raibler Schichten, doch
ist letztere Art weitaus kräftiger geflügelt, als die kleinasiatische Form.
Pecten mysicus nov. spec.
Tab. II, Fig. 7, 8.
Ein Pecten, dessen gewölbte linke Klappe etwa 60-70 sehr
ungleich entwickelte Rippen besitzt, während die wahrscheinlich dazu-
gehörende flache rechte Klappe ein wenig sparsamer berippt ist (Fig. 8
Abbildung derselben von der Innenseite). Auch die Ohren tragen Rippen.
Die Anwachsstreifung tritt gegenüber der Radialseulptur in der Stärke
merklich zurück.
Pecten Valoniensis Defr. (bei Suess und Oppel: Kössener
Schichten, in Sitzber. kais. Akad. XXI, Tab. II, Fig. S) ist recht ähnlich,
aber bei der hier beschriebenen Art sind die Rippen wohl noch un-
gleichmässiger ausgebildet und die rechte Klappe ist flacher. Da die
von Suess-Oppel und die von Moore (Quart. Journ. 1861) gegebenen
Abbildungen des P. Valoniensis unter einander völlig übereinstimmen,
so scheint diese Art recht constante Charaktere zu besitzen, was dafür
sprechen würde, die hier beschriebene Form davon zu trennen,
[15] Triaspetrefakten von Balia in Kleinasien, 111
Pecten spec. ind.
Tab. II, Fig. 18.
Ein sehr indifferenter glatter Peceten, welcher am ehesten mit
Stoppanis P. inornatus von Esino verglichen werden kann. Die
abgebildete Klappe dürfte die rechte oder Byssusklappe sein, doch ist
das des anhaftenden zähen Gesteines wegen nicht sicher festzustellen.
Avicula (? Meleagrina) Foulloni nov. spec.
Taf. II, Fig. 2.
Eine glatte, ziemlich schiefe Avicula, deren stark gewölbte linke
Klappe vorliegt. Sie besitzt eine Form, welche lebhaft an jene zahl-
reicher triadischer Gervillien erinnert, in erster Linie an @ervillia
Meriani Stopp. (bei Parona, l.c. Tab. VII, Fig. 2, Avicula spec. bei
Escher, Geol. Bem. Tab. IV.) Aber Parona zeichnet das Gervillien-
schloss dieser Art, während an der Form
von Balia ein Aviculenschloss blossgelegt
werden konnte, wie es nebenstehende
Figur zeigt. Diesem zu Folge haben wir a
es hier mit einer Avicula, vielleicht
speciell sogar mit einer Meleagrina zu
thun. Meleagrinen sind auch sonst aus
der Trias bekannt; ich erinnere nur
an Avicula (Meleagrina) Tundrae Teller
von Werchojansk (Mem. Ac. Imp. Se.
Petersburg 1886, 7. Ser., XXXII,
pag. 133, Tab. XIX, Fig. 9). Aus der alpinen Trias dagegen ist
meines Wissens eine Avicula, welche mit der kleinasiatischen Art
verglichen werden könnte, bisher nicht bekannt geworden. Die einzige
mir bekannte, als Avicula beschriebene Form aus triadischen Ablage-
rungen, welche der Avicula Foulloni nahestehen dürfte, ist die sehr
ungenügend erhaltene Avrcula Homfrayi Gabb. aus der californischen
Trias (Geol. Surv. of California by J. D. Whitney; Palaeontology, 1864,
vol. I, pag. 29, Tab. VI, Fig. 26). Die Rhätfauna von Schonen hat
einige ähnlich aussehende, zu Avicula gestellte, kleine Formen, so be-
sonders Avicula Nilsson! Lundgren (Studier öfver faun. in d. stenkolf.
format. i nordvöstra Skane, 1878, pag. 40, Tab. I, Fig. 11, 12).
Es sei bemerkt, dass die Abbildung von Awecula Foulloni nicht
ganz entsprechend ausgefallen ist, indem das vordere Ohr zu gross
gezeichnet wurde. Der Hinterrand dürfte nicht ausgebuchtet gewesen
sein, wie die Anwachsstreifung am Uebergange vom Schloss- zum
Hinterrande, von welcher nachträglich noch eine Partie blossgelegt
werden konnte, vermuthen lässt. Es wurde deshalb ausser der Schloss-
ansicht auch noch eine correetere Aussenansicht des Schlossrandes in
den Text beigegeben.
112 A. Bittner. | 16]
Cassianella angusta nov. spec.
Tab. II, Fig. 15, 16.
Eine sehr schmale, glatte Cassianella, die leider nur sehr unge-
nügend erhalten ist, da an beiden vorliegenden Exemplaren der hintere
Flügel fehlt und eines derselben überhaupt nur Steinkern ist. Der
Wirbel ist sehr stark übergebogen und eingerollt. Von St. Cassian liegt
in der Sammlung der k. k. geol. Reichsanstalt eine sehr ähnlich ge-
staltete Form, welche schwerlich mit Cass. gryphaeata vereinigt bleiben
kann. Eine, wie es scheint, vollkommen identische Form tritt in den
Carditaoolithen vom Segengottesstollen bei Kleinzell in Niederösterreich
auf (Bittner, Hernstein pag. 114). Auch Stache bildet (zur Fauna
der Bellerophonkalke Südtirols, Jahrb. 1878, pag. 114, Tab. IV, Fig. 19)
eine sehr ähnliche schmale ? Cassianella spec. ab.
Pergamidia Attalea nov. spec.
Tab. III, Fig. 4.
Ein Bruchstück einer zweiten Art des im Vorhergehenden aufge-
stellten Aviculidengeschlechtes Pergamidia, von der oben beschriebenen
P. Eumenea dadurch verschieden, dass der steile Abfall des Mittelfeldes
der Schale gegen den vorderen Flügel eine deutliche Rippe trägt,
unterhalb welcher, noch näher dem Ohre, die Andeutung einer zweiten
sich zeigt. Die Anwachsstreifung ist insbesondere nächst dem Wirbel
etwas stärker ausgeprägt als bei der zuerst beschriebenen Art, der
hintere Flügel vielleicht etwas schmäler, die Byssusöffnung vorhanden.
Obschon das Schloss nicht blossgelegt werden könnte, darf diese Form
wohl mit Bestimmtheit schon ihrer äusseren Gestalt wegen zu Perga-
midia gestellt werden.
® Posidonomya pergamena nov. spec.
Tab. II, Fig. 14.
Diese schon aus den Schiefern angeführte Bivalve tritt auch in den
Kalken, wenn auch, wie es scheint, viel vereinzelter auf, wenigstens
würde ich das abgebildete Stück nicht von den Formen der Schiefer
zu trennen wagen. Von der auf derselben Tafel abgebildeten Lima
mysica unterscheiden sich diese Bivalven leieht durch den Mangel des
hinteren Ohres und durch die gerundetere und kürzere vordere Sehlosslinie.
? Gervillia cfr. angusta Goldf.
Tab. II, Fig. 17.
Ein kleines, wahrscheinlich jugendliches Exemplar einer wahr-
scheinlich zu Gervillia gehörenden Form, zum mindesten dem in den
obertriadischen Ablagerungen der Alpen weitverbreiteten Typus der
Gervillia angusta Goldf. äusserst nahestehend.
[17] Triaspetrefakten von Balia in Kleinasien. 113
Mysidia nov. gen. orientalis nov. spec.
Tab. II, Fig. 10.
Nur rechte Klappen, vier an der Zahl, liegen vor. Die Schale ist
mässig gewölbt, dünn, sehr fein gestreift; im angewitterten und ab-
blätternden Zustande wird die Streifung deutlicher, Die Vorderseite ist
abschüssig, ohne Flügel oder Ohr, der hintere Flügel dagegen breit,
doch allmälig in den Hinterrand übergehend. Die umgeschlagene Areal-
partie des Vorderrandes (vergl. Fig. 10 a) ist ansehnlich breit, tritt dabei
aber etwas aus der die beiden Klappen trennenden Ebene zurück,
so dass wohl eine Byssusöffnung vorhanden war; unter dem Wirbel
steigt neben ihr sehr steil ein Zahn auf, hinter welchem eine Aushöhlung
folgt, an welche erst der lange hintere Schlossrand sich anschliesst,
der durch eine Ligamentrinne ausgehöhlt ist, die nach innen dureh
eine ziemlich scharf ausgeprägte Längsleiste begrenzt wird. Seitenzähne
sind nicht vorhanden.
Die systematische Stellung der hier beschriebenen Form ist nicht
leicht zu fixiren. Der äusseren Form nach erinnert sie an Angehörige
der paläozoischen Gattungen Ambonychia Hall, und Myalina Kon.,
also gerade an jene Gattungen, welche in ihrer Charakteristik zwischen
den Familien der Avieuliden und der Mytiliden schwanken. Das ebene,
horizontal gestreifte Schlossfeld der Ambonychien und Myalinen fehlt
der kleinasiatischen Form indessen, andererseits giebt es unter den als
Myalinen beschriebenen Arten einzelne, welche in der Bildung der
Cardinalzähne ilır sehr nahe stehen dürften, so Myalina recurvirostris
M. a. W. (Pal. of Illinois II, pag. 344, Tab. 26, Fig. 9). In der Bildung
der Ligamentrinne kommt unserer Form wohl Beyrich’s Atomodesma
aus muthmasslich triadischen Ablagerungen von Timor am nächsten;
eine der beiden Arten von Atomodesma ist auch in der Gestalt unserer
Art zum Verwechseln ähnlich, freilich besitzt letztere nicht die Faser-
schale von Atomodesma, auch sind die beiden Atomodesma von Timor
nieht gestreift und es wird auch nicht angegeben, ob sie ein gezähntes
Schloss besitzen, so dass auch eine Einreihung in dieses Genus nicht
stattfinden kann. Atomodesma ist übrigens ebenfalls eine jener Gattungen,
über deren systematische Stellung keine Uebereinstimmung besteht ;
denn während sie Zittel zu den Aviculiden, spee. Inoceraminen bringt,
versetzt sie Waagen unter die Mytiliden.
Das Schloss von Mysidia erinnert entfernt auch an jenes gewisser
Limen mit schiefer Area, z. B. Plagiostoma lineatum Goldf. bei Giebel,
Lieskau, Tab. VI, Fig. 11 und auch die Schalenseulptur und Structur
dürfte jener von diesen Plagiostomen am nächsten stehen. Doch ist
schon der äusseren Gestalt wegen die hier beschriebene Art nicht zu
Plagiostoma zu ziehen. In der alpinen Trias ist nichts bekannt, was
mit Mysidia verglichen werden könnte und es dürfte nach alledem am
gerathensten sein, die hier beschriebene Art als Typus eines neuen
Genus zu betrachten, dessen Kenntniss in Folge des Fehlens der linken
Klappe allerdings vorläufig als äusserst unvollständig gelten muss.
-
Jahrbuch der k. k. geol. Reichsanstalt. 1891. 41. Band. 1. Heft. (A. Bittner.) 15
114 A. Bittner. [18]
Modiola spec. indet.
Tab.II, Fig. 11, 12.
Eine recht indifferent aussehende Modiola, welche vielleicht am
besten mit Stoppani’s Modiola pupa verglichen werden kann. Auch
gewisse Pleurophorusarten der alpinen Trias, deren Stellung aber
theilweise wohl kaum hinreichend gesichert ist, sind derselben ähnlich.
Mytilus spec. indet.
Auch die Gattung Mytilus ist vertreten, bisher aber nur in zu
einer Beschreibung gänzlich ungenügenden Bruchstücken.
Myophoria micrasiatica nov. spec.
Tab. II, Fig. 6.
Die Figur dieser Art auf Tab. II ist gänzlich misslungen. Durch
ein zweites etwas grösseres Exemplar, das seither aus dem Gesteine
gewonnen wurde und durch den Umstand, dass es gelang, das hinter
dem Kiele gelegene Feld bei dem abgebildeten Stücke wenigstens theil-
weise vom Gestein zu befreien, bin ich jetzt
in die Lage versetzt, eine correetere Umriss-
skizze der Form beifügen zu können. Man
hat es in dieser Form mit einer Verwandten
der rhätischen M. Emmrichiü Winkl. zu thun,
wie die radiale Verzierung des hinteren
Schalenfeldes (Schildes) lehrt. Am besten
unter den von Dittmar zu M. Emmrichiü
gezählten Formen stimmt Moore’s Myophoria postera Qu. (Quart.
Journ. 1861, XVII, Tab. XVI, Fig. 8&—9) mit unserer Form überein,
doch scheint die englische Form gedrungener und schmäler zu sein.
Quenstedt's Myophoria postera (Jura, Tab. I.) hat gröbere concen-
trische Seulptur und die Furche vor dem Kiel ist stärker entwickelt.
Myophoria alta Gabb. aus der ealifornischen Trias ist weit höher als
unsere Form.
Eine unregelmässige Spaltung der eoncentrischen Erhöhungen lässt
sieh auch bei unserer Form beobachten, und zwar so, dass nicht nur
einzelne dieser Runzeln sich gegen rückwärts spalten, sondern auch
umgekehrt, dass andere sich in derselben Richtung vereinigen, respective
sich gegen vorwärts spalten. Diese eoncentrische Runzelung ist demnach
eine recht unregelmässige. Beim Durchsetzen der Rinne vor dem Kiel
verlöschen die Runzeln nahezu, um jenseits derselben nochmals sich
kräftiger zu erheben. Der Kiel selbst ist ansehnlich scharf; die Anzahl
der Radiallinien auf dem Schilde kann nieht mit Sicherheit bestimmt
werden; es sind jedenfalls deren nur wenige vorhanden, vielleicht
4—5. An der intimen Verwandtschaft dieser hier beschriebenen Form
mit den um die rhätische Myophoria Emmrichii Winkl. sich grup-
. eg
[19] Triaspetrefakten von Balia in Kleinasien. 115
pirenden Myophoren kann keinesfalls gezweifelt werden. Unter den
älteren obertriadischen Formen kommt am nächsten Myophoria lineata
Münst. (Myophoriopis Wöhrm.), doch fehlt ihr die Furche vor dem
Kiel, ihre concentrische Ornamentirung ist regelmässiger und das hintere
Feld anders gebaut und verziert.
? Schizodus spec. indet. (aff. Ewaldi Born.)
Tab. II, Fig. 5.
Einen zweiten rhätischen Myophoridentypus in der Fauna von
Balia vertritt eine kleine Bivalve, deren Abbildung Fig. 5 leider eben-
falls nicht ganz entsprechend ausgefallen ist, weshalb neben-
stehend eine Skizze derselben beigefügt wurde. Sie gehört
offenbar in die Gruppe des Schizodus (Myophoria) Ewaldi Born. NM
(Schizodus cloacinus (Qu.), ist aber beträchtlich schmäler als
die Mehrzahl der hierher gestellten Formen, von denen ihr
Myophoria isosceles Stopp. noch am nächsten stehen dürfte. Von älteren
triadischen Myophorien wären gewisse, sehr schmale Abarten der
Myophoria orbicularis in Vergleich zu ziehen, sowie insbesondere
Wöhrmann’s Myophoricardium lineatum aus den Nordtiroler Cardita-
schichten.
Corbis Manzavinii nov. spec.
Tab. II, Fig. 4.
Obschon das Schloss dieser Art unbekannt geblieben ist, dürfte
dieselbe doch mit hinreichender Sicherheit zu Corbis (Fimbria, Sphaeriola)
in der Nähe der wohlbekannten Raiblerart Corbis Mellingii Hauer zu
stellen sein, von welcher sie sich aber durch ihre beträchtlichere Breite
unterscheidet. Die Wirbel sind mässig eingerollt, die Schale ist mit
regelmässigen, kräftigen concentrischen Wülsten bedeckt. Diese sowohl
wie die Mehrzahl der obertriadischen Corbisarten möchten wohl am
besten in das Schafhäutl’sche Genus Gonodon einzureihen sein.
Ausser den hier beschriebenen Arten haben die Kalke vom Kyzyl-
tepe bei Balia-Maden noch mehrere andere Arten, die aber noch un-
genügender erhalten sind, geliefert. Es sind Angehörige der Gattungen
Arca, Lima, Pecten, Nucula, Myophoria ete. Von Gasteropoden liegt
nur eine sehr grosse, aber schlecht erhaltene Chemnitzia vor und eine
Patella, welche der P. costulata Münst. von St. Cassian recht nahe steht.
Betrachtet man die vorangehend beschriebene Fauna in ihrer
Gesammtheit, so lässt sich der obertriadische Charakter derselben nicht
verkennen. Unter den Petrefakten des Schiefers ist es insbesondere
Halobia Neumayri, welche lebhaft an die verbreiteteste aller alpinen
Halobien, an Halobia rugosa Gümb., erinnert.
Unter den Fossilien der Kalke sind es in erster Linie die Brachio-
poden, welche Art für Art sich an obertriadische Formen der Alpen
15*
116 A. Bittner, [20]
anlehnen, ja theilweise mit solchen sogar speeifisch identisch zu sein
scheinen. Und zwar nähern sie sich speciell wieder den rhätischen
Arten der Alpen. Fast dasselbe gilt für die Lamellibranchier der Kalke;
auch hier ist eine ganze Anzahl von Formen zunächst wieder rhätischen
Arten vergleichbar, daneben giebt es aber auch solche, welche an die
nächst ältere verwandte Fauna , jene der Raibler Schichten, erinnern.
Einige, den triadischen Ablagerungen der Alpen bisher fehlende, fremd-
artige Typen treten hinzu; sie wurden als Mysidia und Pergamidia
nn. gg. beschrieben. Sie können kein Hinderniss abgeben, dass die
entsprechenden Ablagerungen von Balia mit Bestimmtheit als ober-
triadisch erklärt werden, wobei allerdings die Frage offen gelassen
werden muss, ob man dieselben direet für eine Vertretung der rhäti-
schen Bildungen oder ob man sie für älter als diese anzusehen habe.
Darüber werden jedenfalls erst weitere Aufsammlungen und vorzüglich
stratigraphische Untersuchungen an Ort und Stelle entscheiden.
Das Auftreten einer so reichen und wohlcharakterisirten Fauna
von obertriadisch-alpinem Habitus im nordwestlichen Kleinasien ist um
so merkwürdiger, als bisher in den zunächst liegenden Theilen der
europäischen Türkei obertriadische Ablagerungen nur sehr spärlich bekannt
geworden sind. Abgesehen von Bosnien (vergl. Jahrb. d. k. k. geol. Reichs-
anstalt, 1880, pag. 262, 321; Verhandl. d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1888,
pag. 162, 195; 1890, pag. 311), hatte nur die Dobrudscha obertriadische
Petrefakten geliefert, während gerade in dem zunächst liegenden Balkan-
gebiete von F. Toula nur triadische Bildungen vom Alter des Werfener
Schiefers und des Muschelkalkes aufgefunden worden waren. Doch
verdanke ich Herrn Prof. Toula die Nachricht, dass neuestens das
Vorhandensein obertriadischer Ablagerungen auch im Balkan wahr-
scheinlich geworden sei.
Pr:
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u (nd ul en LULUU NULL LG LU LU L nl l 2 U 2 Zu U Zn 2 2 LS u 1 a MA" Öl u u 5 U 2 u 4 205 2 Su 2 2 See
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Ueber die Beziehungen der Barrande’schen
Etagen (', D und # zum britischen Silur.
Von Dr. Josef Wentzel,
Privat-Docent an der deutschen technischen Hochschule zu Prag.
Vorbemerkung.
Ursprünglich von der Absicht getragen, mich an der Hand der
umfangreichen Literatur über die auf der Tagesordnung stehende Hereyn-
frage zu belehren, schien es mir von nicht geringer Wichtigkeit, auf
Grund paläontologischer Thatsachen die äquivalente Schichtengruppe
der Barrande'schen Etage E in Britannien festzustellen. Das jüngst
erschienene Werk von Etheridge: „Fossils of the British Islands“
leistete mir dabei vorzügliche Dienste und ich erkannte bald, dass die
paläontologischen Beziehungen zwischen dem böhmischen und englischen
Silur viel weiter reichendere seien, als man bisher anzunehmen gewohnt
war. Dieser Umstand bewog mich, auch die Etagen D und © mit in
das Bereich meines Studiums zu ziehen und so entstand die vorliegende
Arbeit.
Die azoische Schichtengruppe Barrande’s (Etage A und 5)
findet keine Berücksichtigung, die Frage nach der Natur der Colonien
wurde hie und da gestreift. Mein Hauptaugenmerk blieb der Feststellung
der Cambrium- und Silurstufen in Böhmen zugewendet, dabei konnte
auf die Gegensätze in der Faunenentwicklung beider Länder etwas
näher eingegangen und einige der von britischen Autoren vorgeschlagenen
Grenzen zwischen Cambrium und Silur, Unter- und Obersilur auf ihre
Anwendbarkeit in Böhmen geprüft werden.
Alle Thiergruppen zur Beantwortung der sich ergebenden Fragen
heranzuziehen war nicht möglich, die Veröffentlichung der böhmischen
Gasteropoden, Bryozoen, Korallen, Crinoideen steht noch aus. Reichliche
Belehrung schöpfte ich aus dem Barrande’schen Trilobitenwerke,
nicht minder aus den Lapworth’schen Arbeiten über Graptolithen.
Noch drängt es mich, meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Ober-
bergrath Professor Dr. W. Waagen, für die mir zu Theil gewordene
Unterstützung behufs Erlangung der nöthigen literarischen Hilfsmittel
meinen herzlichsten Dank auszusprechen.
Jahrbuch der k. k. geol. Reichsanstalt. 1891. 41. Band. 1. Heft. (Josef Wentzel.)
118 Dr. Josef Wentzel. [2]
Ehe ich die versuchte Lösung der gestellten Aufgabe folgen lasse,
wird es nöthig sein, eine Uebersicht der zu Grunde gelegten Schichten-
gruppirung zu geben.
( Harlech und [| Caerfaischichten
Longmynd-Gruppe | Solvaschichten
Menevian - Gruppe
Cambrian (Hicks and
Lapworth)
lol | Maentwrogstufe
| en 25°) Ffestiniogstufe Lingula Flags
DP> Dolgellystufe Murchison?)
Tremadoc-Gruppe [Lower 'Tremadoe
Rocks Salt. and Belt.]?) j
Arenig- | Rocks Salt. and Belt.]?)
Lower Arenig [Upper Tremadoe
Gruppe | Middle Arenig |
Upper Arenig Llanvirn :
Ll l
Llandeil Lower Llandeilo Hicks1881®) Mur en 6)
Er 10-) Middle Llandeilo
fppe | Upper Llandeilo J
Lower Silurian (Lyell)
Ordovieian (Lapworth)
Bala- oder | Lower Bala Bala }
Caradoc- ! Upper Bala sammt | Neries ®)
Gruppe Hirnant Limestone
L
e Lower Llandovery
ac Ho | Upper Llandovery
pp | Tarannon Shales
Woolhope Beds
"enloek- | Wenlock Shale
PP@® | Wenlock Limestone
Lower Ludlow Beds
Ludlow- | Aymestry Limestone
Gruppe | Upper Ludlow Beds
Passage Beds
Upper Silurian (Lyell)
Silurian (Lapworth)
—_——
Die Etage (und das Cambrium (Hicks und Lapworth).
Die Schiefer, welche die Primordialfauna der Etage © beherbergen,
nehmen nur einen geringen Theil des Terraines ein, welches stratigraphisch
zur Basis des böhmischen Silursystemes im Sinne Barrande’s gehört.
Den bei weitem grösseren Theil dieser Basis bilden Quarzconglomerate,
1) Woodward, Geology of England and Wales. 1887, pag. 64.
?) Murchison, Siluria 1867, pag. 42.
®) Quart. Journ., Geol. Soc. London 1875, XXXI. Bd., pag. 192 Tabelle und
ag. 175.
r *) Woodward, Geology of England and Wales. London 1887, pag. 67 und 70.
’) Ebenda, pag. 67, 70 und 75.
6%) Murchison. Siluria, 1867, pag. 46.
[3] Ueber die Beziehungen der Bärrande’schen Etagen C, D und E ete. 119
sowie grobkörnige oder auch feinkörnige quarzige Grauwackensandsteine,
und zwar so, dass sie discordant auf den halbkrystallinischen, azoischen
Schiefern lagern und nur an ihrer oberen geologischen Grenze in
räumlich sehr beschränkten Zonen (Ginetz und Skrej) von den Schiefern
der Primordialfauna bedeckt werden. Die Lagerung der Conglomerat-
und Schieferschichten ist vollkommen concordant, ja bei Tejrovie
beobachtet man nicht blos eine Wechsellagerung der Conglomerat-
und Schieferschichten, sondern in den zwischen den Conglomeratbänken
eingelagerten, sandsteinartigen Grauwacken erscheinen Reste der Primor-
dialfauna, wie Ellipsocephalus Germari Barr., Conocephalites Emmrichi
Barr., Orthis Romingeri Barr, u. s. w. Die Zugehörigkeit der Conglo-
merate an der Basis der Ginetz-Skrejer Schiefer ist demnach sowohl
stratigraphisch als paläontologisch ausser allen Zweifel gesetzt.
Es ist bereits von Marr!) darauf hingewiesen worden, dass, und
dies gilt besonders von den Schiefern der Etage C und den Menevian-
schichten, welche sich aus Schiefern und Grauwacken aufbauen,
in lithologischer Beziehung eine grosse Aehnlichkeit besteht, welche
Aehnlichkeit durch die Fauna dermassen gesteigert wird, dass sich
Marr veranlasst sah, die O-Schiefer geradezu mit den Menevianschichten
in Parallele zu stellen. Wenn auch Marr die Verwandtschaft nur in
dem beiderseitigen Auftreten der Gattungen Paradoxides, Arionellus,
Conocephalites, Agnostus ete. begründet findet, so war doch Hicks?)
schon früher um einen wesentlichen Schritt weiter gekommen, als er
aus den Menevian beds Conocoryphe coronata Barr. beschrieb und seine
Species Artonellus longicephalus mit Artonellus ceticephalus Barr. als
verwandt erkannte. Dabei erscheint von nicht geringem Werthe die
Thatsache, dass Conoc. coronata, Arionellus longicephalus °), respective
Arion. ceticephalus die Menevianschichten, respective die Etage Ü nicht
überschreiten, Arion. ceticephalus in Böhmen in erstaunlicher Menge
auftaucht und dass die erwähnten Arten in der Meneviangruppe zu
St. David’s Promontory, South Wales), Unterstufen charakterisiren.
| of
| St.Da vid’s
| Promontory
Idente oder
Böhmische Arten aus c nächstverwandte britische Arten ==!
aus PRAEFSRE:
SAIEHIEr
3823858
Pla 9A
—
Conocoryphe coronata Barr, . || + | Conoec. coronata Barr.. . . - — | +l1—
Arionellus ceticephalus Barr. . | + | Arion. longicephalus Hicks, . +|—-|1—
1) Marr, On the Predevonian Rocks of Bohemia. Quart. Journ. of the Geolog.
Soc. of London. 1880, XXXVI. Bd., pag. 601.
2) Hicks, On some undeseribed Fossils from the Menevian Group. Quart. Journ.
Geol. Soc. 1872, XXVII. Bd., pag. 176, 178.
®) R.Etheridge, Fossils of the British Islands. Vol. I. Palaeozoic. Oxford 1888,
pag. 41, 48. Barrande, Trilobites. Extrait du Supplem. au Vol. I du Syst. sil. du
centre de la Boh@me. 1871, pag. 21.
*) R. Harkness and H. Hicks, On the Ancient Rocks of the Da vid's Pro-
montory, South Wales, and their Fossil Contents. Quart. Journ. Geol. Soc. 1871,
XXVII. Bd., pag. 396.
2
120 Dr. Josef Wentzel. [4]
Damit sind aber die Beziehungen noch nicht erschöpft. Hicks‘)
erkannte Paradoxides Harknessi Hicks als verwandt mit Parad. rugulosus
Cord. Ihre vertieale Verbreitung veranschaulicht die nachfolgende Tabelle:
Solva beds
| of the
| ns David's
RR h | a Verwandte britische Arten romontory
Böhmische Arten aus | © aus Eu rt
® = >
E|lS..8
| Ala|B
ep — — — — = —
Paradoxides rugulosus Cord. . || + Parad. Harknessi Hicks . . . .| + | +1 —
|
Aber nicht allen zu den Solvaschichten bestehen Beziehungen,
sondern auch zu obereambrischen Schichten. Conocoryphe monile Salt ?),
eine häufige Art der Shinetonschiefer von Shropshire, schliesst sich eng
an Conoec. striata Emmr. der Etage C an. Dem Alter nach werden
die Shinetonschiefer mit den Unter-Tremadoeschichten in eine Parallele
gestellt.
Murchison?) glaubt: „The great series of Lingula flags t), so
well developed in Wales, is the zone which, in Bohemia, through the
enlightened researches of M. Barrande, has proved to be the basis
of all Silurian life, and which therefore received from him the name
of „Primordial“.
Lyell:) pflichtet im grossen Ganzen diesem Standpunkt bei, wenn
er die Menevian- und Lingulaschichten mit der Etage Ü vergleicht.
Ich komme auf diesen Gegenstand nach Besprechung der Fauna
der Stufen Dd,« und Dad, $ noch einmal zurück.
Die Schiehtenabtheilungen Dad, «a, Dd,$ und die britischen
Lower Arenigschichten (= Upper Tremadoec Salt).
Die beiden Stufen Dd, « und Dd, £ sind in Hinsicht ihrer Fauna
von der Ü-Etage scharf geschieden. Die Fauna der Ginetz-Skrejer
Schiefer (©) besteht vorwaltend aus Trilobiten (27 Arten). Zu diesen
sesellen sich nieht häufige Repräsentanten der Pteropoden (5 Arten),
Brachiopoden (2 Arten) und Cystideen (7 Arten). Keine dieser Arten
geht in die nächstfolgende, Jüngere, silurische Schichtenstufe über und
die Trilobitengeschlechter Paradoxides, Agnostus, Conocephalites, Ario-
nellus, Ellipsocephalus, Hydrocephalus und Sao sterben mit Ausnahme
') H, Hicks, Descriptions of New Species of Fossils from the Longmynd Rocks
of St. David’s. Quart. Journ. Geol. Soc. 1871, XXVII, Bd., pag: 399.
?) Ch, Callaway, Onanew Area of Upper Cambrian Rocks in South Shropshire
with a Deseription of a new Fauna, Quart. Journ, Geol, Soc, 1877, XXXIII. Bd.,
pag. 665 und 659.
>) Murchison, Siluria. 1867, pag. 47.
Tremadoeschichten (Lower Tremadoc Salt.)
*#) Murchison’s System der | Birintsın
Lingula-flags umfasst | Tas zulnächliden
Ffestiniogstufe
Menevianschichten | Maentwrogstufe
5) C,Lyell, Students’ Elements, Pag. 487.
u su ee _ K
„ai we
a | als Lime di Cl ln ud ZU Zu Ka N L= An Zn. DU ann 1 ae 2 u
[5] Ueber die Beziehungen der Barrande'schen Etagen ©, D und HE ete. 121
Agnostus, welche Gattung in Dd,y wieder erscheint, auf der O-Etage
aus. Ebenso bleiben die Oystideengattungen Acanthocystes, Cigara,
Lapilloeystites, Lichenoides, Piloeystites und Trochoeystites auf die
Primordialfauna Barrande’s beschränkt. Die Unterbrechung in der
Entwicklung der Organismen an der Grenze der Etagen CO und D ist
eine solche, wie sie vollständiger kaum gedacht werden kann.
Die tiefste Schichtenabtheilung der Etage D, d,«!), die nur in der
Umgebung von Ginetz auf den Schiefern /C) der Primordialfauna ruht,
sonst aber überall den azoischen Schiefern aufgelagert ist, besteht aus
sandsteinartigen Grauwacken oder Conglomeraten. Organische Reste
erscheinen im Bereiche der Zone d,« nur sparsam, und zwar sind es
blos Brachiopoden in 21 Arten. Trilobiten wurden bisher in dieser Zone
nicht gefunden. Die Conglomerate und grobkörnigen Grauwacken führen
keine Petrefakten; aus den Grauwackensandsteinen sind 2 Discina-
Arten, 7 Lingula-Arten und eine Orthis bekannt; in den kieseligen
Schiefern kommen 6 Lingula-Arten, eine Orthis-, eine Diseina- und
3 Obulas-Arten vor. Ausserdem fand K. Feistmantel:) Reste von
Spongien in kieseligen, rothen Schiefern, die er unter die Mac Co y’sche
Art Acanthospongia siluriensis eingereiht hat.
Zwischen der d, «-Fauna und der anderer Gegenden bestehen nur
schwache Beziehungen. Tromelin et Lebesconte?) vergleichen die
in d,« häufige Lingula Feistmanteli Barr. mit Lingula Hawkei Rou.,
eine nicht seltene Erscheinung im Gres Armoricain, welcher fast allgemein
mit den englischen Stiper-Stones als gleichalterig betrachtet wird
Acanthospongia siluriensis M’Coy*) erscheint in Britannien im Caradoe
und Lower Llandovery. Das Auftreten dieser Species in d,« verleiht
dieser Fauna eine stark untersilurische Färbung.
Auf einen etwas sichereren Boden befinden wir uns beim Betreten
der Schichtenabtheilung d, ß. Die Dd, f-Stufe°) tritt überall in der
ganzen Verbreitung der Dd,-Zone auf und scheidet sich scharf petro-
graphisch von der sie unterlagernden Grauwackenzone ab. Vorzüglich
sind es Diabase, die sie charakterisiren und die in verschiedenen kry-
stallinischen und aphanitischen Varietäten, als Mandelsteine, Kalk-
aphanite und Tuffschiefer, erscheinen. In genetischer Verbindung mit
diesen eruptiven Gesteinen treten Eisensteineinlagerungen (oolithische
Rotheisensteine) mit mehr oder weniger untergeordneten Schiefergesteinen
auf. In paläontologischer Beziehung ist auch die Stufe d,? sehr arm.
Hier interessirt uns zunächst das erste Erscheinen der Gattungen Didy-
mograptus und Conularia (Conul. modesta Barr. d,ß, d,y, d;). Die
ältesten Didymograptusarten ©) (Didymograptus sparsus Hopk. und Did.
1) Krejöi und Feistmantel, Orographisch - geotektonische Uebersicht des
silurischen Gebietes im mittleren Böhmen. Archiv f. naturw. Landesdurchforschung von
Böhmen. V.Bd., Nr, 5, 1885, pag. 24 und 25.
2) K. Feistmantel in Sitzungsber. d. k. böhm, Ges d. Wiss. 4. März 1884,
°) de Tromelin et Lebesconte in Congres de Nantes. 1875, pag. 25.
#) R. Etheridge, Fossils of the British Islands ete., pag. 2.
°) Krejäi und Feistmantel, Orographisch-geotektonische Uebersicht ete.,
ag. 26.
7 6%) Lapworth, On the Geological Distribution of the Rhabdophora in Ann.
and Mag. nat. hist. Ser. V, Bd. 6, pag. 185.
Jahrbuch der k. k. geol. Reichsanstalt. 1891. 41. Band. 1. Heft. (Josef Wentzel) 16
122 Dr. Josef Wentzel. [6]
pennatulus Hall.) und die ersten Conularien !) (Con. Homfragi Salt.)
wurden in den untersten Arenigschiehten von St. David’s aufgefunden,
in Böhmen erreichen genannte Gattungen in der Stufe d, 8 ihren tiefsten
Horizont. Weiter sind beachtenswerth die Trilobiten. Amphion Lindaueri
Barr.2), (d, 8) bezieht sich auf ein isolirtes Pygidium, welches die grösste
Aehnlichkeit mit dem Pygidium von Amph. Fischer‘ Eichw. zeigt, einer
bekannten Erscheinung im Orthoceratite Limestone (Stage BD, nach
F. Schmidt) der Baltischen Provinzen Russlands, dem Aequivalente
der Arenigstufe. Die Gattung Harpides Beyr. bleibt in Böhmen auf d, £
(Harpides Grimmi Barr.), in England auf die Menevian- und Lingula-
schichten beschränkt. Eine Mischung von cambrischen und silurischen
Typen, wie sie hier vorliegt, zeichnet in England nur die Unter-
Arenigschichten aus, denn in den Tremadoeschichten treten die silurischen
Formen noch sehr zurück.
Nachdem wir durch die vorangehenden Betrachtungen das Lower-
Arenigalter der d, B-Stufe festgestellt haben, so gewinnt die bis jetzt
unerwähnte Thatsache des engen Anschlusses der d, «-Fauna an die
von d,ß, vermittelt durch:
dı @ d, 8
Discina undulosa Barr. .||St. Benigna! Svaro v. ||Barrande, Syst. sil. du centre
de la Boheme, vol. V, pl. 101.
Lingula insons Barr. . R 2 I— 1. c. pl. 105:
> lamellosa Barr. || Libetschow % — l.e. pl. 106 und pl. 111.
Krej@i und Feistmantel,
l. c. pag. 27. Krejdi und
Helmhacker,Erläuterungen
zur geol. Karte d. Umgebung
von Prag. 1879 (Archiv d.
naturw. Landesdurchf, von
Böhmen, IV, Bd., Nr. 2, Geol.
Abthlg.), pag. 25.
Obulus complexus Barr... |Kruschna | Kruschna |Barrande, 1.c.pl.95, 111,
Hora Hora (Eisen-| 113 und 152.
steinlager) |
eine erhöhte Bedeutung unter Berücksichtigung der Erkenntniss, dass
der C-Fauna ein ausgesprochen cambrischer, der von d,« ein unter-
silurischer Charakter innewohnt und dass die Schichten C und Dd, «
nicht eine gemeinsame Art aufweisen. Dieser Anschluss weist uns darauf
hin, die Stufe d,« im Vereine mit d,# als Aequivalent der Unter-
Arenigschichten von St. David’s (= Upper Tremadoe Salt. in North
Wales) zu betrachten, mit welchen Schichten Lapworth, Hicks und
Andere das Untersilur beginnen lassen.
1) H. Hicks, On the Succession of the Ancient Rocks in the vieinity of St.
David’s, Pembrokeshire etc. in Quart. Journ. Geol. Soc. 1875, 31. Bd., pag. 176.
?) Barrande, Systeme silur. du centre de la Bohöme. Vol. I, pag. 820.
») F.Schmidt, On the Silurian (and Cambrian) Strata of the Baltie Provinces
of Russia, as compared with those of Scandinavia and the British Isles. Quart, Journ,
Geol. Soc, London. 1882, 38. Bd., pag. 519 und 520.
[7] Ueber die Beziehungen der Barrande'schen Etagen €, D und E ete. 123
Aehnlichen Verhältnissen wie in Böhmen begegnen wir im Süden
des französischen Centralplateaus. Bergeron!) hat in der Montagne
Noire eine cambrische Fauna, die einzige bis jetzt in Frankreich bekannte,
entdeckt. Hier interessiren uns zunächst die zwischen Favayroles und
Faillieres auftretenden Stufen, welche er dem Paradoxidian Lapworth's
(— Menevianschichten) zuzählt.
Die älteste Schicht, 4 Meter dick, besteht aus rothen Thonschiefern,
mit Arionellus cf. longicephalus Hicks, Conocoryphe coronata Barr, und
Bruchstücke von grossen Paradoxiden.
Die zweite Schicht, 5 Meter dick, besteht aus gelben Thonschiefern,
reich an Agnostusarten, von denen der häufigste und besterhaltene
Vertreter Agnostus Sallesi Berg. ist. Neben Fragmenten von grossen
Paradoxiden finden sich Fragmente kleinerer Individuen, welche zu
Paradozxides rugulosus Cord. gehören dürften.
Die dritte Schicht, 3 Meter dick, besteht aus grünen Schiefern
mit Paradox. rugulosus Cord., Oonocoryphe Heberti Mun.-Chalm. et Berg.
und Conocoryphe Levyi Mun.-Chalm. et Berg., Trrochocystites Barrandei
Mun.-Chalm. et Berg.
Dieser aus drei Stufen bestehende Schichteneomplex beherbergt
Arionellus cf. longicephalus, Conocoryphe coronata, Paradoxides ruqulosus,
lauter Arten, die wir schon bei der Vergleichung der Barrande’schen
Etage C mit dem britischen Cambrium genügend gewürdigt haben und
ich kann auf das an jenem Orte Gesagte verweisen.
Auf diesen Schichteneomplex folgt ein Gemenge von Sandsteinen
und Schiefern mit schlecht erhaltenen Fossilien. Von den häufigen
Trochoeystitesresten weisen die meisten auf Troch. Bohemicus Barr. hin.
Bergeron?) ist geneigt, diese Stufe dem Olenidian Lapworth's
(= Lingula Flags+ Lower Tremadoec Salt.) entsprechen zu lassen, und
zwar aus dem Grunde, weil die an ihrer Spitze auftretenden Schistes
a Bellerophon Oehlerti eine Mischfauna von vorwiegend silurischen
neben cambrischen Formen, ähnlich wie im Lower Arenig, enthalten.
Neben eambrischen Gattungen, wie Oldhamia und Agnostus, erscheinen
typische silurische Genera, wie Calymene, Illaenus, Asaphus ete., deren
älteste Vertreter nicht unter die Arenigstufe herabsteigen.
Arenig |
Erstes Auftreten der Gattungen — ——
Lower | Middle | Upper
tan ee al + — | — |/Quart. Journ. Geol. Soc, London
Galymene ..... METER een — 1875, 31. Bd., pag. 191.
2 Ve Er — | —
Es ist klar, die von Bergeron als Olenidian gedeutete Stufe
gehört nach ihren Fossilresten (Troch. Bohemicus Barr.) noch zur
Barrande’schen Etage ©. Die darüberfolgenden Bellerophon Oehlerti-
Schiefer enthalten nicht eine gemeinsame Art mit den darunter liegenden
Schiehten; die Trilobitengeschlechter: Conoeoryphe, Paradoxides, Ario-
1) Bergeron, Etude geologique du massif ancien situ& au sud du plateau central.
Paris 1889, pag. 78 ff.
2) J. Bergeron, ]. c. pag. 81.
16*
124 Dr. Josef Wentzel. [8]
nellus sterben vor und die Cystideengatiung Trochoeystites zu Beginn
der Ablagerung der Bellerophon Oehlerti-Schiefer aus. Nur die Gattung
Agnostus überschreitet die Grenze. Die Unterbrechung in der Ent-
wieklung der Organismen ist nicht zu leugnen und erinnert in ihrer
Deutlichkeit an diejenige zwischen den Barrande'schen Etagen ©
und D. In den Bellerophonschiefern findet eine Mischung von silurischen
und cambrischen Formen [Oldhamia!)] statt, wie an der Basis der
Etage D (d, $) silurische Gattungen, Didymograptus, Conularia, Amphion,
mit cambrischen, Harpides ?), vereint auftreten, welche Eigenthümlichkeit
die Upper Tremadoeschichten Salt. (= Lower Arenig, St. David’s) so
auszeichnet. Die Menevianschichten sind in Frankreich wie in Böhmen
gleich typisch vertreten durch Conocoryphe coronata und Arzvonellus cf.
longicephalus, auch bestehen in beiden Ländern dieselben Beziehungen
zu den Solvaschichten, vermittelt durch Paradozxides ruqulosus, aber eine
typische Olenusfauna fehlt hier wie dort und nur die Lagerungsverhält-
nisse zwingen uns dazu, das Olenidian Lapworth’s in beiden Ländern
als vertreten anzunehmen. In Böhmen speciell wäre das Cambrium
(Solvagruppe bis Lower Tremadoe Salt.) auf die Etage C zusammen-
gedrängt.
Die Stufen Dd,y, Dd;, und die britischen Arenig- (Middle
und Upper) und Llandeilo-Schichten.
Für eine nähere Vergleichung genannter böhmischer und britischer
Stufen untereinander sind folgende Arten wichtig:
| [el ‚=
R Nächstverwandte oder | x '©|
Böhmische Arten aus || idente britische Arten 45
a aus a2
SS] <A
— Etheridge,l.c.
pag. 404.
Aeglina rediviva Barr. — | Aeglina redivivaBarr,?
„ .prisca Barr. . —| „ binodosa Salt.
E -
+, +
Agnostus perrugatus Barr, \+\—|| Agnostus Morei Salt. . +
.. Be
2. +
+, — 1. ce. pag. 43.
— Quart.Journ Geol.
Soc. 1875, 31.
Bd., pag. 176.
Asaphus nobilis Barr. — || Asaph. tyrannusMurch.
Niobe discreta Barr. sp. . —| Niobe peltata Salt. sp.
Placoparia ZippeiBoeck sp. \\+ —|| Placoparia cambriensis
Hicks. . . . . . .|#+)—Ibidem, pag. 186.
Barrandia erassa Barr. . \+|—|| Barrand. Cordai M’Coy\—|+| Etheridge,l.c.
pag. 49.
Beyrichia Bohemica Barr.\+|—\ Beyrich.complicataSalt. —\+| — 1. e. pag. 44.
Redonia Bohemica Barr. . \\+|—|| Redonia anglica Salt. \\4+\—| — 1. c. pag. 109.
Didymograptus avus . + 1—|| Didym.MurchisoniBeck.\—|+| Ann. Mag. nat.
hist. Ser. V, 6.
Dalmanites Phillipsi Barr, |—|+|| Phacops (Dalm.) api- Bd., pag. 19.
culatus Salt, . .|—\+!Etheridge,l.c.
| pag. 62.
10| 1 6) 5
') Oldhamia bleibt in Britannien auf die Harlech series beschränkt (Etheridge,
l. ce. pag. 12).
?) Harpides Beyr. (= Erinnys Salt.) ist in Britannien nur in der Menevian-
gruppe und den Lingula Flags bekannt (Etheridge, ]1.c. pag. 52), setzt aber in anderen
‘ Ländern in’s Untersilur fort (Zittel, Handbuch der Paläontologie. II. Bd., pag. 625).
en a u ee eier
ZELTEN
[9] Ueber die Beziehungen der Barrande’schen Etagen €, D und E ete, 125
Aus der vorstehenden Tabelle ergiebt sich, dass die d, y-Stufe
eine Fauna ceinschliesst, welche neben hervorragenden Beziehungen zur
Arenigstufe auch solehe zur Llandeilostufe erkennen lässt, und dass
wir in Böhmen ausser Stande sind, beide Stufen streng sondern zu
können.
Der Arenigeharakter wird bedingt durch das Auftreten von Aeglina
rediviva, Aeglına prisca, Agnostus perrugatus, Niobe discreta, Placoparia
Zippei und Redonia Bohemica. Das Hauptinteresse unter diesen Formen
ziehen Aeglina prisca, Placoparia Zippei und Jvedonia Dohemica auf
sich. Sie treten in d,y in grosser Häufigkeit auf und bleiben auf ge-
nannte Stufe beschränkt. Was für die böhmischen Arten gilt, das gilt
auch für ihre Verwandten in England. Aeglina binodosa, Placoparia
cambriensis und Jedonia anglica sind Leitfossilien der Arenigschichten.
In Bezug auf Aeglina hielt es Barrande für wahrscheinlich,
dass Aegl. prisca und Aegl. binodosa sich bei genauerer Kenntniss der
englischen Form als ident erweisen werden. Die betreffende Stelle
lautet bei Barrandet): „Nous devons signaler degl. binodosa Salt.,
comme ayant la plus grande ressemblance avec .Aegl. prisca. Peut-etre
lidentit& de ces deux formes sera-t-elle un jour &tablie, lorsque celle
d’Angleterre sera mieux connue? Cette identit serait d’autant plus
concevable, que ces deux Trilobites caractörisent, dans les deux contres,
une m@me horizon. |d,y und Arenig Rocks of Shelve. ?)]
Die Gattung Placoparia Cord. ist bis jetzt in Britannien nur in
einer einzigen Art Placoparia cambriensis Hicks) bekannt, welche die
meisten Beziehungen zu Placop. Zippei, eines der gewöhnlichsten Vor-
kommnisse in den d, y-Schichten, zeigt.
Die Gattung Redonia erscheint in Böhmen (Red. Dohemica) und
in Britannien (Red. anglica) je nur in einer Art. Red. Dohemica und
Red. anglica werden von Barrandet) als analoge Arten aufgefasst.
Was die übrigen Arten betrifft, so ist Aegl. rediviva Barr. durch
eine idente Form im Arenig vertreten und zu Agn. perrugatus bemerkt
Barrande°): „Agnostus Morei Salt. pourrait bien &tre identique avec
Agn. perrugatus Darr.“ Er hebt dann Unterschiede an der Glabella
hervor und fährt fort: „Nous pensons que ces differences apparentes
pourraient s’evanouir, si on connaissait de meilleurs speeimens de la
forme anglaise. Les segments thoraciques de cette forme ne sont pas
connus et pourraient offrir des caractöres propres. Ces motifs nous
emp@chent de prononcer l'identitö& entre ces 2 formes. Leurs pygidiums,
tels que nous les eonnaissons, ne presentent aucune difference notable.“
So viel ist klar, Agn. perrugatus Barr. (d,y) und Agn. Morei Salt.
(Arenig) sind ausserordentlich genäherte Formen. Diese Thatsache ist
von Wichtigkeit, weil sie das Erscheinen von Agn. perrugatus Barr.
in der Caradoestufe ©) zu paralysiren vermag.
!) Barrande, Syst. silur. Suppl. au Vol. I, 1872, pag. 64.
®) Murchison, Siluria. 1867, pag. 38, Profil.
>) Hicks in Quart. Journ. Geol. Soc. London 1875, 31. Bd., pag. 186.
*) Barrande, Extraits du Syst. sil. vol. VI. Ac&phales. 1871, pag. 474.
°) Barrande, Syst. sil. Suppl. au Vol. I, pag. 144.
6) Etheridge, 1. c. pag. 404.
126 Dr. Josef Wentzel. 1 0]
Niobe discreta Barr. sp. ist mit Neobe peltata Salt. sp. sehr nahe
verwandt. Dabei verdient hervorgehoben zu werden, dass die Gattung
Niobe in der Novak'’schen Begrenzung !) nur drei Arten, die beiden
genannten und Niobe insignis Linns. aus dem Ceratopygekalk Schonens
umfasst.
Für den Arenigeharakter der d,y-Stufe spricht weiter das Er-
scheinen der Gattung Dathmoceras Barr. (=Üonoceras Bronn.)?), weil
dieselbe bisher, wie nachfolgende Tabelle zeigt, noch niemals ausserhalb
der genannten Stufen angetroffen worden ist.
Böhmen | England
Dad,y | Arenig
Bathmoceras complexum Barr. .
= praeposternum BDarr.
Bath. (Con.) Llanvirnensis Rob,
ollt++
|
+ Etheridge, 1.c.pag. 420. |
E
—
Nach diesen Erörterungen wollen wir der Frage näher treten,
welehe Unterabtheilungen der Arenigstufe besonders in Dd,y zu er-
kennen sind. Im Middle Arenig :) (St. David’s) erscheint Niobe peltata
Salt. sp., im Upper Arenig?) (St. David’s) Placoparia cambriensis
Hicks. In Shropshire ist die Fauna über den Stiper-Stones *) (Shelve
Hill) ausserordentlich ähnlich jener der Ober - Arenigschichten von
St. David’s.
In jener Fauna [Arenig Rocks of Shelve 5)] begegnen wir Aeglina
binodosa Salt. und FRedonia anglica Salt., welche Arten sich so sehr
an die böhmischen Formen aus Dd,y anschliessen. So viel scheint
klar, in der Stufe Dd,y ist neben Middle Arenig vornehmlich Upper
Arenig vertreten, welche Thatsache gut mit der Deutung von Dd, + Dd, «
als Aequivalent von Lower Arenig harmonirt.
Wie schon Eingangs betont, lässt die Dd,y-Fauna auch nahe Be-
ziehungen zur Llandeilofauna erkennen. Sie werden vermittelt durch
zwei Trilobiten |Barrandia crassa Barr. und Asaphus nobilis Barr.],
1 Ostracoden (Beyrichia Bohemica Barr.) und Didymograptus-Arten.
Was zuvörderst die Trilobiten betrifft, so finden wir die Gattung
Barrandia in Böhmen und England durch folgende Arten vertreten:
!) Novak, Zur Kenntniss d. böhmischen Trilobiten in Beitr. zur Paläontologie
Oesterreich-Ungarns, herausgegeben von Mojsisovies und Neumayr. III. Bd., 1884,
pag. 34; und Novak, Studien an Hypostomen böhmischer Trilobiten. II. Sitzungsber.
d. k. böhm, Gesellsch. d. Wissensch. 1884, pag. 12.
2) Barrande, Extraits du Syst. sil. Vol. II, Texte V, 1877, pag. 85.
>) Hicks in Quart. Journ. Geol. Soc. London 1875, 31. Bd., pag. 176.
*) Ibidem, pag. 175.
5) Murchison, Siluria, 1867, pag. 38 Profil und pag. 48 Fossils (9).
|
[11] Ueber die Beziehungen der Barrande'schen Etagen €, D und E ete. 127
Böhmen England |
© I
Sulenhs
Ss 184.3
a (d|A
Barrandia crassa Barr, . . + I—|—
a Bohemica Nov, . + |—)— || Novak in Sitzb. d. k. böhm, Ges. d.
Wissensch. 4. Juli 1884, pag. 13
ei Homfrayi Hicks — |+|- || Etheridge, 1. c. pag. 43.
- falcata P. u. @. — [+1 -—| — |]. e. pag. 404.
e Cordai MCoy . — /[—|+|| — 1. e. pag. 43
A longifrons Edgell. — |— [#1 — 1. e. pag. 43
radians M’Coy . — 14) — le. pag. 44
Portlocki Salt. . — |—|+)| — 1]. e. pag. 43
2 2|4
Diese Gattung ist in Böhmen auf Dd,y, in England auf Arenig
und Llandeilo beschränkt, aber ihre Hauptverbreitung in der Llandeilo-
stufe und die Thatsache, dass Barr. Cordai und Barr. crassa von
Barrande!) als repräsentative Formen betrachtet werden, sind Eigen-
thümliehkeiten, welche der Dd,y-Fauna eine Llandeilofärbung ver-
leihen.
Die typische Llandeiloform Asaphus tyrannus Murch?) presente
diverses analogies avee Asaph. nobilis Barr., soit dans ses forınes soit
dans ces ornemens. Asaph. nobilis besitzt aber eine viel grössere verticale
Verbreitung [d,y, d;, d,, d,| als Asaph. tyrranus (Llandeilo) , beide
Formen charakterisiren nur in ihrem ersten Auftreten vergleichbare
Horizonte [d, y, Llandeilo], Asaph. tyrannus wird in der Caradoestufe >)
von Asaph. nobilis Barr. abgelöst.
Auch Beyrichia Bohemica Barr. verleiht der Dd,y-Fauna ein
Llandeilogepräge. „La forme la plus rapprochde serait Beyrichia com-
plicata Salt. d’apres la figure donnde par Salter dans les M&m. Geol.
Surv. III, Pl. 19, Fg. 9. Il y aurait m&me lieu de pr&sumer, que ces
deux formes sont identiques, d’apres la figure eit&e.“ ®)
Die Graptolithen Didymograptus Suessi und Didym. avus, welche
in Dd,y gefunden wurden, charakterisiren in England Upper - Arenig
und Llandeilo.. Die letztgenannte Species gehört nach Tullberg?)
dem die unterste Llandeilozone °) bildenden Didym. Murchisoni-
Typus an.
Ehe wir die Dd, y-Fauna verlassen, dürfte es von Interesse sein,
über das Auftreten einiger der obengenannten Arten innerhalb der
Llandeiloschichten ?) zu berichten:
') Barrande, Syst. sil. Suppl. au Vol. I, pag. 59.
?) Barrande, Syst. sil. Vol. I, pag. 661.
3) Etheridge, 1. c. pag. 404.
4) Barrande, Syst. sil. Suppl. au Vol. I, pag. 498.
5) Tullberg in Zeitschr. d. deutsch. geol. Gesellsch. 1883, 35. Bd., pag. 261.
-®) Lapworth in Ann. Mag. nat. hist, Ser. V, Bd. 6, pag. 205.
') Hicks in Quart. Journ, Geol. Soc. London 1875, 31. Bd., pag. 179 und 180.
128 Dr. Josef Wentzel. 1 2]
Llandeilo, Pembrokeshire
Lower Middle Upper
Didymograptus Murchisoni Beck. . x... . + = =
Asaphus tyrannus Murch. | =: =
Barrandia Cordai M’Coy — — + |
|
Wir wenden uns nun der Betrachtung der Dd,-Fauna zu. Ein
Trilobit, Dalm. Phillipsi Barr., sehr genähert Phacops apieulatus Salt.'),
stellt eine Verbindung zwischen der Dd, und Llandeilofauna her. Ab-
gesehen von riesigen Asaphiden in Dd, (Asaph. ingens Barr.) und in
Llandeilo |Asaph. Powisii Murch.| weiss ieh keine weiteren analogen
oder genäherten Formen anzuführen und wir müssen uns behufs der
Antwort auf die Frage nach der Zugehörigkeit der D—d,-Stufe zum
Llandeilo an die D—d,-Stufe wenden. Hier tritt das Leitfossil für die
Caradoestufe, Trinucleus ornatus Stbg. |=Trin. concentricus Eaton] zum
ersten Male und in solcher Häufigkeit auf, dass man geradezu von
Trin. ornatus-Schichten reden könnte.
Noch auf einen Punkt möchte ich aufmerksam machen. Er betrifft
den geringen Antheil der D—d,-Fauna an der Zahl der mit britischen
Arten vergleichbaren Formen. Dieser Eigenthümlichkeit läuft eine
andere in der Gesteinsbeschaffenheit begründete parallel. D—d,y has
the peeuliar flaky and very fine black shales so characteristie of the
more typical Arenig Rocks of Britain ?2), die Llandeiloversteinerungen
sind vorwiegend an graue, zum Theil kalkige Thonschiefer ?) gebunden,
während quarzitische Sandsteine die D—d,-Stufe auszeichnen.
Fassen wir das über die Stufen D—d, und Dd, Mitgetheilte zu-
sammen, so können wir sagen, die Stufen D—d, und D—d, repräsen-
tiren in ihrer Gesammtheit die Arenig- und Llandeilogruppe oder die
Llandeilogruppe Murchison’s.
Die Stufen Dd,, Dd,, Dd, und die britische Caradoc- oder
Balagruppe.
Die der Dd,- bis Dd,-Stufe und der Caradoegruppe gemeinsamen
oder nächstverwandten Arten sind folgende:
') Barrande, Syst. silur. Vol. I, pag. 88.
?) Marr in Quart. Journ, Geol. Soe London 18°0, 36. Bd., pag. 602.
°) Murchison, Siluria. 1867, pag. 50.
[13] Ueber die Beziehungen der Barrande’schen Etagen C, D und E ete. 129
| Idente oder nächstver- B |
Böhmische Arten aus d,|dy\d, wandte britische Arten 2
aus x
- SL — — a — —_————_—— - o
1. Aeglina armata Barr. —|—|+|| Aegl. armata Barr, . . + Etheridge,l.c.
ag. 407.
9, ” rediviva Barr. |+— +| „ rediviva Barr.. . + R". l. e. pag. 407.
3. Agnostus tardus Barr.
—=Agn. trinodosus Salt. \—|—|+|| Agn. trinodosus Salt. .||+|— 1.c. pag. 40
4. Asaphus nobilis Barr, |+\ ++] Asaph. nobilis Barr. .|+\ — ]. ce. pag. 404.
5. Remopleurides radians
Barr.. ... 2... .|—|—|#|| Remopl. radians Barr. . |-+|| — 1. c. pag. 67.
6. Phillipsinella parabola
BERN, —|—|+| Phill. parabola Barr. . \+|Quart. Journal
7. Trinueleus ornatusStbg. 1885, 41. Bd.,
sp.=Trin. concentricus pag. 481.
Eaton ...... .|+|+|—| Trin. concentricus Eat. |+\ Etheridge,l.c.
8. Trinucleus Bucklandi pag. 69 u. 70.
Barr.. -..... . .|-|—|+| Trin. Bucklandi Barr. |\\+| — 1. c. pag. 410.
9, Diplograpt. pristis His. \—— + Diplogr, pristis His. .|+ Ann. Mag. nat.
hist, Ser. V,
10. Dicellograptus anceps \' b. Bd., pag. 21.
Nich. ........|—|—|+| Dieell. anceps Nich. . . |+|Ibidem pag. 18
ll. Dalmanites Phillipsi und 205.
Burn... el % . —|+!+)| Phacops apieulatus Salt. \+\ Etheridge,l.e.
12. Beyrichia _Bohemica pag. 62.
N, . in 0.; «+41 —|| Beyr. complicata Salt. . |+ — 1. ce. pag. 44.
13. Echinosphaerites con- ||
fortatus Barr.') . . . er +1—)] Echin. aurantium Gyll. |+|— 1. ce. pag. 33.
In obiger Tabelle spielen die Trilobiten die Hauptrolle. Von 66
von Barrande aus den d,—d,-Schichten beschriebenen Arten sind 8,
also ungefähr der achte Theil, mit solchen der Caradoestufe identisch,
ein Resultat , welches schon allein für die Aequivalenz beider Faunen
spricht.
r Bei der grossen Rolle, welche den Trilobiten als Leitfossilien zu-
fällt, sei es mir erlaubt, auf einzelne Arten und Gattungen an dieser
Stelle etwas näher einzugehen.
Was zunächst die Gattung Aeglina Barr. betrifft, so erscheint sie?)
in den d,—d,-Schichten durch 6 und in der Caradoestufe durch 4 Arten
vertreten, oberhalb der genannten Stufen kennt man sie in Böbmen und
England nicht. Zwei gemeinsame Arten verzeichnet die voranstehende
Tabelle, wovon Aegl. rediviva Barr. in Böhmen und England zu den
intermittirenden Arten zu zählen ist.
Auftreten von 4egl. rediviva in
Böhmen | England
a 2 Arenig
| en) BE end Kerle Caradoc
!) Barrande, Syst. sil. vol. VII, 1887, pag. 154.
?) Etheridge, 1. c. pag. 39 und pag. 407.
Jahrbuch der k.k. geol. Reichsanstalt. 1891. 41. Band. 1. Heft. (Josef Wentzel.) 17
130 Dr. Josef Wentzel. 14]
Sie überspringt in Böhmen die d,-Quarzite, in England die
Llandeilostufe. Das Fehlen genannter Species in der d,-Stufe kann dem
gewonnenen Ergebnisse keinen Eintrag thun, weil die Stufen d, und
d, paläontologisch kaum von einander zu trennen sind!) und bei einem
Vergleiche mit der Caradocstufe die Schjehten d;, d, und d, als Ganzes
betrachtet werden müssen.
Die Gattung Agnostus Brongn. geht gleichfalls in Böhmen wie in
England über die Stufe d,, respective Caradoe nicht hinaus. Sie liefert
für die Caradoestufe?) 3 Arten und für die äquivalenten Schichten in
Böhmen eine Art, Agn. tardus Barr, deren Vorkommen Novak) auf
die Stufe d, einschränkt. Etheridge*) betrachtet Agn. tardus Barr.
und Agn. trinodosus Salt. als idente Formen.
Die Gattung Asaphus Brongn. erreicht in England das Maximum
der Entwicklung (8 Arten) im Caradoe °), in Böhmen in der Stufe d, y
(3 Arten). Der einzigen in den d,—d,-Schichten auftretenden Art, Asaph.
nobilis Barr., wurde schon früher gedacht und es bliebe nur zu be-
merken, dass genannte Gattung gleichzeitig mit Aeglina und Agnostus
in Böhmen und Britannien ausstirbt.
Dasselbe gilt von der Gattung FPtemopleurides Portl. In Böhmen
wird sie durch eine Art, Remopl. radians Barr., aus den d,-Schichten
repräsentirt, in England erreicht genannte Gattung im Caradoe °) ihre
höchste verticale Verbreitung und das Maximum der Entwicklung [eine
Art im Llandeilo ?) und 9 Arten im Caradoc, worunter ‚sich Remopl.
radians befindet].
Die Gattung Phillipsinella Nov.®) kennt man nur in einer Art,
Phillips. parabola Barr. sp. Dieser Trilobit kommt in Böhmen aus-
schliesslich in der Abtheilung d, vor und ist in England in der von
Marr°) als „Trinucleus seticornis-Beds“ bezeichneten Schichtengruppe
der Gegend von Haverfordwest entdeckt worden. Er erscheint daselbst
ebenso wie in Böhmen gleichzeitig mit Remopl. radians Barr., Agnostus
trinodosus Salt. und Trin. seticornis var. Bucklandi Barr.
Ein besonderes Interesse verdienen weiter T’rin. ornatus Stbg. sp.
und Trin. Bucklandi Barr. Trin. Bucklandi macht sich in d, durch
häufigere Individuen bemerkbar und die d,- und d,-Schichten weisen
Trin. ornatus wohl in eben solcher Häufigkeit auf wie die Trin. shales
der Caradoestufe, die nach Etheridge!P) mit der böhmischen idente
Art Trin. concentricus Eaton.
') Katzer, Das ältere Paläozoicum in Mittelböhmen. Prag 1888, pag. 16.
?) Etheridge, 1. e. pag. 40 und pag. 404.
°) Novak in Mojsisovies und Neumayr, Beiträge z. Paläontologie Oester-
reich-Ungarns. 1884, III. Bd., pag. 60.
#) Etheridge, |. c. pag. 40.
5) Etheridge, ].c. pag. 42, 43, 404.
*) Etheridge, 1 c. pag. 67 und pag. 410.
’) Etheridge, 1. ce. pag. 410.
®) Novak, Studien an Hypostomen böhmischer Trilobiten. III. Sitzb. d. k. böhm.
Ges. d. Wissensch. 1885, pag. 4.
®») Marr and Roberts, On the Lower Palaeozoics Rocks of the Neighbourhood
of Haverfordwest. Quart. Journ. Geol. Soc. 1885, 41. Bd., pag. 481.
1%, Etheridge, 1. c. pag. 70.
[5
[15] Ueber die Beziehungen der Barrande’schen Etagen ©, D und E ete. 131
Bei den Trilobiten wäre noch hervorzuheben, dass die Gattung
Dionide Barr. in Böhmen und England unter die intermittirenden
Gattungen gehört.
2 M | Böhmen || England]
a ©| 8
rar
»/ [le|als
£ ee
Dionide formosa Barr. . ... .|+ am — ||
5 atra Salt. . 2.2... 11-41 —|—|| Etheridge, |. c. pag. 51.
. Lapworthi R. Eth. . . .\——|—1—1—|+[) — 1. ce. pag. 407.
| „ w.N.e Eth.......l|-[—1-— +! — 1 ce. pag. 407.
Ihr sprungweises Auftreten stimmt völlig mit dem von Aegl.
rediviva Barr. überein.
Wir wenden uns den Graptolithen zu. Sie sind in den d,—d,
Schichten äusserst spärlich vertreten. Marr!) giebt das Vorkommen
von Climacograptus-Formen in D—d, an. „Les schistes de la bande
d,?) nous ont & peine fourni les traces d’une seule forme, indeterminable,
de cette famille.“ Die von Barrande aus den d,-Schiefern erwähnten
Diplograptus teres?) und Dipl. tectus Barr.?) bieten wenig Bemerkens-
werthes, sie wurden bis jetzt ausserhalb Böhmens, ich meine besonders
England #), noch nicht angetroffen. Von grossem Interesse für die Ab-
grenzung der Caradoestufe in Böhmen nach oben hin wird das Er-
scheinen von Diplograptus pristis His. und Dicell. anceps Nich.
Linnarsson?°) hat in einem grauen d,-Schiefer bei Gross-Kuchel Dipl.
pristis und Marr‘) hoch oben in d, bei Königshof Dicellograptus
anceps Nich. angetroffen.
In England kennt man Dipl. pristis und Dicell. anceps nur aus
den Upper-Hartfellschiehten, dem Endgliede der Bala-Caradoegruppe
und Disell. anceps bildet nach Lapworth’) die höchste Graptolithen-
zone im Caradoc von Südwest-Schottland (Moffat und Girvan Series).
Ueber die grosse, an Identität grenzende Verwandtschaft zwischen
Beyr. Bohemica und Beyr. complicata haben wir schon berichtet, genannte
Arten werden durch ihre Häufigkeit zu einem wichtigen Bestandtheile
der d,, respective der Caradocfauna.
Wenn wir noch erwähnen, dass Echinosph. confortatus und Echin.
aurantium von Barrande°) als analoge Formen betrachtet werden,
so sind wir am Schlusse der Erläuterungen zur Eingangs gegebenen
Tabelle angelangt und lassen einige Bemerkungen über den petro-
graphischen Charakter der eben behandelten Schichten folgen.
!) Marr in Quart. Journ. Geol. Soc. 1880, 36. Bd., pag. 603.
?) Barrande, Defense des colonies. IV, 1870, pag. 126.
®) Ebenda, V, 1881, pag. 27.
#) Ann. Mag. nat. hist. Ser. V, Bd. 6, pag. 21 (non Ann. Mag. Ser. V, Bd.5,
pag. 363). i
°) Linnarsson in Zeitschr. d. deutsch. geol. Ges. 1873, 25 Bd., pag. 685.
%) Marr in Quart. Journ. 1880, pag. 619.
) Lapworth in Ann. Mag. nat. hist. Ser. V, Bd. 6, pag. 18, 21, 205.
8) Barrande, Syst. sil. Vol. VII, 1887, pag. 154.
1
132 Dr. Josef Wentzel. [16]
Die Stufe d, zeichnet sich durch gleiehförmig entwickelte, dunkel-
graue bis schwarze, feinglimmerige und dünnblättrige Schiefer aus. Die
Gesteine der Stufe d, sind quarzig-thonige, glimmerige Grauwacken-
schiefer mit eingefügten Schichten einer quarzigen, feinkörnigen oder
quarzitähnlichen Grauwacke. Die Farbe der Schiefer ist meist dunkel-
grau, häufig in’s Bräunliche geneigt ; die quarzitischen Grauwackenschichten
sind heller gefärbt. Die Stufe d, zerfällt in eine Schiefer- und eine
Grauwackenzone. Die Schiefer sind thonig, weich, gelblich oder grünlich-
grau, stellenweise auch dunkelgrau und schwarz gefärbt, wenig glimmer-
haltig. Sie sind in der Litteratur unter dem Namen Königshofer Schiefer
bekannt. Diese Schiefer und diejenigen der Stufe d, erweisen sich
nach Marr?!) den britischen Dala shales als sehr ähnlich.
Wenn im Vorausgehenden von Formen der d,-Stufe gesprochen
wurde, so waren stillschweigend solche der Königshofer Schichten (d, «)
gemeint, denn die Kosower Grauwackensandsteine und Quarzite (d, ß)
führen keine Versteinerungen. Die in der Fauna begründete Aequivalenz
der Caradoestufe mit des d,—d,-Schichten kann auf die Kosower
Schichten nicht ausgedehnt werden. Es besteht eine Unterbrechung in
der Entwicklung der Thierwelt an der Grenze von Unter- und Obersilur.
in Böhmen, welche, wie wir später ausführlicher darthun wolien, in
dieser Form den britischen Silurbildungen fremd ist.
Die Graptolithen der Barrande’schen Etage EZ und ihre
verticale Verbreitung in Britannien.
Die Etage E, die 1. Phase der Barrande’schen III. Fauna ent-
haltend, besteht in scharfem Gegensatze zu der Grauwackenschiefer-
und Quarzitetage D aus vorwaltend kalkigen Gesteinen, so dass hier
die paläontologische Grenze auch mit einer deutlichen Gesteinsgrenze
zusammenfällt. Barrande unterscheidet zwei Stufen. Die tiefere Stufe e,
bilden Graptolithenschiefer mit Einlagerungen von krystallinischen oder
tuffartigen Diabasgesteinen. In den höheren Lagen dieser Schiefer treten
zuerst sporadisch und dann zahlreicher werdend ellipsoidische oder
auch kugelrunde Kalkconeretionen auf, die sich zu eontinuirlichen Reihen
anhäufen und schliesslich in zusammenhängende Kalkbänke übergehen.
Die Stufe e, besteht durchaus aus Kalksteinen. Der Kalkstein ist meist
dunkelgrau, häufig bituminös, ausgezeichnet durch eine überaus reiche
Petrefaktenführung. Was die Fauna betrifft, so ist bemerkenswerth, dass
sich die Zahl der identen Arten in dem Maasse steigert, als wir von
den einzelnen D-Stufen zur Z-Etage aufsteigen und in letzterer Etage
sich so häuft, dass es mir zweekmässig erschien, jede Thiergruppe für
sich zu betrachten.
Wir beginnen mit den Graptolithen und lassen zunächst ein Ver-
zeichniss der von Barrande?) aus # erwähnten Arten mit Rücksicht
auf ihre verticale Verbreitung in Britannien ®) folgen.
5 Maer in Quart. Journ, Geol. Soc. 1830, 36. Bd., pag. 603.
?) Barrande, Graptolites de Bohöme. 1850, pag. 18. Barrande, Defense des
colonies. IV et V.
>) Ann. Mag. nat. hist. Ser. V, Bd. 6, Table X, pag. 16 und Ann. Mag. Ser. V,
Bd. 5, pag. 362, Table VII.
-
[17] Ueber die Beziehungen der Barrande'schen Etagen ©, D und FE ete, 133
7 De 70
| Böhmen England
Birkhill || Gala Wenloe :k |Ludlow|
Arten aus Böhmen eu | & ir 2 Ser,
5 = a E & ns EI Lower
s/ä|8|s|Plles:jee
| N = r
l. Monograptus priodon Bronn. . +|+1|— | —/+|+|l + |—-| —
2 m Bohemicus Barr. + +1-|1-|—-|— | — | — |+| +
3 3 Roemeri Barr. +/+1—|—-|-|1—|—|| — |+| +
4. a colonus Barr. . St een rt +
5 E nuntius Barr. . +|—-|—-|-|—|—|—| ? . —
6. r Halli Barr. . +1-|1—-|—|-|—-|1— ? ?
7 ii Becki Barr. +J—-l-1—-|I+l1r|-| — I—| —
8 A Nüssoni Barır. +) hl |< Hr
$ n chimaera Barr. . +) ? 1-1 - | —-|—- ||. — |? ?
10. ” testis Barr. . +1 —- 1-1 —- | 1 — | + —
ER x spiralis Gein.. +|—|/--!— | ++ | —| — |—|| —
12, ei turrieulatus Barr. .\\+ | —\\— |— | +|+|—|| — |—| —
13, 5 proteus Barr. +11 1 — | --11— | ? || — |— || —
14. $ Sedgwickö Port‘) .| + — | - | —-|+!+1—| — |—| —
15. “ quadrans Barr.?) .\ + —-|— | — | —|— | — | — |—| —
16. ienuissimus Barr 2) +1 -1—-|—-|— || |—| — |—| —
K; Dyplograptus palmeus Barr. +1 —-|1— | - |) ++) —-[| — |\—|| —
18. Dipl. ovatus Barr ?)— Fe, Jen:
Er’ N, +1-1—-|/+|1 +41—|—| — |—|| —
19. Rastrites Linnaei Barr. ale | —
20. a fugax Barr. . +|— | — tz
at: N peregrinus Barr. +1-|—/+|1+[|—|—| — |—|| —
22. ko gemmatus Barr. Ne N RN N
D Retiolites Geinitzianus Barr. + |— | I! +1 + |—I —
33 el ol 2 ejel al 31 ıı vo |
Die voranstehende Tabelle zeigt, dass nur vier Barrande'sche
Arten, Mon. quadrans, tenwissimus, Rastr. Linnaei und gemmatus, dem
britischen Silur völlig fremd sind. Die Lücke, welehe die Rubrik Lower
Birkhill und die geringe Zahl der Formen, welche die Rubriken Middle
Birkhill, Upper Gala und Oyrtogr. Murchisoni-Zone aufweisen, werden
durch Marr’s Untersuchungen ausgefüllt, respective vergrössert, so dass
man behaupten kann, die Z-Schichten umfassen in Bezug auf ihre
Graptolithenführung die Birkhill- und Galastufe, die Oyrtograptus
Murchisoni-Zone (Basis der Wenlockgruppe), die Wenlockschiefer und
Lower-Ludlowstufe.
Es drängt sich nun die Frage auf, ob man diese Stufen in Böhmen
räumlich trennen kann. Eine Antwort auf diese Frage scheinen die
Untersuchungen Marr’s*) zu sein. Er gliedert die Ze,-Stufe von unten
nach oben in folgenden Zonen: 1. Diplograptuszone, 2. Priodonzone und
3. Colonuszone.
1) Barrande, Defense des colonies. V, pag. 37.
?) Ebenda, IV, pag. 25. \
») Ebenda. V, pag. 25.
*) Marr in Quart. Journ. Geol. Soc. 1880, 36. Bd., pag. 608.
c
134 Dr. Josef Wentzel. [18]
Die unterste oder Diplograptuszone besteht aus schwarzem Schiefer
(mudstones), dem Birkhillschiefer Schottlands vollkommen ähnlich.
Folgende Species gehören dieser Zone an. !)
1 Birknilı Gala
Lower | Middle ie! | Bower er | Upper
1. Monograptus eyphus Lapw.. . .»....| — + + — —
2. 2 Becki Barr. 2 -_ + -
| 3 5 tenuis Portl. + + + .-
4. " proteus- Baar... 227: Ba > -- _ — ?
5. F Sedgwicki Portl. . — _ + + _
6. . triangulatus Harkn. = + _ _ —
A turrieulatus Barr. = _ + + _
8. Rastr ites peregrinus Barr, _ + + — —_
9. Linnaei Barr. we: — — — - —
10. Diplogr Aptus folmm Eis... 2. » E + + _ —
2: nf tamariscus Nich, — Eu -+ _ —
12. Climacograptus scalaris His. var.
NOTMAUSEEAA TA 2 WE TA. + -+ + + —
9... 2 ae
Marr ist noch um einen Schritt weiter gegangen. Er hat die
Möglichkeit eröffnet, die Diplograptuszone in eine Reihe von Subzonen
zu zerlegen. Die unterste derselben soll durch ein massenhaftes Auf-
treten von Kastrites peregrinus und Olimacagr. scalaris ausgezeichnet
sein, eine andere, hoch oben gelegene, Monogr. turriculatus Barr., in
ungewöhnlicher Anzahl führen. Die Priodonzone, aus weicherem (flaggy)
Schiefer , stellenweise auftretenden Kalkeoneretionen und Kalkbänken
bestehend, wird charakterisirt durch ?):
| Gala | Wenlock
| 77 | R re
Zone mit
Ä Wenlock
Tower |Umper | yarstr,; | "aha
l. Monograptus priodon BroNN. N HH IE + -F + —
a ® vomerinus Nich.. . .» ...| — + + +
3. Cyrtograptus Murchisoni Carr... . . .|| — —_ + == |
4. Retiolites Geinitzianus Barr. — -r 4- —
| 12073 4 1 |
Die Colonuszone, eine aus sandigen, rostbraunen, im angewitterten
Zustande bräunlich-gelben Schiefer und Kalkellipsoiden , welche nach
oben in dünn geschichtete Kalksteine übergehen, bestehende Schicht
enthält nach Marr°) folgende Graptolithen:
!) Marr in Quart. Journ. 1880, pag. 603 und 604.
?) Marr ibid., 36. Bd., pag. 604.
’), Marr ibid., pag. 605.
[19] Ueber die Beziehungen der Barrande'schen Etagen €, D und E ete. 135
Wenlock Ludlow |
KETTE EEE
Murchisoni- Ne; rem Lower
| Zone BRRISR
l. Monograptus colonus Barr. . . 2.2.2... _ + +
2, " Bohemicus Barr. . x 2... _ + +
3. r Baar HOrr.., 0.5 rl — + m
4. = Flemingii Sai? . x. ce... + + —
5. z testis Barr. mar -- + —
1 d 3
Zwischen der I. und II. Zone ist keine trennende Schicht nach-
weisbar, zwischen der II. und III. Zone schieben sich Kaiksteine mit
Cardiola interrupta, Orthoceras ete. ein. Kebren wir nach diesem
kurzen Berichte über die Marr’schen Untersuchungen zur ursprüng-
lichen Frage zurück.
Unter den 12 Arten der Diplograptuszone kommen 2 in den
untern, 7 in den mittleren, 9 in den oberen Birkhillschichten und 4 in
der Lower Galastufe vor. Zonen bildend treten auf: Monogr. triangu-
latus Harkn. im Middle Birkhill und Mon. Sedgwicki Portl. [= Mon.
spinigerus Nich.] im Upper Birkhill. Olimacagr. scalaris var. normalıs,
obwohl durch die ganze Birkhillstufe verbreitet, erscheint in grosser
Häufigkeit nur im Lower Birkhill als bezeichnend für die Zone mit
Diplogr. acuminatus Nich.!), so dass an eine Vertretung der Lower
Birkhillsebiehten durch die unterste Subzone Mar r’s gedacht werden kann.
Mon. turriculatus Barr. wird von Lapworth?) als typisch für
die Zone mit Mon. exiguus Nich., dem Repräsentanten der Lower
Galastufe Südschottlands, genannt und von Tullberg?°) zu einer Zone
bildenden Form erhoben. Genannte Species charakterisirt durch ihre
Häufigkeit die oberste Abtheilung der Diplograptuszone. Nach diesen
Auseinandersetzungen wäre an einer Aequivalenz der Diplograptuszone
mit den Birkhillschichten mehr Lower Galastufe nieht zu zweifeln und
die Grenze zwischen Birkhill und Gala unterhalb der Subzone mit
Mon. turriculatus gelegen. Die Priodonzone enthält 4 Arten, welche
sämmtlich in der Zone mit Cyrt. Murchisoni auftreten; diese Zone
leitet die Wenlockstufe ein. Typische Upper Galaformen fehlen. Die
Colonuszone wäre, wegen des Auftretens von Mon. testis, dem Wenlock-
schiefer zuzuzählen. Mit typischen Ludlowformen hat uns Marr nicht
bekannt gemacht. Halten wir uns streng an die Thatsachen, wie sie
uns Marr an die Hand giebt, so können wir in Böhmen die Birkhill-,
Lower Gala- und Wenlockstufe (Zone mit Cyrt. Murchisoni und Wen-
lock Shales) räumlich gut unterscheiden, aber seine Untersuchungen
stehen in einigen Punkten mit denjenigen Barrande's, Lapworth'sete.
in offenem Widerspruche.
Marr hat das Vorkommen von Graptolitben in He, gar nicht
berücksiehtigt. Barrande erwähnt folgende Arten:
1) Lapworth in Ann. Mag. Ser. V, Bd. 6, 1880, pag. 199.
®2) Lapworth ibid. pag. 200.
®) Tullberg in Zeitschr. d. deutsch. geol. Ges. 1883, 35. Bd. Tabelle zu pag. 259.
156 Dr. Josef Wentzel. [20]
| Böhmen | England |
| Gala || Wenlock ||Ludlow
:
e & 2o© Ep
Lower | Upper | 38 Ss ||Lower
SS Sc
3
un A F
1. Monograptus priodon Bronn. +|+ + + + in 22
D) e Bohemieus Barr..\ + | + | — —_— 1 — + +
3. . Roemeri Barr. +|+| — re + En
4. x colonus Barr.. .| + | + | — == — + +
d. f Nilssoni Barr. +|/ +) — _ — n_ eu
6 5 Chimaera Barr. .\ + | ? _ — _ ? ?
EI CIE TE
Die Differenz der Graptolithenfauna von e, und e, erweist sich
mehr von quantitativer als qualitativer Natur, indem die in e, auf-
tretenden Arten alle schon in e, vorkommen, aber in e, ebenso vereinzelt
sind wie sie in e, in erstaunlicher Menge auftreten. Dagegen fehlen
der & Stufe die Rastriten, Diplograptitiden, Retioliten und eine Anzahl
stark gekrümmter Monograptiden, z. B. turriculatus, spiralis, Proteus,
triangulatus. Die übrigen der e,-Stufe eigenthümlichen Arten können
leicht aus der eingangs gegebenen Tabelle entnommen werden.
Weiter hat ‘Marr das Auftreten von Mon. Nelssoni Barr. und
Mon. spiralis Gein. in der e,-Stufe übersehen. Die Zone mit Monogr.
spiralis rechnet Tullberg') der Upper Galastufe zu und die Zone
mit Mon. Nilsson‘ gehört in Britannien der Lower Ludlowstufe an, sie
ist die höchste (20.), von Lapworth?) im britischen Silur aufgestellte
Zone. Durch das Auftreten genannter zwei Graptolitlien erscheint das
Vorhandensein dieser beiden Stufen in e, gesichert.
Barrande:°) bildet unter Mon. Nilssoni zwei verschiedene Formen
ab. Fig. 16, Pl. UI, genügt allein seiner Diagnose, Fig. 17, Pl. IL, muss
nach Lapworth’s Graptolithenstudien *) Mon. gregarius Lapw. zu-
gezählt werden. Beide Species finden sich auf demselben Handstücke.
Zur Würdigung dieser Thatsache verweise ich auf einen Ausspruch
von Lapworth®): „The zones of... . Monograptus gregarius (12)
and Monograptus Nilssoni (20) are of such paramount consequence,
whether we consider the thiekness of their included strata in Britain,
or the great variety and wide geographical range of their distinetive
faunas, that they deserve rather the titles of subformations.* Die Zone
mit Mon. gregarius gehört in Britannien dem Llandovery (Middle Birk-
hill) an.
Mon. spiralis habe ich bei Konieprus mit Typen der Oyrtogr.
Murchisoni-Zone wie Mon. vomerinus, Retiolites Geinitzianus, bei Malkow
mit Zastrites peregrinus (Subzone der Gregariuszone °) vergesellschaftet
angetroffen.
!) Tullberg, 1. c., pag. 236.
?2) Lapworth in Ann. Mag. nat. hist. Ser. V, Bd. 6, pag. 204.
®) Barrande, Graptolites de Bohöme. Prague 1850, pag. 51, Pl. II, Fig. 16 u. 17.
*) Lapworth in Geological Magazine. New Series, Dee. II, Vol. III, 1876, pag. 316.
5) Lapworth in Ann. Mag. nat. hist. Ser. V, Bd. 6, pag. 202.
°) Lapworth in Ann. Mag. Ser. V, Bd.6, pag. 199.
a Q
[21] Ueber die Beziehungen der Barrande’schen Etagen C, D und E ete, 137
Marr behauptet, Mon. Bohemicus und Mon. Roemeri treten nur
in den obersten Kalkschichten von e, auf, während Barrande beide
Arten ausdrücklich aus den Schiefern der Basis von e, anführt.
Weiter sollen die drei Marr’schen Graptolithenzonen untereinander
nicht eine einzige gemeinsame Species aufweisen und doch geht Mon.
priodon durch e, und erscheint mit Mon. colonus in e,, was sich nicht
gut mit der Unterscheidung einer Priodonzone (Mitte) und Colonuszone
(Spitze) in der Ze,-Stufe zusammenreimt.
Die Colonuszone [= Zone mit Mon. testis Barr.] schliesst nach
Marr die Ze,-Stufe ab. Ueber der Zone mit Mon. testis folgt nach
Lapworth?) die Zone mit Mon. Nilsson‘. Wir hätten demnach in
Böhmen nur in Ze, Mon. Nilsson‘ zu erwarten. Nun begegnet man
aber dieser Form schon in den Ee,-Schiefern ?), und zwar viel häufiger
als in den Kalken.
Stache:°) erwähnt, dass auf den Flächen der Graptolithenschiefer
am ÖOsternigberge in Kärnten zugleich mit Diplogr. folium mehrere
Stücke von Mon. Proteus und Mon. triangulatus, zahlreiche Stücke von
Mon. Nelssoni und Spuren von Rastriten erscheinen. Eine zweite häufige
Form der Gruppirung ist die von Mon. Nilssoni mit triangulatus-Formen
und Rastriten.
In den unteren Graptolithenschichten des Fichtelgebirges *) er-
scheint Mon. Nilsson! im Vereine mit Rastriten und Diplograptiden,
in den oberen Graptolithenschichten tritt diese Lower Ludlowform
nicht auf.
In Schiste ampeliteux von Anjou und der südlichen Bretagne sind
bekannt 5): Diplogr. folium, Mon. Becki, Mon. colonus, Mon. Nilssont,
Mon. spiralis;, in den darüber liegenden Calcaire ampeliteux: Mon.
Becki, Mon. Bohemicus, Mon. priodon.
Wir bemerken, dass in all den genannten Gebieten Mon. Nilssoni
in Gesellschaft von Vertretern der Birkhillstufe erscheint, gerade so
wie in Böhmen.
Nach den vorangehenden Erörterungen stehen die auf die Marr-
schen Graptolithenzonen in Ze, basirten Grenzen zwischen Llandovery °)
und Tarannon [unterhalb der Subzone mit Mon. turriculatus |, Tarannon
und Wenlock [unterhalb der Priodonzone] auf schwachen Füssen, weil
Mon. Nilsson! in Böhmen mit typischen Birkhill- und Mon. spiralis
mit Birkhill und Wenlockformen auf demselben Handstücke vergesell-
schaftet angetroffen worden ist.
t) Lapworth in Ann. Mag. nat. hist. Ser. V, Bd. 6, pag. 204.
?) Barrande, Graptolites de Boh&me. 1850, pag. 52.
®) Stache, Der Graptolithenschiefer am Osternigberge in Kärnten. Jahrb. d.
k. k. geolog. Reichsanstalt. 1873, XXIII. Bd., pag. 238.
#) Gümbel, Geognostische Beschreibung des Fichtelgebirges. 1879, pag. 450.
5) Tromelin et Lebesconte, Catalogue Silurian Foss. 1875 (Congres de
Nantes), pag. 50 u. 52.
°) Lapworth in Ann. Mag. nat. hist. Ser. V, Bd. 6, pag. 16, hat folgende
Parallelen aufgestellt: Llandovery = Birkhill, Tarannon — Gala. Früher in Ann. Mag.
Ser. V, l’d. 5, pag. 364: Birkhill = Lower Llandovery, Lower Gala (= Gala Group) = Upper
Llandovery, Upper Gala — Tarannon. Tullberg in Zeitschr. d. deutsch. geol. Gesellsch.
1883, pag. 236 folgt der Gleichung Upper Gala = Tarannon.
Jahrbuch der k. k. geol. Reichsanstalt. 1891. 41. Band. 1. Heft. (Josef Wentzel.) 18
155 Dr. Josef Wentzel. 122]
Bekamntlich finden sich alle Graptolithen der Z-Etage schon in
der Ee,-Stufe vor. Sie repräsentiren hier durch nachfolgende typische
Arten Llandovery-Tarannon, Wenlock [Murchisonizone + Wenlock Shale]
und Lower Ludlow.
Graptolithenzonen, aufgestellt von
Lapworth und Tullberg Vertreten in Böhmen durch
Llandovery - Tarannon
a) Birkhill.
Zone mit Diplograptus acuminatus
Nach... ee ICHmacognmscalanası Kris:
ver. normalis . . . . . || Tiefste Zone im Lower
Birkhill.')
Zone mit Mon. gregarius Lapı. | Mon. gregarius Lapw.. .|| Middle Birkhiıl.
an „ spinigerus Nich. . „ spinigerus Nich, —
Sedgwicki Portl.. . . .\ Upper Birkhill.
b) Gala. x =
Zone mit Mon. turriculatus Barr. || Mon. turriculatus Barr. . || Lower Gala.
nn m spiralis Gein. . .| „ spiralis Gein.. . .|| Upper. Gala.
Wenlock.
Zone mit Cyrt. Murchisoni Carr. | Oyrt. Murchisoni Carr. . || Basis d.Wenlockstufe.
» » Mon. testis Barr. . . Mon. testis Barr.. . . . |Höchste Zone im
Aequivalent der
Lower Ludlow. Wenlockschiefer.?)
Zone mit Mon. Nilssoni Barr. . Mon. Nilssoni Barr.
Das Auftreten der Graptolithen in der Ze,-Stufe ist kein gleich-
mässiges. Barrande:) berichtet, dass alle #-Graptolithen ohne Aus-
nahme in der mit den Diabasen wechsellagernden Schiefermasse (X e,)
auftreten, und 14 von 20 Arten sich nicht über diesen Schieferhorizont
erheben, nur 6 gehen in die unmittelbar darüber liegenden #e,-Kalke
über, welehe Formen er auch später in Ze, nachgewiesen hat.
In dieser Schiefermasse erscheint also Llandovery-Tarannon,
Wenlock und Lower Ludlow zusammengedrängt. Nun steht aber der
Dicke t) der Birkhill- (33 Meter) und Galastufe (3333 Meter) zusammen,
d. i. 3366 Meter, nur die mittlere Dicke von 60 Meter der ganzen Ee,-
Stufe gegenüber, d. i. ungefähr der 50. Theil, welches Verhältniss sich
noch ungünstiger gestalten würde, wollte man noch die Wenlock und
Lower Ludlowstufe in die Rechnung einbeziehen und dem Umstande
gerecht werden, dass die Schiefermasse doch nur einen Bruchtheil der
Ee,-Stufe ausmacht.
Wir sehen also, die Fauna der Graptolithenschiefer ist eine so
stark eondensirte, dass eine Mischung von Formen heterogener Stufen,
wie Mon. Nilssoni mit Mon. gregarius, Mon. spiralis mit KRastrites
peregrinus, Mon. spiralis mit Typen der Murchisoni-Zone ete. verständ-
1) Lapworth in Ann. Mag. nat. hist. Ser. V, Bd. 6, pag. 199 u. 205.
®) Lapworth in Ann. Mag. Ser. V, Bd. 6, pag. 201 und Ann. Mag. Ser. V,
Bd. 5, pag. 59.
») Barrande, Graptolites de Boh@me. 1850, pag. 19.
#) Barrande, Defense des Colonies. V, 1881, pag. 66.
ee.
[23] Ueber die Beziehungen der Barrande'schen Etagen €, D und E ete, 139
lieh wird und eine räumliche Trennung der einzelnen Stufen nicht er-
wartet werden kann.
Die Graptolithenfauna der Ze,-Schichten stellt sich nach den
Untersuchungen Barrande’s nur als eine Fortsetzung der Graptolithen-
fauna der Ze,-Kalke dar. Keine neuen Formen kommen hinzu, so dass
man sagen kann, die ganze #-Etage umfasst in Bezug auf ihren Inhalt
an Graptolithen die Schichten Llandovery-Tarannon, Wenlock (Murchisoni-
Zone, Wenlock Shale) und Lower Ludlow.
Die stratigraphische Grenze zwischen Ze, und Ze, deekt sich mit
keiner Grenze der im britischen Silur unterschiedenen Stufen, denn die
Ee,-Graptolithen erscheinen in Britannien in der Birkhill-, Gala-, Wenlock-
und Lower Ludlowstufe, die Ze,-Graptolithen in denselben Stufen, aus-
genommen die Birkhillstufe. -
In Britannien verbreiten sich die Graptolithen vom Caradoc auf-
wärts im Llandovery, Tarannon, Basis der Wenlockgruppe (Murchisoni-
Zone), Wenlock Shale und Lower Ludlow. Im Wenlock-Limestone,
Aymestry-Limestone und Upper Ludlow sind Graptolithen eine unbe-
kannte Erscheinung), daher uns auch die Graptolithen über die
Vertretung dieser Stufen in ausserbritischen Gegenden keinen Aufschluss
geben können. In Böhmen kennt man Graptolithen nicht nur aus Ze,
und #e,, sondern colonusartige Formen reichen bis in die Stufe Z—f..
Eine Musterung der Z,-Cephalopoden wird uns später zu dem Ergebniss
führen, dass in der Z-Etage nicht nur die durch Graptolithen fixirten
Stufen, sondern die ganze Wenlock- und Ludlowgruppe [bis Upper
Ludlow inel.] vertreten erscheinen, was, auf unseren Fall angewendet,
besagt, die Graptolithen steigen in Böhmen in viel höhere Horizonte
hinauf als in England.
Ueber die dem böhmischen und britischen Silur gemein-
samen Cephalopodenarten.
In der 1870 publieirten Barrande’schen Arbeit „Distribution
des Cephalopodes dans les contrees siluriennes“ 2) werden nur Ortho-
ceras annulatum Sow. und Oyrtoceras Forbesi Barr. als den böhmischen
und britischen Silurbildungen gemeinsame Arten bekannt gemacht.
Barrande unterschied damals in allen seinen Etagen zusammen
979 Cephalopodenformen. Ganz anders gestaltet sich das Verhältniss
nach Etheridge’s Fossils of the British Islands (1888). Die Zahl
der gemeinsamen Formen erreicht die nicht unbeträchtliche Höhe von 24;
Cyrtoceras Forbesi wird von Etheridge nicht erwähnt. Wir lassen
ein Verzeichniss dieser Arten nebst Angabe ihrer verticalen Verbreitung
in Böhmen und Britannien folgen.
') Etheridge (Fossils of the British Islands, pag. 397) führt Thamnograptus
Seoticus Lapw. aus dem Aymestry Limestone an. Cyrt. Linnarssoni Lapw.wird irr-
thümlich im Wenlockkalke statt im Wenlockschiefer auftretend angeführt. (Etheridge
l. c. pag. 392 und Ann. Mag. nat. hist. Ser. V, Bd. 5, pag. 158.)
?2) Barrande, Extrait du Syst. silur. du centre de la Boh&me. Vol. II, 1870,
pag. 331 u. 123.
18*
140 Dr. Josef Wentzel. [24]
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|
Böhmen Britannien
5 SE: si BE = e =
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ISEIEIEIESIEIEIEIF
ki 1 al ala 83a ala] RA E
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| SENGSEEIESE
sd z AlaPIs
1. Ascoceras Bohemieum Barr. . \——+\—|— —— EHFERPEREN|
| 2. Cyrioceras contrarium Barr. | — + 1-14) +] —/ ||]
3 4 cornieulum Barr. -—|+]—-|—|—i— —— — ++] — [|
| 4. ba FfortiuseulumBarr. \— + —|—|— —1— —|— 14/1 ——
5. x plebeium Barr. +++ 1111111411111
6. E Uranus Barr. . . \— + — 4, — +4.
7. Gomphoceras amygdala Barr. \-—+—— ———1— +14] — — —|—
8. i gratum Barr. . \\— — + ——1-—— —--— 14/11
0, Nautilus Bohemicus Barr. -—+-— 1 ——[—4+/+/ 4
10. Orthoceras adornatum Barr. -— ———+l-— — ———— ——— +
ı1. ku annulatum Sow. . | — + +1--— — 1 — +++ +14 +41
12. 5 areonosum Barr. \-— + — —— 1 —— — +. — = ee
18, hr argus Barr. [++ — 4/14 — +1
14. 2 Bacchus Barr. .\— — + +1 — — — + +!4414+1-1—
15. = Duponti Barr. .— ++ — 1-1 - — +— 2 — [Es
16. » originale Barr. „|++\++— ——-|—1—|—|+— ur BEN N.
17. “ Saturni Barr. .\+—+--—-4141 14/4 ||
18. e truncatum Barr. +++ — 1 — — 1411 — 141
19. 5 striatopunetatum
Münst. u
20. A subannulare
Münst.. . . . + +++ +--14— — — 1-1 —1— 1-1
al: = Phragmoceras im- |
bricatum Barr. \—|+|— are mw —+/——1— |||
22. Trochoceras arietinum Barr. \—\—+— — ||| 111 — | —|4— 1 —
23. E rapax Barr. . . \——+ _—
24. 2 speciosum Barr. | —\+\— —|—-—|—|—1—1+ ++] ||
Zusammen |5 |10|19|2]2|2]3|1|1|2 11] 91142710 ||1
—_- | |
| 22. | h 2 | 15 17 | F
Aus dieser Zusammenstellung ist zu ersehen, dass 22 von 24 Arten
in der Etage X erscheinen, 19 davon auf dieselbe beschränkt bleiben
und nur 3 Arten, Orth. originale |von E nach F'f,], Orth. subannulare
[von E nach Ff, und Ff,] und Orth. Bacchus [von E nach @g, | höher
hinaufsteigen. Höhere Stufen als Z charakterisiren Orth. adornatum
/@g,/ und Orth. argus [F f,]. Betrachtet man die Barrande’schen Co-
lonien als ein in Dd, eingefaltetes Ze,, so geht keine mit Britannien
gemeinsame Cephalopodenart in Böhmen unter die E-Etage herab.
Andererseits finden sich von den genannten 24 böhmischen Arten
3 Species im Caradoc, 2 im Llandovery, 15 im Wenlock [Woolhope
Limestone — Wenlock Limestone|, 17 im Ludlow [Lower Ludlow —
Upper Ludlow) und 1 Species im Devon Englands.
Von 22 Formen der Z-Etage entfallen 2 auf Caradoec, 2 auf
Llandovery, 14 auf Wenlock und 16 auf Ludlow.
Die im Caradoc erscheinenden Orth. Saturn? und Orth. subannulare
sind Beispiele des früheren Auftretens in England als in Böhmen, wie
l
|
y
|
|
[25] Ueber die Beziehungen der Barrande’schen Etagen (€, D und E etc. 141
Agnostus perrugatus und Asaphus nobilis Belege für ein früheres Auf-
tauchen in Böhmen als in England abgeben. Bei Orth. argus ist die
zeitliche Differenz des ersten Erscheinens |/"f,, Caradoe] in genannten
Ländern besonders auffällig. Bemerkenswerth wäre noch die verschieden
begrenzte verticale Verbreitung von Orth. argus und Orth. subannulare
in Böhmen und Britannien. Wie ein Blick auf die Tabelle lehrt, er-
gänzen sich hierin beide Formen.
Aus der Llandover-Gruppe sind bekannt Orth. Saturnd und Orth.
annulatum. Sie besitzen in Britannien eine sehr weite verticale Ver-
breitung und vermögen zur Vertretung dieser Gruppe in Böhmen, welche
fast ausschliesslich durch Graptolithen erfolgt, wenig beizutragen.
Wir wenden uns der Vertheilung der Cephalopoden der Wenlock-
und Ludlow-Gruppe auf die Stufen Ze, und Ze, zu.
Was den Woolhope-Kalk betrifft, so ist dessen Cephalopodenfauna
eine sehr arme. Etheridge erwähnt nur 4 Genera mit 7 Arten, wovon
| d, col. e, | e, |
1. Orthoe. annulatum Sow.
er Fruncatum Barr. ... ae
E
ab
2
in Böhmen in beigefügten Horizonten auftreten. In Procenten ausge-
drückt, entfallen 23°5 Procent der Woolhope-Kalk-Cephalopodenfauna
auf Ze, und 28°5 Procent der Woolhope-Kalk-Cephalopodenfauna auf He,.
Die Wenlockschiefer besitzen 7 Gattungen mit 39 Arten, unter
diesen begegnet man 11 böhmischen, und zwar:
d, col. | | © Jı RR | 9 |
Pi. Cyrtoceras eontrarium Barr. . .| — —_ + — == EM
2» cornieulum Barr. . .| — = 4 Pre 24 u
3 Nautilus Bohemicus Barr. .. .| — — + — —
4. Orthoceras annulatum Sow.. . .| — + ae ir en >
5. . areonosum Barr. . .| — -_ = . na er
6. ” argus Bart. - ...| — —_ __ 2 a ei
£ ” Bacchus Barr. ....| — _ + > an 4
8. a Duponti Barr. I en + + —_ —
% x originale Barr. . . ., + u + + — —
10. Trochoceras rapax Barr, . .| — = —- — = er
- N speciosum Barr. — = ee: 71 -
1 | 3 107, 2 | (|
In Procenten der Wenlockschiefer-Cephalopodenfauna ausgedrückt,
erscheinen in der e,-, respective e,-Stufe 7'6 Procent, 25°6 Procent.
Im Wenlock-Kalke verbreiten sich die Cephalopoden mit 36 Arten
in 8 Gattungen. Hievon zeigen sich in Böhmen
142 Dr. Josef Wentzel. [26]
d, col. | e, | & | 9
1. Cyrtoceras contrarium Barr.. . . . .....| — — + | —
R. a cormieulum Berr. . 2.2019, Zee + —
'3 & Mebeium: Baxe.i. zu Inals ae Sir + + | —
4. Gomphoceras amygdala Barr. ; NE — + —
DeNausstus Bohemicus Bart... u v2 Sum = >= + ==
6. Orthoceras annulatum Sow. » » 2» 2 2 2 2... — 4 + —
- 5 Bacch us. Barr., hl Bitte Auer — — + +
8. Phragmoceras imbricatum Barr. . 2» 2.2... == + En =
9, Trochoceras speciosum Barr,.: ».: » sa .-mol. — —_ + —
1 3 8 | l |
In Procenten der Wenlockkalk - Cephalopodenfauna ausgedrückt
erscheinen in der e,-, respective e;-Stufe 8°3 Procent, 222 Procent.
Im britischen Obersilur weisen die Lower Ludlowschichten den
grössten Cephalopodenreichthum, 11 Gattungen mit 61 Arten, auf. Als
gemeinsam mit Böhmen sind zu nennen:
d, col. | e, [23
1. Cyrtoceras fortiusculum Barr. —_ E —
r a Uranus Bert... » = = =
3. @omphoceras amygdala Barr. . — — +
4. " gratum Barr. . — = ==
5. Nautilus Bohemicus Barr. — = +
6. Orthoceras annulatum Sow. . — + +
{Le 5 argus Barr. = <= —_
8. " Bacchus Barr. — — +
9. 5 Duponti Barr. = + ==
10. h, originale Barr. . + + =
11. i Saturni Barr. 5 + _ +
12. Trochoceras arietinum Barr. . — = I
13. = rapax Barr.. . . .| — — -F
14. 3 speciosum Barr. . .| — — 3
2 5 1l
In Procenten ausgedrückt 8'2 Procent, 18 Procent.
Aus dem Aymestry-Kalke kennt man 3 Gattungen mit 9 Species,
davon gehören Böhmen an:
| a |. |
a
|1. Orthoceras Bacchus Barr. . . . | _ | %2 | re | +
N r Saturni Barr. . 2. . F + es + P?
| l
l | 0 | 2
In Procenten ausgedrückt 0 Procent, 222 Procent.
Im Upper Ludlow wächst die Zahl der Cephalopoden auf 7 Gat-
tungen mit 40 Arten an, wovon 7 in Böhmen angetroffen werden,
und zwar:
Anmerkung. Diese Tabellen wurden nach Etheridge, Fossils of the British
Islands. Vol. I, Oxford 1888 und Barrande, Distribution des Cephalopodes dans les
contr6es siluriennes. Extrait du Syst. sil. du centre de la Boh@me. Vol. II, 1870, angefertigt.
WER
=
[27] Ueber die Beziehungen der Barrande’schen Etagen C, D und # ete., 143
Ken u 2 | Sr 9 |
1. Ascoceras Bohemicum Barr. -— + nr — —
2. Cyrtoceras Uranus Barr. + - — _ |
3. Orthoceras annulatum Sow. + + = _
4. 2 areonosum Barr. . . . — + — u
5. - Beam Bürf.: 368 °.229% _ — + —
6. > Bacchus Barı. ... — + — +
| 1 E eiristopundialtem '. sa) STE ea se Dre le =
RENT, Hr oz Droe VE Er zn | 5 | l | 1
In Procenten ausgedrückt 7’5 Procent, 12:5 Procent.
Im Tilestone- und Passagebeds wurde von Cephalopoden bisher nur
Orthoceras cochleatum Schloth., eine in Böhmen unbekannte Form,
gefunden.
Stellen wir die Procentsätze, mit welchen die Cephalopoden der
einzelnen Wenlock- und Ludlowhorizonte in den Stufen Ze, und E,
vertreten erscheinen, übersichtlich zusammen,
| ce; | & |
Wenlock-Gruppe. | |
Belimeasime , . x. 2: 2 en. 28:5 Procent | 28:5 Procent
EI ae en ee Gr En Er vB 6,
alone en nen | 83 e 22 „
Ludlow-Gruppe
ee nn Sri, ur ta Haile Be 18 u
Bes Tamestone (.) = = ta one ie nu 0075 228
LI a a N u er u a8, = 12°5
so springen zunächst die zahlreicheren Berührungspunkte der #e,-Stufe
gegenüber der Ze,-Stufe zu den Wenlock- und Ludlowschichten in die
Augen. Dieses Resultat muss im Zusainmenhange mit einer anderen,
aus der Tabelle ableitbaren Thatsache betrachtet werden. Die Wenlock-
schiefer zeigen eine grössere Verwandtschaft zu e, als die Upper Ludlow-
stufe, welche nicht auf Rechnung ihres verschiedenen Cephalopoden-
reichthums zu setzen ist, denn im Wenlockschiefer kommen 39, im
Upper Ludlow 40 Arten vor, sondern mit Rücksicht auf die für Ze,
gleichen Zahlen [76 Procent und 7°5 Procent] den Ausdruck der That-
sache bildet, dass in der Ze,- wie in der Ze,-Stufe eine innige Ver-
mengung von Wenlock- und Ludlowformen sich vollzieht, so dass man
nicht sagen kann, wo beide Gruppen sich abgrenzen. Die grössere
Uebereinstimmung der einzelnen Wenlock- und Ludlowstufen mit der
Ee,-Stufe erklärt sich aus dem grösseren Cephalopodenreichthume
dieser böhmischen Stufe. Barrande!) beschreibt aus Ze, 777 und
aus Ze, nur 162 Arten.
Noch klarer ergiebt sich der Schluss, es vollziehe sich sowohl in
der Ee,- wie in der Ze,-Stufe eine Mischung von Wenlock- und Ludlow-
ı) Barrande, Extraits du Syst. sil. Vol. I, Texte V, 1877, pag. 164.
144 Dr. Josef Wentzel. [28]
formen, aus der nächsten Betrachtung. Folgende auf die Stufe Ze,
beschränkt bleibende Arten treten in England in beigefügten Hori-
zonten auf.
| ö Wenlock Lower Upper
| #eArten Limestone Ludlow Ludlow
Cyrtoceras fortiusculum Barr. . .. — + —
n Uranus Barr. ER EA _ + SE
Phragmoceras imbricatum Barr... . . + — — |
Andere in Böhmen auf Ze, beschränkt bleibende Arten verbreiten
sich in England auf folgende Stufen:
Wenlock Wenlock
Ee,- Arten Shale Limestone
Lower Upper
Ludlow Ludlow
Ascoceras Bohemiecum Barr. .
Cyrtoceras contrarium Barr.
= corniculum Barr.
Gomphoceras gratum Barr. .
Trochoceras arietinum Barr.
Gomphoceras amygdala Barr. .
Nautilus Bohemicus Barr.
Orthoceras areonosum Barr.
Trochoceras rapax Barr. .
» speciosum Barr.
+44++ 1 I I4+ |
+++ I4+|
++ l444+ I |
|
Wir sehen in dem Umstande, dass Ze,-Formen in Britannien
auf Wenlock-Limestone, oder Lower Ludlow, oder Lower und Upper
Ludlow beschränkt auftreten, Ze,-Formen Wenlock-Shale und Wenlock-
Limestone, Lower Ludlow oder Upper Ludlow auszeichnen oder von
Wenlock-Shale bis Lower Ludlow, beziehungsweise Upper Ludlow auf-
steigen, den besten Beweis, dass in der Z-Etage die Wenlock- von der
Ludlowgruppe sich nicht sondern lässt.
Das gewonnene Bild lässt sich durch eine Aufzählung von Arten,
welche in Böhmen sowohl in Ze, als in Ze, erscheinen, dagegen in
England nur eine Stufe kennzeichnen, vervollständigen. Diese Arten sind:
| d, Woolhope | Wenlock Upper
col., °ı | @ || Limestone | Limestone | Ludlow
Cyrtoceras plebeium Barr. . .. .|+/+'+ — u =
Orthoceras truncatum Barr. . . .\+|+|\+ + De En
sa striatopunetatum Münst. . | — | +|+ — 2 JE |
Es braucht wohl nicht ausdrücklieh hervorgehoben zu werden,
dass unter solehen Umständen von einer Abgrenzung der Unterabthei-
lungen der Wenlock- und Ludlow-Gruppe in der #-Etage nicht die
Rede sein kann. Es schwanken, wenn wir vom Woolhope-Kalke ab-
sehen, dessen Cephalopodenfauna sich gleichmässig |28°5 Procent| über
Ee, und Ze, vertheilt und beachten, dass Orth. Saturni, weil in den
d,-Colonien auftretend, der e,-Stufe zugezählt, für die Rubrik e, Aymestry-
Ä
N
R
129
Ueber die Beziehungen der Barrande’schen Etagen ©, D und E ete. 145
Limestone statt O0 Procent 11’1 Procent bedingt, die Procentsätze der
Wenlock- und Ludlow-Unterabtheilungen für e, um 8, für e, um 18.
In der Wenlock-Gruppe (Woolhope Limestone bis Wenlock Lime-
stone inclusive] kennt man nach Etheridge 63 Cephalopodenarten,
hievon entfallen auf die #-Etage 14, d.i. ungefähr der vierte Theil.
In der Ludlow-Gruppe (Lower Ludlow bis Upper Ludlow inclusive)
verbreiten sich 32 Arten, davon erscheinen in der Z-Etage 16, d. i.
ungefähr der fünfte Theil. Diese Bruchzahlen drücken in anderer Form
die Aequivalenz der Wenlock- und Ludlow-Gruppe mit der E-Etage aus.
Entwicklung der Silur-Cephalopoden in Böhmen und
Britannien.
Barrande!) hat dieser Frage schon seine Aufmerksamkeit zu-
gewendet und wir reprodueiren hier seine Tabelle der Entwicklung
der böhmischen Silur- Cephalopoden, insoweit sie auf die Etagen O—E
Bezug hat.
Zahl der Arten in |
c | dıy | d, | d; | d; ds e&ı &
|
eboreras Bart, une. —-|Iı-|-|-|-|— 6| 40
N ON ME N, —|-|-|-|-|-|-|5
Bloceras Goldf.. 2.2.1.2 2. a —|—-|-|- | | 35 |267
BeserisBreyn,. | 2. u sale». a 2 Yu 7 | 11 |109 | 357
a Hall. ne ma 5 it — 1,34 = — ll li el
Bere Ball... , han nl — 1a a
EL Eee ER a a da a Mr N Fe
Ophidisceras Bart. . ... 2.2.2.2. —-|-|-|1-|-|— 64,
Berasmacsras BEod. . „Wi. 2 vie —|-|-|1-|1-|— 3| 25
Bepkoceras Som. . ... 22.000 -|—-|-|-|-|1 2| 66
Conoceras Bronn. g-Mmenf ent zeneue arte
Balhmoceras Barr..\. " " ° ' "" u
Ascoceras Barr. a ee a ee a Fe
Adhragmites Barr. | ©
Bart! 2... an. -|-|-|-| -| -| -|1
sera’ Bart... - .. .. 0. ch u a En Line
ee Sanab. 2. een. 1lI-|—-|— er
Summe der Arten ....|—1|25| 1| 1| 7] 13 1162 ]777
Summe der Gattungen . . | — | 6 | 1 | 1 | 1 | 3 | ö 10
Die folgende Tabelle, die Entwicklung der Silur-Cephalopoden in
England veranschaulichend, stützt sich auf die Angaben in Etheridge:
Fossils of the British Islands.
') Barrande, Cephalopodes. Extraits du Syst. sil. Vol. II, Texte V, 1877, pag. 162.
Jahrbuch der k. k. geol. Reichsanstalt. 1891. 41. Band. 1. Heft. (J osef Wentzel.) 19
146 Dr. Josef Wentzel. [30]
| Zahl der Arten in |
| S\al3|8 „öl28l&&s [#2l2e al, elöe,
2)5|8 [8 |EslaslarS2<8E2l38 8: 58%
51318 8 258 sg sa sa ge zn a5s:>
3115315 Fapasap” al lapra®
- m |
Trochoceras Barr. . —|—|1| 1|1—-|—|-|3 | 3| 3 | — |—| —
Nautilus Breyn.. . —|—|—| 1/—| 1,—|.2),2| 3) — | 1| —
Cyrtoceras Goldf. . 11-17. 11 71,2 2 5/ 6| 1] 2| —
Orthoceras Breyn. . 1| 5| 8/46110|15| 425/11 /26| 7/31| 1
Endoceras Hall... . —ı— | 1) 1I1— | — N
Tretoceras Salt. . . —-I-|-|—-| 1) 11-—\-\—|-|—-|1| —
Lituites Breyn. —|—-|-—| 4| 2| 1] 1) 2| 4| 4| 1| 1 —
Ophidioceras Barr, —I/— Il 1—/—| 1J)—|— || 2] —)— | —
Phragmoceras Brod. . —|1—|—| 2|—| 2/— | 3| 4| 7J-| 1| —
Gomphoceras Sow. . —|—- 1-1 |1—|— 11215) 61-1 — | —
Conoceras Bronn. . . —| 11) |) 1-1] ==]
Ascoceras Barr. . — | — | — | — | — == —| 11—| 3| —
Actinoceras Bronn. . . .|— | —|-|—|—| 1| 11—-| 2/—-|1-|-| —
Exosiphonites Salt. . . .|—\— | —- | —|—|- 1 -|-|—-| 2|/- | —| —
Koleoceras Portl. ... .\—|— ae) le
Piloceras Salt. ..... .|—|— 0 Ks) Bann Ha Kaas Kagel) ka N;
Poterioceras MCoy ...|— I —|— | 2|—|—- | —|—| —
Trocholites Conrad . . . | — | EN — 2 = a ze;
? Goniatites de Haan. . . — — | — | —|—|—- —|—|1— — | =
Summe der Arten. . .| 2| 6/1268 |13|24| era y|40| 1
Summe der Gattungen . | 2| 2| 5 | 10 | 3 | 8| 4 | es] | 3 | 7 | 1
Aus den beiden Tabellen lassen sich einige nicht unwichtige
Thatsachen ablesen. Dem englischen Silur mangeln die Gattungen:
Mesoceras, Glossoceras und Bactrites; den Barrande’schen Etagen
C, D, E die Gattungen: Exosiphonites, Piloceras, Trocholites und ? Gonia-
tites. Die ersten Cephalopoden erscheinen in England im Tremadoe,
in Böhmen in der d, y-Stufe. Viele Gattungen machen sich in England
viel früher bemerkbar als in Böhmen:
Erstes Auftreten in
England Böhmen
25 |
Irachoesrası x 2. le en Eee Llandeilo e,
Nil is A a > Caradoc e,
CYEtOeHBR8- ee ne wien Tremadoc &
1772527) KONNEN ve re Ge Bi | 3 dıy
Phragmdoas 4 Io ai Een Caradoc e,
Diesen Gattungen lassen sich andere gegenüberstellen, welche
in Böhmen früher auftreten als in England.
Anmerkung. Die Gattung Actinoceras Bronn wurde lediglich auf eigenthüm-
lich erhaltene Orthoceraten mit rosenkranzförmigem Sipho errichtet. Die Gattung Koleo-
ceras Portlock ist für schlecht erhaltene, zerdrückte oder in einander geschobene
Exemplare errichtet, welche der Autor für innerliche Schalen gehalten hatte. Poterio-
ceras M’Coy — Gomphoceras Sow. Siehe Zittel, Handbuch der Paläontologie. 1. Abth.,
II. Bd., pag. 368, 369 u. 370.
a Al aurr 1 0a) Ik EEE BEE
a 2 22 0 Zn 1 a u 1a
[31] Ueber die Beziehungen der Barrande'schen Etagen €, D und E ete. 147
| er Erstes Auftreten in
Böhmen | England
RR N N SR DU TBRREN d,y | Lower Llandov.
ln ra or ARTE d,y Caradoc
BER RCANS, iss resl, wachen Tann enkanne rEee ee d, Woolhope Limest.
Die sonstige, für jedes der beiden Gebiete specifische Entwicklung
der Cephalopoden wird klar, wenn wir ihr von Stufe zu Stufe nachgehen.
Den ersten Cephalopoden begegnet man in Böhmen in der Stufe d, y.
Hier ist diese Ordnung durch 25 Arten in 6 Gattungen repräsentirt,
weiche in vertiealer Richtung die Grenze dieser Stufe nicht überschreiten.
In den folgenden Zonen d, und d, finden wir immer nur eine für die
betreffende Zone neue Form, und zwar Orthoceras fractum Barr. (d,)
und Orth. importunum Barr. (d,). In der nächsten Zone d, erscheint
Orthoceras mit 7 Arten und in d, mit 11 Arten. Zu diesen 11 Arten
gesellt sich eine sporadische Bactrites- und eine gleichfalls sporadische
Gomphoceras-Art. Aus dieser Vergleichung der 5 fossiltragenden Zonen
der Etage D resultirt, dass die Ordnung der Cephalopoden in dieser
Etage ihr Maximum in der Stufe d,y erreicht.
In England treten die Gattungen Orthoceras und Crytoceras schon
im Tremadoe mit je einer Art auf. Im Arenig steigt die Zahl der
Orthoceren-Species auf 5, wozu sich Conoceras mit 1 Art gesellt. Im
Llandeilo begegnen wir 5 Gattungen mit 12 Arten und im Caradoc
10 Gattungen mit 68 Arten.
Die Schichtenreihe Arenig, Llandeilo und Caradoc in England
entspricht der Sehichtenreihe d,, dy, d;, d,, d,«@ in Böhmen. Hieraus er-
giebt sich die interessante Thatsache, dass, während im böhmischen
Untersilur das Maximum der Cephalopoden an ihr erstes Auftreten
und an den Beginn des Untersilurs geknüpft ist, dasselbe in England
an das Ende des Untersilurs [Caradoc] verlegt erscheint.
Kehren wir zu Böhmen zurück. Hier folgen auf die fossilführenden
Königshofer Schiefer (d, «) die fossilleeren Kosower Quarzite (d, ) und
der Beginn der #-Etage wird dureh mächtige Diabasmassen im Vereine
mit Graptolithenschiefern eingeleitet. Im untersten Horizont der Grapto-
lithenschiefer, der sogenannten Diplograptuszone Marr’st), wurden nur
Graptolithen gefunden, den Cephalopoden begegnen wir erst weiter
oben in der Zone Ze, mit 162 Arten in 7 Gattungen. Erklärt man die
Colonien aus Lagerungsstörungen, durch welche örtlich Schichten mit
einer jüngeren Fauna in das Niveau älterer Gesteine hineingerathen
sind, so hat die Ordnung der Cephalopoden in Böhmen keine der II.
und III. Fauna gemeinsame Art geliefert. Es wird in Böhmen die
Grenze zwischen Unter- und Obersilur durch eine länger anhaltende
Unterbrechung in der Entwicklung der Cephalopoden und das völlige
Aussterben der untersilurischen Arten markirt.
Die Zahl von 162 Formen, welche Ze, zukommen, überschreitet
bedeutend die ganze Artenzahl der II. Fauna [= Etage D], aber sie wird
!) Marr in Quart. Journ. 1880, 36. Bd, pag. 604.
19*
148 Dr. Josef Wentzel. [32]
ihrerseits durch die Zahl von 777 Formen überholt, welche Barrande
in Ee, entdeckt hat und die 10 Gattungen angehören. Der Horizont
Ee, bietet einen Cephalopodenreichthum, der einzig da steht. Dieser
Reichthum muss umsomehr unser Erstaunen hervorrufen, als die grosse
Mehrzahl der Cephalopoden, eoexistirend in &, nur eine relativ sehr
begrenzte Lebensdauer gehabt zu haben scheint, wenn man die Dicke
von 100—150 Meter !), erreicht von dieser Stufe, erwägt und in Betracht
zieht, dass e,, weit entfernt, in seiner ganzen Mächtigkeit gleichförmig
fossilreich zu sein, hauptsächlich gegen seine Basis in einigen Kalk-
schichten, getrennt durch andere, weniger fossilreiche, seinen ganzen
Reichthum einschliesst. Die oberen Kalkschichten von Ze, sind fast
völlig der Cephalopoden ledig. Auf das absolute Maximum der Cephalo-
podenarten im unteren Theile von Ze, folgt gegen die Spitze dieser
Stufe ein absolutes Minimum.
Wir haben England bei der Caradocstufe verlassen. Im Lower
Llandovery redueirt sich die Zahl der Arten von 68 auf 13 in
3 Gattungen und erhöht sich im Upper Llandovery auf 24 Arten in
8 Gattungen. Eine paläontologische Discordanz wie in Böhmen an der
Grenze zwischen Unter- und Obersilur besteht in England zwischen
der Caradocfauna und derjenigen der höher liegenden Stufen nicht.
Von den 68 Caradocformen steigen 12 Orthoceren, 1 Phragmoceras-,
1 Lituites- und 1 Nautilusart in die höheren Stufen hinauf.
Ehe wir in der Betrachtung weiter fortfahren, wird es nöthig
sein, die Zahl der Cephalopodenarten und Gattungen für Schichten-
gruppen anzugeben, welche ihrer Mächtigkeit nach einigermassen mit
der Caradocgruppe vergleichbar sind. Ich meine die Liandovery-,
Wenlock- und Ludlow-Gruppe.
TI Pen 71 09079 Zn se der Arten in der
Llandovery- Wenlock- | Ludlow-
Gruppe Gruppe Gruppe |
|
] .„Tmpehacenas. ir. er | _— 5 | 3
DENGUELUS Pe ne | 2 3
I CHTTOCENEB > a ae 2 b) 6b
#Orihöepras!", LIT RIROH TRFNUE 22 32 43
Bulakiites:\i4.\. ‚rannte. BE: 2 5 4
6..Phrammpceras. 14.5 naar > de = 6 8
I TFOIWDROCENAB 3. My nee _ 5 6
9. ABCBOOFAB 2 66 EEE _ —. 3
9 Actimbeeras N, 1, RING 1 3 =
10. Exosyphonites 27. =. . kind | == _ 2
Ii+fretocer ass aut: sd ee Sa 1 _ 1
EN a We EEE — — l
13.’ OpMiWloceVas RT 2 1 _ 2
Summe der Arten . 32 63 Bien gg 77] 82
Summe der Gattungen . 8 | 8 De 12
') Barrande, Extrait du Syst. Vol. II, 4. Ser., 1870, pag. 198.
[33] Ueber die Beziehungen der Barrande’schen Etagen C, D und E ete. 149
Die Zahl der Arten sinkt im Llandovery von 68 auf 32 und
steigt hierauf im Wenlock auf 63. Das absolute Maximum der Arten
und Gattungen fällt in die Ludlow-Gruppe. Hierin giebt sich eine Ueber-
einstimmung mit Böbmen insoferne kund, als das absolute Maximum
der Cephalopoden-Arten und -Gattungen hier wie dort das Obersilur
auszeichnet. Das Auftreten von nur 1 Cephalopoden- (Orthoceren-) Art
im Tilestone und Passage Beds scheint auf eine Erscheinung , wie sie
sich an der Spitze von Ze, abspielt, hinzuweisen.
Ueber die dem böhmischen und britischen Silur gemein-
samen Brachiopodenarten.
Wir stellen wieder ein Verzeichniss der gemeinsamen Arten mit
Angabe ihrer verticalen Verbreitung in Böhmen und England voran.
Böhmen
»|%|4|@ alelalrlaln|o h,
1. Atrypa compressa Sow.. . . | —|— | | 1 -|+/1-|+|-|—-|—-|—
Ban 2@Grayi Dav: . . . .\ — — I | | TH eher
male Da 3 — | |) + [ee
Be enwienla Sowrsp.-. | — | —- | I FI HI + I ehe
Br obovata Sow. . . . . | — | — |eol. cl.) +/ +! — +!+|+|+!+
6. retieularis Lin. sp. . || — | — |col.\col.) + +|— + + _|—
L Cyrtia trapezoidalis His. . . | — — | - | —- ++ +1 -|1-|-|1-|—
Baßyrima heterochyta Defr.».:.\— | — | — | — |) +|- | +1= 11 |—
9. Diseina rugata? Sow.. . . . | — | —\—-— | —- | —-|+|1-|- | - | - | - | —
10. Leptaena transversalis Wahl.
ee I 1-1 |1—-|1-|+1—- 1-1 -|-|—
1. Lingula cornea? Sow. . . .\— | —- | —-|—-|-|1-|—--|-|-/|+|+
12. Meristella Circe Barr. . . .\— | — | — —|-|--|-|+| - | -|1- | —
13. 5 umida Dalm. . 2\— | — | — | — I I) HI ee
14. upsilon Barr. . .\— | — | -|—- | -| +1 -|-1- |) - 1 — | —
15. Orthis elegantula Dalm.. . . | — | — I|— — | -|+!-|+|-|—-|-|—
Bee redus- Bart... . : +|+|1+!+1-|1-|1-|-|- | - | —-|—
Beer luında? Sow. ... .. — == N el I ze
Be restudinaria? Dam. | — | — | — | + | — | |—.| = 1-11 |—
19. Pentamerus galeatus Dalm. sp. | — | — | — | —- | —- | -| --|+1- | - | —-|—
20. ; Kaghtsz Sow.. «„N—\—- ll | 1) = |),
21. E unguifer Sow.. .\— i— | - — | —- | + | Fir | Fr ||| —
22. Retzia Barrandei Dav. . . . | — | — | —ı- I|-|+|1-|-|1- | | -|—
23. RBhynchonella euneata Dalm. sp. | — | — — | — — +, -|1-|- | —- | —-|1—
24. er geflexe Sow.2..\— | — 1 — | || HI elle lin
25. Wilsoni Sow. .|— | — | — | — | - | — | +1 -|1-|1—-|—
26. Spirifer sulcatus His. . . . | — | — — | —-|- + -|+|1- | -|-|)—
Urt enlemee se al | |
28. Str ophomena euglypha His. .\|— | — co. — — + —-|-|1-|— | —|—
29. " Funieulata M’Coy .\— | — — —- +1- | -|- | - | -|—
30. n peecten Lin. sp. -|—/-|1-1-|+/-|)--|—-| —-|-
31. A rhomboidalisWilck. |
3 SEN 15 PRO NEAR la ae ae rulsl nloraln:
218] 1.31.4123 13), 4| 1| 2| 2
| 3col.| 2col. |
150 Dr. Josef Wentzel. [34]
Britannien
pe
Arenig
Llandeilo
Caradoc
Lower
Llandovery
Upper
Llandov.
Woolho
Limestone
Wenlock
Shale
Wenlock
Limestone
Lower
Ludlow
Ayıest.
Limestone
Upper
ar
Tilest. und
Passage
Atrypa compressa Sow. . || —
?Grayi Dav. . „|| —
marginalis Dalm. | — |
navicula Sow.sp. . | —
1.
2
3
4.
Di. obovata Sow. . . | —
6.
7.
8.
9.
”
le
++ |
++ +1 |
erde
retieularis Lin. sp. | —
Cyrtia trapezoidalis His. . | —
Cyrtina heteroclyta Defr.
++ ++ 14
+44+4+ |+
++ 144+++
++ +1 14
ek | an Bd
Discina rugata? Sow. . .||— | — | — | —
10. Leptaena transversalis
Wahl. p. .. ... .|— | —
11. Lingula cornea? Som. en
12. Meristella Circe Barr.. . | — | —
13. r tumida Dalm. . | — | —
14. upsilon Barr. . || — | —
15. Or this elegantula Dalm. .\— | +
Pr
el
16. „. redux Barr,. . . .||
17. „ lunata? Sow... —
18. „ testudinaria? Dalm. || —
19. Pentamerus galeatus Dalm.
or ee et el bi
20. Pentamerus Knighti? Sow. || — |— | — | —
2. jr Iinguifer Bow, | - | — | —ı —
22. Retzia Barrandei Dav. . | — |— | — | —
23. Rhynchonella cuneata
Dolm. pm... 04» u |
24. Rhynchonella deflexa Sow. || — | — | — | —
25. > Wilsoni
Me ee]
ne
SETS Au
ee]
ERZIE SEES ET
Ur |
ANSSFrRs-
el
ale
Eee,
++
|
|
+
26. Spirifer sulcatus His.. . | —\— |— | —
a: x malen: 2. Sl— |
28. Strophomena euglypha His. | — | — | — +
29. - Funieulata
Se N mas Yan
30. Strophomena pecten Lin. sp.
31. ” rhomboidalis
Milch sp. > Tara %
+1 1+
+ ++ +14 ++ ++ 14
I+ +1 1+
Tier
| Il
Bart
|
+1
|
|
+ ++ +44 44 4444
+ ++ +44 44 4444
s
|
+
0
ii
>)
N
oO
&)
N
[o 0)
Le)
De)
an
[eo
je
Le)
Ein Blick auf diese Zusammenstellung lässt die an den Brachio-
poden höchst auffällig zu Tage tretende Thatsache erkennen, dass
dieselben Arten in England meist viel früher zur Entwicklung kommen
als in Böhmen. Zur bequemeren Einsicht wollen wir einige Beispiele
herausgreifen.
Ueber die Beziehungen der Barrande’schen Etagen €, D und E etc. 151
or
#
q
| Erstes Auftreten in
| England Böhmen
1. Orthis elegantula Dalm.. . ..... Llandeilo Ee,
2. „ testudinaria Dalm... . . 2 Dad,
3. Strophomena rhomboidalis Wilck. sp. x = Ee,
4. Atrypa marginalis Dalm. ...... Caradoc ve,
5. Cyrtia trapezoidalis His. ...... ie Ee,
6. Leptaena transversalis Wahl. sp... . = Ee,
7. Meristella tumida Dalm. . ..... Rn Ee,
8. = upsslon Barr: . ..... ’ Ee,
9. Strophomena funiculata M’Coı y. ara u Ee,
10. vechen Lin... =.» = Ee,
11. Rhynchonella cuneata Dalm. sp. . . . || Lower Llandovery Ee,
12. Pentamerus galeatus Dalm. . .. . . . || Upper Llandovery Ff,
13. Rhynchonella Wilsoni Sow. . ... . be 5 Ff, |
Die ersten 11 Arten mit Ausnahme von Orthis testudinaria und
Meristella upsilon setzen in England in die Wenlock- und Ludlow-
Gruppe fort und erscheinen hier als Zeitgenossen der identen Formen
der E-Etage.
Gering ist die Zahl der Brachiopodenarten, welche in Böhmen
früher bemerkbar werden als in England. Ich nenne
Erstes Auftreten in
Böhmen | England
1. Atrypa navicula Sow. sp... - .. - . Da, Woolhope Limest.
2. Cyrtina heteroclyta Defr. sp. Ee, Devon
Ein ganz abweichendes Verhalten bietet Meristella upsilon Barr.
Sie wird nur aus den altersverschiedenen Stufen Caradoc und Ze,
verzeichnet.
Höchst auffällig bleibt weiter die Thatsache, dass im böhmischen
Untersilur so wenig mit Britannien gemeinsame Arten anzutreffen
sind. Mit der Nennung von Atrypa navicula, Orthis redux und Orthis
testudinaria ist ihre Zahl erschöpft. Diese Zahl (3) ist kleiner als die
für die Stufe Ze, (4) und doch beschreibt Barrande aus der Etage
D 124 und aus Ze, nur 32 Arten. Wird hiebei betont, dass Atrypa
navicula seine grösste Entwicklung in der Stufe Ze, erreicht, Orthis
testudinaria von Barrande mit einem Fragezeichen versehen ange-
führt wird, so bleibt nur Orthis redux übrig. Diese Form besitzt aber
in Böhmen eine zu weite und in England eine zu enge verticale Ver-
breitung, als dass sie für eine Altersbestimmung in Betracht kommen
könnte.
Was die in den Dd,-Colonien erscheinenden Arten:
152 Dr. Josef Wentzel. [36]
Erstes Auftreten in
Böhmen England
Atrypa obovata Sow. . . 2... PN d, ecol. Wenlock Shale
n. retieularis Lin. sp. . . !:. ... d, eol. Lower Llandovery
Strophomena euglypha His... ..... d, col. =
betrifft, so spricht ihr erstes Auftreten in Britannien gegen die Bar-
rande’sche Annahme einer Einwanderung aus diesem Gebiete nach
Böhmen zur Zeit der Ablagerung der Dd,-Schichten, nachdem Bar-
rande!) selbst die Zonen d, + d, als gleichalterig mit der Caradoc-
gruppe betrachtet.
Wir wenden uns zur Etage &. Wir kennen aus ihr 23 mit Britannien
gemeinsame Arten, welche in nachfolgenden Schichten mit beigefügter
Artenzahl auftreten.
Vertheilung der 23 mit Britannien gemeinsamen Arten
aus der Etage # Artenzahl
Tlandeile eg Bien an An ee her a eh 2
CADET ENE te ee Pe 9
Klando var: ı nah BE a RE BA 9
Wankock" Sa de en 20
Bandlange :. 0 Sy en ne A 13
Die Llandeiloformen Orthis elegantula und Strophomena rhomboidalis
verdienen keine Berücksichtigung, sie erheben sich bis in die Ludlow-
Gruppe.
Pie 9 Caradocformen mit Ausnahme von Meristella upsilon ver-
misst man im Wenlock, beziehungsweise Ludlow gleichfalls nicht.
Mit dem Llandovery betreten wir eine Stufe, die in Ze, so typisch
durch Graptolithen von Birkhill-Charakter gekennzeichnet wird. Die
Brachiopoden erscheinen in der Llandovery-Gruppe 89 Arten stark,
wovon 9 in der Etage # bekannt sind.
!) Barrande, Syst. sil. Suppl. au Vol. I, 1872, pag. 499.
|
[37] Ueber die Beziehungen der Barrande’schen Etagen €, D und E ete. 153
Dem böhmischen Silur und
der Llandovery-Gruppe gemeinsame Arten dy | d Yes iT | 0° 91
We, | |
E@urbia irapezoidalis His, . . = u... — — + +/ +1 | —
2. Atrypa marginalis Dalm. . -...... — — — +1 - || —
8. » veticularis L.._. he | 00.1 co. + #1 —=/+/ +
4. Leptaena transversalis W ahl. a Be -— — /- | +1-1—-|—
5. Orthis elegantula Dalm. . . ..... = en u en a
6. Rhynchonella cuneata Dalm.. . ... .| — 1
7. Strophomena euglypha His. . ... ..| eol. — (| +1-1—-|—
8. ei pecten L. . Be 2 Be
9. n rhomboidalis Wilck. . . .| — en ea 3 Du DEBEE ER IE
10. Orthis testudinaria ? Dalm. . -. .... _ re ee
11. Rhynchonella Wilsoni Sow. . . .... — —_— |-1-'-/)+1—
12. Pentamerus galeatus Dalm. sp...» » » .| — — |—-1—|—!1+|—
2 col. 2 RI IE More
1 ecol.
In Procenten der Llandovery - Brachiopodenfauna ausgedrückt:
e, 22 Procent, ez 10°1 Procent.
Unter den 9 #, respective #e,-Arten findet sich keine auf die
Llandovery-Gruppe be chränkt bleibende Species. Sie steigen alle in
die Wenlock-, beziehungsweise Ludlow-Gruppe auf.
Wir wenden uns den beiden letztgenannten Gruppen zu. Von
23 E-Arten finden sich 20 im Wenlock und 13 im Ludlow. Wir wollen
im Folgenden den bei der Musterung der Cephalopoden eingeschlagenen
Weg auch hier einhalten.
Wir beginnen mit dem Woolhope- oder unteren Wenlockkalke.
Etheridge verzeichnet aus ihm 18 Gattungen mit 49 Arten. Davon
kennen wir in Böhmen
«
Airypa compressa Sow. -. . . . . .. | — —
|
„ marginalis Dalm. . . .... N =
# reticularis Linn. ee GR |
Cyrtia trapezoidalis His... .. ...| —
. Discina rugata ? Sow. . . ee ya Fe
Leptaena transversalis 1.1 a Re
. Orthis elegantula Dalm.. . ......| —
. Pentamerus galeatus Dalm. -. . ....| —
linguifer Sow. . .....| —
10. Retzia Barrandei Dw. ... . . . NE
11. Ahynchonella cuneata Dalm.. . ....|ı —
12. A deflexa Sow.. . . ei
13. 5 (Atrypa) navicula DE
14. Wilsoni Sow. !.!.. 2.» .l —
15. Str ophomena zugiypha His. !.... . .|| c0l.
16. 5 funieulata MCoy.....| —
5; ee Fa rät =
18. e rhomboidalis Wilck. sp.. .| —
sonmnRmm-
+44+ I 4H4H + 4444444
un‘
&
nn
[e2)
f
1 eol. |
In Procenten der ganzen Woolhope-Brachiopodenfauna ausgedrückt:
e, 61 Procent, e, 32:6 Procent, fs 142 Procent.
Die Wenloekschiefer weisen 21 Gattungen mit 85 Arten auf.
Böhmen besitzt davon:
Jahrbuch der k. k. geol, Reichsanstalt. 1891. 41. Band. 1. Heft. (Josef Wentzel.) 20
154 Dr. Josef Wentzel.
| | d; | 4 | aa IA 1% Aı | 9% | 03 |
| l. Atrypa compressa Sr 22... lo |—|+ ad | +[—|1— | a
R. 2 Gnnvaln SB. = = m sun eol./col. + +/— !+/+/ ++
3 »„ marginalis. Dalm. .. - .\— | -|—-|)+,—|-1—-|—-|—
4 reticularis L.L .....=.. eol.[col.J)+\+/|- + + — | a
d. Diseina rugata ? Sow. . . ..|-|—-I—|+[ 1-1 —|— | —
6. Leptaena transversalis W ahl.. ee | ll
7. Meristella tumida Dalm. . ... .\—- | -|1-|+|1-|1-|1—-|1—-|—
8. Orthis elegantula Dalm. .....|—- | —-/|—|+!-|1+I1-|1—-|—
9. Pentamerus galeatus Dalm.. . . .\— | — | — | — | +1—-|—-|—
10. " Knighti? Sow. . . . .| — | — | —- | +1-|1—- 1-1 —
ll. E linguifer Sow. . ». . .|— | —|—-| ++! +I+!1-|—
12. Retzia Barrandei Dv.. . . - . .\- I-——|1+\—- 1-1 — | —|—
13. Rhynchonella euneata Dalm. . . . | — | - — +|-|1—-|1-|1—-|—
14. 5 deflexa Sow. . . . .||—|\-1—- +1—- | |— | — | —
15. r navieula Sow. . . .\— | +, +/|+1-|1-|1—|1—-|—
16. 5 Wilsoni Sow.. . . .|— | —-— | — -|-|+|1-|1—-|—
17. Cyrtiaq trapezoidalis His.. . ... . — | +++] -|—-|-|—
18. Spirifer suleatus His. » ».. =. —_— || +1) +41, —|—
19. Strophomena euglypha His... . . eo. — | — | +|—- 1-1 | —-)—
20. . funieulata MCoy . .|—ı— | — | +1 —-|1—-|— | eig"
2 > menben ale — || -|1+4|-|-|1-|—-|—
22. ed rhomboidalis Wilck. sp. | — | — | —|+!—|+!+ | Ale
3.1.7471 20) 2 EV
| 2col,
In Procenten der ganzen Wenlock shale-Brachiopodenfauna
gedrückt: e, 47 Procent, &, 23°5 Procent, fs 105 Procent.
Aus dem Wenlockkalke werden 25 Brachiopodengattungen
93 Species genannt, Böhmen kommen davon 23 Arten zu.
4|% a | N |.
AlrYpe Compress®» Bow... - sn 0a —|—
| Be DR ee
margmalıs Dam. 2. un. um m. —|—
i EN Pr A col.| col.
h Cyrtia mwanezoidlalis His... 5: ..l|—
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..Leptaeng transversalis Wahl: .» -. 2... —
‚ Meristella Circe.Bark, ur 2. an 2,222 ro.
9. “ tumida Dalm. .......- a
10. Orthis elegantula. Dalm. - . .. ...... .1—1—
ll. Pentamerus galeatus Dalm. . . 22.2... .[|— | —
12. Ri Kaigan & Sour cu — 1 —
13. I; ER ae ee — | —
14. Retzia Barrande Dvw. ... . 2... 2... al]
15. Rhynchonella euneata Dalm. ........|—|—
Tr
16. „ deflera Dow. a BE aaa =
17 R (Atrypa) navieula Sow. . . . . .|—
18. WAlSonE Som, I, rm en |
19. Spir ifer lach. Hi EG —|—
20. Strophomena euglypha His. ...... ... . |jeol.| —
21: = Junieulata M’Ooy. . » 2. ...|-|—
22. i EFT —|—
23. 3 rhomboidalis Wilck. sp. AN aaa) Dass
Bel ee]
u
©
u
[39]
drückt: e, 3°2 Procent, & 21°5
Ueber die Beziehungen der Barrande’schen Etagen C,
D und E ete.
155
In Procenten der ganzen Wenlockkalk-Brachiopodenfauna ausge -
5 Procent, fs 96 Procent.
Die unteren Ludlowschichten enthalten 13 Gattungen mit 35 Arten,
davon begegnet man in Böhmen 12 Arten.
1,8
1
>
böhmische Silur besitzt
. ÄAtrypa compressa Sow. .
& reticularis L. .
. Cyrtia trapezoidalis His.
. Discina rugata ? Sow.
. Meristella tumida Dalm.
. Orthis elegantula Dalm.. .
. Pentamerus galeatus Dalm. : -
. Rhynchonella (Atrypa) navieula Sow. i
Wilsoni Sow.
ß Strophomena euglypha His.
funieulata M’Coy .
»
»
rhomboidalis Wilek. sp.
1
Leo.
+++ + 1444444
un
(=)
a I Mn 1 En un 2 SU Eu un
i
In Procenten der Lower Ludlow-Brachiopodenfauna ausgedrückt:
ei 8:5 Procent, ez 28°5 Procent, fs 17:1 Procent.
Im Aymestry-Kalk treten 12 Gattungen mit 27 Arten auf, das
davon 11 Arten.
| 4%, |a | ® | A| AlaAiR)|) SB | Aa
l. Atrypa reticularis L. ‚Ncol.Jco. + +1 - 1 + +| - 1 — | —
2. Discina rugata ? Sow. . . jet ll) —
3. Leptaena transversalis Wahl. — | - 1-1 +|1-| - |-|- 1 — |—
4. Lingula cornea ? Sow, || — | fehle
5. Meristella tumida Dalm. . N ee
6. Pentamerus galeatus Dalm. — | —|—|-1-/+/1-|—-|—|-
7: Knighti ? Sow. f Se ern 2 eBal
8. Rhı ynehonella (Atrypa) navieula Sow.|) — +!1+/+1-!-|- 1-1 | —
9. Wilsoni Sow. late ee | —
10. Str ophomena euglypha His. . cl. — | — +1-|1-|1-|- | | —
11. F pecten L. ’ ut a N ee
2ul.' 1 83 —|1|1
lol.
In Procenten der Aymestry - Limestone - Brachiopodenfauna ausge-
drückt: e, 74 Procent, e; 29:6 Procent, f, 11'1 Procent.
Die Upper Ludlow-Schiehten sind arm an Brachiopoden, 9 Gat-
tungen mit 17 Arten erschöpfen ihren Reichthum. Davon erscheinen in
Böhmen:
20*
156 Dr. Josef Wentzel. [40]
>
F
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Be
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. Atrypa reticularis L......... 'col.
. Discina rugata ? Sow
Selnngula eornea? Bow. . . .mubek:
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: „ Tunata ? Sow.
. Rhynchonella (Atrypa) navicula Sow.
. Strophomena euglypha His. . . . .col.|
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In Procenten der Upper Ludlow-Brachiopodenfauna ausgedrückt:
e, 11'7 Procent, eg 29-4 Procent, fs 17'6 Procent.
Die nun folgenden Schichten, Downton-Sandstein und Ledbury-
Shales, wohl auch Passage Beds genannt, beherbergen nur 1 Brachiopoden,
Lingula cornea ; dieser tritt in Böhmen in g; und A, auf.
Ich lasse an dieser Stelle eine tabellarische Zusammenstellung der
Procentsätze folgen, mit welchen die Brachiopoden der einzelnen
Wenloek- und Ludlow-Horizonte in den Stufen Ze, Ee, und /f, vertreten
erscheinen.
Ke, Be, Ef,
5 " in Procenten x
Wenlock-Gruppe:
Weoolhope Limestone u nu men 61 32°6 14'2
Wenlsckishalgr Te er le 47 235 10°5
Wonlock Times m EU EER | 32 215 9:6
| Ludlow-Gruppe:
Lnwer ‚new. ci HE ee SH En.) 121
| Aymestry:Limestone -. ya ul. 2. 1, 296 117 |
| Upper Umdlow.),... risk ee ee ih a, 117 29:4 176 |
Aus dieser Tabelle geht klar hervor, dass die Unterabtheilungen
der Wenloek-Gruppe !/,—!/, und die der Ludlow-Gruppe nahezu !/;
ihrer Brachiopodenarten mit Ze, gemeinsam haben.
Die geringen Beziehungen, welche die Ze,-Brachiopoden mit den
genannten britischen Stufen vermitteln, haben ihre Ursache in der
Brachiopodenarmuth dieser Zone.
Barrande!?) beschreibt aus Ze, 11 Gattungen mit 32 Arten und
aus Ze, 19 Gattungen mit 293 Arten. Eine Musterung der 31 Böhmen
und Britannien gemeinsamen Formen hatte uns zu dem Ergebnisse
‘) Barrande, Extraits du Syst. sil. Vol, V, Brachiopodes, 1879, pag. 165.
»
[41] Ueber die Beziehungen der Barrande’schen Etagen C, D und E ete. 157
geführt, dass 4 davon in Ze, und 23 in Ze, vorkommen, was dem
achten, beziehungsweise zwölften Theile der Ee,-, respective De,-
Brachiopodenfauna gleichkommt und die angeführte Ursache als be-
gründet erscheinen lässt.
Die Ziffern der Rubriken e, und e, erlauben weiter den Schluss,
dass eine Abgrenzung der Wenlock-Gruppe von der Ludlow-Gruppe in
Böhmen nicht durchführbar ist, noch weniger aber an eine Unter-
scheidung der Unterabtheilungen genannter Schichtengruppen gedacht
werden kann.
Die silurische Färbung, welche 11 von 13 der Zone FF, und
Britannien gemeinsamen Arten genannter Zone verleihen und ihren besten
Ausdruck in den Zahlen der Rubrik fs findet, will ich hier nicht weiter
erörtern, nur möchte ich darauf aufmerksam machen, dass die Be-
ziehungen von f, zur Wenlock- und Ludlow-Gruppe nur scheinbar
grössere als die von Ze, zu den genannten britischen Ablagerungen
sind, denn die 11 in f, auftretenden Wenlock-, beziehungsweise Ludlow-
Arten machen nur den 20. Theil der ganzen F'f,-Brachiopodenfauna,
welche 222 Arten zählt, aus, während die Ze,-Stufe mit dem 8. Theil
ihrer Arten in der Wenlock- und Ludlow-Gruppe vertreten erscheint.
Alle diese klar zu Tage liegenden Thatsachen sind in ihren Haupt-
zügen bereits von Barrande!) in volles Licht gesetzt worden: „Bien
que, d’apres les apparances generales, les faunes des &etages de Wen-
lock et de Ludlow, en Angleterre, semblent representees dans leur
ensemble par celle de notre ötage Z, notre tableau resume montre, dans
la colonne (3), que l’Angleterre a fourni, ä notre bande f,, 5 especes
qui n’avaient pas apparu en Boh@me durant le depöt de notre bande e,.
Les 4 premieres de ces especes &tablissent une connexion direete, qui
doit &tre remarquee, entre les faunes anglaises de Wenlock et de Ludlow
et la partie centrale de notre faune troisicme (f,). Mais la einqui&me
n’est signalde en Angleterre que dans le devonien moyen. Ce sont les
suivantes“ :
1. Meristella Circe Barr.
2. Orthis lunata Bow.
3. Pentamerus galeatus Dalm.
4. Rhynchonella Wiüsoni Sow.
5. Spirifer. unguiculus? Phill. — Spirif. Uri Flem.
Ueber die dem böhmischen und britischen Silur gemein-
samen Acephalenarten.
Was die Acephalen des böhmischen Silurs betrifft, so hat Bar-
rande?) ihre Beziehungen zu denen des englischen Silurs in einer
Tabelle veranschaulicht, in weleher die Rubrik „idente Arten“ Beach-
tung verdient. In diese Rubrik gehören
!) Barrande, Extraits du Syst. sil. Vol. V, Brachiopodes, pag. 242.
?) Barrande, Extraits du Syst. sil. Vol. VI, Acephales, 1831, pag. 474.
158 Dr. Josef Wentzel. [42]
d, e& €2
icdrdiola lehrte 8 Sow.. .||col.| ? |+ | Llandeilo, Caradoc, Upper Llandov.;
Wenl. Shale, Wenl. Lim., Lower
Ludlow, Upper Ludlow.
2 fibrosa Sow.. . .col. | + | + || Wenlock Shale, Lower Ludlow.
3.Pterinea (Avicula) miraBarr. — |— | + | Wenlock.
Eine hervorstechende Eigenthümlichkeit bildet das gänzliche Fehlen
von untersilurischen Arten aus Böhmen in England und die weite ver-
ticale Verbreitung von Cardiola interrupta in England. Cardiola fibrosa
und Pferinea mira liefern einen kleinen Beitrag zur Aequivalenz der
Etagen Wenlock und Ludlow mit der Etage £.
Ueber die der Etage EZ und dem britischen Silurgemein-
samen Trilobitenarten.
Barrande!) hat solcher gemeinsamer Arten fünf verzeichnet,
welche in England folgende Stufen auszeichnen.
8|s|o./,»)8 23 [#8 =
3|5|8 5353 82]82|3352 8258
4% |e2|%R| Sg = = B3 Hs2as a8 ES 3285
2/3573] 3832? E2RE FE RS
> HA je) = HA f Al
insignis Beyı }
1.Cheinuns Bmseranal cl. —++— —-—++++|j++!+/I+|—
Murch |
2. Calymene Blumenbachii
Brong. . .....1—-|+-|+++\++—- + +1 + +|+!-|+
3. Deiphon Forbesi Barr. . || — | -|— 41-1 —/-1— | —- | +/+|- | — | —
4. Sphaerexochus mirus |
Beyr. . . . X ++ 4114141411)
5. Staurocephalus Murchi-
SONISDORF non er a a EEE Er
I I
2ul.| 1 219,21 ja] 1 3 4|4 5 |? 1 |
Einiges Interesse beanspruchen (heirurus insignis Beyr. und
Sphaerexochus mirus Beyr. Sie gehören der Colonie Zippe an. Ihr erstes
Auftreten im Caradoc und Wiedererscheinen im britischen Obersilur
verwerthet Barrande?) im Sinne seiner Colonien.
Staurocephalus Murchisoni und Calymene Blumenbachü bilden
Belege für das frühzeitigere Auftreten derselben Arten in England als
in Böhmen. Calymene Blumenbachii ragt ausserdem durch seine weite
verticale Verbreitung (Tremadoc bis Upper Ludlow) hervor.
Deiphon Forbesi ist geeignet, der Vertretung der Wenlockstufe
in e, neuen Ausdruck zu geben.
!) Barrande, Extrait du Syst. sil. Supplöm. au Vol. I, 1871, pag. 149.
®) Barrande, Defense des colonies. V, 1381, pag. 14.
[43] Ueber die Beziehungen der Barrande’schen Etagen C, D und E ete. 159
Unter den 5 in Britannien auftretenden Arten der Etage E findet
sich keine typische Llandoveryform. Sie bestätigen auf’s Neue die mehr-
fach berührte Thatsache, dass das Llandovery in Böhmen nur durch
Graptolithen charakterisirt wird.
In der Wenlock-Gruppe kennt man 48, in der Ludlow-Gruppe
19 Trilobitenarten, davon erscheinen 5, beziehungsweise 2 in der Etage £,
d. i. ungefähr der neunte Theil. Dieser Bruchtheil steht weit hinter
denen für die Cephalopoden und Brachiopoden erhaltenen zurück.
Im böhmischen Untersilur konnte man zur Parallelisirung mit briti-
schen Schichten fast ausschliesslich die Trilobiten mit Vortheil ver-
werthen, im Öbersilur nehmen deren Stelle die Graptolithen und
Cephalopoden ein. Den für das Obersilur in Betracht kommenden
Trilobiten ist, mit Ausnahme von Deiphon Forbes‘, in Britannien eine
zu weite verticale Verbreitung eigen.
Die Entwieklung der Silurtrilobiten in Böhmen und
Britannien.
In Böhmen erscheinen !)
ner (Bitacei Oos:.un Iunsi...) 3 .' 27. Trilebitenarten
ni Ste re r 0 P
ellrt; ee alas Ian nad R
Di 2 Ddssalaa)# us int „AR L
arg en us ch ri n
» b>] » D d; 18 ”»
n „ ” D d; z 23 ”
” 9 n D d, % 55 ”
5) » ”» D d, ß 0 ”
» ” ” ;e, 9 16 ”
en = Be, s1 N
Den ersten Trilobiten begegnet man in Böhmen in der Etage (©.
Hier ist diese Ordnung durch 27 Arten repräsentirt, welche in verticaler
Richtung die Grenzen dieser Etage nicht überschreiten. Die Stufe d, &
beherbergt keine Trilobiten, die Stufe d,ß zwei auf diese Stufe be-
schränkt bleibende Arten. Es findet sich an der Grenze der Etagen C
und D eine Lücke in der Entwicklung.
Auf ein absolutes Minimum der Arten zu Beginn des Untersilurs
(d,«) folgt rasch ein Maximum in d,y, dann ein relatives Minimum
in d;, welches in d,« von einem zweiten Maximum abgelöst wird.
Die d, $ Schiehten sind fossilleer. Von 118 Trilobiten der Etage D steigt
nur eine Art in die Etage X hinauf. An der Grenze der Etagen D und £
findet sich eine zweite Unterbrechung in der Entwicklung der Trilobiten.
In der F-Etage steigt die Zahl der Arten von 16 (e,) auf 81 (e), ein
absolutes Maximum in Bezug auf die Etagen © und D.
) Krejei und Feistmantel, Uebersicht d. silar. Gebietes. Archiv f. naturw.
Landesdurchf. v. Böhmen. V. Bd., Nr. 5, pag. 25 u. folg. und Barrande, Trilobites,
Extrait du Suppl. an Vol. I du Syst. sil. 1871, pag. 39.
160 Dr. Josef Wentzel. [44]
In Britannien erscheinen !) in
Harlech und Longmynd Series. . . . 11 Trilobitenarten
Meneyian Series .. - »1 2)... 2 sie :
nes, Ri ae le b
Bremadneh eure ee E
Arenle ‚sb silizisistl See ea 3
Klandeilo „aaa aka Bein e
Baradeoe ws ae R
Lilandovery; ; adsusi,er st ee 3
Wenloek, sr Fa alle en s
Ludiow sim Ay die Ba x
In den eambrischen Schichten finden sich die Trilobiten in grösster
Artenzahl in den Lingulaflags, in der Tremadoc-Gruppe sinkt die Zahl
von 53 auf 34. Eine nicht unbedeutende Zahl von Arten (7) setzt sich
unverändert aus der cambrischen Tremadoc-Gruppe in das silurische
Arenig fort. Von der Tremadoec- bis Caradoc-Gruppe greift eine an-
haltende Steigerung der Artenzahl Platz. Im Caradoe wird das absolute
Maximum erreicht. Eine Unterbrechung in der Entwicklung der Trilobiten
an der Grenze zwischen Unter- und Obersilur, wie sie Böhmen eigen
ist, fehlt dem britischen Silur. 14 Caradocarten steigen unverändert in
die Llandovery- und zum Theil noch jüngere Schichten auf. Im britischen
Obersilur zeigen die Trilobiten nicht mehr die blühende Entfaltung wie
im Untersilur. Nach einem relativen Maximum im Wenlock (48) sinkt
die Artenzahl in den Passage Beds zu einem absoluten Minimum
(0-Arten) herab.
Ueber die Grenze zwischen Cambrium Lapworth, Hicks
und Untersilur Lyell (= Ordovician Lapworth).
Die Grenzlinie zwischen eambrischen und silurischen Schichten
wird von verschiedenen Forschern in sehr abweichender Weise gezogen.
Lapworth?) verlegt die Grenze in die Mitte von Tremadoe Salt. ?)
Die Upper Tremadoeschichten Salt. zählt er zu seinem Ordovician-
system, Lower Tremadoe Salt. zum Cambrium.
!) Nach Etheridge, Fossils of the British Islands ete., zusammengestellt.
?) Lapworth in Ann. Mag. nat. hist. Ser. V, Bd. 3, pag. 455, Tabelle.
®) Diese Formation hat ihren Namen von der Stadt Tremadoc in Caernarvonshire
(Nordwales) durch Sedgwick erhalten. Salter theilte die Tremadocschichten von Nord-
wales in 2 Unterabtheilungen, die Lower- und Upper-Tremadocschichten. Die Lower
Tremadoc Rocks von Nordwales correspondiren mit den ganzen Tremadoeschichten von
St.David’s, während die Upper Tremadoc Rocks den Lower Arenig Beds of St. David’s
entsprechen. Auch im eigentlichen Arenigdistriet (Merionethshire) sind die untersten
schwarzen Schichten von Sedgwick’s Arenig-Gruppe unzweifelhaft in Hinsicht ihrer
Lagerung und ihrer Fossilien mit dem Upper Tremadoe Salt. in Caernarvonshire ident.
Die Upper Tremadoceschichten werden daher fast allgemein in die Arenig-Gruppe ein-
bezogen und die Tremadoc-Gruppe im Sinne Hicks’, Lapworth’s, Woodward’s um-
fasst nur die Lower Tremadocschichten von Salter. Siehe Quart. Journ. Geol. Soc.
London 1875, 31. Bd., pag. 175; Woodward, The Geology of England and Wales.
London 1887, pag. 64; Murchison, Siluria. 1867, pag. 46.
.
a
[45] Ueber die Beziehungen der Barrande’schen Etagen C, D und K ete. 161
In der Tremadoe-Gruppe Hicks (= Lower Tremadoe Salt.) werden
zwei eaheefıneen unterschieden !):
Lower Tremadoe. Dietyonema Beds mit Dietyonema_ sociale.
ie, Shineton, Malvern.
2. Upper Tremadoe. Mit Asaphus (Asaphellus) Homfrayi, Cono-
coryphe depressa. Tremadoe, Shineton ?
F. Sehmidt?) verlegt die Grenze zwischen Cambrium und Silur
an die Spitze der Dietyonemaschiefer. Die Dietyonemaschiefer der
baltischen Provinzen sind genau ident mit derselben Etage, wie sie in
Schweden (Schonen, West- und Ostgothland,, Oeland) und Norwegen
entwickelt ist. Wegen des petrograpbischen Charakters muss der baltische
Dietyonemaschiefer als eine direete Fortsetzung des schwedischen be-
trachtet werden.
Die charakteristische Species, Dietyonema flabelliforme Eichw., ist
beiden Ländern gemeinsam und nach Törngqvist ident mit Dietyon.
sociale Salt. Der Dietyonemaschiefer führt in den baltischen Provinzen
stellenweise neben Dietyonema flabelliforme noch Bryograptus Kje-
rulfi Lapw.
Tullberg?°) folgt dem Vorgange Schmidts. Er schliesst in
West- und Ostgothland mit den Dietyonemaschiefer, in Schonen und
Oeland mit der Bryograptus Kjerulfi-Zone das Cambrium (= Primordial-
silur) ab. In England tritt die der genannten entsprechende Bryograptus-
zone *) von Lower Tremadocalter in den Shineton Shales |Shropshire] auf.
Wir sehen also in Schweden und den baltischen Provinzen das
Cambrium mit dem Lower Tremadoe Hicks abgeschlossen. Das Silur
wird in Schonen, West- und Ostgothland und Oeland mit dem Cera-
topygekalk eröffnet. In den baltischen Provinzen bildet sein entsprechendes
Aequivalent der Glauconite Sand (Etage B, nach F. Schmidt) und
mit ihm lässt F. Schmidt das Untersilur beginnen. Ceratopygekalk
und Grünsand überlagern direct den Dietyonemaschiefer, daher es wohl
gerechtfertigt erscheint, wenn Schmidt und Tullberg den genannten
Schichten ein Upper Tremadocalter im Sinne Hicks’ zuerkennen.
Der Auffassung des genannten schwedischen und russischen Geo-
logen huldigt auch Kayser.) Er vereinigt das Ober-Tremadoe Hicks
mit der Arenig-Gruppe, die Dietyonemaschiefer (= Lower Tremadoe
Hicks) belässt er beim Cambrium. Die Gründe für solche Auffassung
sind mehrfache. In Schweden °) zeigen sich die primordialen Trilobiten
in den obersten Zonen des Alaunschiefers zum letzten Male. Der
Ceratopygekalk enthält fast ausschliesslich silurische Formen. Die
Dietyonemaschiefer bilden einen durch ihre weite Verbreitung im ganzen
nördlichen Europa (Skandinavien, baltische Provinzen, England) sehr
wichtigen Horizont. Der Nachweis des Cambriums in den baltischen
!) Woodward, The Geology of England and Wales, pag. 63.
?) F. Schmidt in Quart. Journ. Geol, Soc. 1882, 38. Bd., pag. 517 u. 518.
s) Tullberg in Zeitschr. d. deutsch. geol. Gesellsch. 1883, pag. 259, Tabelle.
*) Lapworth in Ann. Mag. nat. hist. Ser. V, Bd. 5, pag. 274 u. Ser. V, Bd. 6,
page. 205; Woodward, The Geology of England and Wales, pag. 14, Fig. 6 u. pag. 65.
°), E. Kaysew, Lehrbuch d. geologischen Formationskunde. Stuttgart 1891,
pag. 41 u. 49.
6) Tullberg, 1. e. pag. 228.
Jahrbuch der k. k. geol. Reichsanstalt. 1891. 41. Band. 1. Heft. (Josef Wentzel.) 21
163 Dr. Josef Wentzel. [46]
Provinzen !) beruht hauptsächlich auf der Identität der höchsten cam-
brischen Schichten (Dietyonema shale) mit denen Skandinaviens.
Trilobiten der Paradoxides- oder Olenusgruppe wurden in den genannten
Provinzen nicht gefunden.
Etwas anders liegen die Verhältnisse in Norwegen. Hier hat
Brögger?) zwischen der primordialsilurischen und der untersilurischen
Abtheilung mehrere Grenzschichten gefunden, welche charakteristische
Typen der ersten und der zweiten Fauna führen.
| Norwegen | England -
3e mit Asaphus ewpansus.
35 Phyllograptusschichten. Arenig’)
Etage 3 ————
3ay Ceratopygekalk mit Ceratopyge forficula.
3a ß Ceratopygeschiefer mit Euloma ornatum.
3aa mit Symphysurus incipiens.
Upper Tremadoc
Hicks.
Lower Tremadoc
Etage 2 oder | Schiefer mit Bryograptus Kjerulfi Lapw.
Hicks‘,
Olenusetage || Dietyonemaschiefer.
Nach Brögger’s Darstellung entsprechen 3a«a, 3aß und 3ay
zusammen den Ober-Tremadoeschichten Hicks’, also dem obersten
Cambrium im Sinne Lapworth’s und Hicks’, während 35, die
Phyllograptusschichten (untere Graptolithenschiefer Kjerulf’s), der
Tiefstufe des Untersilurs gleichstehen.
In Böhmen entsprechen die Schichten Dd, ß mit ziemlicher Sicher-
heit der Lower Arenigstufe; es wurden auch einige Gründe angeführt,
welche es gerechtfertigt erscheinen lassen, die Stufe Dd,« noch den
Lower Arenigschichten zuzuzählen. Organische Reste erscheinen im
Bereiche der Zone Dd,a nur sparsam. Die Conglomerate und grob-
körnigen Grauwacken enthalten gar keine Petrefakten. Eine typische
Olenusfauna fehlt in Böhmen. Die Trilobitengattungen der Etage ©
sterben mit Ausnahme Agnostus in dieser Etage aus. Nicht eine Art
der ganzen Primordialfauna Barrande’s konnte bis jetzt in Jüngeren
Schichten nachgewiesen werden. Es besteht eine Lücke in der Ueber-
lieferung an der Grenze der Etagen CO und D. Kayser) ist geneigt,
das Fehlen eines Aequivalentes der englischen und schwedischen Olenus-
schiefer in Böhmen durch die Annahme eines stratigraphischen Hiatus
zwischen der Etage C und der Stufe Dd,« zu erklären. Die Ginetzer
Schiefer bilden nämlich kein um die ganze Silurmulde fortlaufendes
Band, sondern sie sind ausser bei Ginetz nur noch bei Skrej, am Nord-
rande der Mulde, bekannt. Das Wo und Wie des Zusammenhanges der
1) F. Schmidt, l. c. pag. 516.
?) Brögger, Die Siluretagen 2 und 3 im Christianagebiet und auf Ecker.
Christiana 1882.
3) Ann. Mag. Ser. V, Bd. 6, pag. 197 und Zeitschr. d delitsch. geol. Gesellsch.
1883, pag. 245.
*) Kayser, Lehrbuch d. geolog. Formationskunde, pag. 37.
[47] Ueber die Beziehungen der Barrande'schen Etagen (€, D und E ete. 163
Primordialzone von Skrej !) mit dem mittelböhmischen silurischen Gebiet
ist bisher vollständig unbekannt. Die Schichtenabtheilung Dd,« ruht
nur in der Umgebung von Ginetz auf den Schiefern der Primordial-
fauna concordant auf, sonst ist sie überall den azoischen Schiefern
aufgelagert.
Eine typische Olenusfauna fehlt auch in der Montagne Noire ?)
und die von Bergeron unterschiedenen Subetagen, Paradoxidien
Ölenidien? und Schistes a Bellerophon Oehlerti (= Lower Arenig) über-
lagern sich direet und in concordanter Weise. Die sogenannte Olenus-
stufe ist sehr arm an Fossilien, es besteht auch hier eine Lücke in der
Ueberlieferung an der Grenze zwischen Cambrium und Silur. In Frank-
reich wie in Böhmen lassen sich die Lower Arenigschichten Hick s’ mit
einiger Sicherheit feststellen, daher der Lapworth’schen Grenzbe-
stimmung für diese Länder der Vorrang gebührt.
In Britannien ®) ruhen die Untersilurschiehten concordant auf dem
Tremadoeschiefer auf. In paläontologischer Beziehung herrscht eine durch-
aus continuirliche und ununterbrochene Entwicklung vom Cambrium
zum Untersilur. Nach einer Zusammenstellung auf Grund von Etheridge
Fossils of the British Islands gehen von 87 Arten der eambrischen
Tremadoc-Gruppe nicht weniger als 20 in die silurischen Arenigschichten
über. In der Tremadoc-Gruppe mischen sich charakteristische cambrische
Formen mit solchen, die erst im Silur den Höhepunkt ihrer Entwicklung
erreichen.
Diese Mischung erstreckt sich noch in die unteren Arenigschichten,
aber mit weit zurücktretenden eambrischen Typen fort.
Wenn man überhaupt von einer Discordanz in paläontologischer
Beziehung sprechen will, so muss man auf die Grenze zwischen Tremadoe
Hicks’ und Lower Arenig Hicks’ verweisen.
Die Fauna der Tremadoc-Gruppe Hicks’ (= Lower Tremadoc
Rocks Salt., North Wales) gleich jener der Tremadoc group at St.
David’s ist eng jener der Lingulaflags *) verwandt, während jene der
Lower Arenigschichten Hicks’ |= Upper Tremadoe Rocks Salt., North
Wales) starke Beziehungen zur silurischen Arenig-Gruppe aufweist.
Das sind die thatsächlichen Verhältnisse, welche in Britannien für eine
Grenzbestimmung zwischen Cambrium und Silur im Sinne Lapw orth's
‚und Hicks’ sprechen.
Ueber die Grenze zwischen Untersilur und Öbersilur.
Die Grenze zwischen Unter- und Obersilur hat Murchison als
zwischen Lower- und Upper Llandovery liegend bestimmt. In der
Lagerung treten starke Discordanzen) an der Basis der oberen Llan-
dovery-Gruppe auf, während sie von den entschieden obersilurischen
Wenlockschichten gleichmässig überdeckt wird. Das Profil *) zwischen
1) Krejli und Feistmantel, Orograph.-geotekt. Uebersicht d. silur. Geb. ete.,
ag. 22. e
5 2) Bergeron, Etude geologique du massif ancien situ&E au sud du plateau
central. 1889, pag. 80, 82 etc.
3) Woodward, The Geology of England und Wales, pag. 67.
*) Hicks in Quart. Journ. Geol. Soc. London 1875, »1. Bd., pag. 175.
») Woodward, The Geology of England and Wales, pag. 87.
6) Murchison Siluria 1857, pag. 89.
21*
164 Dr. Josef Wentzel. [48]
Longmynd (Nordwest) und Wenlock Edge (Südost) zeigt an einer Stelle
die oberen Llandoveryschichten den Longmynd Rocks, an einer anderen
den wahren Caradoeschichten transgressiv aufgelagert.
Lapworth!) würdigt die Bedeutung der stratigraphischen Dis-
cordanz an der Basis von Upper Llandovery, welche sich von Wenlock
bis Llangadock verfolgen lässt, verlegt aber die Grenze zwischen seinem
Ördovieian- und Silursystem an die Basis von Lower Llandovery. Als
Gründe hiefür führt er an, dass der Lower Llandovery-Sandstein,
welcher in Central-Wales unmittelbar auf die dunklen Upper Bala-
Schiefer folgt, untrügliches Zeugniss von wichtigen und weit ver-
breiteten Aenderungen zu Beginn der Llandoverystufe ablegt. Durch
das ganze Basin of the Dee behalten die Lower Llandoveryschichten
ihren grobsandigen Charakter bei und die Beziehungen der Bala Shales
zu denselben Sandsteinen von Conway werden ohne die Annahme
einer Transgression (over lap) oder Discordanz (unconformability) gerade-
zu unerklärbar.
Das überzeugendste Argument findet aber Lapworth in der
Thatsache, dass, wenn wir vom Towey-Thale ?) absehen, wo überhaupt
keine Schichtendiscordanz zwischen Oaradoe und Lower Llandovery
einerseits, und zwischen Lower- und Upper Llandovery andererseits
besteht, in den zwischen der Arenig- und Ludlow-Gruppe gelegenen
Schichten sich der am meisten ausgesprochene Facieswechsel und die
grösste Unterbrechung in paläontologischer Beziehung an der Spitze
der Balastufe und seiner ausserbritischen Aequivalente einstellt. Die
Balagruppe enthält 614 verschiedene Arten, Lower Llandovery 600 und
Upper Llandovery 261 Arten. Von den 614 Balaarten gehen 103 in die
unteren Llandoveryschichten, die beiden Abtheilungen der Llandovery-
Gruppe haben 104 Arten mit einander gemein und von den 261 Arten der
oberen Llandoveryschichten finden sich 126 in den über ihnen folgenden,
unbestritten obersilurischen Wenlockablagerungen wieder. Wir sehen
nahezu die Hälfte seiner Arten sondern den Upper Llandovery in den
Lower Llandovery und die Wenlockgruppe, während ungefähr der
6. Theil der Balafauna sich in den Lower Llandovery [und zwar 103 Arten]
und Upper Llandovery |und zwar 107 Arten] erstreckt, somit von einer
Unterbrechung in der Entwicklung der Organismen nur an der Spitze der
Balastufe die Rede sein kann. Lapworth weist auf Schottland hin,
wo die einzige bemerkenswerthe Discontinuität in paläontologischer
Beziehung sich an der Basis von Lower Llandovery einstellt, während
die Vertreter der Lower-, Upper Llandovery- und Tarannonschichten,
d. i. Birkhill- und Galastufe, unmerklich in einander übergehen. In
Amerika (Anticosti ausgenommen) hat die Lap worth’sche Abgrenzung
von Unter- und Obersilur früher als in England Platz gegriffen.
Barrande?°) hat Britannien betreffend die Grenze zwischen
Unter- und Obersilur über dem oberen Llandovery gezogen. Von den
') Lapworth in Ann. Mag. Ser. V, Bd. 5, pag. 46.
?) Murchison, Siluria. 1867, pag. 87, Profil Noeth Grug and Text.
®) Barrande, Defense des colonies. V, 1881, pag. 18: „il nous semble que la
combinaison la plus simple, pour etablir l’uniformit& entre la serie silnrienne d’Angle-
terre et la serie correspondante dans la plupart des contrees serait d’incorporer les 2
[49] Ueber die Beziehungen der Barrande’schen Etagen €, D und E etc. 165
durch Lapworth aufgestellten Abtheilungen, Lower-, Middle und
Upper Valentian [= Lower Llandovery, Upper Llandovery und Tarannon
in Wales] führt er die zwei erstgenannten zum Untersilur und die letzte
zum Obersilur.
F. Schmidt!) zieht in Uebereinstimmung: mit Lapworth die
Grenze zwischen Unter- und Öbersilur in den baltischen Provinzen
Russlands über der Etage /, dem Aequivalente des Caradoesandsteines.
Er berichtet: „Our Upper Silurian is very distinetly separated from the
Lower Silurian. There is a clear break with us in the development
of organie life, notwithstanding the fact that the physical conditions
remain the same; for the Upper Silurianstrata consist of limestone and
marls, like those of the Lower Silurian. At many places with us the
lowest Upper Silurian, stage @, is observed in immediate contaet with
the highest Lower Silurian, Z; but nowhere can there be any doubt
coneerning the geological age of these unvarying deposits.“
Die Insel Gothland zeigt nach Schmidt eine sehr vollständige
obersilurische Schiehtenreihe, das Untersilur fehlt völlig. Das Gegen-
stück bildet Oeland, hier finden sieh nicht die geringsten Andeutungen
von Obersilur. Diese T'hatsachen weisen auf weitgehende Veränderungen
zu Beginn des Obersilurs im Sinne Schmidts hin.
In Schonen ist die Grenze zwischen Untersilur und Obersilur durch
das Auftreten der Graptolithen von Birkhill- [= Llandover-] Charakter
gekennzeichnet. In Böhmen deckt sich die Grenze zwischen der Bar-
rande’schen Fauna II und III mit der Lapworth'schen in Aue uns
Ein scharfer Facieswechsel leitet das Obersilur ein.
Auf Grauwackensandsteine und Quarzite (Dd,ß) folgen Grapto-
lithenschiefer (Ee,). In paläontologischer Beziehung macht sich an der
Grenze von Unter- und Obersilur eine völlige Unterbrechung in der
Entwicklung der Organismen bemerkbar.
Die II. und III. Fauna haben nur 1 Trilobiten ?), Oalymene
Blumenbachi Brongn. (d,, es, fa), 6 Brachiopoden ®) und 1 Acephalen ®)
gemeinsam, welche Ziffern gegenüber dem ungeheuren Reichthume an
E-Formen verschwinden. Diese Unterbrechung in der Entwicklung wird
durch den Umstand zur klaffenden Lücke, dass die Kosower Grauwacken-
sandsteine und Quarzite völlig versteinerungsleer sind.
Einer analogen Erscheinung begegnen wir noch in Frankreich 5)
(Anjou und Bretagne), wo der versteinerungsleere Gres eulminant, und
in der Umgebung von Almaden °), wo ein nur Bilobiten führender Quarzit
sich an der Grenze von Unter- und OÖbersilur einstellt.
subdivisions du groupe de Llandovery ä la division du silurien inferieur de Murchison.
e.a. A la faune seconde. — Ib. pag. 38, Il resulte de ces documents, que les schistes
de Tarannon font partie constituante du silurien superieur de Murchison.
!) Schmidt in Quart. Journ. Geol. Soc. London 1882, 38. Bd., pag. 524.
?) Barrande, Trilobites. RExtrait du Suppl. au Vol. I du Syst. sil. du centre
de la Bohöme. 1871, Pag. as
®) Barrande, Extraits du syst. sil. Vol. V, pag. 190 u. 191.
I) Barrande, Extrait du syst. sil. Vol. VI, pag. 339.
°) De Tromelin et Lebesconte, Congres de Nantes. 1875, pag. 9.
6%) Ch. Barrois, Recherches sur les terrains anciens des Asturies et de la Galice.
Extrait des mömoires de la societe g£ologique du nord. Tom. 2, mem, I, 1882, pag. 461.
166 Dr. Josef Wentzel.
[50]
Die Brauchbarkeit der Lapworth’schen Grenze zwischen Unter-
und Obersilur (beziehungsweise Ordovieian und Silurian) kann nach
dem Vorangehenden nicht angezweifelt werden. Lapworth liess sich
im Gegensatze zu Murchison bei seiner Grenzbestimmung vornehm-
lich von paläontologischen Gesichtspunkten leiten, und das verschafft
seiner Grenze die Giltigkeit ausserhalb Englands.
Schlussbemerkung.
Wir bringen zunächst eine kleine Tabelle, welche die Entwicklung
der cambrischen und silurischen Ablagerungen in Böhmen und Britannien
und deren Parallelstellung in ihren wichtigsten Hauptzügen angibt.
Böhmen | Britannien
: Pr - F
== | -
Se ie: z E—e, Upper Ludlow, Aymestry Limestone,
=z = © - 3 5 Lower Ludlow, Wenlock Limestone,
s>2 E. „mh Wenlock Shale, Woolhope Limestone,
A Re E-e Tarannon, Llandovery.
(>) ee! 1 yi
= a)
D—d, ß
2e Die Caradoc-Gruppe.
o Au nn D-_d
>® o8 a
An a8 D-d,
= E
= “= 5 D—d,
Zu Hu
® = na D—-d, y%
Ei 7 Da, ß Llandeilo- und Arenig-Gruppe.
®) =
D—d, a
ro .d % |
S5* LER Tremadoc ?
28 ng c Lingula Flags?
3 = 2 Meuevian.
Er =, Solva.
(5) ee] Ss Si
je) [ne}
Die Lapworth’sche Grenze zwischen Cambrium und Silur, Unter-
und Obersilur entspricht den böhmischen Verhältnissen am besten. Das
Cambrium erscheint gegenüber der mächtigen Ausbildung in England
sehr reducirt. Eine typische Olenusfauna fehlt. Mit Sicherheit lassen
sich nur die Solva- und Menevianschichten nachweisen. In paläonto-
logischer Beziehung ist die Grenze zwischen Cambrium und Silur durch
das vollständige Aussterben der Formen der Primordialfauna zu Beginn
der Etage D markirt.
Im böhmischen Untersilur können wir nur die Caradoc-Gruppe,
nicht aber die Llandeilo- und Arenig-Gruppe für sich, sondern nur in
ihrer Gesammtheit, d. i. Llandeilo Murchison’s unterscheiden. Arenig-
a Ze U 2 Da u 2 0y Ze
0 1 DZ Da 2
w
[51] Ueber die Beziehungen der Barrande’schen Etagen C, D und E ete, 167
und Llandeiloformen mischen sich in der Zone d,y. Dieser Mischung
läuft eine Reduetion der Mächtigkeit gegenüber den äquivalenten Schichten
in England parallel.
Die Mächtigkeit von d, «@ beträgt 20— 30 Meter !)
PR 10): » 50-100 ,
dr „40-80 „
»_ da R 50— 80 ° „ östl. von Prag.
Die Mächtigkeit von d, +d, beträgt 160—290 Meter.
Die Llandeilo-Gruppe Murcehison’s umfasst:
Arenig Series. . » . . .. 1000-2500‘ Mächtigkeit ?)
Llanvirn Series . . 2... 20 0°....2000° 3
Llandeilo Flags . . . . . 3300'—4000' ?
Llandeilo Murch., . . 6300’—8500° Mächtigkeit.
oder 1890 — 2500 Meter.
Die Caradoestufe, welche sich in Böhmen wohl abgrenzen lässt,
besitzt hier und in England eine annähernd gleiche Mächtigkeit.
u a 80— 100 Meter mächtig
a re 2 070030 e
20ER n
d;—d, . . 1280—2200 Meter mächtig.
Bala Beds . . . . 4000'—12.000° mächtig
Hirnant Limestone . 50:— 300°:
4050’—12.300' mächtig
oder 1215—3690 Meter.
Das plötzliche, unvermittelte Auftreten von 47 neuen Trilobiten-
arten und der ersten Cephalopoden in maximaler Anzahl (25) zu Be-
ginn des Untersilurs in Böhmen, das rasche Anschwellen des Formen-
reichthums an Cephalopoden [von 12 (Llandeilo) auf 68 (Caradoc)] und
Trilobiten [von 51 (Llandeilo) auf 109 (Caradoc)] zum Schlusse des
Untersilurs in England kennzeichnen die Unabhängigkeit der Ent-
wicklung des Untersilurs in beiden Ländern.
An der Grenze von Unter- und Obersilur tritt in Böhmen eine
Unterbrechung in der Entwicklung der Organismen ein.
Von 124 D-Brachiopoden erscheinen 6 Arten in der Etage Z
„ 118 D-Trilobiten > TA ae era
» 13 D-Acephalen f Iob Hlesing, ie
__ 39 D-Cephalopoden 3 = gas
“Von 354 Arten der Etage D erscheinen 8 Arien in der Flage E,
') Krejti und Feistm antel, Orogr.-geotekt. Uebersicht d. silur. Geb. Archiv
f. naturw. Landesdurchf. v. Böhmen. V. Bd., 5. Abth.
2) Woodward, The Geology of England and Wales. 1887.
168 Dr. Josef Wentzel. [52]
während in Britannien yon 614 Arten der Caradoe-Gruppe !) nicht
weniger als 103 in die unteren, 107 in die oberen Llandoveryschichten
übergehen und eine immer noch beträchtliche Zahl sich in noch höhere
Silurabtheilungen erstreckt.
In England herrscht in paläontologischer Beziehung eine con-
tinuirliche, kaum unterbrochene Entwicklung vom unteren zum oberen
Silur, in Böhmen eine deutliche Unterbrechung, welche dureh das Auf-
treten der versteinerungsleeren Kosower Schichten (d, ß) an der Grenze
zwischen den Etagen D und E noch vollständiger gemacht wird.
Aus Dd,y und Dd, konnten wir 10, mit britischen Arten meist
sehr nahe verwandte Arten zum Vergleiche heranziehen, in d;, d, und
d, nn sich die Zahl auf 13, vorwiegend idente Arten, in der
Etage £ fanden sich 23 Graptolithen-, 24 Cephalopoden-, 31 Brachio-
poden-, 3 Acephalen- und 5 Trilobitenarten, im Ganzen 86 Arten,
welche in Britannien wiederkehren. Es machen diese Ziffern den Ein-
druck, als wenn zum Schlusse des Untersilurs und zum Beginne des
Öbersilurs neue Verbindungswege mit Britannien eröffnet worden wären.
In der Fauna der Etage Z£ kommt die individuelle, selbstständige
Entwicklung der beiden Silurgebiete am stärksten zum Ausdruck. Die
Etage E vertritt die Schichtenfolge von Lower Llandovery bis Upper
Ludlow (inclusive). Diese britischen Stufen in Böhmen abzugrenzen ist
unmöglich. Die Schichtengrenze zwischen e, und e, fällt mit einer der
britischen Stufen nicht zusammen. An der Basis von e, concentriren
sich alle #-Graptolithen von Lower Birkhill- bis Lower Ludlowalter.
Gegen die Spitze von e, und in &, mischen sich auf die Wenlock-
respective Ludlowgruppe beschränkt bleibende Cephalopodenformen. Die
mit Wenlock und Ludlow gemeinsamen Brachiopoden treten mit über-
wiegender Mehrheit in e, auf.
Ein noch viel stärker condensirter Charakter, als wie er in der
Graptolithenfauna der Stufe e, zum Ausdruck kommt, haftet der e-
Fauna an. Die Trilobiten, Cephalopoden, Brachiopoden und Acephalen
machen sich in Böhmen und England in folgender Artenzahl bemerkbar:
|: Böhmen England
Be, Ee .\Llandovery Wenlock Ludlow
| 2, ZEN = |
Arllobiten His: 8 .chla dr 16 8 34 | 48 19
Cophalepoden‘. -.. +: zer | 162 1.1777. 32 63.3 82
Brachuopnden, . = uni a. 32 | 293 89 112 49
yyetzy: 3): aa DE ru 2 a 57 | 767 34 40) 70
267 | 1918 | 189 263 220
Die Gesammtzahl der Acephalen-, Brachiopoden-, Cephalopoden-
und Trilobitenarten erreicht in Ze, bei einer Mächtigkeit von 100 bis
150 Meter die erstaunliche Höhe von 1918. Hiezu kommt in e, noch
eine Fülle von Gasteropoden, Bryozoen, Korallen u. s. w. Les Gastero-
!) Neumayr, Erdgeschichte. 1887, II. Bd., pag. 105.
>
Da 7 2
[53] Ueber die Beziehungen der Barrande’schen Etagen ©, D und E ete. 169
podes !) offrent dans cette bande (e,) une ineroyable variet& de formes
specifiques, qui ne s’est rencontr&öe jusqu’ ici sur aucun horizon, dans
aucune autre contr&e pal&ozoique. Le nombre de ces formes n’est pas
encore exaetement determine, mais il s’eleve A quelques centaines.
Par contraste, les Pt&ropodes sont rare et faibles dans notre bande e,.
Enfin les Polyzoaires, Bryozoaires et Polypiers de la bande e, ne
sont pas moins varies que ceux qui sont connus sur l’horizon de Wenlock
en Angleterre.
Eine Concentration der Formen, wie sie sich in dem Brachiopoden-
und Cephalopodenkalke der Stufe e, vollzieht, ist in Britannien eine
unbekannte Erscheinung. Die obersilurische Fauna vertheilt sich daselbst
mehr weniger gleicbmässig auf die einzelnen Stufen.
Die maximale Mächtigkeit der Etage E giebt Barrande?°) zu
300 Meter an. Die Mächtigkeit des Obersilurs ®) beträgt in Nordwest-
England 4200 Meter, während sie in Wales von 900 Meter bis 1800 Meter
variirt. Eine Mischung von Formen heterogener Stufen wird auch hier
von einer Reduction der Mächtigkeit gegenüber den äquivalenten Schichten
in England begleitet.
Es konnte früher mehrfach und besonders bei den Brachiopodeu
darauf hingewiesen werden, dass dieselben Arten in England früher
auftreten als bei uns, woraus sich die einige Zeit gangbare Ansicht
bildete, die Silurfauna sei in Böhmen etwas später als in England zur
Entwicklung gekommen. Zwei im Llandeilo und 7 zuerst im Caradoc
auftretende Brachiopoden, die aber bis Wenlock, beziehungsweise Ludlow
aufsteigen, wurden genannt, die in Böhmen nicht unter die Etage E
herabgehen. Ihr späteres Erscheinen in Böhmen hat mit einem Nach-
hinken der Entwicklung nichts zu thun. Die Brachiopoden *) sind im
Llandeilo und besonders im Caradoe an kalkige Lagen gebunden; das
böhmische Untersilur setzen kalkfreie Schiefer und quarzitische Sand-
steine zusammen, sobald im Obersilur sich Kalke einstellen, finden sich
auch die genannten Arten ein. Diese verschieden petrographische Be-
schaffenheit des böhmischen und britischen Untersilurs macht auch die
Thatsache verständlich, dass trotz des grossen Brachiopodenreichthums
Llandeilo 60 Brachiopodenarten
Caradoc 140 >
Barr. Etage D 124
diese Thiergruppe im Untersilur kaum nennenswerthe Beziehungen
eröffnet.
Derselbe Erklärungsgrund passt auch auf die untersilurischen
Cephalopoden Böhmens und Englands, welche nicht eine gemeinsame
Art aufzuweisen haben, obwohl in der Etage D 39 Arten, im Llandeilo
12 und im Caradoc 63 Arten auftreten.
!) Barrande, Extraits du syst. silur, Vol. II, Texte V, 1877, pag. 168.
2) Derselbe, Defense des colonies. III, 1865, pag. 221 und Extrait du Syst. sil.
Vol. IT, 1870, pag. 198.
®) Woodward, The Geology of England and Wales, pag. 84.
*#) Murchison, Siluria. 1867, pag. 66 ff., pag. 50 ff.
Jahrbuch der k. k. geol. Reichsanstalt. 1891.41 Band. 1. Heft. (Josef Wentzel.) 223
170 Dr. Josef Wentzel. [54]
Die Graptolithen, welche im britischen Untersilur (Moffat Series
in Schottland ete.) eine so grosse Rolle spielen, machen sich in der
Barrande’schen Etage D kaum bemerkbar. Ihr vorwiegendes Vor-
kommen in thonigen und mergeligen Sedimenten erklärt ihr sporadisches
Auftreten in genannter Etage. 4
Ich glaube die wesentlichsten Gegensätze in der Entwicklung der
Silurablagernngen beider Länder hervorgehoben zu haben und es bliebe
nur noch die Frage offen, ob die Passage Beds auch in der Etage #
mitvertreten erscheinen? Diese Frage muss verneint werden. Die britischen
Uebergangsschichten zum Devon hin mit ihren Resten von Landpflanzen,
zahlreichen Fischen und grossen Eurypteriden haben keine mit der
E-Etage gemeinsame Art aufzuweisen.
Das Grüne Farb-Erde-Vorkommen bei Atschau-
Gösen im Bezirke Kaaden in Böhmen.
Von H. Becker.
Mit 6 Zinkotypien im Texte.
Jok&ly beschreibt dieses jetzt einzig in seiner Art dastehende
Vorkommen im Jahrbuche 1858 der k. k. geologischen Reichsanstalt.
Da jedoch seit jener Zeit eine bedeutende Erweiterung der Aufschlüsse
nach der Tiefe hin stattgefunden hat, und die einzelnen Schächte sammt
deren Grubenbauen von mir markscheiderisch aufgenommen wurden,
so habe ich es versucht, auf Grundlage dieser Aufnahmen die Lagerungs-
verhältnisse der Schichten in dem genannten Gebiete nochmals genauer
darzustellen.
Die umstehend beigegebene Situationsskizze und die nächstfolgenden
Profile sollen diese Mittheilungen näher erläutern.
Die Schichtenfolgen, welche die grüne Erde einschliessen, sowie
das Grünerdevorkommen selbst sind an bestimmte Horizonte gebunden,
sie stehen aber auch unter einander in einem anderen Verhältnisse, als
Jok&ly (loc. eit. Profil Fig. 14) angiebt. Es dürften daher diese Mit-
theilungen für Jene, welche an dem heimatlichen Producte Antheil
nehmen, nicht ohne Interesse sein.
Die Gewinnung der grünen Erde ist schon seit Jahrhunderten im
Betriebe. Schon im 15. Jahrhundert soll Georg von Podiebrad als
König von Böhmen zwei Kuttenberger Bergleute nach Kaaden gesandt
haben, um die hiesigen Bergleute in rationeller Gewinnung der grünen
Erde zu unterweisen.
In der Geschichte der Stadt Kaaden von Nicolaus Urban von
Urbanstädt finde ich eine Notiz aus dem Jahre 1558, worin es
heisst: „Es hatte der hiesige Rat wegen gemeiner Stadt Kaaden und
derselben Burger Unterthanen des Dorfes Ahotschau zugehörenden
Lusten am Purgperkh sieh mit dem Bohuslaw von Hassenstein wegen
Bergwerksstrittigkeiten zu vergleichen angeordnet ete.“ Ob dieser Streit
über die Grünerde-Gewinnung handelte, ist nicht angeführt, möglich,
da man früher und noch in den Dreissiger-Jahren dieses Jahrhunderts
die: grüne Erde als Kupfererz ansah, da ferner in der ganzen Umgebung
kein anderes bergmännisch zu gewinnendes Mineral vorkommt, am
Jahrbuch der k.k. geol. Reichsanstalt. 1891. 41. Band. 1, Heft. (H. Becker.) 22 *
172 H. Becker. [2]
allerwenigsten edle Metalle, auf die vorherrschend in jenen fernen Zeiten
gefahndet wurde. Die Stadtgemeinde Kaaden dürfte sich den Grünerdeberg-
bau angeeignet und nach dem Patente von 1809 als Kupfererze verliehen
haben. Anfangs der Dreissiger-Jahre wurde durch diverse Processe der
Grundbesitzer mit der Stadt Kaaden entschieden, die grüne Erde sei
kein Erz, gehöre folglich nicht zu den vorbehaltenen Mineralien, und
ging hienach die Gewinnung derselben in’s Eigenthum der Grundbesitzer
Don
Sr)
über. Von jener Zeit an bauen diese theils in eine Gesellschaft vereint,
theils einzeln auf ihrem Grundbesitze die grüne Erde ab, und bewegt
sich der jetzige Betrieb ausschliesslich in einer Basaltsenkung nördlich
von Atschau in einer Länge von 450 Meter von Süd nach Nord, und
Breite von 150 Meter, wie die eingetragenen Schächte auf’ dem Situa-
tionsplan zeigen. Dass aber schon vorher ein Abbau an den Ausbissen
in der Richtung nach Gösen stattgefunden hat, beweisen die zahlreichen
alten Halden in dieser Gegend, über die meistens wieder der Pflug
“y er
Bi 4
ET EEE EEE ECO SEE EEEBETNSEREER ES
[3] Das Grüne Farb-Erde-Vorkommen bei Atschau-Gösen etc, 173
geht, da das verwitterte Kalk- und Basalttuffigestein einen fruchtbaren
Boden bildet.
Wie einerseits bei Kaaden der untere Basalttuff direet auf Granulit
lagert, findet hier bei Atschau die Auflagerung desselben auf gebrannten
und zersetzten Gneis (rothen Kaolin) statt, welcher mit dem Ent-
wässerungsstollen für den Grünerdebergbau, dessen
Mundloch auf dem Plane mit I bezeichnet ist, durch-
quert und mit dem Luftschachte II durehteuft wurde
(Profil D. An dem Kreuzungspunkte der Strassen von
Atschau nach Kaaden und Burberg tritt aus dem
rothen Gneise Basalt fast bis zu Tage hervor. Ersterer
hat noch die vollständige Structur des Mutterge-
steines und bildet derselbe aufgelöst die rothen
Thone. Offenbar ist dieses Gestein vom Basalte
verändert und vielleicht in sein jetziges Niveau ge-
hoben worden, da dasselbe an keinem anderen Punkte
der nächsten Umgebung zu beobachten ist.
Die hier lagernden rothen Thone, wie auch
jene weissen am Wehrlust bei Klösterle sind keine
Zwischenlager des unteren Basalttuffes, wie Jok&ly
bemerkt, sondern unterlagern denselben und sind
Zersetzungsproducte des Gneises, respective Gra-
nulites, wie der allmälige Uebergang in das feste
Gestein beweist, das an so vielen Punkten in der
Umgebung von Kaaden zu beobachten ist.
Der auf den Gneis auflagernde untere Basalt-
tuff, welcher in den Profilen mit 2 bezeichnet wurde,
ist an der Oberfläche am Gehänge nördlich von
Atschau gelblich-grau verwittert und findet man in
demselben wie überall faserigen Gyps in Bändern
von 5—10 Millimeter Dicke eingeschlossen. In den
Schächten III und IV wurden diese Schichten mit
Strecken durchquert, sie treten dort als ein dichtes
blaugraues Gestein mit Einschlüssen von Glimmer-
blättchen auf, das keine Schichtung erkennen lässt,
aber unregelmässig zerklüftet ist und an der Ober-
fläche in kurzer Zeit zu Staub zerfällt. In demselben,
namentlich in den hangenden Theilen, finden sich
Kohlennester bis 100 Millimeter Stärke, die in einem
vor mehreren Jahren aufgelassenen Schachte westlich
von X bis 200 Millimeter stark waren, und deren
Kohle zum Brennen benutzt werden konnte. An der
Strasse von Kaaden nach Rachel sieht man ver-
steinerte Baumstämme in nicht geringer Menge ein-
gelagert.
Die Mächtigkeit des unteren Basalttuffes be-
trägt in dem grünen Erde-Gebiete 40—5V) Meter, dürfte aber dort, wo
die Ablagerung nicht unterbrochen ist, eine noch bedeutendere Mächtig-
keit haben.
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I
Er,
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m.
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a een
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ProfilI. 4.2, 0.
174 H. Becker, [4]
Unmittelbar auf den unteren Basalttuff lagert ein Süsswasserkalk,
der in den Schächten IX—XI 3-—4 Meter, im Schachte XVI bis
10 Meter mächtig aufgeschlossen ist. Am oberen Gehänge nördlich von
Atschau. treten in den verwitterten Schichten braune Bänke hervor,
welehe diesem Kalke angehören. Die unteren Lagen bestehen aus
dichten festen, bis 30 Centimeter starken Bänken von hornstein- und
sinterartigem Aussehen, mit ausgesprochener Schichtung, welche an
Klüften' mit stark eisenschüssigen Schalen umgeben sind, so dass sie
fast das Aussehen von Brauneisenstein haben.
Hin und wieder besteht der Kalk vorherrschend aus Conchylien,
deren Schalen im frischen Bruch und im Schliff. ersichtlich sind. Da
der dichte Kalk im hohen Grade politurfähig ist, durch den Conchilien-
einschluss schön gezeichnet erscheint, und in mannigfachen Farben
spielt, wie einige Schliffe, die auf meine Veranlassung gemacht wurden,
ergaben, würde sich derselbe trefflich als Marmor zur Anfertigung kleiner
Luxusgegenstände eignen.
Die oberen Schichten des Kalkes sind dünnschichtig mergelig,
mit abwechselnd thonigen weichen Zwischenlagen, welche theilweise
mit grüner Farbe imprägnirt sind und welche die Grünerde-Lage bilden,
die in den Profilen mit 4 bezeichnet ist. Auf diesen Schichten lagert
sodann eine 1—3 Meter mächtige ausgelaugte Basaltbank, 5 der Profile,
die unter dem Namen „Sand“ bekannt ist. Dieser sogenannte Sand ist
krystallinisch körnig und braun, bläulich und grünlich gefärbt; letztere
Farbe erscheint namentlich an Verdrückungen, wo der dichte Kalk
an den „Sand“ herantritt, wie nachstehende Skizze (Profil II) zeigt; es
ist daher dieser Sand für den Bergmann eine unliebsame Erscheinung.
Profil II.
An einzelnen Punkten, z. B. zwischen Schacht IX und X, fehlt
der Sand, an solehen Punkten ist auch keine grüne Erde vorhanden.
Die Kalk-'und Sandlagen sind die Bedingungen. für die grüne Erde;
wo die eine oder die andere fehlt, ist keine grüne Erde vorhanden.
Es ist unzweifelhaft, dass es die Auslaugungsproduete des Basaltes
sind, welche die Färbung der auf dem Kalke lagernden, lockeren und
aufsaugungsfähigen Schichte hervorriefen. |
In seltenen Fällen, z. B. in den Schächten XIV und XVI, kamen
Grünerdeschalen unmittelbar unter dem oberen Basalte vor, die jedoch
nicht bauwürdig sind. Die Mächtigkeit der grünen Erde wechselt von
5—50 Centimeter, ist, wo festere Schichten imprägnirt wurden, stein-
artig, wo weichere gefärbt wurden, thonig plastisch; diese letztere ist
unter dem Namen „fette Erde“ bekannt. Jene Kalkschiehten sind im-
prägnirt, welche das gefärbte Wasser mehr oder weniger anzogen, 80
5] Das Grüne Farb-Erde-Vorkommen bei Atschau-Gösen etc. 175
dass zwischen der grünen Erde unveränderte Mergellager oder zum
Farbegebrauch zu wenig gefärbte Zwischenlagen auftreten. Die oberen
Lagen sind am kräftigsten gefärbt; dann tritt noch circa 1 Meter tiefer
eine Färbung auf, wie sie “deutlich in Schacht XI aufgeschlossen ist;
diese verschwindet daselbst aber im tieferen Horizonte. In jenen Fällen,
wo die untere Lage intensiver gefärbt wird, verschwindet die obere
Farbe bis auf Spuren, sogenannte Zeichen.
Diese Ablagerung hat die Veranlassung zur Annahme zweier
selbständigen Grünerdelager gegeben, die aber nicht zulässig ist, da
stets der Erzeuger der Farbe, der Sand, auf der oberen Erde lagert,
und kein Basalttuff, noch weniger Sand, zwischen der grünen Erde
auftritt, wie J okely angiebt.
Es wurde auch in solehen Fällen ein oberes und unteres Grün-
erdelager angenommen, wo man dieselben in zwei verschiedenen, durch
Verschiebungen und Rutschungen entstandenen Horizonten abbaute. Ein
soleher Fall liegt in Schacht VIH und IX vor.
Im Allgemeinen kann man als bestimmt annehmen, dass die grüne
Erde in den tiefsten Punkten namentlich in den Mulden am mächtigsten
und intensiv blaugrün gefärbt ist, wie dieses aus den Aufschlüssen in
den Schächten IV, VIII, XI und XV deutlich hervorgeht, während
nach dem Ausgehenden die Erde gelblich-laubgrün war, in Folge dessen
man in früheren Jahren laubgrüne und blaugrüne Erde schied und
_ separat in den Handel brachte. An solchen Punkten, wo die Kalk-
schichten sehr eisenschüssig sind, ist die grüne Erde mit Braun gemischt.
Es entsteht so die sogenannte rothe Erde, welche werthlos ist, da sie
im Handel nicht angenommen wird. Die schönste Farberde findet sich
in der Regel an jenen Punkten, wo die unteren Kalkschichten horn-
steinartig werden und geschlossene Bänke bilden, während der Sand
braun gefärbt, daher ganz. ausgelaucht ist.
| Wie aus den Profilen hervorgeht, ist die Ablagerung nach allen
_ Richtungen wellenförmig, in ununte rbrochener Reihenfolge Sättel und
"Mulden bildend. Es kann daher von einer regelmässigen Streichungs- _
' riehtung niemals die Rede sein, die Neigungswinkel wechseln von
10—50 Grad. Diese unrerelmässige Art der Ablagerung ist es äber
' nicht allein, welche die Gewinnung erschwert; es treten hiezu noch die
vorkommenden Verwerfungen und Verdrückungen: zu welcher
Bedeutung erstere gelangen, ist im Profil II, zwischen Schacht VIH
re IX, ersichtlich.
Zem—e
-
SIE
Eine weitere Betriebserschwerniss bildet der nicht unbedeutende
Wasserzufluss. Wohl hat die Grünfarberde-Gesellschaft zur Entwässerung
_ einen Stollen herangeholt, mit dem man bei Schacht IV 49 Meter Saiger-
‚teufe erzielte. Durch schlechte Beaufsichtigung bei Auffahrung desselben
gingen bis zur genannten Schachtsohle 11 Meter Saigerteufe verloren
_ und setzt die Farberde noch unter der Stollensohle fort. Der Stollen
176 H. Becker. [6]
nimmt die Wasserzuflisse von den Schächten IV, V und VIH auf,
während XI, XII, XIV und XV dasselbe in die weiten Basaltklüfte
giessen, wo es theilweise einen Abfluss findet, theils aber auch im
Kreislauf zurückkehren dürfte. Durch die fortschreitende Entwässerung
des unteren Basalttuffes und Kalkes in dem Bergbaurayon versiegten
sämmtliche Brunnen in Atschau, welche jetzt nur mehr Bachsicker-
wasser enthalten.
Schacht XVII, welcher bis vor einigen Jahren laubgrüne Erde
am Ausbisse baute, erscheint noch dadurch besonders bemerkenswerth,
dass sich daselbst in der Grünerde thierische Reste vorfanden. Ich habe
dieselben seinerzeit an die geologische Reichsanstalt eingesendet, wo
sie als der Gattung Anthracotherium angehörig erkannt wurden. !)
Auffallend ist es, dass in den tieferen Lagen der grünen Erde noch
nie ein derartiger Fund gemacht wurde (Profil IV).
Profil IV. D, E,
Die Gewinnung der grünen Erde geschieht mittelst Streekenbetrieb.
Wo eine unverritzte Ablagerung vorhanden ist, wird auf der tiefsten
erreichbaren Sohle eine söhlige Grundstrecke, von dieser ansteigende
Strecken bis zur Feldesgrenze, respective bis zum höchsten Sattelrücken
getrieben. Von hier aus werden rückwärts gehend Abbaustreeken mit
Bergversatz zu beiden Seiten der steigenden Strecken je 5 Meter lang
angesetzt und wird auf diese Weise bis zur Grundstrecke zurück-
gegangen; man nennt diese Arbeit das „Auspressen“ der Erde. In
sämmtlichen Strecken ist eine starke Holzverzimmerung nothwendig,
weil die mürben Kalkschichten stark blähen und einbrechen.
Die oben beschriebenen Schichten 3, 4 und 5 der Profile dehnen
sich gegen Osten bis zur Strasse nach Gösen, gegen Norden bis Gösen
und darüber hinaus aus. Spuren von grüner Erde findet man nördlich
vom Burberge bei Pokatitz, dann westlich von demselben in dem tief
eingeschnittenen Thale bei Meseritz und Prödlas, ebenso in den Wasser-
racheln am unteren südlichen Gehänge des Berges, so dass man mit
Bestimmtheit annehmen kann, dass diese Schichtenreihen unter dem
Burberg, vielleicht noch in grösserer Ausdehnung unter dem Liesener
Basaltgebirge hindurchsetzen. Hiefür spricht das mächtig entwickelte
Vorkommen von Süsswasserkalk zwischen Atschau und Prödlas, wo
allerdings der Sand, sowie die grüne Erde fehlt.
In der östlichen Fortsetzung, südlich von Atschau, tritt bei Männels-
dorf die Schiehtenreihe mit grüner Erde in voller Entwicklung wieder
auf; die Farberde soll sich hier gelblich-grün finden , gegenwärtig ist
daselbst kein Bau auf grüne Erde offen.
!) F. Teller, Neue Anthracotherienreste ete. (Beiträge zur Paläontologie Oester-
reich-Ungarns, herausgegeb. von Mojsisovies und Neumayr. Wien 1886, Bd. IV,
pag. 51.)
[7] Das Grüne Farb-Erde-Vorkommen bei Atschau-Gösen ete, 177
Sehr schön entwickelt ist der Süsswasserkalk bei Klein-Sehönhof.
und beobachtet man ihn noch in einer Rachel nördlich von Weinern
u.a. 0., aber ohne Spuren von Grünerde.
Nach dieser Absehweifung kehre ich zur Beschreibung der Profile
zurück, und kommen zu dem Schichtengliede 6, welches von dem
Grünerdebergmann „Wildes Zeug“ oder schlechtweg „Berge“ genannt
wird. Diese Schichtabtheilung ist gelblich-grau und besteht aus einem
Gemenge von erdigem Basalttuff und thonig-kalkigem Gestein; das
Gesteinsmaterial ist meist mürbe, zeigt selten eine regelmässige Schichtung
und zerfällt an der Luft ebenso wie der untere Basalttuff zu feinem Staube;
die Mächtigkeit wechselt zwischen 5—20 Meter. In diesen Schichten
kommen häufig mit Kalkspath ausgefüllte Röhren von 2—5 Millimeter
Durchmesser vor, welche von organischen Resten herrühren dürften.
Der obere Theil dieser Schichte ist ein braunroth gefärbter
Basalttuff und wird von dem Bergmanne „Röthe“ genannt; sie ist eirea
I Meter mächtig. Die Röthe liegt unmittelbar unter dem Basalte; da
dieselbe, obzwar keine besondere Schiebtenabtheilung, den Basalt stets
begleitet, habe ich sie in den Profilen ausgeschieden und mit 7 bezeichnet.
Das oberste Glied der hier zu behandelnden Schichten bildet der
Basalt 3 der Profile, von dem Bergmanne „Fels“ genannt. Er füllt die
Mulden aus und erhebt sich zu steilen Rücken, die in ein Haufwerk
von Blöcken zerfallen, während er in den Senkungen mit einer starken
Humusschicht bedeckt ist. Das Gestein ist zumeist Augitbasalt, in
einzelnen Partien drusig und dann mit ausgeschiedenen Kalkspath-
mineralien erfüllt. Die meisten Schächte stehen vom Tage ab im
Basalte, welcher durchweg in mächtigen Blöcken, mit offenen Zwischen-
räumen bis zu 10 Centimeter Weite, aufgeschlossen ist. In den Schächten
V und XV wurden 1--2 Meter starke Lagen von festem drusigen
Basalttuffe, den sogenannten „milden Felsen“, durchteuft. Die Schächte
stehen von 13—42 Meter im Basalte, und scheint die Mächtigkeit am
Fusse des Burberges zuzunehmen, da mit Schacht XIV die grösste
Mächtigkeit von 42 Meter durchteuft wurde.
Niemals beobachtet man den Basalt im Bereiche des Grünerde-
bergbaues in Säulen, auch nicht am Burberge, wie Jok&ly angiebt.
Wohl treten die Säulenbasalte bei Kaaden am Heiligenberge und dem
Spitzing auf, wie überall an den Rändern des Liesener Basaltmassives,
welche die Hebung desselben hervorgerufen haben dürften.
An das Querprofil V habe ich einen idealen Durchschnitt des
Burberges angeschlossen; derselbe erhebt sich etwa
150 Meter hoch steil über das umgebende flache Ge-
hänge und zeigt einen Wechsel von schroffen Lagen
festen Basaltes und sanfter geböschten Basalttuffen.
Diese Wechsellagerung ist auf allen Seiten des isolirten Berges in
gleicher Weise zu beobachten, und giebt zugleich ein Bild von der
Jahrbuch der k. k. geol. Reichsanstalt. 1891. 41. Band. 1. Heft. (H. Becker.) 23
178 H. Becker. [8]
Zusammensetzung des Liesener Basaltgebirges, von welchem der Burberg
nur ein abgerissenes Stück darstellt. Die oberste Basaltlage besteht aus
diehtem Plattenbasalt, den man seiner äusseren Erscheinung nach als
Phonolith bezeichnen möchte.
Die grüne Erde besteht nach einer Analyse, mitgetheilt im Jahr-
buche der k. k. geologischen Reichsanstalt vom Jahre 1858, aus
folgenden Bestandtheilen:
Kijeselerde’ ati aus „NT IT SHT ZART
Thonerdew. 2108 WIUER REIS AKTIE PREIHIE IOEHEREITS
Einenosydune"- 7 ENE Bne FE Re NEE DI
Kalkerde ars Ua 7}, SEDIIRBLTEN AHUETANE Rees
Talkerde Era SIUUIS EHE, ARERNERATERA HEN EI
Rap 112 9, GER + DIR EBNTIRTRT » BRIRE SETZEN FE SEP
Kohlensäure und Wasser . . . .. 2.7193
Die Farbe wird von Eisenoxydulhydrat gebildet. Glüht man die
Erde, so verliert sie die Farbe und wird braun, und dieses neue Produet
findet insofern Beachtung, als es zur Porzellanmalerei verwendet werden
kann. Schon bei 50 Grad Reaumur wird die Erde mattgrün, zieht aber
wieder lebhaft Feuchtigkeit an, wobei sich dann die frühere Färbung
wieder einstellt.
Mit gelöschtem Kalk gemischt tritt eine innige Verbindung ein,
welche einen dauernden Facade-Anstrich giebt, und ist dieses auch
wohl die einzige und Hauptverwendung der Farbe. Zur Herstellung von
Oelfarbe ist die Erde nicht verwendbar, höchstens dass man in früheren
Jahren die theueren grünen Metallfarben damit versetzte.
In der Grube findet schon ein sorgfältiges Aushalten der Erde
statt, und wird dieselbe über Tage in kleine Stückchen geklopft, wobei
noch schlechtere Partien ausgeschieden werden. Dieses Product kommt
unter dem Namen Stückerde in den Handel, mit circa 15 Procent
Feuchtegehalt. Der weit grössere Theil wird als „gemahlene Erde“
abgesetzt; die Stücke werden zu diesem Behufe getrocknet, gestampft
und gesiebt.
Deutsche Fabriken verarbeiten die grüne Erde mit Harzer grünen
T'honen, welche bedeutend billiger sind, zusammen, wovon dann ein
Theil wieder als echtes Kaadener Grün nach Oesterreich eingeführt wird.
Seit Eröffnung der Buschtöhrader Eisenbahn und seit man in den
Achtziger-Jahren mit der Verarbeitung der Erde begonnen, hat der
Handel wesentlich zugenommen. So wurden in den Jahren
1888 = 49 Waggon Erde
1889 = 35 . n
1890 = 55 a 4
in Stücken und gemahlen versandt.
Die Hauptabsatzgebiete sind: Prag, Wien, Budapest, dann Regens-
burg, Nürnberg, Mannheim, Dresden, Magdeburg ete. ete. als Stapel-
und Exportplätze.
Der Preis der Roherde beträgt loco per 100 Kilo 6—7 fl. österr.
Währung, jener der gemahlenen Erde 9—10 fl.
Fr ERDE ne
EinBeitrag zur Kenntniss der Fauna der Priesener
Schichten der böhmischen Kreideformation.
Von Dr. J. Jahn.
Ueber die Ausbildung der Rückenlippe beieinem Scaphiten.
Mit 5 in den Text gedruckten Figuren.
Im heurigen Winter wurde mir vom Herrn Director der geologisch-
paläontologischen Sammlungen des K. k. naturhistorischen Hofmuseums
Th. Fuchs eine ziemlich formenreiche Suite von Kreidepetrefakten
aus Böhmen zur Bestimmung übergeben. Bei der Arbeit ist mir unter
den zumeist hübsch erhaltenen Fossilien ein durch seinen äusseren
Habitus bemerkenswerthes Exemplar von Scaphites Geinttzil d’Orb. var.
binodosus Röm. aufgefallen. An der Rückenseite der Mundöffnung nahm
ich nämlich einen nach vorn und unten hakenförmig umgebogenen Aus-
wuchs wahr (Fig. 1 und 2), der einer stark verdiekten Lamelle nicht un-
ähnlich ist und meine Aufmerksamkeit und mein Interesse um so mehr
fesselte, als ich an den Exemplaren des Vergleiehsmateriales und auch
in der Literatur Anzeichen ähnlicher Bildungen begegnete. Eine ein-
gehendere Prüfung dieses Scaphiten-Exemplares schien mir aus einigen
Gründen angezeigt zu sein, auch deshalb, um auf diese Eigenthümlich-
keit, welche, wie man sich beim Studium der einschlägigen Literatur
zur Genüge überzeugen kann, nicht allzu selten vorzukommen pflegt,
aufmerksam zu machen und die Erklärung ihres Verhältnisses zum
übrigen Gehäuse wenigstens zu versuchen.
Es sei mir gestattet, an dieser Stelle meinem hochverehrten Lehrer
Herrn Prof. Dr. Wilh. Waagen, für seine, bei dieser Arbeit mir
gütigst ertheilten Rathschläge den verbindlichsten Dank aussprechen
zu dürfen.
Das erwähnte Exemplar ist verhältnissmässig gross, schön aus-
gebildet und wohl erhalten. Es entstammt den Priesener Schichten
Jahrbuch der k. k. geol, Reiclısanstalt. 1891. 41. Band, 1. Heft. (J. Jahn.) 23*F
180 Dr. J. Jahn. [2]
(Plänermergel) und wurde in einem Sphärosideritknollen bei Priesen
unweit Laun gefunden. In den eretacischen Gebilden Böhmens treten
Sphärosideritknollen nur in einer der obersten Bänke der
Priesener Baculitenthone auf, in den Schichten der tiefer ge-
legenen Stufen sind sie nicht vorfindlich. Die Structur dieser Coneretionen
ist eine eoncentrisch-schalige. Für die Priesener Schichten ist ihr
Auftreten von unleugbarer Bedeutung, weil sie eine verhältnissmässig
reiche Fauna (besonders Exemplare der verschiedenen Cephalopoden-
Gattungen: Ammonites, Scaphites, Hamites, Helicoceras,
Baculites u. a. m.) führen und dieselben oft in grossen und wohl-
erhaltenen Exemplaren liefern. Mit den böhmischen Kreidesphärosiderit-
knollen eorrespondiren in den Formationen anderer Länder Coneretionen,
an deren Bildung sich ausser dem Ferrocarbonate auch Kalk, Quarz etc.
betheiligt.
Bei der Untersuchung des vorliegenden Scaphitengehäuses trachtete
ich zunächst zu ermitteln, ob der erwähnte Auswuchs einheitlicher
Natur, oder aber vielleicht aus mehreren Elementen zusammengesetzt
Fig.1.
Vorderansicht (Naturgrösse).
Seitenansicht vor dem Präpariren (?/,).
ist. Ausserdem war mein Bestreben dahin gerichtet, denselben in das
Innere des Gehäuses zu verfolgen. Das einzige vorhandene Exemplar
und das Interesse, welches der Auswuchs an und für sich beansprucht,
veranlassten mich natürlich, bei Zerlegung der Schale möglichst be-
hutsam vorzugehen.
Vor Inangriffnahme dieser Operation habe ich es für nothwendig
erachtet, die Dimensionen des noch ziemlich unverletzten Gehäuses zu
bestimmen und ermittelte seine Länge mit 25 Millimeter, seine Breite
dagegen mit 20'8 Millimeter.
Nach vollzogener Entfernung eines Theiles der Wohnkammer
(Fig. 3) gelangte ich zu der Ueberzeugung, dass die Lamelle tief in die
Wohnkammer hineinreiche. Dem letzteren Umstande allein ist es zu
verdanken, dass es möglich ist, heute schon eine — meinem Ermessen
nach — den bestehenden Verhältnissen entsprechende richtige Deutung
des gedachten Auswuchses zu geben. Untersucht man nun weiter, in
welehem Zusammenhange sich unsere Lamelle mit dem übrigen Gehäuse
Ten
[3] Ein Beitrag zur Kenntniss der Fauna der Priesener Schichten etc. 181
befindet, so gewahrt man, dass sie rechts und links allmälig in das-
selbe übergeht. Daraus ist evident, dass der hintere Theil dieser Lamelle
den Boden oder Rücken der Wohnkammer, der vordere, ein-
gerollte Theil, die Lippe, welche wir nach ihrer Lage die Rücken-
lippe nennen wollen, vorstellt. Die Stelle, wo die Wohnkammer endet,
ist an der Lippe (Fig. 4) als deutliche Linie ersichtlich. Das Ende der
Wohnkammer kann man auch: am Seitenrande des Bodens bemerken
(Fig. 3), und wenn auch ein Theil der Wohnkammer bei der Mündung
Seitenansicht nach dem Präpariren (?/,).
abgebrochen ist, so kann man doch an dem Vergleichsmateriale der-
selben Form leicht nach der Anzahl der Rippen und Knoten abmessen,
wie weit sich die Wände der Wohnkammer erstreekten und wo die
Lippe anfängt.
Die Oberfläche der Rückenlippe ist mit unter der Lupe deutlich
wahrnehmbaren Zuwachsstreifen dicht bedeckt, welehe nach vorne aus-
gebogen sind (Fig. 5). Diese Streifen, jenen vollkommen gleich, die an
Fig. 4. Fig. 5.
Die Lippe und der Boden der Wohn- Das vordere Ende der Rückenlippe
kammer von oben gesehen (2/,). von vorne gesehen (?/,).
der Oberfläche der Scaphitenschale bemerkbar sind, liefern den Beweis
dafür, dass das Wachsthum des Bodens der Wohnkammer an der
Rückenseite noch angedauert hat, als ihr Ventraltheil und ihre Seiten-
theile bereits aufgehört haben zu wachsen.
In dem Masse, als die Rückenlippe länger wurde, hat sie sich
eingerollt, doch nicht vollständig (Fig. 2 und 5). Ihr löffelförmig er-
weitertes Ende schliesst einen Raum ein, den jetzt Sphärosideritsubstanz
182 Dr. J. Jahn. [4]
ausfüllt (Fig. 1 und 2). Diese Rückenlippe ist jedoch weder eine terato-
logische, noch pathologische Erscheinung, es kommt ihr aber allerdings
auf der Rückenseite der Mündung dieselbe morphologische Be-
deutung zu, wie den Ohren auf dem Seiten- und Terran der
Mündung bei den Cephalopoden und entspricht auf der Schale des
recenten Nautilus jenem Theile der Schale auf der Querachse, wo die
bekannte schwarze Schichte anfängt. Der Boden der Wohnkammer
stösst nicht unmittelbar an die älteren Windungen, sondern er steht
von ihnen ab. Der Umstand nun, dass die diesen Raum ausfüllende
Masse (in Eisenhydroxyd umgewandelter Pyrit, vordem aber höchst
wahrscheinlich aus Weichtheilen bestehend) sich nach der Wohnkammer
zu nur allmälig auskeilt, beweist, dass die Richtung der Wohnkammer
eine von der nächst älteren Windung abweichende gewesen ist, dass
sich jedoch das Gehäuse allmälig aufgewunden hat.
Unsere Rückenlippe ist keineswegs identisch mit den Seitenohren
anderer Scaphiten (z. B. der Scaph. auritus Schl,), wohl aber weist
sie Merkmale auf, welche an jene Auswüchse erinnern, die Schlüter
an den Mündungen einiger Gehäuse der eretaeischen Scaphiten beob-
achtet hatte und die, offenbar nur unvollständig entwickelt, uns die
Form kleiner, nächst der Antisiphonalgegend des Gehäuses gelegener,
mit der Schale innig verwachsener, daher leicht zu übersehender Lappen
entgegen treten.
Der Zweck jener Masse, welche den zwischen den älteren Kammern
und dem Boden der Wohnkammer befindlichen Raum ausfüllt, liegt
auf der Hand, allein es hält sehr schwer, eine Erklärung der physio-
logischen Bedeutung der hier besprochenen Rückenlippe zu finden. Es
ist dies im Moment deshalb fast unmöglich, weil das untersuchte Materiale
ausserordentlich wenig Anhaltspunkte liefert, um einer so wichtigen
Frage gerecht werden zu können. Es möge mir jedoch gestattet sein,
zwei Ansichten zu entwickeln, die unter den obwaltenden Verhältnissen
als die besten erscheinen, ohne Anspruch auf ihre Richtigkeit erheben
zu wollen.
Die eine von ihnen erklärt sich dafür, dass unsere Rückenlippe
lediglich den jedenfalls sehr dünnen freien Aussentheil des Scaphiten-
sehäuses widerstandsfähiger zu machen hatte. Die andere Ansicht
möchte behaupten, dass die Lippe dem Thiere beim Herausgleiten aus
der Schale als Rutschfläche diente. Wie schon erwähnt, müssen um-
fassende Untersuchungen darüber entscheiden, ob und inwieferne die
obigen Anschauungen Geltung haben können.
Wie bereits erwähnt, habe ich sowohl im Vergleichsmateriale als
auch in der einschlägigen Literatur einige schwache Anzeichen dieser
Bildung gefunden. Die zahlreichen Seaphiten, die ich zu diesem
Behufe in den hiesigen Sammlungen und meinem Materiale aus den
Priesener Schichten der Umgegend von Pardubie untersucht
habe, lieferten mir Einiges, was an die besprochene Rückenlippe erinnert.
Auch einige Exemplare von den übrigen Scaphiten, welche von
derselben Localität und in demselben Erhaltungszustand in den Samm-
lungen des k. k. naturhistorischen Hofmuseums vorliegen, wiesen eine
ähnliche Bildung auf. Dasselbe gilt auch von den von meinem hoch-
[5] Ein Beitrag zur Kenntniss der Fauna der Priesener Schichten ete, 183
verehrten Lehrer Prof. Dr. A. Fri&!) beschriebenen und abgebildeten
zahlreichen Seaphiten aus der böhmischen Kreideformation, an denen
jedoch diese Eigenthümlichkeit keine Beachtung gefunden hat.
Beim Studium der Literatur war ich in der Lage zu constatiren,
dass bereits Schlüter in seiner Monographie ?2) der eretacischen A m-
moniten eine Reihe westphälischer Kreidescaphiten bildlich
darstellt, deren vier auf der Rückenseite der Mündung eine unserer
Rückenlippe ähnliche Bildung aufweisen. Es sind das Se. G@einitzii
d’Orb. von Innenthal bei Langenholz (Taf. XXI, Fig. 17), bei
welchem jedoch dieser Auswuchs nur undeutlich in Erscheinung tritt,
Scaphites sp.? aus der Nähe von Essen (Taf. XXIII, Fig. 23). ein
grosser Se. spiniger Schl. (Taf. XXV, Fig. 1) aus den Muceronaten-
schiehten von Darup und schliesslich ein Se. ornatus A. Röm. von
Haldem (Taf. XXVII, Fig. 5). Eine Deutung dieses Fortsatzes hat
jedoch Schlüter nicht versucht, er sagt darüber blos, „dass sich die
Schale am Unterrande der Mündung zungenförmig auf- und rück-
wärts in der Richtung zum spiralen Theile hinausdehnt“
(pag. 83 im Texte). Quenstedt bemerkt im Texte zu seiner Petre-
faktenkunde ®), dass er an einigen Scaphiten einen vorspringenden
Zahn beobachtete, welcher bei den kleineren Exemplaren etwas stärker
markirt erscheine, als bei den grossen. Nebstdem findet sich im Atlas
dieser Petrefaktenkunde (Taf. XLV, Fig. 20) auch der von Schlüter
beschriebene Se. spiniger mit dem ihn charakterisirenden zungenförmigen
Fortsatze abgebildet. Eine Erklärung dieses Vorsprunges findet sich
jedoch auch bei Quenstedt nicht vor. Der Schlüter’schen Abbildung
des Scaphites spiniger begegnen wir auch in Steinmann’s Paläonto-
logie.‘) Steinmann spricht sich bezüglich des Fortsatzes folgender-
massen aus: „Bei genabelten Argonautenschalen bildet sich dort,
wo die Arme” austreten, ein Spiralausschnitt, wie er in gleicher Weise,
wenn auch weniger tief, am Mundrande von Scaphites spiniger beob-
achtet wird.“ Auch Zittel, dem diese Eigenthümliehkeit der Scaphiten-
schalen nieht entging, hat es nicht unterlassen, in seinen paläontologischen
Wandtafeln (Taf. LXXVII, Fig. 3a) eine Abbildung dieses Schlüter-
schen Exemplares zu geben. Hieraus ist zu ersehen, dass die erwähnten
Seaphiten allerdings im Stande gewesen waren, die Aufmerksamkeit
ihrer Beobachter in Anspruch zu nehmen.
Wenn man nun die angeführten Formen in Vergleich zieht mit
jener des vorliegenden: Se. cn d’Orb. var. binodosus Röm. und
dabei das Hauptgewicht auf den Zusammenhang legt, welcher zwischen
den Fortsätzen der Schlüter’schen Exemplare und dem von uns als
Rückenlippe gedeuteten besteht, so fällt uns vor Allem anderen auf,
dass dieSchlüter’'schen Seaphiten einen nach aufwärts gebogenen
1) Dr. Ant. Fri@ und Dr. Urb. Schlönbach, Cephalopoden der böhmischen
Kreideformation. Prag 1872, pag. 41—44, Taf. 13— 14. |
2) C. Schlüter, Ammoniten der Kreideformat'on. Paläontographica. XXI,
Taf. 23—28.
?) Fr. Aug. Quenstedt, Handbuch der Petrefaktenkunde. Tübingen 1885,
pag. 583, Taf. 45, Fig. 20.
Bei Dr: Gustav Steinmann und Dr. Ludwig Döderlein, Elemente der Paläonto-
logie. Leipzig 1890, Fig. 546, pag. 457.
184 Dr. J. Jahn. [6]
Fortsatz aufweisen, wohingegen die hier besprochene Rückenlippe, wie
bereits erwähnt, nach unten gebogen erscheint. Weitere Untersuchungen
der von Schlüter beschriebenen Seaphiten und jener, an welchen
ähnliche Vorsprünge beobachtet wurden, ohne besprochen worden zu
sein, werden wohl im Stande sein, die Frage zu entscheiden, ob die
Auswüchse in dem Sinne gedeutet werden dürfen, wie dies hier ver-
sucht wurde.
Da sowohl bei den europäischen, als auch bei den amerikanischen
eretacischen Seaphiten das Auftreten der der Rückenlippe analogen
Bildungen eine nicht seltene Erscheinung zu sein scheint, glaube ich daraus
die Schlussfolgerung ziehen zu dürfen, dass wir es im gegebenen Falle mit
einem Merkmale zu thun haben, dessen Bedeutung wohl nieht zu unter-
schätzen ist. Es muss noch die Frage offen gelassen werden, ob dies
darauf hindeutet, dass jene Scaphiten, welche die Rückenlippe
besitzen, einer Sippe angehören, in welcher wir den Uebergang zu
einer noch unbekannten Gruppe zu erblicken haben, oder aber, ob
wir sie nicht vielleicht blos zu abnormalen Bildungen zu zählen hätten.
Guilfordia Waageni nov. form.
Mit 4 in den Text gedruckten Figuren.
In der am Anfange erwähnten Sammlung böhmischer Kreide-
petrefakten befinden sich auch zwei Exemplare einer Gastropoden-
form, die trotz ihres minder günstigen Erhaltungszustandes schon
darum einer Besprechung würdig sind, weil sie einer Gattung ange-
hören, deren Vertreter, wie bereits hinreichend erwiesen ist, sehr selten
vorkommen.
Zekelit!) hat in den Gosaugebilden die später von Stolicka?’)
diesem Genus zugewiesene Delphinula spinosa beschrieben und bereits .
im Jahre 1847 berichtet Philippi über Gehäuse der recenten Guxl-
fordia triumphans aus dem japanesischen Meere, welche er als Trochus
triumphans bezeichnet und später zu Astralium gezählt hat. In den
trefflichen Arbeiten von Philippi°®), H. u. Arth. Adams), J. C.
Chenu®), P. Fischer); W.Kobelt”\, K A, Zittel®) u, 222
!) L. F. Zekeli, Die Gastropoden der Gosaugebilde in den nordöstl. Alpen,
Abhandl. d.k. k. geol. Reichsanstalt, I, Bd., 2. Abthlg., Nr. 2, Wien 1852, pag. 60,
Taf. XI, Fig. 2a—.c.
?®) F. Stoliöka, Eine Revision der Gastropoden der Gosauschichten in den
Östalpen. Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wiss, in Wien. Bd. LII, 1865, pag. 60, 155.
») R.A. Philippi, Handbuch der Conchyliologie und Malakozoologie. Halle
1853, pag. 268.
*) H. and Arth. Adams, The genera of recent mollusca. London 1858, pag. 399,
Pl. 44, Fig. 5.
°) J.C. Chenu, Manuel de Conchyliologie. Paris 1859, pag. 349. Fig. 2568—2570.
°) P. Fischer, Manuel de Conchyliologie. Paris 1887, pag. 813
a ”) W. Kobelt, Illustrirtes Conchylienbuch. Nürnberg 1878, pag. 153, Taf. 53,
Fig. 8.
°) K. A. Zittel, Handbuch der Paläontologie. II. Bd., pag. 191.
ie :
[7] Ein Beitrag zur Ktnntniss der Fauna der Priesener Schichten ete. 185
finden wir theils eingehende Beschreibungen, theils Erwähnungen und
Abbildungen dieser recenten, selten anzutreffenden japanesischen Form,
aber keiner anderen, die die Reihe der Guilfordien vermehren würde.
Vorliegende Exemplare sind insofern von Interesse und Wichtig-
keit, als es bis jetzt nicht gelungen war, in den böhmisch-sächsischen
eretacischen Sedimenten Vertreter dieses Genus nachzuweisen. Sie
wurden in den Baculitenthonen der Priesener Schichten bei
Priesen unweit Laun gefunden und haben, wie die meisten Gastro-
poden der genannten Gebilde, meistens stark verdrückte, ihrer Schale
mehr weniger entkleidete Gehäuse.
Ungeachtet dessen nehme ich die Besprechung dieser Exemplare
vor und erachte mich dazu um so mehr für berechtigt, als die an ihnen
beobachteten Merkmale dafür sprechen, dass wir es mit Vertretern einer
neuen Form zu thun haben.
Fig. 6.
Seitenansicht (/,).
® Das untere Ende der Schlusswindung ()).
Das Gehäuse ist kegelförmig (Fig. 8), 6°9 Millimeter hoch und
7:1 Millimeter breit. Sein Gewinde ist zugespitzt, von sechs Umgängen
ebildet, die allmälig anwachsen und von schmalen, rinnenförmigen
ähten getrennt sind (Fig. 6). Die zwei Embryonalwindungen sind klein,
convex, die darauf folgende Mittelwindung leicht gewölbt. Die übrigen
Mittelwindungen erscheinen fast eben. Die unten gekielte Schlusswindung
hat ihren dachförmig abfallenden Theil fast eben, den Kiel abgerundet
und den unteren Theil, welcher in die Basis übergeht, schmal und
leicht gewölbt (Fig. 7). Den Mittelwindungen scheinen die Stachel,
welche die Schlusswindung zieren, gefehlt zu haben. An dem Kiele der
- Sehlusswindung sitzen lange, drehrunde, hohle, scharf zugespitzte Stachel,
deren zwei der Mündung zunächst gelegene gegen diese zu bogenförmig
gewendet sind; die nächsten zwei stehen auf der Peripherie der Windung
senkrecht, während die folgenden zwei eine dem zu allererst erwähnten
Jahrbuch der k. k. geol. Reichsanstalt. 1891. 41. Band. 1. Heft. (J. Jahn.) 24
186 Dr. J. Jahn, [8]
Stachelpaare entgegengesetzte Biegung erkennen lassen. Die Schale
hat sich nur an der Basis erhalten, den Windungen fehlt sie ganz.
Ihre Oberfläche bedecken 25 gedrängt stehende, erhabene, mit dem
Kiele parallel laufende Streifen, über welche nur mit der Lupe sicht-
bare Zuwachsstreifen setzen. Dort, wo die Zuwachsstreifen die Quer-
streifen durchschneiden, sind letztere ein wenig verdickt, was das Ansehen
gibt, als ob die Querstreifen fein granulirt wären (Fig. 9). Die Mündung
ist an beiden Exemplaren abgebrochen.
Seitenansicht des Gewindes (%)).
Gurlfordia Waagen? unterscheidet sich von den bisher bekannten
Formen dieses Genus scharf. Von der Gosau-Form, Guilfordia spinosa
Zek. sp., trennt sie zunächst die Totalgestalt ihres Gehäuses, sodann
die Ausbildung und Stellung ihrer Stachel, ferner die Form ihres Ge-
windes und endlich die Beschaffenheit ihrer Basis. Ebenso leicht ist sie
von der recenten Form, Guxlfordia triumphans Phil. sp., zu scheiden.
Fundort: Priesen bei Laun.
Druck von Gottlieb Gistel & Comp in Wien,
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en BalioMaden in Kleinasien.
poden der Tr
Erklärung der Tafel I.
Fig. 1—4. Rhynchonella levantina nov. spec.
Fieg.$: % anatolica nov. spec.
Fig. 6—8. Terebratula tureica nov. spec.
Fig. 9—11. Spirigera Manzavinii nov. spec.
Fig. 12
; Spiriferina cfr. Emmrichii Suess.
Fig. 13 Diseina spec.
Alle Figuren mit Ausschluss von Fig. 13 und der unteren Figur von 12 in
natürlicher Grösse gezeichnet. Sämmtliche Arten stammen aus den Kalken des Kyzyl-
tepe bei Balia-Maden.
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A.
Bittner: Triasbrachiopoden aus Kleinasien
A owohnda Iısk
Jahrbuch der k.k.Geologischen Reichsanstalt Bd. XLI. 1891.
Verlag v.Alfred Holder k uk Hof u. Universitäts Buchhändler in Wien
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Taf. 1.
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Fig.
Erklärung der Tafel II.
Lima (Plagiostoma) mysica nov. spec. Rechte Klappe. Das hintere Ohr
derselben tritt in Wirklichkeit
ein wenig stärker hervor.
Avicula (? Meleagrina) Foulloni nov. spec. Schlossrand nicht ganz correct
gezeichnet, vergl. Zinkotypie
im Text.
Lima /Radula) Baliana nov. spec. Rechte Klappe.
Corbis Manzavinii nov. spec. Rechte Klappe.
? Schizodus spec. indet. (aff. Ewaldi Born.) Nicht ganz gelungene Figur,
weshalb eine Zinkotypie in
den Text beigegeben wurde.
Myophoria micrasiatica nov. spec. Figur nicht entsprechend und durch eine
Zinkotypie im Texte ersetzt.
. Peeten mysicus nov. spec. Fig. 7 die linke, gewölbte Klappe; Fig. 8 die
flache, rechte Klappe von innen.
Hinnites scepsidicus nov. spec. Wahrscheinlich linke Rlappe.
Mysidia (mov. gen.) orientalis nov. spec. Rechte Klappe; Fig. 10 « Schloss
derselben Klappe.
. Modiola spec. indet. in zwei Exemplaren.
Pecten (Leptochondria nov. subgen.) aenlieus nov. spec.
? Posidonomya pergamena nov. spec.
). Cassianella angusta nov. sp. in zwei Exemplaren.
Gervillia efr. angusta Goldf.
Pecten spec. indet. Rechte Klappe.
Alle Figuren sind in natürlicher Grösse gehalten. Sämmtliche Arten mit Aus-
nahmen des Pecten aeolieus, Fig. 13, aus den Kalken des Kyzyl-tepe, dieser Pecten
selbst aus den Thoneisensteinen der Halobienschiefer von Balia-Maden.
A. Bittner: Trias-Petrefacten
aus Kleinasien. '
ABwohoda tıch Druck v voh. Hau ın
Jahrbuch der k.k. Geologischen Reichsanstalt Bd. XLI. 1891.
Verlagv Alfred Hölder k.uk Hof u.Universitäts Buchhändler’ in Wien.
Taf. I.
Yıızli
Erklärung der Tafel III.
Fig. 1. Pergamidia /nov. gen.) Eumenea nov. spec. Rechte Klappe; 1« Schloss derselben.
Fig. 2. 5 Eumenea n. sp. Schloss der linken Klappe (vergl. auch die Zinko-
typien im Texte).
Pie: 3. A R n Linke Klappe eines schmäleren Exemplares; 3«@
Vorderansicht derselben Klappe, um das Klaffen
der Schale zu zeigen.
Fig. 4. e Attalea nov. spec. Rechte Klappe und 4a Vorderansicht derselben.
Die Figuren ] und 3 sind beträchtlich verkleinert, die übrigen in natürlicher
Grösse gehalten.
Pergamidia Eumenea stammt aus den Schiefern mit Halobia Neumayri; Perg.
Attalea aus den Kalken mit Spirigera Manzavinii des Kyzyl-tepe bei Balia-Maden.
A. Bittner: Trias-Petrefacten aus Kleinasien. Taf. I
ish. . Jchlaugr. in Wien
A Swoboda ish. Druck v. Jchlaupr. in Wi |
‚Jahrbuch derkk. Geologischen Reichsanstalt Bd. XLI. 1891.
Verlag Alfred Hölder kuk Hof u.Universitäts Buchhändler in Wien.
Die Tiefbohrung bei Batzdorf nördlich. bei: Bielitz-Biala, Von
Beiträge zur Geologie von Galizien (Fünfte F nen
Chemische Analyse der N: von.
Böhmen. Von ©. v. Abd. Koh ee
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. Tafeln (Taf. an ag Re Zin koty ypien
Ueber die Beziehungen der Barrand He nr
Sihur. Von Dr. J. Wentzel. rn
Von H. BapEr (Mit 6 HN ER 5
Ein Beitrag zur Kenntniss der Si der Fichener
Jahn. (Mit 9 Ankotresek
NB. Die a RR ad für den Inhalt und
ihrer Aufsätze verantwortlich. ”
|
Ausgegeben am 15. April 1892.
JAHRBUCH
DER
KAISERLICH-KÖNIGLICHEN
- BEOLOGISCHEN REICHSANSTALT
JAHRGANG 1891. XLI. BAND.
2, und 3. Heft.
Mit Tafel IV bis IX,
GERN:
9 VL c
| ee
Or 5767]
WIEN, 1892.
ALFRED HÖLDER,
K. U. K., HOF- UND UNIVERSITÄTS-BUCHHÄNDLER,
Röthenthurmstrasse 15.
Im October 1891 erschien und wird auf Verlangen gratis und
franco versandt:
Aka uhr Katalog Nr. 13:
Mineralogie. Geologie. Palaeontologie.
zum Theil aus der Bibliothek des * Herrn Professors
Dr. Melchior Neumayr
in Wien.
LEIPZIG, Leplaystrasse 1. MAX WEG.
Beiträge zur Geologie von Galizien.
(Sechste Folge.)
Von Dr. E. Tietze.
U. Zur Literatur über Wieliczka.
Als Professor Niedzwiedzki seinen vierten Beitrag zur Kennt-
niss der Salzformation von Wieliezka und Bochnia (Lemberg 1839)
veröffentlicht und dabei andere Autoren, insbesondere aber mich in
einer theilweise höchst auffallenden Sprache angegriffen hatte, begnügte
ich mich, diesen Angriff in einem relativ kurzen Referat (Verhandl. d.
geol. Reichsanstalt. Wien 1839, Seite 230) zu quittiren. Ich wünschte
eine höchst unerquieklich werdende Discussion nicht zu weiteren Dimen-
sionen anschwellen zu lassen.
Bald erschienen aber Nachträge zu jenem vierten Beitrage, in
welchen der Autor seine Ausdrucksweise noch weniger als vorher zu
mässigen vermochte. Mein Versuch, den Streit abzubrechen, war nicht
verstanden worden und ich fand mich veranlasst, in einem längeren
Artikel (Verhandl. d. geol. Reichsanstalt. 1890, Seite 151—169) die
Ausführungen Niedzwiedzkis etwas eingehender zu prüfen. Ich habe
das ohne Rücksicht auf das provocirende Verhalten des Lemberger
Autors von sachlichen Gesichtspunkten aus gethan. Es handelte sich
mir ja vornehmlich, wie ich mich ausdrückte, darum, „denen, welche
genöthigt sind, die durch Controversen bereits recht verwickelte Literatur
über Wieliezka zu studiren, die Orientirung zu erleichtern“. Den Glauben,
Herın Niedzwiedzki selbst überzeugen zu können, hatte ich damals
bereits verloren.
Wohl aber glaubte ich, dass die trotz aller Bestimmtheit stets in
den Grenzen der Höflichkeit bleibende, nach Thunlichkeit sogar ver-
bindliche Form meiner Erwiderung !) meinen Gegner wenigstens bewegen
!) Auch in den Bemerkungen, welche ich (Jahrb. d. k. k. geol. Reichsanstalt.
1889, pag. 393 ete.), anlässlich einer Discussion gewisser Aussagen Panl’s über
Niedzwiedzki’'s Arbeiten einfliessen liess, wird man, so glanbe ich, das Bestreben,
eine schickliche Form der Auseinandersetzung mit dem Letzteren zu finden, nicht
vermissen.
Jahrbuch der k. k. geol. Reichsanstalt. 1891. 41. Band. 2. Heft. ‘Dr. E. Tietze.) 25
183 Dr. Emil Tietze. [2]
könnte, seinen eventuellen zukünftigen Erörterungen einen weniger
persönlichen und mehr sachlichen Zuschnitt zu geben. Ich dachte mir,
dass Herr Niedzwiedzki seine Aufwallung beschwichtigen und die
liebenswürdigen Umgangsformen, die ich früher im persönlichen Verkehr
mit ihm kennen gelernt hatte, bei der Fortsetzung seiner Thätigkeit
auch am Schreibtisch endlich wieder finden werde. Vor Allem aber
hoffte ich, dass er bei der weiteren Bekämpfung fremder Ansichten
diesen letzteren wenigstens durch Vermeidung jeder Art von Entstellung
gerecht werden würde. In diesem Falle wäre es ja den Lesern unserer
Sehriften schliesslich ınöglich gewesen, zu einer selbstständigen Auf-
fassung der besprochenen Fragen zu gelangen und so erklärte ich denn,
dass, „sofern nicht neue Beobachtungen eine besondere Stellungnahme
zu den Wieliezka betreffenden Fragen erwünscht machen“ sollten, ich
die Absicht hätte, auf die weitere Betheiligung an einem vermuthlich
recht sterilen Streite zu verzichten.
Die Verhältnisse haben sich indessen nicht von meinen Wünschen
beherrschen lassen. Ich habe einer Aufforderung des Herrn Professor
v. Szajnocha entsprechen zu sollen geglaubt und mit demselben das
in jenen Controversen viel genannte Mietniöw besucht. Ferner sind bei
Wieliezka einige Bohrungen ausgeführt worden, deren wichtige Resultate
zu meiner Kenntniss kamen. Damit lagen nun solche neue Beobachtungen
vor, welche mich veranlassen mussten, aus der beabsichtigten Reserve
herauszutreten. Ich habe mich der Besprechung dieser Beobachtungen in
der fünften Folge meiner Beiträge zur Geologie von Galizien (Jahrbuch
d. k.k. geol. Reichsanstalt. 1891) unterzogen und glaube dies ohne
irgend welche Schärfe, ja fast ohne jeden polemischen Beigeschmack
gethan zu haben. Man konnte also noch immer hoffen, dass die weitere
Discussion über Wieliezka sich in ruhigem Geleise bewegen würde.
Gleichzeitig und augenscheinlich ganz unbeeinflusst von dem Er-
scheinen meiner letzterwähnten Publication hat aber auch Professor
Niedzwiedzki sich wieder vernehmen lassen, und zwar in einer Weise,
die leider meine Voraussetzungen völlig getäuscht hat. Der genannte Autor
hat eine fünfte Folge seiner Beiträge zur Kenntniss der Salzformation von
Wieliezka und Bochnia (Lemberg 1891) publieirt, welche sich nicht allein
durch die Kernigkeit ihrer Ausdrucksweise recht innig und organisch an
die vierte Folge derselben Beiträge anschliesst, sondern welche auch durch
so eigenthümliche Deformirungen der bisherigen Ausführungen über
Wieliezka sich auszeichnet, dass ich dazu unmöglich schweigen kann.
Würde ich dort beispielsweise blos zu lesen bekommen haben
(vergl. 1. c. Seite 217, 218, 225), dass ich ebenso ungenirt wie unlogisch
bin, dass bei meinen Darstellungen und denen meines Collegen Paul
„die Mängel der Begründung durch dreistes Vorbringen ersetzt“ werden,
so könnte ich solche Bemerkungen einfach der kleinen Blumenlese von
Freundlichkeiten beizäblen, die ich bereits in den früher erschienenen
Theilen der Niedzwiedzki’schen Schrift zu sammeln Gelegenheit
hatte, in welchen ja der Vorwurf der Dreistigkeit, Leichtfertigkeit,
Urtheilslosigkeit und der beabsichtigten Täuschung schon ausgiebig
an meine Adresse verschwendet wurde. Dergleichen Anwürfe kann
man, sofern ihre rein literarische Seite in Betracht kommt, getrost der
Kritik des Publieums überlassen. Anders verhält es sich mit dem Ver-
[3] Beiträge zur Geologie von Galizien. 189
such einer nicht ganz correeten Beeinflussung des öffentlichen Urtheils
über die thatsächliche Gestalt meiner früheren Mittheilungen,, wie ihn
der genannte Autor bei seiner Polemik unternimmt. Da erscheint eine
Richtigstellung der literarischen Thatsachen dringend geboten, selbst
auf die Gefahr hin, dass dies vielleicht nach der Meinung meines
Widersachers (vergl. l.e. Seite 204, unten) „nur einen neuen Schatten“
auf mein Vorgehen wirft. Ich ziehe diesen Schatten jedenfalls der Be-
leuchtung vor, in welcher sich Professor Niedzwiedzki nach den
neuesten Proben seiner Dialektik darstellt.
In ganz besonders eigenthümlichem Lichte erscheint diese Dialektik
dort, wo der genannte Autor in seiner diesmaligen Verlautbarung die
in der Nähe Wieliezkas ausgeführten Bohrungen bespricht. An diese
Besprechung soll daher meine Abwehr zuerst anknüpfen.
Bekanntlich hat Niedzwiedzki selbst (vergl. dessen Schrift
über Wieliezka, Seite 149) schon vor etlichen Jahren ausser anderen
Bohrungen auch eine solche im Norden der Grube von Wieliezka, und
zwar in der Nähe des Reformatenklosters vorgeschlagen. Diese Bohrung,
welche mit Nr. III bezeichnet wurde, ist (ohne dass ich Gelegenheit
gebabt hätte, bei ihrer Anlage zu interveniren) später unternommen
und bis in grosse Tiefen niedergebracht worden. Sie hat ergeben, dass
in jener Gegend keinerlei Salz mehr vorhanden ist.!) Heute sagt
Niedzwiedzki aus, dass ich meinerseits von jenem Punkte eine
günstige Meinung gehegt und im Gegensatz zu seinen Ausführungen
der Hoffnung auf Erreichung von Salzlagern daselbst bestimmten Aus-
druck verliehen habe. Sieht das nicht beinahe so aus, als sollte ich
für den Mangel eines praktischen Erfolges bei einer von anderer Seite
befürworteten Unternehmung verantwortlich gemacht werden ?
Wie verhält es sich nun mit jenem angeblichen Gegensatz der
Ansichten und Vorhersagen ?
Ohne Weiteres darf zunächst anerkannt werden, was ich ja ohne-
hin niemals bestritten habe, dass Niedzwiedzki die Bohrung beim
Reformatenkloster in erster Linie aus theoretischen Bedürfnissen vor-
geschlagen hat, ohne in seinen Publicationen irgendwelche sichere
Hoffnungen auf reiche Salzfunde in jener Gegend ausgesprochen zu
haben. Er vermuthete im Gegentheil daselbst (wenigstens hinsichtlich
der Fortsetzung des oberen Theiles der Salzformation) ein salzarmes
oder salzleeres Gebirge und erwartete von dieser Bohrung nur „eine
definitive Entscheidung in Betreff der nördlichen Grenze des Salz-
schichtensystems‘“.
Doch wurde ursprünglich, wie nicht unerwähnt bleiben kann,
ausser diesem Bohrloch III noch eine andere, weiter nördlich gelegene
Bohrung projeetirt, die doch wohl den Zweck hatte, diese definitive
Entscheidung kommenden Falls erst jenseits des Bohrloches HI zu
suchen. Jedenfalls ist es denkbar, dass die Salinenverwaltung, wenn
sie das heute bekannte Resultat der Untersuchung beim Reformaten-
kloster mit absoluter Bestimmtheit hätte voraussehen können, sich nicht
in die Unkosten dieser Unternehmung gestürzt hätte.
1) Näheres darüber findet man in der fünften Folge meiner Beiträge zur Geologie
von Galizien (Jahrb. d.k. k. geol. Reichsanstalt. 189], pag. 44 etc.).
25*
190 Dr. Emil Tietze. [4]
Nun spricht aber Niedzwiedzki gegenwärtig nicht blos davon,
dass jenes Resultat seine Erwartungen bestätigt habe, er benützt diesen
Anlass vielmehr zu einem Versuch, meine eigene Darstellung der im
Norden der Grube zu erwartenden Verhältnisse in nicht gerade loyaler
Weise blosszustellen. Er eitirt die Seiten 251 und 256 meiner Monographie
der Gegend von Krakau und greift einzelne Sätze meiner dortigen Aus-
führungen entgegen dem klaren und unzweideutigen Sinne der letzteren
aus dem Zusammenhange heraus, lässt die diesen Sätzen entgegen-
gestellten Bemerkungen einfach weg und behauptet sodann auf Grund
der also präparirten Belege, ich hätte die Bohrung beim Reformaten-
kloster „direet als hoffnungsreich in Betreff der Erreichung von Salz-
lagern“ bezeichnet und damit eine der seinigen entgegenstehende Auf-
fassung ausgesprochen.
Nun bitte ich zuerst Seite 250 meiner oben erwähnten Arbeit
aufzuschlagen. Ich eitire dort wörtlich die früheren Aeusserungen
Niedzwiedzkis (vergl. die Seiten 143 und 112 von dessen Schrift),
wonach derselbe im Norden von Wieliezka „eine sehr salzarme und
später auch ganz salzleere Fortsetzung des Salztrümmergebirges“ vor-
aussetzt. Ich füge hinzu: „Eine bessere Bestätigung meiner Ansichten
über den Facieswechsel der bei Wieliezka entwickelten Bildungen kann
ich mir nicht wünschen.“ Anschliessend daran sage ich sodann auf
Seite 251: „Ich bin also mit der eben erwähnten Auffassung“ (Niedz-
wiedzkis) „völlig einverstanden“. (Vergl. übrigens Seite 219
meiner Arbeit, wo dieses Einverständniss ebenfalls zum Ausdruck
kommt.) Und da behauptet der Genannte heute, ich hätte eine der seinigen
entgegengesetzte Ansicht „vertheidigt“*.!!
Für jeden halbwegs aufmerksamen Leser ist ferner klar, dass die
hier von mir zustimmend besprochenen Aeusserungen Niedzwiedzki's
sich nur auf das Salztrümmergebirge, das ist die obere Abtheilung der
Wieliezkaer Salzformation und deren im Norden der Grube zu erwartende
Aequivalente beziehen. Ueber das Liegende des Salztrümmergebirges,
das ist über die untere geschichtete Salzformation und deren eventuelle
Fortsetzung im Norden der Grube hat der genannte Autor überhaupt
keine auf die Bohrung III bezügliche Prognose gegeben. Er kann in
dieser Beziehung also weder behaupten, dass die thatsächlichen Er-
gebnisse dieser Bohrung seiner Voraussicht entsprachen, noch kann er
behaupten, dass ich mich dabei in Gegensatz zu seinen Ansichten gesetzt
habe, insofern diese Ansichten eben für jenen speciellen Fall verborgen
geblieben sind.
Ich selbst sprach mich allerdings über diesen Punkt aus und
schrieb (auf Seite 251 meiner oben eitirten Arbeit): „Wir haben ja gar
keine Veranlassung anzunehmen, dass es Aequivalente des älteren
geschichteten Salzgebirges nordwärts von Wieliezka nicht mehr giebt“,
und diesen Satz greift heute Niedzwiedzki für seinen merkwürdigen
Anwurf heraus. Er fügt aber nicht hinzu, dass ich unmittelbar dahinter
schreibe: „Wir können uns aber sehr gut vorstellen, dass dieselben“
(jene Aequivalente nämlich) „dort doch bald oder später gleichfalls
aus mehr oder weniger salzarmen Schichten bestehen, mögen dies
nun Sande, Thone oder Gypse sein.“ Man darf wohl annehmen, dass
Niedzwiedzki alle die von mir hier eitirten Sätze gelesen und dass
EL LU 4 u
[5] Beiträge zur Geologie von Galizien. 191
er nicht etwa bei flüchtiger Durchsicht meiner Arbeit blos auf jenem
von ihm herausgegriffenen Satz sein Auge hat ruhen lassen. Wie soll
man nun sein Vorgehen nach Gebühr qualifieiren? Aber selbst wenn
er thatsächlich die vor und hinter jenem herausgegriffenen Satze
stehenden Ausführungen nicht beachtet hätte, so hätte er doch diesen
Satz noch immer nicht für seine heutigen Folgerungen verwerthen
können, denn Aequivalente von Salzlagern sind eben nicht die
Salzlager selbst. Das sollte doch Jemand wissen, der mir (vergl.
Seite 230 seiner Schrift) Lehren über den Begriff der Facies er-
theilen will.
Auf der von dem Autor gleichfalls eitirten Seite 256 meiner Arbeit
spreche ich sodann direet von den im Norden Wieliczkas vorgeschlagenen
Bohrungen. In völliger Uebereinstimmung mit dem auf den Seiten 250
und 251 derselben Arbeit Gesagten schreibe ich dort wörtlich: „Nach
Norden zu sind, wie wohl bewiesen wurde, dieHoffnungen ziemlich
geringe.“ Ich fahre dann einige Zeilen später fort: „Es sind in nördlicher
Richtung zunächst zwei Bohrungen projeetirt, von welchen selbstver-
ständlich die am wenigsten nordwärts zu verlegende, in der Nähe des
Reformatenklosters als die etwas hoffnungsreichere bezeichnet werden
kann.“ Das heisst doch im Zusammenhang mit dem soeben eitirten
und an die Spitze meiner Aeusserungen über jene Bohrprojecete gestellten
Satze betrachtet nicht mehr, als dass von zwei Punkten geringer Hoffnung,
der eine etwas weniger schlecht erscheine als der andere. Das ist aber
offenbar der Passus, aus welchem Niedzwiedzki die Behauptung
ableitet: Tietze „bezeichnete auch direet die in Rede stehende
Bohrung als hoffnungsreich in Betreff der Erreichung von Salz-
lagern“. Man muss den Muth des „dreisten Vorbringens“ doch wohl in
seltenem Grade besitzen, wenn man es wagt, in solcher Weise die
Dinge auf den Kopf zu stellen.
Zwischen den beiden zuletzt eitirten Sätzen meiner Arbeit stehen
dann einige weitere Bemerkungen, die zwar das Urtheil der unbe-
dingten Aussichtslosigkeit der Bohrung beim Reformatenkloster nicht
enthalten, aus denen aber, selbst wenn sie aus dem Zusammenhange
herausgerissen werden, doch Niemand umgekehrt folgern kann, dass
sie im Widerspruch zu der von mir vorangestellten Ansicht stünden,
wonach die Hoffnungen auf Salz im Norden der Grube „ziemlich
geringe“ seien.
Ich sagte nämlich, es sei ein urplötzliches Verschwinden des
Salzes nach dieser Richtung „nicht gerade unbedingt“ anzu-
nehmen, aber es „dürften Verunreinigungen des Salzes dort eine immer
grössere Rolle spielen, je weiter man sich nordwärts mit seinen Arbeiten
setzt“ und dem Bergbau sei mit einem derartigen Gebirge nicht gedient.
Heisst das vielleicht „direete Hoffnungen“ erwecken? „Am ehesten
mag,“ so fuhr ich fort, „bei der anscheinend grösseren Constanz der
unteren Salzablagerung die Hoffnung auf die Erreichung von Szybiker
Salzen in der Tiefe daselbst berechtigt sein.“ Das bedeutet doch auch
nicht mehr, als dass ähnlich wie in dem früher eitirten Vergleich
zwischen den zwei projectirten Bohrlöchern die Aussichten in dem einen
Falle mir etwas weniger ungünstig schienen als in dem anderen, dass
also (aus Gründen, die ich Seite 251, Zeile 27 anführe) immer noch
192 Dr. Emil Tietze. [6]
mehr Hoffnung vorhanden schien, allenfalls das tiefere Salzgebirge anzu-
treffen, als die Salze des oberen, aber das bedeutet doch nicht, dass
ich Aussichten auf lohnenden Abbau an dieser Stelle eröffnete, nament-
lich da ich ja unmittelbar vorher betone, dass eventuell in dieser Gegend
gefundenes Salz für die Zwecke des Bergbaues nicht mehr rein genug
sein dürfte.
Wenn Jemand schreibt, es seien für den Erfolg einer geplanten
Nordpolexpedition die Hoffnungen „ziemlich geringe“, das Fahrwasser
werde wahrscheinlich nicht offen sein, „am ehesten“ sei es indessen noch
denkbar, diese oder jene Stelle des Polarmeeres relativ eisfrei anzu-
treffen, so wird doch kein vernünftiger Mensch behaupten, der Betreffende
habe der Expedition einen günstigen Verlauf prognostieirt oder gar zu
der Hoffnung ermuthigt, es werde in der Umgebung der bezeichneten
Stellen ein ewiger Frühling herrschen. Ueber den Sinn solcher Rede-
wendungen sollte man doch wenigstens mit Personen von grammatika-
lischer Schulung nicht länger zu diseutiren genöthigt sein.
Schliesslich habe ich hier nichts weiter gethan, als für die von
Niedzwiedzki vorgeschlagene Bohrung die äusserstenfalls noch zu-
lässige Möglichkeit eines Erfolges abgewogen. Das hätte” unter Um-
ständen sogar als Freundschaftsdienst aufgefasst werden können, denn
wenn man nach dem damaligen Stande unseres Wissens berechtigt
gewesen wäre, eine Fortsetzung selbst der untersten Salze bis in jene
Gegend hin für gänzlich unmöglich zu erklären, dann würde sich viel-
leicht Niemand gefunden haben, der dem Wunsche des Herrn Professors,
dort eine „definitive Entscheidung* zu suchen, entgegengekommen wäre.
Heute, nachdem das gänzlich negative Bohrresultat vorliegt, kann
man allerdings sagen, dass selbst der meinerseits gebrauchte Ausdruck
„ziemlich geringe Hoffnungen“ für den betreffenden Punkt noch zu weit-
gchend war und ich habe deshalb erst kürzlich (vergl. Jahrb. d. k.k.
geol. Reichsanstalt. 1891, Seite 45) ohne Weiteres zugestanden, dass
mich ein „so rasches, absolutes Verschwinden des Salzes“ überrascht
hat, aber zwischen der von mir zugelassenen Voraussetzung einer etwas
langsameren Vertaubung des Salzgebirges und der mir insinuirten An-
nahme einer höffnungsreichen Fortsetzung der Salzlager besteht doch
ein himmelweiter Unterschied.
Ich war im Gegentheil sogar völlig berechtigt (Jahrb. d. k. k. geol.
Reichsanstalt. 1891, Seite 44) in dem bewussten Bohrergebniss bezüglich
der wesentlichen Punkte eine Bestätigung meiner früheren Aeusse-
rungen zu erblicken. Zum mindesten hat Niedzwiedzki keine Ver-
anlassung, ein ähnliches Recht für sich in höherem Grade zu beanspruchen,
da er, ich wiederhole das, hinsichtlich der eventuellen Fortsetzung des
unteren Salzgebirges nach Norden zu keine bestimmte Prognose aus-
gesprochen und da er zweitens hinsichtlich der Fortsetzung des oberen
Salzgebirges nach derselben Richtung zu nicht mit Sicherheit von einem
salzleeren Gebirge, sondern auch von der Möglichkeit eines salz-
armen Gebirges geredet hat, was sich von meinen Voraussetzungen
für diesen Fall nicht unterscheidet.
Jenes Bohrergebniss scheint aber Herrn Niedzwiedzki noch
nach einer anderen Seite hin wichtig zu sein, nämlich zur Entscheidung
[7] Beiträge zur Geologie von Galizien. 193
der Streitfragen, welche sich an den bekannten Wassereinbruch im
Kloski-Schlage knüpften. Meine und Herrn Paul’s Ausführungen über
diesen Gegenstand werden bei dieser Gelegenheit sehr abfällig be-
urtheilt. Der Autor meint, dass dieselben nunmehr „hoffentlich das
Schlussstück von dem Rattenkönig von Irrthümern“ bilden werden, der
bezüglich jener Fragen entstanden sei. Niedzwiedzki schlägt in-
dessen seine eigene Mitwirkung bei der Herstellung dieses Gebildes
etwas zu gering an.
Auf Seite 195 meiner Krakauer Arbeit gedenke ich bei einer
einleitenden Besprechung der Verhältnisse von Wieliezka gewisser über
diese Verhältnisse bestehender Meinungsdifferenzen etlicher Autoren.
Dabei sage ich, dass Niedzwiedzki den bewussten Wassereinbruch
das einemal aus dem Hangenden, das andere Mal aus der ver-
änderten Fortsetzung des Salzgebirges abgeleitet habe, was ich dann
auf den Seiten 249 und 250 derselben Arbeit näher begründe.
Dagegen schreibt jetzt Niedzwiedzki (Seite 221 seiner Schrift),
er habe die erstere Behauptung oder eine ihr gleichkommende
nirgends gemacht; dieselbe widerspreche auch direct seinen
bezüglichen Aeusserungen. Aber auch das zweite Glied des vermeint-
lichen Widerspruchs beziehe sich nur auf eine seinerseits „blos neben-
her zugelassene Möglichkeit“.
Was jene erstere Behauptung anlangt, so meint Nied-
zwiedzki weiter, ich hätte eine seiner Meinungsäusserungen für meinen
Zweck „ummodellirt und ergänzt“, also ein wenig gefälscht. Gegen-
über einer derart zwanglosen Anwendung der Regel: 87 fecisti, nega,
bin ich genöthigt,. jene Aeusserung hier nochmals zu eitiren. Der Autor
schrieb (l. e. Seite 145 unten), „dass das Wasser in den Querschlag Kloski
durch Oeffnung einer ursprünglich sehr engen Spalte gelangte, welche
zu einer oberhalb und nördlich vorliegenden wasserführenden , sandig-
thonigen Lage eines an das salzführende von Norden her seitlich an-
stossenden Schichtensystems reichte“. — „Die Voraussetzung der An-
wesenheit einer sandig-thonigen wasserführenden Lage innerhalb des
Schichtensystemes, welches unter den Bogueicer Sanden folgt, dürfte
wohl um so weniger einem Widerspruch begegnen, als nach der früheren
Darlegung östlich von Wieliezka bei Przebieezany als Liegendes der
Bogueicer Sande thatsächlich eine Schichtenfolge von abwechselnden
Thonen und thonigen Sanden zum Vorschein kommt. Es wird vielleicht
auch nieht überflüssig sein, daran zu erinnern, dass die westlich
angrenzenden, stratigraphisch ziemlich entsprechenden
Schiehten, nämlich die Swoszowicer Mergel, nach den Er-
fahrungen des Swoszowicer Bergbaues stark wasserführend sind.“
Damit vergleiche man, was ich aus Niedzwiedzki's Darlegung
auf Seite 249 meiner Arbeit eitirt und im Anschlusse daran gesagt habe.
Ich machte dort darauf aufmerksam, dass der Autor die Schichten, aus
denen der Wassereinbruch erfolgte, mit den Swoszowicer Mergeln ver-
glich, also mit Schichten, deren stratigraphisches Niveau nach der
wiederholt ausgesprochenen Meinung desselben Autors unter den Bogu-
eicer Sanden und über dem Grünsalzgebirge gesucht werden muss,
das heisst, dass jener Wassereinbruch nach Niedzwiedzkis an
dieser Stelle seiner Arbeit ausgesprochenen Ansicht aus dem Hangen-
194 Dr. Emil Tietze. [S]
den des oberen Salzgebirges abgeleitet werden müsse. Auch diesmal
(vergl. Seite 228 seiner Schrift) vertritt JaNiedzwiedzki noch immer
die (von mir allerdings nicht getheilte) Auffassung, dass die Swoszowicer
Mergel im Wesentlichen jünger als das Grünsalzgebirge seien und da
muss es doch erlaubt sein, die entsprechende Folgerung daraus abzu-
leiten. gleichviel ob der Autor sich der zwingenden Nothwendigkeit
einer solehen Folgerung selbst bewusst ist oder nicht.
Wie kann Niedzwiedzki nun behaupten, er habe „nirgends“
ausgesagt, dass der bewusste Wassereinbruch aus dem Hangenden des
Salzgebirges gekommen sei, ja er habe nicht einmal eine dem „gleich-
kommende“ Aeusserung gethan ?
Er geht aber noch weiter. Er sagt (vergl. seine neueste Schrift,
Seite 221 unten und 222 oben), man könne hier meine Berufung auf seine
eigensten Worte nicht einmal als ein durch Unachtsamkeit entstandenes
Missverständniss betrachten. Wenn ich nämlich seine Arbeit weiter gelesen
und dabei an anderer Stelle die Erklärung angetroffen habe, dass er „die
dem Salzgebirge beim Kloski-Querschlage von Norden her seitlich vor-
liegende Schichtenfolge als Fortsetzung des oberen Salzgebirges be-
trachte“, dann hätte ich „geziemender Weise“ folgern sollen, dass ich
ihn missverstanden, statt ihn eines Widerspruchs zu zeihen. Das ist
freilich viel verlangt. Es findet Jemand dieselben Schichten einmal für
jünger als das obere Salzgebirge, das anderemal als dessen Fortsetzung
oder directes Aequivalent, das ist für gleichalterig mit diesem
Salzgebirge erklärt, es ziemt sich aber nicht, darin einen Widerspruch
zu entdecken! Ich hätte vielmehr, wie Niedzwiedzki etwas naiv
hinzufügt, meine Auffassung über seine Ansichten nach der Entdeekung
des zweiten Ausspruches corrigiren sollen. Ja, wenn ich nur schon
damals gewusst hätte, zu Gunsten welcher von diesen Ansichten!
Damit sind wir eigentlich schon bei dem „zweiten Glied“
meiner von Niedzwiedzki incriminirten Aeusserung angelangt und
müssen diese Aeusserung, so wie ich sie niedergeschrieben, als völlig
berechtigt anerkennen. Die Sache wird aber durch die neuerlichen
Bemerkungen des genannten Autors noch viel verwickelter.
Während derselbe nämlich in den ganz zuletzt erwähnten Sätzen
(Seite 222 oben) den Ausspruch in den Vordergrund stellt, die wasser-
führenden Schichten beim Kloskischlage seien eine „Fortsetzung des
oberen Salzgebirges“ gewesen (weil er ja sagt, ich hätte meine An-
schauung über seine Ansichten nach diesem Ausspruch corrigiren
sollen), schreibt er kurz vorher (Seite 221, Zeile 17—13), dieses zweite
Glied des ihm vorgeworfenen Widerspruches beziehe sich auf eine
seinerseits „blos nebenher zugelassene Möglichkeit“. Da stehen wir also
vor einem neuen Räthsel.
Dasselbe klärt sich aber, wenn dieser euphemistische Ausdruck
gestattet ist, bald darauf (Zeile 24—27) durch eine neue Wendung
in überraschender Weise auf. Niedzwiedzki schreibt, er habe ja
(Seite 145 seiner Schrift) ganz ausdrücklich gesagt, dass jenes fragliche
wasserführende Schiehtensystem an das Salzgebirge „seitlich“ anstosse,
ohne dass er sich sonst über die Position der wasserführenden Lage
und ohne dass er sich „an dieser Stelle über das stratigraphische
[9] Beiträge zur Geologie von Galizien, 195
Verhältniss des die wasserführende Lage einsehliessenden Schichten-
systems“ ausgesprochen habe. Da haben wir also die dritte Lesart
über jenes Schichtensystem. Das einemal') erscheint dasselbe als ein
Aequivalent der Swoszowicer Mergel, die jünger als das Salzgebirge
sein sollen, das zweite Mal (Seite 148, sowie auch Seite 112) als eine
Fortsetzung des oberen Salzgebirges selbst und das dritte Mal als ein
besonderes, undefinirbares Schichtensystem, über dessen stratigraphische
Stellung man sich nicht ausgesprochen hat und von dem man nur sagen
kann, dass es eine „seitliche“ Lage besitzt!
Niedzwiedzki findet an einer anderen Stelle seiner diesmaligen
Ausführungen (Seite 217, Zeile 6), dass meine, wie er es nennt, gewalt-
same Discreditirung seiner Darstellung über Wieliezka „jeder Logik
bar“ erscheint. Sollte er nicht diesen Mangel an logischer Schärfe auch
bei einem weiteren Kreise seiner Leser voraussetzen? Muss man nicht
in der That glauben, für ein sehr minderwerthiges Publicum zu schreiben,
wenn man demselben zumuthet, drei verschiedene Aussagen über einen
Gegenstand für identisch oder doch für vereinbar zu halten? Und da
erzählt man noch Geschichten von „Rattenkönigen“ !
Der genannte Autor spricht aber heute nicht allein von dem
Bohrloche beim Reformatenkloster, dessen Ergebnisse ihn, wie wir sahen,
zu so originellen Darlegungen veranlassten, er kommt auch noch einmal
auf das erste der bei Wieliezka gestossenen Bohrlöcher, auf die Bohrung
von Kossoeice, zurück und benützt diese Gelegenheit gleichfalls zu einem
Ausfall auf meine Darstellung. Natürlich soll ieh auch hier wieder dem
Autor Aussagen insinuirt haben, die derselbe heute verleugnen zu
können glaubt. Recapituliren wir also in Kürze den auf dieses Bohrloch
bezüglichen literarischen Hergang.
Auf Seite 113 seines Buches (II. Beitrag im Jahre 1384) bespricht
Niedzwiedzki anfänglich die Verhältnisse des Salzes in der Gegend
des Josepbschachtes und betont dabei die Reinheit dieses Salzes. Darauf
fährt er wörtlich fort: „Nach alledem erscheint es also unzweifel-
haft, dass das Salzgebirge sich über den Josephschacht nach
Westen hinaus in seiner Gesammtmächtigkeit ungeschmälert
fortsetzt.“ Er fügt unmittelbar darauf hinzu, dass auf seinen Vorschlag
bei Kossoeice I’4 Kilometer westlich der Grube eine Bohrung in An-
griff genommen wurde und sagt, dass diese Bohrung „thatsächliche
Aufklärung“ bringen solle über die Verhältnisse „innerhalb dieser
supponirten westlichen Fortsetzung des Wieliezkaer Salz-
gebirges“.
Im Jahre 1885, als diese Bohrung schon Fortschritte gemacht
und bereits Spuren von Salz und Salzthon erreicht hatte, berichtete
Niedzwiedzki über dieses „günstige“ Resultat (Verhandl. d. k. k.
geol. Reichsanstalt. 1885, Seite 331), bezog sich dabei ganz ausdrücklich
(l.e. in der Anmerkung) auf die Seite 113 seiner Schrift gethanen
Aeusserungen und interpretirte diese Aeusserungen dahin, dass diese
Bohrung „über die vermuthete westliche Fortsetzung der Wieliezkaer
!) Und zwar gerade „an dieser Stelle“, Seite 145 und 146, bezüglich welcher
der Autor heute leugnet, sich darin über das betreffende stratigraphische Verhältniss
ausgesprochen zu haben.
Jahrbuch der k. k, geol, Reichsanstalt. 1891. 41. Band. 2. Heft. (Dr. E. Tietze.) 26
196 Dr. Emil Tietze. [10]
Salzlager“ Aufklärung zu bringen bestimmt gewesen sei. Ich bitte
diesen Umstand im Hinblick auf das Folgende genau festzuhalten, denn
demgemäss ist es Niedzwiedzki selbst gewesen, der in diesem
Falle eine scharfe Unterscheidung zwischen den Worten Salzgebirge
und Salzlager nicht aufrecht erhielt und der jene Fortsetzung, so wie sie
in der früheren Aeusserung desselben Autors für das Salzgebirge sup-
ponirt war, nunmehr als eine Fortsetzung speciell auch der Salzlager
aufgefasst wissen wollte. Er fügte dann am Schluss derselben Notiz
(l. e. Seite 332) die Bemerkung hinzu, dass durch die gewonnenen Daten
„das Fortstreichen der Wieliezkaer Salzlager bis nach Kossoeice
hin ganz zweifellos constatirt und die künftige Ausdehnung des
Wieliezkaer Bergbaues nach dieser Richtung bin gesichert“ sei.
Kein Leser konnte in diesen Auslassungen etwas anderes finden,
als einerseits eine mit der grösstmöglichen Bestimmtheit gemachte
Vorhersage und andererseits den Versuch der Constatirung, dass diese
Vorhersage eingetroffen sei.
Als ich später nun auch meinerseits mich mit den Resultaten der
Kossoeicer Bohrung beschäftigte (in dem Capitel Wieliezka meiner
Krakauer Arbeit, vergl. Seite 211 und 212 der letzteren), war die be-
treffende Bohrung schon zu Ende geführt und demgemäss ein abschlies-
senderes Urtheil über die Ergebnisse derselben ermöglicht. Es hatte
sich herausgestellt, dass bei Kossoeice nur das geschichtete oder untere
Salzgebirge entwickelt ist, das obere Grünsalz- oder Salztrümmergebirge
hingegen nicht mehr nachgewiesen werden konnte. An Stelle desselben
war über dem unteren Salzgebirge ein mächtiger tauber Schichten-
complex vorgefunden worden, der zum grössten Theil aus Swoszowicer
Mergeln bestand, wie das bezüglich der Deutung dieser Mergel bereits
Niedzwiedzki selbst (siehe wieder Verhandl. d. k. k. geol. Reichs-
anstalt. 1885, Seite 331) ausgesprochen hatte.
Ich eitirte nun schon damals, und zwar zumeist wörtlich und
theilweise unter Anführungszeichen die wichtigsten der vorher erwähnten
Aeusserungen Niedzwiedzkis. Dabei musste ich im Vergleich mit
dem thatsächlichen Bohrergebniss natürlich zu der Ansicht gelangen,
dass jenes von dem Autor vorausgesetzte „Fortstreichen der Salzlager
in der That nur cum grano salis behauptet werden darf, wenn man
darunter, sowie es ursprünglich vermuthet wurde, die ungeschmälerte
Gesammtmächtigkeit derselben versteht“. Mit dieser keineswegs aggres-
siven Bemerkung, in welcher ich einfach feststellte, dass eine gewisse
Vorhersage nur theilweise eingetroffen sei, habe ich mir aber das
Missfallen Niedzwiedzki’s in solchem Grade zugezogen, dass der-
selbe heute durchblicken lässt, ich hätte seine früheren Aeusserungen
mir erfunden oder doch den Sinn derselben sogar durch fremde „Bei-
gaben“ entstellt.
Zunächst will er überhaupt (l. e. Seite 220) nicht zugeben, dass
er in der besprochenen Frage eine Vorhersage oder Voraussetzung in
dem angedeuteten Umfange gemacht hat. Eine solche auf die weite
Entfernung von 1'4 Kilometer bin zu geben wäre, wie er jetzt sagt,
„unmotivirt“ gewesen. Aus meinen Aeusserungen allein und nicht aus
den seinigen könne man schliessen, dass er „ein Fortstreichen der
Wieliezkaer Salzlager in ungeschmälerter Gesammtmächtigkeit bis Kos-
u
[11] Beiträge zur Geologie von Galizien, 197
soeice vorausgesetzt“ habe. Er habe überhaupt von einer Fortsetzung
der Gesammtheit der Salzlager gar nicht gesprochen, welche „Beigabe“
nur von mir herrühre! Was er wirklich vorgebracht habe, das habe
auch „seine Giltigkeit vollständig behalten“. |
Da muss ich allerdings die Leser bitten, diese Behauptungen mit
den vorher eitirten Stellen, und zwar womöglich im Original zu ver-
gleichen, zunächst um sich über die thatsächlichen Voraussetzungen des
Autors gewissenhaft zu orientiren.
Gleichviel aber, ob man in diesen Voraussetzungen bestimmte
Vorhersagen erblieken will oder nieht, so wird man doch heute, selbst
bei noch so subtiler und dem Wortlaute sich anpassender Auffassung
der Aussagen Niedzwiedzki's, nicht mehr aussprechen dürfen, dass
dieselben ihre „Giltigkeit vollständig behalten“ haben. Es kann gar
keine Rede mehr davon sein, dass das Salzgebirge sich bis Kossoeice
„in seiner Gesammtmächtigkeit ungeschmälert“ fortsetzt, und zwar am
wenigsten von des Autors eigenstem Standpunkte aus. Die an Stelle
des Grünsalzgebirges auftretenden Swoszowicer Mergel bilden ja nach
diesem Standpunkt bekanntlich nicht einmal (so wie das ungefähr
meiner Auffassung entspricht) ein Aequivalent des oberen Salz-
gebirges, sondern ein besonderes Jüngeres Glied des dortigen Miocän.
Es fehlt also nach diesem Standpunkte bei Kossocice die ganze obere
Hälfte der „supponirten“ Fortsetzung jener Gesammtmächtigkeit. Das-
selbe ist aber auch nach meiner, bezüglich der stratigraphischen
Stellung der Swoszowicer Mergel gehegten Auffassung der Fall, denn
zum Begriff eines Salzgebirges gehören doch gewisse petrographische
Eigenthümlichkeiten, die eben jenen Mergeln fehlen. Es kann aber auch
ferner, und zwar von gar keinem Standpunkte aus, fortan ohne Ein-
sehränkung behauptet werden, dass die Salzlager Wieliezkas sich
bis Kossoeice fortsetzen, eben weil die mächtigen Grünsalzmassen des
Salztrümmergebirges daselbst fehlen.
Das bleibt unanfechtbar, selbst wenn man mir mit dem Anschein
des Rechtes vorwerfen könnte, dass ich in meiner damaligen Besprechung
der Niedzwiedzkischen Aussagen die Ausdrücke Salzlager und
Salzgebirge nieht scharf genug auseinandergehalten hätte.
Diesen Vorwurf scheint nämlich der Genannte erheben zu wollen,
denn nur so ist es einigermassen verständlich, dass er schlankweg
versichert, er habe überhaupt von einer Fortsetzung der Wieliezkaer
Salzlager in ungeschmälerter Gesammtmächtigkeit bis Kossoeice gar
nie gesprochen (!); das sei eine von mir erfundene „Beigabe“ zu seinen
Ausführungen.
Indem ich aber bei meiner damaligen Besprechung dieser Aus-
führungen in jener oben eitirten Redewendung (vergl. Seite 10, Zeile 54
bis 37 meines heutigen Aufsatzes) die Worte Gesammtmächtigkeit und Salz-
lager (statt Salzgebirge) verband, habe ich nur eine Begriffsver-
bindung angewendet, die dem Sinne nach aus Niedzwiedzki's im
Jahre 1885 gegebener Interpretation seiner 1884 gemachten Vorhersage
ganz von selbst hervorging (vergl. S.9 unten und S. 10 oben) dieses heutigen
Aufsatzes). Er selbst hat sich damals, als er von dem „günstigen“ Er-
gebniss der von ihm vorgeschlagenen Bohrung berichtete, so eitirt, dass
er an Stelle des Wortes Salzgebirge das Wort Salzlager gesetzt hat,
26 *
198 Dr. Emil Tietze, [12]
und da er sich bei diesem Citat ausdrücklich auf jene Stelle berief, in
welcher er von einer „supponirten Fortsetzung“ der ungeschmälerten
Gesammtmächtigkeit des Salzgebirges geredet hatte, so habe ich
seine Vermischung beider sich sonst nicht völlig deekender Begriffe als
in seinem Sinne liegend ganz einfach quittirt. Ich habe ihn so besprochen,
wie er sich (damals) besprochen sehen wollte, nicht anders, als wie
man sonst eine spätere Auslegung und genauere Begrenzung der früheren
Worte eines und desselben Autors als authentisch anzunehmen pflegt.
Da ich zudem den Wortlaut der beiden in Verbindung gesetzten
Aeusserungen vorher genau wiedergegeben hatte, ohne bei diesen
direeten Citaten die geringste Verwechslung zwischen den Worten Salz-
lager und Salzgebirge zu verschulden, so konnte ich erwarten, nicht
allein für Jedermann verständlich, sondern auch vor jedem Verdacht
einer beabsichtigten Sinnesentstellung geschützt zu sein.
Ich will dabei gar nicht länger davon reden, dass Niedzwiedzki
seine Annahme betreffs der Fortsetzung des Salzgebirges nach Westen
doch gerade aus der Beschaffenheit und dem Auftreten des Salzes
selbst gefolgert hatte, und brauche auch nicht besonders hervorzuheben,
dass schliesslich die betreffende Bohrung doch wohl unternommen
wurde mit der Hoffnung Salz und nicht etwa blos Salzthone oder der-
gleichen zu erreichen.
Nach alledem muss icb den Vorwurf, ich hätte den Sinn von
Niedzwiedzkis Ausführungen bei dieser Gelegenheit durch „Bei-
gaben“ verändern wollen, als unbegründet zurückweisen. Keinesfalls
aber kann ich im Hinblick auf das von dem Autor selbst gegebene
Beispiel für die nicht genügend scharfe Trennung der Begriffe Salzlager
und Salzgebirge besonders verantwortlich gemacht werden.
Ich bedauere nur im Interesse der durch solche Auseinander-
setzungen vielleicht etwas gelangweilten Leser, dass ich hier wieder
„breitspurig“ werden musste, welche Eigenschaft, mir nämlich Herr
Niedzwiedzki(merkwürdigerweise gleichzeitig mit der Anschuldigung
einer leichtfertigen Behandlung des Gegenstandes) vorwirft und die er
an meinen Darlegungen über Wieliezka sehr unangenehm zu finden
scheint. Man wird indessen unschwer einsehen, dass die Widerlegung
mancher kurz hingeworfenen Behauptung mehr Raum beansprucht als
die letztere selbst. Das wird namentlich dann der Fall sein, wenn die
aufgenöthigte Methode der Discussion sich wie bei der eben besprochenen
Differenz mit Wortklaubereien zu befassen hat.
Ein drastisches Beispiel solcher Silbenstecherei liefert Niedz-
wiedzki übrigens noch an einer anderen Stelle seiner neuesten Ver-
öffentlichung.
Auf Seite 201 meiner Arbeit über die geognostischen Verhältnisse
der Gegend von Krakau schrieb ich nach Aufzählung der an der
Zusammensetzung der Salzformation theilnehmenden Salzvarietäten und
wichtigeren Gesteine den folgenden Satz: „Ausser diesen Gesteinen
kommen, wie in einer Salzablagerung selbstverständlich ist, auch Gypse
und Anhydrite vor.“ Diese sicher sehr harmlos stylisirte Bemerkung
dient nun Herrn Niedzwiedzki zum Ausgangspunkt einer Betrach-
tung über das Mengenverhältniss zwischen Gyps und Anhydrit. Die
Masse des letzteren überwiege die des ersteren und es sei deshalb
a u u Au a u
[13] Beiträge zur Geologie von Galizien. 199
nicht zu rechtfertigen, dass ich die Gypse „an erster Stelle“ genannt
habe. Das sei aber gewiss nur zu dem Zweeke geschehen, um meine
Annahme einer Aequivalenz der an Gyps thatsächlich reichen Swo-
szowicer Mergel mit einem Theile der Salzformation zugänglieher zu
machen. Als ob ich über das Mengenverhältniss zwischen Gyps und
Anhydrit mich näher geäussert und aus diesem Verhältniss irgend welche
Folgerungen hätte ableiten wollen! Gyps und Anhydrit erscheinen in
jener meiner Bemerkung einfach als verwandte Gebilde kurz zusammen-
gefasst. Man muss aber wohl schon beim Aeussersten angelangt sein,
wenn man an der blossen Wortstellung einer derartigen Redewendung
seine Kritik üben will.
Ebenfalls auf Seite 201 meiner eben eitirten Arbeit hatte ich das
allerdings seltene Vorkommen von Schwefel in der Grube von Wieliezka
als ein theoretisch nicht unwichtiges Factum bezeichnet. Insofern nach
meiner (selbstverständlich in der Hauptsache mit anderen Gründen ge-
stützten) Auffassung das obere Salzgebirge ein zeitliches Aequivalent
der Mergel ist, denen das Schwefelvorkommen von Swoszowice angehört,
schien es immerhin interessant, hervorzuheben, dass auch in Wieliezka
Spuren von Schwefel gefunden wurden.
Schon vorher war ich in derselben Arbeit (l. ce. Seite 184) in dem
Capitel über Swoszowice auf dieses Vorkommen zu sprechen gekommen
und hatte dort eine darauf bezügliche Angabe Keferstein’s eitirt.
Niedzwiedzki belehrt uns nun (Seite 200 seiner Schrift) darüber,
dass diese Angabe Keferstein’s, die ich „als geltend“ angeführt
haben soll, „keine weitere Beachtung verdiene“ gegenüber anderen
Angaben von Hrdina, Zeuscehner und Lill. Keferstein habe
Ja Wieliezka erst unter der Führung Lill’s kennen gelernt.
Wer jetzt blos Niedzwiedzki’s Schrift zur Hand nimmt, muss
glauben, mir seien die Auslassungen dieser letztgenannten Autoren über
den Schwefel von Wieliezka unbekannt geblieben. Nun aber eitire ich
als Gewährsmänner in der bewussten Frage in dem Capitel über
Wieliezka auf Seite 201 meiner Arbeit ausdrücklichHrdina, Zeuschner
und an erster Stelle Lill. Da sich Niedzwiedzki im Uebrigen mit
der älteren Literatur über Wieliezka, abgesehen von Hrdina’s Buch,
ziemlich wenig bei seinen Darlegungen beschäftigt hat, so kann man
vielleicht annehmen, dass er auf die betreffenden Stellen, die mir heute
zur Belehrung vorgehalten werden, erst durch meine Citate aufmerk-
sam geworden ist. Das wäre kein besonderer Vorwurf für ihn, aber er
hätte in jedem Fall seine Literaturangaben mit den meinigen in eine
etwas deutlichere Beziehung bringen können.
Wer meine Arbeit zur Hand nimmt, wird sich zudem leicht über-
zeugen, dass ich die Angaben jener älteren Autoren unter verschiedenen
Gesichtspunkten anführe. Speeiell Lill, Hrdina und Zeusehner
gelten mir als Bürgen für die blosse Thatsache der Entdeckung von
Schwefel, während ich Keferstein hauptsächlich deshalb eitirte, um
zu zeigen, dass dieser Geologe bereits vor Pusch und im Gegensatz zu
diesem eine ziemlich richtige Vorstellung über das Alter der Ablage-
rungen von Swoszowice und Wieliezka gehabt hat, was man ihm auch
im Vergleich mit seinem „Führer“ Lill als Verdienst anrechnen kann,
300 Dr, Emil Tietze, [14]
da Lill diese Schichten noch für älter als den Karpathensandstein
gehalten hatte (vergl. darüber eine andere Stelle meiner Arbeit, 1. €.
Seite 261). Man sieht also, dass es Niedzwiedzki gelungen ist,
seinen Lesern von meinen hierauf bezüglichen Aeusserungen ein recht
verzerrtes Bild vorzuführen.
Der Genannte scheint schliesslich der Meinung zu sein, dass das
Vorkommen von Schwefel in Wieliezka überhaupt als unsicher zu
betrachten sei, da man dieses Mineral in neuerer Zeit in der Grube
nicht mehr gefunden habe. Mit demselben Recht dürfte man freilich
viele ältere Fundortsangaben in Zweifel ziehen.
Insbesondere aber scheint Niedzwiedzki bestreiten zu wollen,
dass jener Schwefel der oberen Abtheilung des Salzgebirges angehört
habe. Die erwähnten älteren Angaben bezögen sich auf zwei verschiedene
Punkte, einen in dem obersten T'heil der Grube, wo es zweifelhaft sei,
ob dort noch die eigentliche Salzformation und nicht vielmehr Hangend-
sebilde derselben entwickelt seien, dann auf einen anderen Punkt
(Neubau Seeling), der sich „tief unten“ befinde. Es sei aber möglich,
dass man im letzten Fall einen „integrirenden Bestandtheil des Salz-
gebirges“ gar nicht mehr vor sich habe. Betreffs der genaueren Orien-
tirung über diesen Punkt im Neubau Seeling und die dort auftretenden
Absätze verweist’er auf Seite 111 seines Werkes. Dort liest man indessen,
dass die betreffenden Bildungen „wohl als ein Zipfel des Salztrümmer-
gebirges“, also des oberen Salzgebirges zu betrachten seien ! So eigen-
thümlich verhält es sich mit den eigenen Hinweisen des Autors auf
sich selbst. |
Selbstverständlich kommt ferner, wie ich nebenher bemerken will,
der Umstand, ob ein Vorkommen in der Grube oben oder „tief unten“
gefunden wird, für die Zutheilung eines solchen Vorkommens zum
unteren oder oberen Salzgebirge an sich bei der geneigten und gestörten
Anordnung der einzelnen Theile dieses Mioeäns nicht allzusehr in
Betracht. „Nach oben hin“ schreibt Niedzwiedzki (Seite 1121. c.),
„reicht das Salztrümmergebirge wenigstens in der mittleren Längszone
des Bergbaues bis fast unmittelbar unter die Quartärbildungen hin“,
und dass es andererseits bis in grosse Teufen verfolgt werden kann,
ist aus Niedzwiedzki’s eigener Darstellung, z. B. in dem Profil
über den Franz Josephschacht, deutlich zu ersehen.
Niedzwiedzki giebt sich (1. e. Seite 228) der Hoffnung hin, dass
seine eben besprochenen „Aufklärungen“ über meine „Behauptungen
betreffs des Gypsreichthums und der Schwefelführung der Salzformation*
dazu beitragen werden, meine Ansicht über die Altersbeziehungen
zwischen dem oberen Theil dieser letzteren und den Swoszowicer
Mergeln „zu beseitigen“. Er veranstaltet auch eine abermalige Dis-
cussion seiner Anschauungen über die Gliederung des Wieliezkaer
Miocäns, aus welcher Discussion das gleiche Resultat hervorgehen soll,
und er tritt bei dieser Gelegenheit von Neuem als ein Vorkämpfer der
bekannten Theorie von den beiden Mediterranstufen auf.
Ich überlasse es indessen den Lesern, sich durch Vergleich mit
den betreffenden Abschnitten meiner Ausführungen ein eigenes Urtheil
über diese Dinge zu bilden. Man wird dort das stratigraphisch-paläonto-
[15] Beiträge zur Geologie von Galizien. 201
logische Material, welches für die Gliederung und Altersdeutung des
subkarpathischen Miocäns bei Wieliezka in Betracht kommt, genügend
beleuchtet finden, auch (Seite 259 meiner Krakauer Arbeit) in Bezug
auf die Flora des Salzgebirges, welcher der Autor in seiner Beweis-
führung eine sehr wichtige Stelle einräumt. Am wenigsten wird man mir
zumuthen dürfen, die allgemeinere Frage der beiden Mediterranstufen
hier nochmals durchzusprechen nach den eingehenden Auseinander-
setzungen, die ich dieser Frage bereits an verschiedenen Orten und zu
wiederholten Malen gewidmet habe. Scheint es ja doch, dass Nie-
dzwiedzki hiebei ohnehin nicht sowohl an das Publikum der
Fachgenossen, als an ganz andere Kreise sich wendet, da er es für nöthig
erachtet (Seite 229 seiner Schrift), die bekanntesten Vertheidiger der
Zweistufentheorie, die Herren Director Fuchs und Prof. R. Hoernes,
nach ihrer amtlichen Stellung und nach ihrer sonstigen wissenschaft-
lichen Thätigkeit seinen Lesern genauer vorzustellen. Ich habe über-
haupt weder Zeit noch Lust, sämmtliche von meinem Gegner vorgebrachten
Punkte zu erörtern, denn es genügt mir, an einigen Beispielen die
eigenthümliche Methode seiner Angriffe zu erläutern.
Einige derartige Beispiele muss ich aber doch noch vorführen, von
denen mir insbesondere das nächstfolgende ebenso für jene Kampfes-
weise wie für das Verständniss charakteristisch zu sein scheint, das
Niedzwiedzki den Wieliezka betreffenden Fragen entgegenbringt.
Es bandelt sich um die Bemerkungen, welche mir Niedzwiedzki
(Seite 205 seiner Schrift) betreffs der Lagerungsverhältnisse des Grün-
salzgebirges entgegenhält.
Bekanntlich bestehen die grossen Salzkörper, welche von dem
oberen Salz- oder Salztrümmergebirge eingeschlossen werden, der
Hauptsache nach aus einer bestimmten Salzvarietät, die man Grünsalz
genannt hat, weshalb dieses obere Salzgebirge namentlich bei den
früheren Autoren auch kurzweg als Grünsalzgebirge bezeichnet wurde,
im Gegensatze zu dem unteren (geschichteten) Salzgebirge, in welchem
die Spiza- und Szybiker Salzflötze vorkommen. Der Umstand jedoch,
dass dem Grünsalz petrographisch ähnliche Lagen stellenweise auch
in der unteren Abtheilung der Salzformation auftreten, hat mit der
Eintheilung des Salzgebirges von Wieliezka in jene untere und obere
Abtheilung nichts zu thun.
Ebenso ist bekannt, dass man seit längerer Zeit in der Grube
drei sogenannte Salzgruppen unterscheidet, welche bei südlicher Fall-
richtung der Schichten von Norden nach Süden aufeinanderfolgen. Diese
Aufeinanderfolge findet in der Weise statt, dass das Grünsalzgebirge
bei jeder Gruppe in der obersten, das geschichtete Salzgebirge aber in
der untersten Lage erscheint, so dass das Bild einer dreimal wieder-
holten Folge desselben Schichteneomplexes erzeugt wird. (Vergl.
Hrdina, Geschichte der Wieliezkaer Saline. Wien 1842, Seite 138.)
Dieses Verhältniss führte Herrn Paul und mich in wesentlicher
Uebereinstimmung mit den älteren Darlegungen des verdienstvollen
Markscheiders Hrdina zu der Vorstellung, dass die Tektonik des
Salzgebirges auf eine Reihe überschobener Falten zurückzuführen sei,
während Niedzwiedzki diese Anschauung bekämpft.
202 Dr. Emil Tietze. [16]
Nun hat der Letztere in seiner Arbeit einen über den Franz-
Josephschacht von Norden nach Süden gelegten Durchschnitt durch
das Salzgebirge mitgetheilt, der zwar mit den von Hrdina und
Paul gegebenen Durchschnitten keineswegs völlig übereinstimmt, der
aber trotzdem, wie ich klar genug auseinandersetzte, in manchen
wesentlichen Punkten eine Bestätigung der von dem genannten Autor
bestrittenen Hrdina-Paul’schen Ansichten bietet, während er anderer-
seits gewissen, von Niedzwiedzki selbst vertretenen Anschauungen
direet widerspricht.
Um jedes Missverständniss auszuschliessen, habe ich diesen
Niedzwiedzki'schen Durchschnitt für meine Arbeit über die geo-
gnostischen Verhältnisse der Gegend von Krakau reprodueirt und
dieser (]. e. Seite 232) beigegeben. !) Jedermann erkennt in der betreffenden
Zeichnung auf den ersten Blick, was als (oberes) Salztrümmergebirge
und was als (unteres) geschichtetes Salzgebirge aufzufassen ist. Deshalb
fällt auch dabei sofort in’s Auge, wie ich (l. e. Seite 231) schrieb, dass
in diesem Durchschnitt „thatsächlich eine mehrmalige Wiederholung der
südlich fallenden Lagen des Salzgebirges angedeutet wird und dass
dabei ein jeweiliges Auftreten des Grünsalzgebirges in
Form eines sozusagen sackförmigen Hinabgreifens unter
das geschichtete Salzgebirge verzeichnet wird“.
Ich führte des Weiteren aus, dass Niedzwiedzki zwei Vor-
stellungen ausgesprochen hat, welche mit diesem Bilde absolut nicht
in Uebereinstimmung zu bringen sind, erstens die Vorstellung, dass das
Salzgebirge bei Wieliezka eine ziemlich einfache Wölbung bilde, zweitens
die Vorstellung, dass die dargestellten Ablagerungen eine fortlaufende
Aufeinanderfolge vorstellen, so dass „der genannte Autor die früher
erwähnten sogenannten Salzgruppen, in welchen sich die südlich fallende
Schichtenfolge wiederholt, für thatsächlich übereinanderfoigend* und
somit auch dem Alter nach etwas verschiedene Gesteinscomplexe hält,
die ihm um so jünger scheinen, je weiter man nach Süden kommt.
Ich erklärte diese letztere Vorstellung für unmöglich, wenn man, wie
das der Autor ja doch wieder andererseits thut, das Salztrümmergebirge
für Jünger hält, als das geschichtete Salzgebirge. Dort, wo das Salz-
trümmer- oder Grünsalzgebirge, welches jeweilig einen ganz integriren-
den Bestandtheil der Salzgruppen bildet, zwischen das geschichtete
Salzgebirge eingepresst wird, so dass es wiederholt nach der einen Seite
hin über demselben nach der anderen unter demselben zu liegen scheint,
kann entweder nicht mehr von einer continuirlichen Reihenfolge der
ganzen Ablagerung oder nicht mehr von einem durehgehends jüngeren
Alter des Grünsalzgebirges die Rede sein.
!) Eine nochmalige Reproduction desselben Durchschnittes wäre für das Ver-
ständniss der gegenwärtigen Ausführungen allerdings bequem gewesen. Indessen darf
ich voraussetzen, dass diejenigen Leser, welche sich ernstlich für den hier behandelten
Gegenstand interessiren, die Mühe nicht scheuen werden, die betreffende Zeichnung in
meiner früheren Arbeit, eventuell auch im Niedzwiedzki’schen Original zu ver-
gleichen. Es werJen für diese Leser ohnehin noch einige andere derartige Vergleiche
nothwendig sein, da es doch wohl nicht angeht, meinen heutigen Aufsatz mit dem ge-
sammten auf Wieliezka bezüglichen literarischen Apparat zu belasten.
—
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[17] Beiträge zur Geologie von Galizien. DIOR?
Man sollte meinen, dass dies für jeden einigermassen versirten
Geologen klar ist oder dass doch zum Mindesten für jeden denken-
den Leser verständlich ist, was ich damit habe sagen wollen. Statt
dessen deutet Herr Professor Niedzwiedzki an (l. e. Seite 205), dass
er anfänglich gar nieht habe begreifen können, was für eine Incon-
sequenz ich ihm eigentlich dabei zum Vorwurf gemacht habe. Das
sehe ja so aus, als ob er die von ihm stets mit allem Nachdruck ver-
theidigte Anschauung von dem jüngeren Alter des Grünsalzgebirges
stellenweise verleugnet hätte. Für meinen Vorwurf finde er nur eine
Erklärung. nämlich die, dass ich den Begriff der Grünsalzlagen, wie
sie bisweilen zwischen anderen Steinsalzschiehten (auch des unteren
Salzgebirges) auftreten, „irrthümlicher Weise mit dem Begriff des Salz-
trümmergebirges verwechselt“ hätte. |
Diese Bemerkungen beweisen allerdings zur Genüge, dass der
genannte Autor auch heute noch nicht verstehen will, um was es sich
eigentlich bei der Sache und bei unserem Streite über die Tektonik der
Wieliezkaer Salzformation handelt. Man braucht übrigens eine Anschauung
nicht direet „verleugnet“ zu haben und kann doch gleichzeitig eine
andere Ansicht vorgebracht haben, die jener Anschauung widerspricht;
natürlich macht man das nur, wenn man sich des Widerspruches nicht
bewusst wird. Die Behauptung aber, ich sei mir vermuthlich über den
Unterschied zwischen dem Grünsalzgebirge und den einzelnen im tieferen
Salzgebirge vorkommenden Grünsalzschichten nicht klar gewesen, hat
doch wohl keinen anderen Zweck, als dem leichtgläubigeren Theile
des Leserpublikums darzuthun, wie wenig ich von den fundamentalsten
Begriffen der Geologie von Wieliezka eigentlich wisse. Sonst wüsste
ich wirklich nicht, was dieser Hinweis mit unserer Frage zu thun
hätte, nachdem ich doch, abgesehen von allem Anderen, speciell bezüzlich
des Grünsalzgebirges, wie es sich in Niedzwiedzki's Zeichnung dar-
stellt, ausdrücklich ein sackförmiges Hinabgreifen unter das geschichtete
Salzgebirge betont habe, ein Verhältniss, welches Niemand bezüglich
der dem letzteren Gebirge eingeschalteten Zwischenlagen von Grünsalz
aus jener Zeichnung herauslesen wird.
Mir scheint übrigens, dass vielmehr Herr Niedzwiedzki selbst
sich stellenweise im Unklaren über das Verhältniss jener Zwischenlagen
zu dem Begriffe der Salzgruppen befunden hat. Er schrieb ja (siehe
Seite 90 seiner Schrift unten und Seite 91 oben), dass die „bergbauliche
Unterscheidung von drei Salzgruppen keiner durchgreifenden und tek-
tonischen Gliederung des Salzschiehtensystemes entspricht“ und begründete
dies zum Theil (s. I. e. Seite 90) damit, dass die Grünsalzlagen „mehrfach
zwischen den mächtigen Szybiker und Spizaer Salzlagen auftreten“. Da
ist, wie man sieht, ausdrücklich von solehen Zwischenlagen die Rede,
während zum Begriff einer Salzgruppe, sowie er historisch bei den
Bergleuten Wieliezkas fixirt ist, eben die Mitanwesenheit des eigentlichen
Grünsalz- oder Salztrümmergebirges im jeweiligen Hangenden des ge-
schichteten Salzgebirges gehört.
Bei einer Beweisführung, welche sich auf das gegenseitige Ver-
hältniss der Salzgruppen bezog, durften aber jene belanglosen Zwischen-
lagen dem echten Grünsalzgebirge nieht substituirt werden. Jene „irr-
thümliche Verwechslung“ , die mir in die Schuhe geschoben wird, ist
Jahrbuch der k. k.geol. Reichsanstalt. 1891. 41. Band. 2. Heft. (Dr. E. Tietze.) 27
204 Dr. Emil Tietze. [18]
also von dem Autor selbst gemacht worden, und es bewährt sieh hier
wieder einmal das Sprichwort, dass Keiner den Anderen hinter der
Thür sucht, wenn er nieht vorher selber dahinter gesteckt hat.
Nur wenn man das eigentliche Grünsalzg ‚ebirge, jenen integriren-
den Theil der Salzgruppen, von der Betrachtung willkürlich aus-
scheidet, wird es allenfalls erklärlich, dass Jemand in den tieferen
Horizonten der Grube, sofern die Einfaltungen jenes oberen Gebirges
bis zu diesen nieht mehr herabgreifen, bezüglich des unteren geschich-
teten Salzgebirges eine ganz ununterbrochene Schichtenfolge durch
einen Theil der Salzgruppen hindurch zu beobachten glaubt, wie das
Niedzwiedzki bezüglich aller Salzgruppen ausgesprochen hat.
Einen solchen, auf jener willkürlichen Ausscheidung basirten
Standpunkt, bei welchem freilich noch immer auf die mehrfachen
Wiederholungen der Szybiker und Spizaer Flötze keine Rücksicht ge-
nommen wird, könnte man ja schliesslich aus der neuesten Verlaut-
barung des Autors herauslesen, da er (Seite 203 seiner Schrift) davon
redet, „dass alle Lagen des Salzschichtengebirges eine einzige conti-
nujrliche Altersfolge“ bilden, wobei es scheint, dass in diesem Falle die
Continuität ausschliesslich auf die Schichten des unteren Salzgebirges
bezogen wird (vergl. hier auch 1. c. Seite 159 u. 160, sowie pag. 156,
wo es heisst, dass zwischen den aufeinanderfolgenden Schichten des
Salzgebirges „überall der bei ihrer Bildung entstandene ursprüngliche
Zusammenhang“ intact besteht). Indessen wird damit doch, wie Jeder-
mann einsieht, die Discussion über die tektonische Bedeutung der Salz-
gruppen auf eine gänzlich verschobene Grundlage gestellt und es
werden die Voraussetzungen geändert, unter welchen ich aus den Dar-
legungen des Autors jenen unheilbaren Widerspruch herausfinden musste,
von dem oben die Rede war. Ich fand ja nirgends direct gesagt,
dass das Grünsalzgebirge nicht zu den Salzgruppen gehöre.
Verweilen wir aber einige Augenblicke bei der zuletzt angedeuteten
Auffassung Niedzwiedzki's oder vielmehr bei der Auffassung, welche,
wenn der bewusste Widerspruch überhaupt vermieden werden soll, aus
seinen Aeusserungen hervorgehen müsste (denn was des Autors wirk-
liche Auffassung sein mag, ist mir heute noch weniger klar als früher),
so stehen wir vor einem neuen Probleme.
Nehmen wir also an, dass nach der Meinung des Autors die Con-
tinuität der Salzgruppen nur für das untere geschichtete Salzgebirge
Geltung besitzen soll, das Salztrümmergebirge aber, sleichviel wo und
wie es "auftritt, in jedem Fall jünger” ist als das geschiehtete Salz-
gebirge.
Wir haben dann (ich bitte hier wieder den Durchschnitt durch
den Franz Josephschacht in der Zeichnung Niedzwiedzkis zu ver-
gleichen) eine fortlaufende Reihenfolge geneigter Schichten des unteren
Salzgebirges vor uns, welches gänzlich discordant von dem oberen oder
Salztrümmergebirge bedeckt wird, denn nur bei der Voraussetzung einer
solchen eclatanten Discordanz wäre die Art des Auftretens des oberen
Salzgebirges als einer jüngeren Formationsabtheilung naclı dieser
Zeichnung und in diesem Durchschnitt prineipiell überhaupt möglich.
Nehmen wir nun der Vereinfachung der Betrachtung wegen an, dass
sich gegen eine Discorilanz in so grossem Style nichts einwei.den liesse,
[19] Beiträge zur Geologie von Galizien. 205
dann wäre wohl das durch jene Zeichnung dargestellte Verhältniss der
älteren Unterlage zu der jüngeren Bedeckung das Unglaublichste, was
sich ersinnen liesse. Wenn man sich nämlich auch vorstellen könnte,
dass gewisse Unebenheiten der Unterlage durch spätere Absätze aus-
gefüllt worden wären, so vermöchte man sich doch in keiner Weise zu
erkären, wie es kommen konnte, dass das obere Salzgebirge von Norden
nach Süden geneigte, tief in die Unterlage schräg hineindringende
mächtige Massen bildete, derart, dass das untere geschichtete Salz-
gebirge jeweilig über diesen Eindringlingen überhängende Partien
von grosser Erstreckung vorstellt.
Sollten diese überhängenden Partien des doch zumeist ziemlich
weichen und jedenfalls viele auflösbare Bestandtheile enthaltenden
Gebirges gleichsam etwas Ursprüngliches, bezüglich bald nach der Auf-
richtung der geschichteten Salzmassen Entstandenes sein und vielleicht
vor dem Absatz des oberen Salzgebirges in die Luft, bezüglich in das
Wasser aufgeragt haben, in einer Weise, dass damit die Erhebung des
schiefen Thurmes von Pisa über seine Unterlage in gar keinen Vergleich
zu bringen wäre? Nein, das ist einfach unmöglich und das scheint ja
Niedzwiedzki selbst nicht unbedingt zu glauben. Wie kommen dann
aber die betreffenden Partien des Salztrümmergebirges zum Theil in das
scheinbare Liegende der älteren Salzablagerung? Wie gelangten sie, um
einen von dem Autor selbst (l. e. Seite 103) gebrauchten Ausdruck anzu-
wenden, „zwischen einzelne auseinanderklaffende (!) Partien des ge-
schichteten Salzgebirges hinein ?* Das ist eben die Schwierigkeit, deren
sieh der Autor bei seinen Darlegungen kaum bewusst wird.
Dieselbe besteht nicht etwa blos für den bewussten Durchschnitt
durch den Franz Josephschacht, sie besteht in ähnlicher Weise auch
für den durch das Westfeld gelegten Durebschnitt durch den Elisabeth-
schacht, den Niedzwiedzki auf Taf. V seiner Abhandlung zur
Ansicht gebracht hat, weil auch dort Keile der beiden Abtheilungen
des Salzgebirges ineinander eindringen.
Und was vermag der Autor zur Erklärung dieser Verhältnisse zu
sagen? Er spricht in einem Falle (Seite 136 seiner Schrift) von einer
stattgefundenen „Aufreissung und theilweisen Zerstörung des geschichteten
Salzgebirges‘ und von einer „Ausfüllung der dadurch entstandenen
Höhlung durch den ungeschichteten Salzthon mit eingeschlossenen
Grünsalzkörpern“. Oder er spricht (l. e. Seite 162) ganz einfach von einer
„Hineinpressung des Salztrümmergebirges zwischen vorragende Theile“
des unteren Salzgebirges, welche durch „senkrecht zum Karpathenrand
gerichteten Gebirgsdruck“ erzeugt worden sei, oder durch „auftrennenden
und verschiebenden Gebirgsdruck*, wie man nach Seite 106 derselben
Schrift sagen darf. Ein auftrennender Druck, das ist ein famose Vor-
stellung !
Was überhaupt der Gebirgsdruck nicht Alles leisten soll! Im
Sinne der modernen Anschauungen, denen ja Niedzwiedzki bezüg-
lich des Gebirgsdruckes sicher zu huldigen wünscht, muss man sich
den letzteren doch jedenfalls als einen seitlichen denken. Wie aber
dieser Seitendruck jüngere Absätze zwischen ältere und unter die
letzteren anders „hineinpressen* kann, als durch Faltung, und zwar
durch schiefe und gemeinsame Faltung zweier übereinander liegender
Ps
206 Dr. Emil Tietze. 120)
Gesteinscomplexe, das hat bis heute noch Niemand gezeigt. Wenn
Niedzwiedzki glaubt, eine solche andere Möglichkeit entdeckt zu
haben, dann hätte er die nähere Erläuterung eines für die physikalische
Geologie so wichtigen Gedankens uns nicht vorenthalten sollen. Haben wir
es aber bei jenen mehrfachen Hineinpressungen mit wiederholten Ein-
faltungen zu thun, so haben wir bei den in einander greifenden Keilen
der beiden Salzgebirge es auch jeweilig mit Wiederholungen derselben
Absätze zu thun. Dies gilt nicht blos für das obere oder Salztrümmer-
gebirge, sondern auch für den liegenden Theil der beiden Schichten-
complexe und von einer fortlaufenden Altersfolge aller Schichten des
tieferen Schichtensystemes kann keine Rede mehr sein. Der kaum be-
seitigt geglaubte Widerspruch zwischen den Aussagen des genannten
Autors kommt also auch bei dieser Betrachtungsweise in wenig ver-
änderter Gestalt wieder zum Vorschein.
Diese Betrachtungsweise, wepn sie von Niedzwiedzki durch-
gedacht worden wäre, hätte also diesen dahin führen müssen, seine
Behauptungen von der Continuität der Aufeinanderfolge und von der
Altersverschiedenheit der drei Salzgruppen fallen zu lassen. Er hätte
dann zwei Voraussetzungen übrig behalten, die sich untereinander und
mit den thatsächlichen Verhältnissen vereinigen lassen, einmal die An-
nahme des jüngeren Alters des Salztrümmergebirges und zweitens die
Annahme, dass für die Störungen des Salzgebirges ein seitlicher Gebirgs-
druck bestimmend war, der dem in den benachbarten karpathischen
Erhebungen zur Geltung gelangten analog gewesen ist. Damit hätte er
aber eine Vereinigung mit dem von Paul und mir vertretenen Stand-
punkt vollzogen, welchem gerade dieselben Voraussetzungen zu Grunde
liegen und er wäre wenigstens in diesem Fundamentalpunkt weder mit
uns, noch mit sich selbst in Gegensatz gerathen.
Die Consequenz dieses von Paul und mir in wesentlicher Ueber-
einstimmung mit der älteren Auffassung Hrdina’s eingenommenen
Standpunktes ist bekanntlich und wie übrigens leicht einzusehen die,
dass wir uns das subkarpathische Salzgebirge von Wieliezka in eine
Reihe überschobener (eventuell in Längsbrüche ') übergegangener)
Falten gelezt denken, welche den principiell ganz ähnlichen Gebirgs-
falten der benachbarten karpathischen Flyschzone entsprechen, und es
ist geradezu merkwürdig, dass sich Niedzwiedzki so hartnäckig
weigert, diese nächstliegende Vorstellung zu acceptiren, nachdem er
doch selbst die letztere als zwar unwahrscheinlich, aber als möglich
bezeichnet hat, dieselbe also seinem Gedankenkreise nicht fremd ge-
blieben ist. Er schrieb ja (Seite 137 seiner Schrift) bezüglich der
„sehr tiefen seitlichen Einbuchtungen des Salztrümmergebirges* den
folgenden Satz: „Wenn man diese nicht als seitliche Intrusionen zwischen
das erodirte oder aufgerissene Salzschichtensystem betrachten wollte,
so müsste man für die Gesammtheit des letzteren eine complieirte und
dabei vollständig maskirte Schuppenstrucetur voraussetzen, was wohl
sehr unzukömmlich wäre.“ Damit ist ja doch, obschon in sehr gewundener
Weise, die prineipielle Zulässigkeit einer Annahme zugestanden, die
der von Paul und mir verlautbarten Auffassung sehr ähnlich ist.
ı) Was für das Prineip der tektonischen Anschauung keinen Unterschied macht.
[21] Beiträge zur Geologie von Galizien. 207
Warum aber diese Annahme unzukömmlicher sein soll, als diejenige
des Autors, wird nicht ersichtlich, denn der fabelhafte Vorgang jener
in colossalem Massstabe vorausgesetzten „seitlichen Intrusionen“ des
hangenden Gebirges in das liegende, ein Vorgang, über dessen Verhalten
schliesslich auch nur sehr verschwommene Aussagen vorgebracht werden
konnten, wird für alle Zeiten ein staunenswerthes Räthsel bleiben,
welches in dieser Gestalt nieht bald ein Seitenstück finden wird.
Jener Standpunkt von Paul und mir hat aber noch eine weitere
Consequenz, nämlich die, dass wir die Tektonik des Wieliezkaer Salz-
gebirges unmöglich auf eine einfache Wölbung zurückführen können,
wie dies Niedzwiedzki seinerseits gethan hat. Wie weiter oben
bereits angedeutet, hatte ich mir auch hiebei erlaubt, darauf hinzu-
weisen, dass selbst Niedzwiedzkis eigene Darstellung mit dieser
Idee einer einfachen Wölbung nicht übereinstimmt, eben weil in dieser
Darstellung das keilförmige Ineinandergreifen beider Abtheilungen des
Salzgebirges zum Ausdruck gebracht wird.
Der genannte Autor glaubt (l. ec. Seite 206) auch diesen Wider-
spruch rechtfertigen und denselben nur meiner missverständlichen Auf-
fassung seiner Aussagen zuschreiben zu sollen. Ich hätte hier zwei
verschiedene, zu trennende Dinge miteinander vermischt, seinen Durch-
schnitt durch das Ostfeld der Grube, wo die tektonischen Compliecationen
thatsächlich geringer seien als weiter westlich und den vorher bespro-
ehenen Durchschnitt durch den Franz Josephschacht, der dem Mittelfelde
der Grube angehöre. Ueberdies sei jener Durchschnitt durch das Ostfeld
(pag. 94 seiner Schrift) blos schematisch und es erkläre sich auf diese
Weise die scheinbare Nichtübereinstimmung seiner Angaben.
Dem gegenüber darf ich wohl hervorheben, dass auf derselben
Seite 94 der Schrift des Autors auch ein (ebenfalls schematischer) Durch-
schnitt durch das Westfeld der Grube gezeichnet erscheint, in welchem
ungefähr dieselbe einfache Gewölbeform zum Ausdruck kommt, obschon
das genauere Bild, welches der Verfasser später von den Verhältnissen
des Westfeldes in seinem Profil über den Elisabethschacht (Taf. V seiner
Schrift) gegeben hat, von einer so einfachen Tektonik nichts mehr be-
merken lässt, wie ich soeben (Seite 19 diese Schrift) schon zu betonen
Gelegenheit hatte. Ich habe mich nun auf der von Niedzwiedzki
ineriminirten Seite 231 meiner Abhandlung gleich Anfangs ausdrücklich auf
beide Querprofile, und zwar unter besonderer Hervorhebung ihres schema-
tischen Charakters, bezogen, weil diese Profile in engem Zusammenhange
mitgetheilt wurden und bestimmt waren (vergl. Seite 94 jener Schrift,
Zeile 9—12), die Art der „Zusammenbiegung des salzführenden Schichten-
systems“ ganz in Allgemeinen zu erläutern, dieselben auch sonst im
Rahmen der ganzen Darstellung des Autors keinen ersichtlichen Zweck
gehabt hätten. Da fand ich denn natürlich, dass der mehr auf Einzel-
heiten eingehende Durchschnitt durch den Franz Josephschacht ein
prineipiell ganz anderes Bild liefere als jene allgemeinen Darstellungen,
welche eine jenen Einzelheiten widersprechende tektonische Auffassung
bekundeten. Es ist mir aber gar nicht eingefallen, dort, wo ich gleich
nach Erwähnung der beiden schematischen Bilder specieller von dem
Durchschnitt durch das Ostfeld spreche, denselben ohne Weiteres mit
dem Durchschnitt durch den Franz Josephschacht zu identifieiren, da
208 Dr. Emil Tietze. [22]
dieser letztere Durchschnitt zwar eine ziemlich östliche Lage besitzt,
aber kaum als ganz geeignet erscheinen konnte, die Verhältnisse des
eigentlichen Ostflügels der Grube zu illustriren,, in welchen das Salz-
gebirge der Terrainoberfläche mehr genähert und in seinen oberen
Partien unvollständiger erhalten ist.
Ich erwähnte sogar ausdrücklich, dass aus diesen Gründen ein
Durchsehnitt durch das Ostfeld sich „weniger zur Frläuterung der
tektonischen Erscheinungen von Wieliezka eignet“. Die jetzige Behaup-
tung Niedzwiedzkis, ich bätte wieder einmal „den entscheidenden
Umstand übersehen“, dass die von mir „verglichenen Bilder nicht
gleiche oder gleich sein sollende Objecte zur Darstellung bringen“, ist
daher nichts weiter als eine der Sonderbarkeiten, an denen seine Dialektik
so reich ist.
Gerade der jetzt und früher von dem Autor betonte rein schema-
tische Charakter jener das Ost-, wie das Westfeld darstellenden Zeich-
nungen und seine dazu gemachten Bemerkungen weisen indessen darauf
bin, dass er die Anschauung von der einfachen Gewölbeform als seine
Grundanschauung über die Lagerungsverhältnisse von Wieliezka ange-
sehen wissen will. Diese Bilder sollten ja eben der Vorstellung von
jener durch eine „laterale, nach Nord gerichtete Druckkraft“ erzeugten
Aufwölbung als Anhalt dienen. Da war es also mein volles Recht, zu
betonen, dass die vielgestaltigeren Verhältnisse eines detaillirter ge-
zeichneten Durchschnitts, wie desjenigen durch den Franz Joseph-
schacht, mit einer so einfachen Auffassung nicht harmoniren. Nicht
ich habe Herrn Niedzwiedzki missverstanden, sondern er mich, da
er übersah, dass ich nicht seine einzelnen Zeichnungen als solche, son-
dern das Prineip seiner tektonischen Darstellung kritisirte.
Niedzwiedzki hat aber bei dieser Gelegenheit auch sich selbst
missverstanden. Als ich nämlich meine Arbeit über die geognostischen
Verhältnisse der Gegend von Krakau schrieb, hatte ich selbstverständ-
lich seinen erst 1889 erschienenen vierten Beitrag zur Kenntniss der Salz-
formation von Wieliczka und Bochnia noch nicht zur Hand. Wäre
dieser Beitrag einige Jahre früher erschienen, dann hätte ich sogar das
Recht gehabt zu behaupten, dass der vielgenannte (im dritten Beitrag auf
Taf. IV abgebildete) Durchschnitt durch den Franz Josephschacht, der
heute als ein solcher durch das Mittelfeld der Grube bezeichnet wird,
und jener schematische Durchschnitt durch das Ostfeld im Sinne des
Autors in der That „gleiche oder gleich sein sollende Objecte zur
Darstellung bringen“. Gleich auf der ersten Seite dieses 4. Beitrages
(Seite 153 der eitirten Schrift), insbesondere aber auf Seite 156 derselben
Schrift (Zeile 18) wird nämlich der Durchschnitt durch den Franz
Joseph-Schacht ausdrücklich als ein solcher durch das Ostfeld der Grube
aufgeführt.
Wenn ich also wirklich die von dem Autor mir vorgeworfene
Verwechslung von Ost- und Mittelfeld begangen haben sollte, welches
Recht hätte unter solehen Umständen gerade er, einen derartigen Vor-
wurf zu verlautbaren? Niedzwiedzkitheiltin diesem vierten Beitrage
einen specialisirteren Durchschnitt durch das Westfeld mit, er beruft
sich dabei darauf, dass er im dritten Beitrage derselben Abhandlung „eine
nie en Te ee ze ee ee ser Bi a
Beiträge zur Geologie von Galizien. 209
detaillirtere Schilderung“ eines Durehschnittes durch das Ostfeld gegeben
habe, und zwar in eben jener Darstellung, welche sich ausschliesslich
mit dem über den Franz Joseph-Schacht gelegten Querschnitte befasst. Soll
man da nicht am Ende gar annehmen dürfen, dass jene schematischen
beiden Bilder auf Seite 94 derselben Abhandlung (im zweiten Beitrage)
nichts als die ganz direeten Vorläufer der späteren Einzeldarstellungen
gewesen sind ? Diese Annahme wäre um so natürlicher, als das Profil über
den Elisabethschacht gegen Westen hin gar nieht viel mehr von der
Mittelregion der Grube entfernt ist als das Profil über den Franz Joseph-
schacht nach der anderen Richtung. Hätte ich aber dann nicht erst
recht Ursache gehabt, die prineipielle Nichtübereinstimmung jener
schematischen Auffassung mit der specialisirten Darstellung zu betonen ?
Der Autor hätte, wie man sieht, jedenfalls gut daran gethan,
seine früheren Veröffentlichungen etwas genauer «durchzublättern, ehe
er sich anschiekte, darzulegen, dass ich hier „wieder einen entscheiden-
den Umstand“ übersehen habe. Er hätte bei jener Durchsicht vielleicht
auch den folgenden Satz (Seite 140 seiner Schrift) gefunden: „Ich halte
nämlich die ganze unmittelbar südlich von dem Franz Josephschacht
gelegene und nördlich von ihm aufgedeckte Gebirgsmasse für ein an
einem Bruchrande tief eingestürztes Salztrümmergebirge.“ Der Leser, der
sich hier nicht nebenbei den Kopf zerbricht über jene Gebirgsmasse,
die südlich von dem bewussten Schacht gelegen, aber nördlich von dem-
selben aufgeschlossen ist, erkennt doch bald, dass hier von einer be-
deutenden Verwerfung gesprochen wird, die mitten durch das Salzgebirge
hindurehgehen soll und sieht schon daraus ein, dass sich in der That,
sowie ich das angedeutet hatte, die eigene Darstellung des Autors mit
der von demselben vertretenen Vorstellung einer einfachen Wölbung des
Salzgebirges „nicht zusammenreimt“, mit jener Vorstellung, welche
Niedzwiedzki überdies vielleicht nur als das Erbtheil einiger anderer
von ihm hochgeschätzten Forscher zu vertheidigen sich entschlossen hat,
wie ich das in meiner Krakauer Arbeit darzulegen versuchte (vergl.
l. e. Seite 223, 224 und 230).
Im unmittelbaren Zusammenhange mit der Frage der Grundzüge
der Tektonik des Salzgebirges, wie sie gelegentlich der soeben be-
sprochenen Differenzen berührt wurde, steht nun die speciellere Frage,
ob, abgesehen von dem oben erwähnten faltungsförmigen Ineinander-
greifen des Grünsalzgebirges und des geschichteten Salzgebirges, auch
innerhalb des letzteren selbst direetere Anhaltspunkte für die Annahme
einer faltenförmigen Zusammenschiebung gefunden werden können. Ich
habe in meiner Beschreibung der geognostischen Verhältnisse der Gegend
von Krakau. auch diesen Gegenstand berührt (vergl. 1. e. Seite 234 — 236)
und dabei besonders auf gewisse Beobachtungen hingewiesen, die sich
in der Strecke Wiesiofowski anstellen lassen.
Niedzwiedzki (Seite 207 ete. seiner Schrift) glaubt indessen
die Beweiskraft dieser Wahrnehmungen bezweifeln zu sollen. Es sei
zwar, so meint er dabei, für ihn „keineswegs leicht“ meine hierauf
bezüglichen Behauptungen „zurückzuweisen, aber die „gänzliche Un-
richtigkeit“ derselben sei doch für ihn „völlig evident“ (sie!).
Immerhin giebt der genannte Autor zu, dass, wenn sich dort that-
sächlich solche spitze, scharf geknickte, schiefe Schichtensättel beob-
210 Dr. Emil Tietze. [24]
achten liessen, wie ich sie gesehen zu haben vorgab, dies „natürlich
eine Entscheidung zu Ungunsten“ seiner Darstellung bewirken müsse.
Es ist ja auch zunächst von vornherein klar, dass dann eine continuir-
liche Aufeinanderfolge der verschiedenen Schichten des Salzgebirges
nicht einmal für dessen untere Abtheilung festgehalten werden dürfte.
So haben sich denn auch in der That, wie der Autor beklagt, einige
Referenten von meinen betreffenden Angaben bestechen lassen, wie z. B.
Uhlig im neuen Jahrbuche (Stuttgart 1889, II. Bd., Seite 301, vergl.
übrigens auch dessen Profil von Wieliezka inNeumayr's Erdgeschiehte,
II. Bd., Seite 727).
Zur Aufklärung dieser Stellungnahme Uhlig’s kann vielleicht
dienen, dass der Letztgenannte in meiner Gesellschaft und unter Führung
des verstorbenen Bergrathes Schreiter, damaligen Markscheiders von
Wieliezka, die Grube besucht hat und dass Schreiter, der mich
schon früher auf die betreffende Strecke aufmerksam gemacht hatte,
damals auch Herrn Uhlig die dort sichtbaren Erscheinungen als für
das Verständniss der Tektonik des Salzgebirges massgebend zeigte.
Uhlig war also in die Lage versetzt worden, jene Kniekungen mit
eigenen Augen zu sehen und weder er, noch Bergrath Schreiter
haben damals jene Faltungen für blosse bei der Entstehung des Stein-
salzes oder durch Mineralbildungen bewirkte „Structurerscheinungen“
angesehen, als welche sie Niedzwiedzki heute (l. e. Seite 211) gern
hinstellen möchte.
Wenn der Letztere ausserdem meint, der Aufschluss in der Strecke
Wiesiofowski sei nicht ausgedehnt genug, um das thatsächliche Vor-
bandensein spitz geknickter Faltungen ersichtlich zu machen, so ist das
ein Irrthum. Es handelt sich für mich ja gar nicht darum, zu behaupten,
dass dort vielleicht eine grosse, einer ganzen Salzgruppe entsprechende
Falte auf einen Blick sichtbar werde. Solche Verhältnisse können in
einer Grube wohl nie direct beobachtet, sondern müssen durch Com-
bination von verschiedener Daten erschlossen werden. Es handelt sich
vielmehr darum, zu zeigen, dass schiefe, mit dem Scheitel nach Nord
geneigte Schichtenkniekungen bei südlichem Scehichtenfall, wie sie
meinen und Paul’s theoretischen Anschauungen über das Wesen der
Wieliezkaer Tektonik entsprechen, in der Grube factisch zu beobachten
sind und das liess sich an der bezeichneten Stelle gerade in kleineren,
der unmittelbaren Anschauung zugänglichen Verhältnissen sehr gut
demonstriren.
Wer mit der karpathischen Geologie einigermassen vertraut ist,
was ja Niedzwiedzki zu werden langjährige Gelegenheit gehabt
hat, der weiss auch, dass derartige Schichtenkniekungen, die.sich zu dem
srossen Faltenwurf wie Erscheinungen zweiter Ordnung verhalten, bei
den dünnschichtigen Abtheilungen des Flyschgebirges (wie z. B.
bei den Ropiankaschichten) oft in ziemlich kleinem Maassstabe vor-
kommen, in einem Maassstabe, der, wie ich hinzufügen kann, stellen-
weise sogar viel kleiner ist, als bei der Faltung des Spizasalzes in der
Strecke Wiesiofowski. Man hat also kein Recht, zu sagen (wie dies
l. e. Seite 208 unten geschieht), dass Beobachtungen, wie sie daselbst
anzustellen sind, „schon a priori eine Unmöglichkeit darstellen“. Wohl
aber hat man ein Recht, zu sagen, dass solche Beobachtungen eine
L#)
[25] Zeiträge zur Geologie von Galizien. 911
eminent prineipielle Bedeutung besitzen, wenn es sich um die
Frage handelt, ob das betreffende Salzgebirge in schiefe Falten gelegt
ist oder nicht und um die ähnliche Frage, ob die Schichten dieses
Gebirges eine continuirliche Aufeinanderfolge bilden oder eine mehrfache
Wiederholung derselben Lagen. Dass es aber im Hinblick auf die prin-
eipielle Bedeutung der bewussten Knickungen für mich nothwendig
gewesen wäre, ausführlicher darüber zu sprechen und dieselben durch
eine Zeichnung zu illustriren, wie mir Niedzwiedzki schliesslich als
Unterlassung vorwirft, vermag ich nicht einzusehen. Ich schrieb ja doch
für Leute, welche bereits wissen, was eine schief gestellte Schichten-
kniekung ist und „breitspurig“ zu werden, habe ich wohl nur dann
Veranlassung, wenn es sich um complieirtere Verhältnisse handelt, sei
es, dass diese Complication in der Sache selbst oder in der durch die
Autoren herbeigeführten Unklarheit über einen solchen Gegenstand be-
gründet ist.
Zum Schlusse will ich nun noch einige Worte an die Bemerkungen
anknüpfen, welche Niedzwiedzki bezüglich des zwischen der Salz-
formation und den Bildungen des Karpathenrandes bestehenden An-
lagerungsverhältnisses verlautbart hat (l. e. Seite 216 ete.).
Bei dieser Gelegenheit kann ich ausnahmsweise einen Fall her-
vorheben, in welchem mir ein von dem genannten Autor gemachter
Vorwurf der missverständlichen Auffassung seiner Aeusserungen theil-
weise begründet erscheint.
Es handelt sich dabei um einen Widerspruch, welchen ich (vergl.
Seite 239 meiner Krakauer Arbeit) zwischen zwei früheren Aeusserungen
des genannten Forschers zu finden glaubte.
Der Letztere hatte geschrieben (Seite 152 seiner Schrift): „Es näbert
sich das Salzschichtensystem, an seiner Südflanke im Südfallen verblei-
bend, bereits dermassen dem altkarpathischen Rande, dass kein
Platz mehr vorhanden ist für eine noch so steil rückgebogene
Falte der ganzen Salzschichtenfolge.* Kurz vorher hatte sich der Autor
bei der Begründung dieses Gedankens auf eine bereits Seite 111 der
selben Schrift gegebene Auseinandersetzung bezogen. Dort liest man
folgenden Satz: „Wenn man von den südliehsten Endpunkten auch der
tiefsten Grubenstreeken lothrechte Linien hinaufziehen würde, so kämen
deren Endpunkte ausnahmslos noch nördlich von der evidenten oder
vermutheten oberflächlichen Grenzlinie zwischem dem Salzgebirge und
dem karpathischen System zu liegen. — Es ist sogar noch genügend
Zwischenraum vorhanden, dass die karpathische Randfläche mit
einer nicht aussergewühnlich steilen Neigung nach Norden unter die
gesammte Salzablagerung einfalle.“
Eine vollkommene Harmonie zwischen diesen Sätzen bin ich nun
zwar auch heute noch nicht in der Lage aufzufinden. Wohl aber bekenne
ich ohne Weiteres, dass ich durch ein Missverständniss der Stylisirung
des letzten Satzes verleitet wurde, darin einen Widerspruch zu entdecken,
der in der Form, in welcher ich denselben präeisirte, nicht vorhanden
ist. Die Aeusserung von dem nördlichen Einfallen der karpathischen Rand-
fläche unter die Salzformation hat mich veranlasst zu glauben, dass damit
auf eine nördliche Fallrichtung derselben Schichten in der Tiefe angespielt
Jahrbuch der k. k. geol. Reichsanstalt. 1891. 41. Band. 2. Heft. (Dr. E. Tietze.) 28
9192 Dr. Emil Tietze. [26]
werde, welche in der Höhe den Karpathenrand zusammensetzen und
dort an der Oberfläche eine südliche Neigung zeigen. Ich glaubte also,
die karpathischen Schichten hätten nach der Meinung des Autors Platz
genug zu einer Faltung in demselben Raume, welcher für eine Umfaltung
der Salzschichten als ungenügend gefunden wurde. Nach der ausdrück-
lieh abgegebenen Erklärung Niedzwiedzki's indessen, dass er unter
der karpathischen Randfläche ganz einfach die Böschung der kar-
pathischen Hügel und deren supponirte Fortsetzung nach der Tiefe
verstanden habe, dass er also auch in der Tiefe eine Umkehr des Ein-
fallens der diese Böschung zusammensetzenden Schichten nicht voraus-
setze, zögere ich nicht einen Augenblick, einzugestehen, dass ich mir
in diesem Punkte von seiner Auffassung ein falsches Bild gemacht habe.
Andererseits kann ich freilich nicht sagen, dass mich diese Auf-
fassung, so wie sie mir heute klar geworden ist, mehr anspricht, als
die, welehe ich früher aus den bewussten Aeusserungen herausgelesen
hatte. Der Gegensatz unserer Meinung bezüglich der Art des Anein-
andergrenzens der karpathischen und der subkarpathischen Bildungen,
wie ich ihn (Seite 237—246 meiner Krakauer Monographie) ausführlich
geschildert habe, wird dadurch leider nicht gemildert. Dieser Gegensatz
besteht nach wie vor darin, dass ich (ähnlich wie früher Paul) das
gegen den Karpathenrand gerichtete südliche Einfallen im Principe einer
Ueberkippung zuschreibe, während Niedzwiedzki bei diesem schein-
baren Einschiessen jüngerer Absätze unter die gleichfalls südwärts ge-
neigten karpathischen Bildungen von einer Ueberkippung nichts wissen
will und nicht einmal an eine (eventuell als Faltenbruch aufzufassende)
Verwerfung denkt. Jener Gegensatz besteht ferner darin, dass Paul und
ich hier eine Anschauung vertreten haben, welche ebenso ganz im
Allgemeinen den bekannten Grundzügen des Aufbaues der Karpathen
gerecht wird, wie sie im Einzelnen mit der nach unserer Ansicht auf
schiefe Faltung zurückzuführenden Tektonik der Salzformation selbst
harmonirt, während Niedzwiedzki diese Anschauung bekämpft, ohne
freilich etwas Verständliches an deren Stelle zu setzen.
Ich habe eine Zeit lang geglaubt, dass er mit der für derartige
Fälle freilich ganz unzureichenden Annahme einer Discordanz das er-
wähnte Verhältniss erklären zu können vermeinte und wenn ich in seinem
neuesten Beitrag die Seite 216 aufschlage, so scheint es auch, dass ich
wenigstens hierin keinem Missverständnisse unterlegen bin. Der Autor
verwahrt sich dort dagegen, dass er bezüglich jenes Lagerungsverhält-
nisses nur Negationen vorgebracht habe. Er habe dasselbe vielmehr
„ganz präeise definirt in der Annahme eines discordanten Abstossens
der südfallenden Salzschichten gegen die karpathische, frei nach Norden
abfallende, aus südgeneigten Lagen aufgebaute Böschung“. Zwei Seiten
später (Seite 218) liest man aber wörtlich, er habe nirgends behauptet,
„dass die discordante Anlagerung an dem Lagerungsverhältnisse , also
der discordanten Lagerung selber Schuld wäre, was einen capi-
talen Unsinn giebt“.
Da stehe ich nun freilich ganz rathlos da. Wer sich nach diesen
beiden Sätzen in ihrer Combination eine correete Vorstellung von den
Ansichten des Autors über jenes Lagerungsverhältniss bilden kann, der
muss jedenfalls ein sehr tiefer Denker sein. Der Autor fügt aber zur
[27] Beiträge zur Geologie von Galizien. 213
Erläuterung des Gesagten hinzu, dass ich bei dieser Discussion offenbar
zwei verschiedene Sachen verwechsle: „die Eruirung der Art der An
lagerung und die Erklärung, wie dieselbe entstanden sei“, das heisst
also, wenn ich recht verstehe, die blosse Constatirung einer Thatsache
und den Versuch, diese Thatsache zu deuten.
Lässt man diesen Satz gelten, dann kommt man zunächst zu dem
Schluss, dass der Autor vermuthlich überhaupt auf eine „Erklärung“
des Sachverhaltes verzichten will und sich mit der „Eruirung der Art
der Anlagerung“ in diesem Falle begnügt. Damit würde aber bewiesen
sein, dass ich Recht hatte, in seinen hierauf bezüglichen Darlegungen
eine zureichende Erklärung der tektonischen Beziehungen zwischen der
Salzformation und dem Karpathenrande zu vermissen, wenn ich auch
zu dieser Annahme früher auf einem anderen Wege gelangte.
Jener Satz verbirgt indessen oder enthüllt vielmehr einen schweren
Iırthum Niedzwiedzkis. Aus jenem Satze spricht nämlich dessen
Meinung, dass er die Art der Anlagerung des Salzgebirges an den
Karpathenrand thatsächlich „eruirt“, dass er das betreffende Lagerungs-
verhältniss, so wie es ist, festgesteilt habe und dass die Versuche einer
Deutung mit dieser Feststellung zu rechnen haben. Ja was hat er denn
eruirt und was konnte er denn in dem nicht aufgeschlossenen Terrain
zwischen den südlichsten Grubenstreeken und der idealen unterirdischen
Fortsetzung der karpathischen Randzone überhaupt eruiren ?
Selbst die nach Norden geneigte unterirdische Böschung des
Karpathenrandes existirt ja doch vorläufig nur in seinem Kopfe. Findet
in jener Gegend eine blosse Ueberkippung statt, dann giebt es keine
solche Böschung, und giebt es daselbst eine Verwerfung, dann kann
die betreffende Kluft zwar unter Umständen eine nordwärts geneigte
Lage einnehmen, aber eine solehe Kluftfläche wäre abermals keine
Böschung. Hat denn ferner der Autor wirklich gesehen, dass sich die
Salzformation in der nächsten Nähe des Karpathenrandes in der Tiefe
nicht umbiegt? Seine oben eitirte Behauptung, es sei für eine steil
rückgebogene Falte der ganzen Salzschichtenfolge zwischen dem
karpathischen Rande und den beobachteten südlichsten Theilen der
Salzformation kein genügender Platz mehr vorhanden, ist ja doch keine
Beobachtung, sondern nur eine Folgerung, und zwar eine Folgerung
aus einer, wie wir sahen, durchaus anfechtbaren Prämisse, nämlich aus
der Voraussetzung, dass die in der Grube aufgeschlossenen Salzschichten
eine eontinuirliche Aufeinanderfolge bilden. Hält man die früher be-
sprochenen Salzgruppen indessen für mehrfache Wiederholungen ein
und desselben Complexes, dann hat man es für die Rechnung mit
_ einer viel geringeren Mächtigkeit des Salzgebirges zu thun und kann
sich viel leichter vorstellen, dass dieses (oder dessen unter Umständen
vertaubtes Aequivalent) jene Umfaltung bewerkstelligt. Ein gewisser
Zwischenraum zwischen den südlichsten Aufschlusspunkten des Salz-
gebirges und den nördlichsten Aufschlüssen der karpathischen Rand-
bildungen steht ja selbst nach Niedzwiedzki’s Ausführungen dafür
noch immer zu Gebote. Die Sache ist also die, dass der Letztgenannte
bei dieser Frage seine Vorstellungen für Constatirungen hält, dass er
seiner Deutung das Gewieht einer beobachteten Thatsache beimisst,
dass also gerade er es ist, der hier jene zwei verschiedenen Dinge mit
28*
914 Dr. Emil Tietze. [28]
einander verwechselt, die Ermittlung, wie sich die Jüngere Formation
an die ältere angelagert befindet und die Erklärung, wie man sich das
Entstehen dieser Anlagerung zu denken habe; denn Vorstellungen, die
man sich über ein nicht überall direet sichtbares Lagerungsverhältniss
macht, schliessen ja doch naturgemäss den Versuch einer Deutung ein,
während thatsächliche Constatirungen mit einem solchen Versuche nichts
gemein zu haben brauchen.
Wenn sich also Niedzwiedzki beklagt, betreffs der in Rede
stehenden Streitfrage in meinen früheren Darlegungen keine „gerechtere
Würdigung des Werthes seiner Angaben und Schlussfolgerungen“ gefunden
zu haben, so bedauere ich, gerade vom Standpunkte einer gerechten, das
ist rein sachlichen Kritik ihm auch heute noch nicht den gewünschten
Beifall spenden zu können. Ob es aber seinerseits gerecht ist (siehe dessen
Sehrift Seite 217), in meiner allgemeineren Discussion der Verhältnisse
zwischen den karpathischen Randbildungen und dem subkarpathischen
Miocän, wie ich sie in meiner Beschreibung der Gegend von Krakau
(l. e. Seite 241 —244) gegeben habe, nur eine „breitspurige Vorführung“
zu finden, die in der vorliegenden Frage keine „direete Verwendung“
beanspruchen könne, das muss ich dem Urtheil Anderer überlassen.
Der genannte Autor hatte, wie wir jetzt wieder gesehen haben,
unter allen Umständen von einer Discordanz zwischen der miocänen
Salzformation und dem karpathischen Schichteneomplex bei Wieliezka
gesprochen. Unmittelbar zu beobachten war diese Discordanz nicht.
Lag es da nicht ungemein nahe, sich im Allgemeinen die Frage vorzu-
legen, was und wie viel von einer Discordanz zwischen den kar-
pathischen und den subkarpathischen Bildungen in Galizien überhaupt
zu halten sei? Meine langjährigen Erfahrungen im Bereich der galizi-
schen Geologie gaben mir dazu sogar ein specielles Recht, und ich meine,
dass die Gesichtspunkte, die ich dabei (zum Theil im Anschluss an eine
frühere Mittheilung von mir) entwickelte, ursprünglich nicht gerade so
„allgemein bekannt“ waren, wie Niedzwiedzki behauptet. Wenigstens
hat er selbst von dieser Kenntniss wenig Gebrauch gemacht, und wenn
er heute unter Bekämpfung meiner Ausführungen (l. e. Seite 217 in der
Anmerkung unten) schreibt, dass die „ersichtlichen Verhältnisse der
Lagerung keine Concordanz“ der verglichenen Bildungen bei Wieliezka
anzunehmen gestatten, so zeigt er damit, dass ihm jene „allgemein“
bekannten Anschauungen noch immer nicht ganz geläufig sind, denn
ich habe von einer Concordanz ohne Einschränkung dieses Begriffes in
meiner eben eitirten Arbeit für diesen Fall überhaupt nicht gesprochen.
Eine solche Concordanz ohne Einschränkung hat Niedzwiedzki viel-
mehr für das Wieliezka benachbarte Bochnia angenommen und ich habe
bereits bei einer früheren Gelegenheit (Verhandl. d. k. k. geol. Reichs-
anstalt. 1890, Seite 160) auf die eigenthümlichen Extreme aufmerksam
gemacht, zwischen denen sich des Verfassers Ansichten bei diesen
Dingen bewegen.
Was ich mit jenen angeblich überflüssigen Auseinandersetzungen
gethan habe, war jedenfalls etwas ganz Naturgemässes, insofern als
ich mich hier wie sonst bemühte, den Aufbau der Salzformation von
Wieliezka in Beziehung zu bringen zu den allgemeinen tektonischen
Gesetzen, von welchen die karpathische Kette beherrscht wird. Nie-
nf
[29] Beiträge zur Geologie von Galizien, 915
dzwiedzki hingegen hat, wie ich erst kürzlich wieder betonte
(Verhandl. d. k. k. geol. Reichsanstalt. 1890, Seite 159 u. 160 oben,
Einiges über die Umgebung von Wieliezka, Seite 9 u. 10 des Separat-
abdruckes), die Tektonik von Wieliezka für etwas Apartes gehalten und
geglaubt, dieselbe unbekümmert um die sonstigen Verhältnisse der
Karpathen behandeln zu dürfen.
Ich wiederhole das hier nochmals ausdrücklich, obschon der
genannte Autor (l. e. Seite 218, in der Mitte) dies als eine Freiheit
bezeichnet, die ich mir herausnehme. Er beruft sich dabei darauf, dass
er ja die Dislocation der Salzformation einem lateralen, von den
Karpathen ausgehenden Druck zugeschrieben habe und dass ich dies
(Seite 238 meiner Krakauer Arbeit) anerkannt habe. Daraus, meint er,
hätte ich doch das Gegentheil meiner oben ausgesprochenen Folgerung
ableiten sollen. Er geht sogar noch weiter und behauptet, ich hätte
direet gerade aus jener seiner Aussage über den karpathischen Seitendruck
den unlogischen Schluss gezogen, dass er die Tektonik Wieliezkas als
eine von der Tektonik der Karpathen unabhängige betrachtet habe.
Das ist wieder ein starkes Stück von willkürlicher Verdrehung
fremder Aussagen. Nicht daraus, dass der Autor die Aufwölbung der
Salzformation einem karpathischen Drucke zuschreibt, sondern daraus,
dass er sich die Wirksamkeit dieses Druckes in einer ganz ungewöhn-
lichen, den tektonischen Erscheinungen der Karpathen widersprechen-
den Weise vorstellte, habe ich gefolgert, dass dieser Autor die Salz-
formation Wieliezkas „tektonisch auf den Isolirschemel* gesetzt hat.
Ich fand eben, dass die Aussage über jenen Druck in keinen organischen
Zusammenhang mit den sonstigen Behauptungen des Verfassers gebracht
war und dass er diese Behauptungen im Gegensatze zu den Voraus-
setzungen aufgestellt hatte, die mit der Annahme eines karpathischen
Druckes hätten verbunden sein müssen (vergl. auch Seite 230 meiner
Krakauer Arbeit). Das hatte ich so deutlich auseinandergesetzt, dass
ein unabsichtliches Missverständniss meines Gedankenganges wohl aus-
geschlossen erschien.
Ehe wir nun die Diseussion der Vorwürfe abschliessen, welche
Herr Niedzwiedzki mir bezüglich meiner Ausführungen über das
Verhältniss der Salzformation zum Karpathenrande gemacht hat, kann
noch der Ausspruch des genannten Autors erwähnt werden, ich hätte
eine sachliche Widerlegung gewisser, von ihm für entscheidend gehaltener
Momente, wie z. B. bezüglich des Auftretens der rothen Mergel in der
Grube, gar nicht einmal versucht. Ich habe mich indessen auf Seite 245
meiner Krakauer Arbeit (vergl. auch 1. e. pag. 220) über diesen Gegen-
stand geäussert. Ausdrücklich wurden dabei die Gründe angeführt, durch
welche ich bestimmt wurde, die Deutung, welche Niedzwiedzki
gewissen rothen Thonen als Hangendgebilden der Salzformation giebt,
für anfechtbar zu halten. Ich habe betont, dass analoge rothe Thone
in der Umgebung Wieliezkas ganz sicher an der Grenze des Karpathen-
sandsteines gegen die Salzformation, bezüglich gegen das Miocän auf-
treten; ich habe darauf hingewiesen, dass, unter der Voraussetzung
einer Ueberkippung der Salzformation, die gegen den karpathischen
Rand zu im direeten scheinbaren Hangenden der Salzformation vor-
kommenden rothen Thone ebenso gut älter als die Hauptmasse des
916 Dr. Emil Tietze. [30]
Miocäns sein können, wie die gleichfalls im scheinbaren Hangenden
des Miocäns auftretenden Karpathensandsteine; ich habe endlich auch
hervorgehoben, dass solche rothe Thone den hangenden Partien der
nördlicher gelegenen Salzgruppen fehlen, was wenigstens im Hinblick
auf die von mir gemachte Annahme, dass die verschiedenen Salzgruppen
Wiederholungen derselben Schichtenfolge bedeuten, beweisen würde,
dass jene rothen Thone unmöglich als normale Hangendgebilde der
Salzformation gelten können. Wenn jetzt dem gegenüber gesagt wird,
ich hätte eine Widerlegung der von dem Autor in dieser Frage vor-
gebrachten Behauptungen nicht einmal versucht, so ist das ziemlich
unverständlich. Der bewusste Ausspruch beruht demnach abermals auf
einem recht seltsamen Missverständniss.
Weiter will ich meine Abwehr nicht fortspinnen. Es muss Alles
ein Ende haben ; insbesondere gilt dies von einer polemischen Erörterung,
die man nothgedrungen unternommen hat. Ich bin ja endlich auch
nicht so kampfesfreudig, wie mein Gegner, der sich am Schlusse seiner
Sehrift (l. e. Seite 231 oben) bereit erklärt, „weitere Ergänzungen“ zu
dieser Polemik zu „bieten, sofern sich dies als nöthig herausstellen
sollte“. Ich habe an dem von jener Seite bis jetzt Gebotenen durchaus
genug.
Ueber F. Herbich’s Neocomfauna aus dem
Quellgebiete der Dimbovicioara in Rumänien.
Von Dr. Vietor Uhlig.
Der erste Band der „Abhandlungen des Siebenbürgischen Museum-
vereins in Klausenburg“ und der dritte Jahrgang des Bukarester „Anua-
rulü Biorului Geologieü“ enthalten eine interessante Arbeit von Franz
Herbich, welche die Kreidebildungen im Quellgebiete der Dimbo-
viecioara !) betrifft und mit 17 paläontologischen Tafeln ausgestattet ist.
Das Material hiezu wurde von dem genannten, um die Geologie der
Östkarpathen so hoch verdienten Forscher bei Gelegenheit einer Ueber-
sichtsaufnahme gesammelt, welche derselbe in den Jahren 1882 und 1883
im Auftrage der ungarischen Commission für die geologische Congress-
karte von Europa im südlichen Siebenbürgen und im angrenzenden
Theile von Rumänien, mit anderen Worten in jener merkwürdigen
Gegend der Ostkarpathen durchgeführt hat, wo das allgemeine Streichen
aus der südsüdöstlichen in die ostwestliche Richtung übergeht.
Sowie es dem unermüdlichen Fleisse und der regen Aufmerksamkeit
Herbich’s gelungen war, in den schwer zugänglichen Bergen des
Szeklerlandes eine Reihe der bemerkenswerthesten mesozoischen Faunen
zu Tage zu fördern, so verstand er es auch, bei dieser Aufnahme wich-
tige Fossilreste aufzufinden. Wie aus der Einleitung zu seiner Arbeit
hervorgeht, trug er sich mit der Absicht, der geologischen Beschreibung
des untersuchten Gebietes eine paläontologische Bearbeitung der auf-
gefundenen Fossilien vorangehen zu lassen. Diese Absicht wurde soweit
verwirklicht, dass kurze Zeit nach seinem Tode die Beschreibung der
Kreidefossilien aus dem Quellgebiete der Dimbovieioara und der Jura-
fossilien aus dem Vale Jalomtia erscheinen konnte.
So wünschenswerth auch die paläontologische Bearbeitung von
Fossilien aus einem so wenig bekannten Gebiete, wie die südöstlichen
Karpathen, an und für sich ist, so wenig lässt sich leider verkennen,
dass die betreffende Arbeit F. Herbich’s, namentlich was die Kreide-
fossilien anbelangt, sowohl hinsichtlich der Bestimmungen, als auch der
Abbildungen wenig brauchbar ist.
Da ich nun seit einer Reihe von Jahren die Cephalopodenfauna
der Kreideformation verfolge und im Jahre 1889 eine benachbarte
Gegend, die nordöstlichen Karpathen, geologisch kennen zu lernen
Gelegenheit gehabt habe, so hatte die Arbeit Herbieh’s für mich ein
') Herbich schreibt irrthümlich Dimbovitia,
Jahrbuch der k. k. geol. Reichsanstalt. 1891. 41. Band. 2. Heft. (Dr. V. Ublig.)
218 Dr. Victor Uhlig. [2]
doppeltes Interesse, welches mich wünschen liess, die dieser Arbeit zu
Grunde liegenden Versteinerungen genauer kennen zu lernen. Prof. A.
Koch in Klausenburg, in dessen Museum die Herbich’sche Sammlung
verwahrt wird, kam meinem Verlangen auf das Bereitwilligste entgegen
und stellte mir das betreffende Material zur Verfügung, wofür ich mir
an dieser Stelle den wärmsten Dank auszusprechen erlaube. Ich wurde
auf diese Weise in die Lage versetzt, eine Revision der Herbich’schen
Bestimmungen vornehmen zu können, deren Ergebniss in den folgenden
Zeilen enthalten ist.
Bevor ich auf die Besprechung der einzelnen Arten eingehe, möchte
ich in Kurzem das Wenige mittheilen, was sich auf die geologischen
Verhältnisse des Fundortes und auf die, aus der vorhandenen Fauna
ableitbaren Schlüsse bezieht.
Zur näheren Orientirung über die topographische Lage dieses
Vorkommens ist zunächst zu bemerken, dass dasselbe nicht etwa in der
Zone des Karpathensandsteins oder an der Grenze der älteren meso-
zoischen Bildungen gegen den Flysch gelegen ist. Es bildet vielmehr
die Mitte jener Trias-Jura-Kreide-Mulde, welche sich zwischen dem
krystallinischen Zuge der transsylvanischen Alpen und der krystal-
linischen Schieferinsel des Mte. Lacu und Mte. Leota einsenkt. Die
Flyschzone erreicht man erst viel weiter östlich, nach Verquerung einer
zweiten Zone von älteren mesozoischen Bildungen, die sich an den
krystallinischen Aufbruch des Mte. Leota anlehnen.
Eine ungefähre, wenn auch nicht unmittelbare Fortsetzung der
Neocomablagerung an der Dimbovicioara stellen die von Meschendörfer
aufgefundenen und durch F. v. Hauer und G. Stache beschriebenen
Neoeomschichten vom Rittersteig und von Vale Drakului bei Kronstadt
dar. Es sind dies graue Mergel, die eine Anzahl bezeichnender Fossi-
lien, namentlich Ammoniten und Belemniten, geliefert haben.) Herbich
scheint das Neocom des Vale Muierii im Gebiete der Dimbovicioara
schon im Jahre 1872 gekannt zu haben. Er erwähnt wenigstens in
einem an F. v. Hauer gerichteten Briefe?), dass „die Mergel des
unteren Neocomien über den Törzburger Pass im Thale der Dimbovi-
cioara eine weite Ausdehnung gewinnen und da stellenweise dicht
mit Versteinerungen erfüllt sind“. Die Aufsammlung der beschriebenen
Fossilien erfolgte, wie schon erwähnt, viel später, und nach den Be-
stimmungen, welche Herbich vorgenommen hat, würde man nicht
allein auf das Vorhandensein von unterer, sondern auch oberer Kreide
zu schliessen haben.
Ein Jahr nach Herbich hat Prof. Gr. Stefanesceu die be-
treffende Gegend geologisch untersucht und ebenfalls von dem Vor-
kommen neocomer Mergel im Vale Muierii und Vale Cheii Kunde
gegeben.) Prof. Stefanescu veröffentlichte eine kleine Fossilliste,
welche nur neocome Formen, hauptsächlich Ammoniten enthält.
Das Gestein, in welchem die vorliegenden Versteinerungen ent-
halten sind, besteht aus einem lichtgrauen, schieferigen Kalkmergel
') Hauer und Stache, Geologie Siebenbürgens. Wien 1863, pag. 280.
?) Verhandl. d.k. k. geol. Reichsanstalt. 1872, pag. 28.
°) Annuaire du Bureau geologique, Bucuresti, II., Anne 1884, Nr. 1, pag. 35.
(Herausgegeben im Jahre 1886.)
-
[3] Ueber F. Herbich’s Neocomfauna aus d. Quellgebiete d. Dimbovieioara ete. 219
oder Cementmergel, der in nichts von jenen bekannten, lichten Cement-
mergelschiefern abweicht, die man im Neocom des gesammten alpin-
karpathischen Gebietes anzutreffen gewohnt ist. Die Versteinerungen
sind fast immer etwas gestreckt oder verzogen und flachgedrückt. Sie
sind schlecht erhalten, aber bei Weitem nicht so schlecht, als man nach
den Abbildungen bei Herbich schliessen möchte. Bezüglich des Er-
haltungszustandes der Versteinerungen und der Gesteinsbeschaffenheit
weist namentlich das Neocom des Urschlauer Achenthales in den bayrischen
Alpen die grösste Aehnlichkeit mit den Kreidebildungen aus dem Quell-
gebiete der Dimbovieioara auf. Das Gestein wird häufig von Horn-
steinconeretionen durchzogen, die im Dünnschliffe zahlreiche Spongien-
reste und Foraminiferen, dagegen wider Erwarten keine deutlichen
Radiolarien erkennen lassen.
Nach den Angaben Herbich’s liegen diese lichten Mergelschiefer
unmittelbar über den hellen Tithonkalken und werden von sandigen,
versteinerungsleeren Conglomeraten überlagert. Sie lassen wahrscheinlich
eine nähere Gliederung zu; man findet an der Basis nach Herbich
weisse, hornstein- und kieselreiche, Spongien führende, diekschichtige
Kalke, über welchen lichtgelblicehgraue, dichte, brüchige Mergel in ab-
wechselnd dieckeren und dünneren Schichten ein höheres Niveau ein-
nehmen, während noch höher dunkelgraue, etwas sandige Mergel, die
zuweilen verkohlte Pflanzenreste führen, erscheinen. Alle diese Schichten
sind reich an Cephalopoden, das Material wurde jedoch ohne Rücksicht-
nahme auf diese Schichtgruppen gesammelt. An den Stücken selbst
sind keinerlei petrographische Verschiedenheiten erkennbar.
Die von Herbich beschriebene Fauna blieb nach dem Erscheinen
der bezüglichen Arbeit nicht unbeachtet. Es haben E. Haug und
namentlich Prof. W. Kilian einzelne der Herbich’schen Abbildungen
zu deuten gesucht. Haug!) berücksichtigt die rumänische Fauna nur
insoweit, als sie mit dem Gardenazzaneocom gemeinsame Arten ent-
hält, und zwar Phylloceras infundibulum (— Acanthoceras angulicostatum
Herb.), Desmoceras difficile (— Haploc. cassida Herb.), Toxoceras Mou-
ton! (= Orioc. Duvalianum Herb.).
Kilian?) erblickt im Neocom des Vale Muierii eine Vertretung
des Hauteriviens und namentlich des Barr&miens und glaubt folgende
Formen zu erkennen:
Belemnites dilatatus,
Nautilus neocomiensis,
Phylloceras Thetys,
Phylloceras infundibulum,
Haploceras Grasi,
Desmoceras cassida (= Haploc. Parandieri Herb.),
» cassidoides (— Hapl. muierense Herb.),
n diffieile (= H. cassida Herb.),
Pulchellia Didayıi,
Holcostephanus Astiert,
1) Beitrag zur Kenntniss der oberneocomen Ammonitenfauna ete. Beiträge zur
Paläontologie Oesterreich-Ungarns ete. von Mojsisovies und Neumayr. Bd. VI,
3. Heft.
2) Dagincourt, Annuaire göologique universel. Paris 1884, IV, pag. 250.
Jahrbuch der k. k. geol. Reichsanstalt. 1891. 41. Band. 2. Heft. (Dr. V. Uhlig.) 29
ID
08
S
Dr. Vietor Uhlig. [4]
Holcodiscus sp.,
Örioceras cf. Duvalı,
Toxoceras obliguatum.
Die Durchsicht des gesammten Materiales, welches die Grund-
lage der Herbich’schen Arbeit bildete, hat die Deutungen Kilian’s
grösstentheils bestätigt. Es können nunmehr folgende Arten als ver-
treten betrachtet werden:
Belemnites dilatatus Bl.
A sp. ind.
Nautilus neocomiensis Orb.
Phylloceras infundibulum Orb.
> ladinum Uhl.
he Tethys Orb.
= sp. ind.
ei semisulcatum Orb. (?)
Lytoceras subfimbriatum Orb.
° cf. densifimbriatum Uhl.
je anisoptychum ÜURl.
e: Phestus Math.
ei crebrisulcatum Uhl.
Hamulina sp. ind.
. sp. ind.
Haploceras Grasi Orb.
Desmoceras diffieile Orb.
& cassidoides Uhl.
5 sp. aff. cassida (Rasp.) Orb.
ji Oharrierianum Orb.
Silesites Seranonis Orb.
r- vulpes (og.
Hoplites af. angulicostatus Orb.
h cf. pexiptychus Uhl.
3 sp. ind.
r romanus Herbich sp.
Holcodiscus incertus Orb.
r Gastaldinus Orb.
Pulchellia Didayi Orb.
Orioceras cf. Duvali Lev.
Heteroceras obliquatum Orb. sp.
5 sp. (Moutoni Orb.?)
* sp. ind.
Hieraus ergiebt sich zunächst, dass wir es hier mit einer reinen
Neocomfaunavon echt mediterranem Typus zu thun haben. Die
mittel- und obereretacischen Formen, die Herbich namhaft macht,
beruhen durchaus auf irrigen Bestimmungen.
Von den neuen Arten Herbich’s konnte nur eine, H. romanus,
vorläufig aufrecht erhalten werden und auch diese Art gehört einer wohl-
bekannten, weitverbreiteten Gruppe, der des H. eryptoceras Orb. an, 80
dass dieses Vorkommen einen neuen Beweis für die bemerkenswerthe Ein-
[5] Ueber F. Herbich’s Neocomfauna aus d. Quellgebiete d. Dimbovicioara ete. 929]
förmigkeit und Uebereinstimmung der neocomen Cephalopodenfauna im
ganzen alpin-karpathischen Gebiete abgiebt.
Weitaus am häufigsten sind Desmoceras difficile Orb. und Desmo-
ceras cassidoides Uhl., Formen, welche zu den verbreitetsten und leitendsten
Vorkommnissen der Barr&@mestufe gehören. Hieran schliesst sich eine
Anzahl anderer Arten, welche ebenfalls besonders oder ausschliesslich
für diese Stufe bezeiehnend sind, so Desmoceras Charrierianum, Sile-
sites Seranonis, Sil. vulpes, Holcodiscus Gastaldinus, Pulchellia Didayı,
Heteroceras obliquatum, Heteroceras sp. (Moutonianum?), Hamulina sp.
ind., Phylloceras ladinum, Lytoceras anisoptychum, Lyt. Phestus.
Wenn auch diese letzteren Arten mit Ausnahme des Phylloe.
ladinum nur durch wenige Exemplare vertreten sind, kann doch bei
dem Vorhandensein so zahlreicher, für die Barr&mefauna charakte-
ristischer Formen kein Zweifel obwalten, dass hier die Zone des Am.
recticostatus und des Macroscaphites Yvani in der "That vertreten ist,
wenn auch gerade diejenigen Formen fehlen, nach welchen dieses
Niveau gewöhnlich benannt wird. Es wird genügen, wenn ich hervor-
hebe, dass die genannten Arten sowohl aus dem südfranzösischen
Barr@mien, wie aus dem Barr&mien des Gardenazzastockes und den
Wernsdorfer Schichten bekannt sind, und zwar in allen diesen typische-
sten Ablagerungen der betreffenden Stufe mit wenigen Ausnahmen
gemeinsam vorkommen und daher zu den verbreitetsten und gewöhn-
lichsten Erscheinungen dieser Stufe gehören.
Es scheint speciell das Barr&mien des Gardenazzastockes zu sein,
welches mit dem rumänischen die meiste Analogie besitzt. Hier, wie
dort sind drei Arten besonders häufig, und zwar Desmoceras diffieıle
Orb., Desmoceras cassidoides Uhl. und Phylloceras ladinum Uhl. Davon
ist eine Art, Phylloceras ladinum, bis jetzt mit Sicherheit nur aus diesen
beiden Ablagerungen nachgewiesen worden.
Gewisse, sonst sehr bezeichnende Typen fehlen im Barr@mien des
Vale Muierii vollständig, wie CÜostidiscus recticostatus, Macroscaphites
Yvani, die zahlreichen Örzoceren und Ancyloceren, die Gattungen Acan-
thoceras, Pictetia ete. Etwas Aehnliches hat man in geringerem Grade
auch bei der Barr&mienfauna der Puezalpe hervorgehoben. Sicher neue
Arten enthält die rumänische Barr&mienfauna, soweit sie gegenwärtig
vorliegt, nicht, nur eine der mangelhaft erhaltenen kleinen Hamulinen
wird sich vielleicht als neu herausstellen.
So unzweifelhaft sich aus dem Vorhergehenden die Vertretung der
Zone des Macroscaphites Yvani oder der Barr@mefauna ergiebt, so ist
es ebenso sicher, dass einige andere, aber weniger zahlreiche und weniger
häufige Formen für das Vorhandensein mindestens eine s tieferen Neocom-
horizontes sprechen. Es sind dies die folgenden Arten:
Belemnites dilatatus Bl.
Haploceras Grasi Orb.
Hoplites cf. pexiptychus Uhl.
E: romanus Herb.
Holcodiscus incertus Orb.
Orioceras cf. Duvali Lev.
Phylloceras semisulcatum Orb. (2)
29*
292 Dr. Victor Uhlig. [6]
Haploceras Grasi ist eine weit verbreitete, gemeine Form, die in
allen Horizonten von der Berriaszone bis in das Mittelneocom (Haute-
rivien) heimisch ist, dagegen noch niemals im Barr&mien oder in
jüngeren Schichten gefunden wurde.
Belemnites dilatatus, Holcodiscus incertus und Ürtioceras Duvali
haben ihr Hauptlager im echten Mittelneocom, im Hauterivien oder
der Zone des Crioceras Duvali. Man findet wohl vereinzelte Angaben
eines tieferen Auftretens der beiden ersteren Arten, allein völlig sicher-
gestellt ist deren Vorkommen namentlich im Hauterivien. Dies gilt be-
sonders von Ürioceras Duvali. Wenn auch die Form aus dem rumä-
nischen Neocom mit dem Typus dieser Art nicht völlig übereinstimmt,
so ist dies speciell für die Altersbestimmung kaum massgebend, da dem
Orioceras Duvali auch nur ähnliche Arten in älteren Bildungen, wie
Hauterivien, nicht bekannt und wohl auch nicht zu erwarten sind.
Das Lager des Hoplites pexiptychus, der von mir ursprünglich
aus den „Rossfeldschiehten“ beschrieben wurde, ist in letzterer Zeit
namentlich von Kilian genauer festgestellt worden. Nach Prof. Kilian
gehört diese Art im Luregebiete (Südfrankreich) zu den leitenden Ver-
steinerungen der Schichten mit Am. neocomiensis und Belemnites Eme-
riei (1. e. pag. 197), welche auf den Berriasschiehten aufruhen und vom
Mittelneocom mit Ürioceras Duvali noch durch den Horizont mit Am.
‚Jeannoti getrennt sind. G. Buchauer!) hat dieselbe Art im Atmoos-
graben bei Niederndorf in Schichten nachgewiesen, welche zwar über
den Berriasschiehten liegen, aber doch älter sein dürften, wie Mittel-
neocom. Ganz ähnliche Formen kommen auch im oberen Teschener
Schiefer Schlesiens vor, der nach meinen bisherigen Studien sicher dem
tieferen Neocom angehört.
Phylloceras semisulcatum ist ebenfalls vorwiegend aus dem tieferen
Neocom bekannt.
Hoplites romanus ist eine Form, deren nächste Verwandte sowohl
im Mittelneocom, wie etwas tiefer vorkommen.
Wir müssen demnach neben dem Barr&mien ohne Zweifel auch
das Hauterivien für vertreten annehmen, das Vorkommen von Ürioceras
cf. Dwvali, Belemnites dilatatus und Holcodiscus incertus genügen voll-
ständig zum Nachweise dieser Stufe.
Etwas weniger sicher erscheint die Vertretung eines noch tieferen
Neocomhorizontes. Hoplites pexiptychus und Phylloceras semisulcatum
sprechen zwar sehr für eine solche Annahme, allein es sind leider die
betreffenden Stücke so mangelhaft erhalten, dass die Bestimmung keine
vollständig befriedigende sein kann. Trotzdem darf man es wohl als
wahrscheinlich bezeichnen, dass auch ein tieferer Neocomhorizont im
Vale Muierii vorhanden ist.
Nach allen bisherigen Erfahrungen wird man annehmen müssen,
dass die den nachgewiesenen Horizonten entsprechenden Versteinerungen
in der Natur gesonderte Lager besitzen. Ob aber dieselben mit den
von Herbich unterschiedenen Schiehtgruppen zusammenfallen , liesse
sich natürlich nur durch neue Aufsammlungen an Ort und Stelle nach-
weisen. .
1) Jahrb. d, k. k. geol. Reichsanstalt. 1887, XXXVII, pag. 64.
[7] Ueber F. Herbich’s Neocomfauna aus d. Quellgebiete d. Dimbovicioara et. 9923
Beschreibung der Arten.
Die paläontologische Ausbeute des vorliegenden Materials ist eine
sehr dürftige. Da die meisten Arten altbekannt und anderwärts mehrfach
gut abgebildet sind, erscheint eine nochmalige Darstellung der meist
schlecht erhaltenen Stücke überflüssig. Die einzigen Exemplare, die
neben Hoplites romanus Herb. sp. einer Abbildung werth wären, sind die
beiden grossen Heteroceras -Arten. Gerade diese letzteren sind bei
Herbich kenntlich gezeichnet, so dass von einer Wiederholung der
Abbildung Umgang genommen werden konnte. FH. romanus ist leider
fragmentär erhalten und die Selbstständigkeit dieser Art nicht ganz
sichergestellt, so dass auch bei dieser Art eine Abbildung unterbleiben
durfte.
Bei der Bestimmung der einzelnen Arten beziehe ich mich auf
jene Fassung, die in den folgenden Werken vorgenommen erscheint:
V. Uhlig, Cephalopodenfauna der Wernsdorfer Schichten. Denkschr.
d. kais. Akademie. 1883, 46 Bd.; V. Uhlig, Ueber neocome Fossilien
vom Gardenazza in Südtirol. Jahrb. d.k. k. geol. Reichsanstalt. XXXVII Bd.;
Kilian, Description geologique de la Montagne de Lure. Annales geol.
Paris 13889; W. Kilian, Sur quelques fossiles du Cretaee inferieur de
la Provence. Bull. Soc. geol. France., 3. ser., tom. XVI, pag. 663;
E. Haug, Beitrag zur Kenntniss der oberneocomen Ammonitenfauna
der Puezalpe bei Corvara. Mojsisovies und Neumayr's Beiträge.
VI. Bd., 3. Heft, pag: 193.
Die speeiellen Citate bei den einzelnen Arten wurden der Kürze
halber weggelassen. Da, wo auf andere, als die angegebenen Werke
Bezug genommen wurde, wurden dieselben selbstverständlich angeführt.
Belemnites dilatatus Blainv.
Ein typisches, von Herbich richtig bestimmtes und kenntlich
abgebildetes Exemplar (Taf. I, Fig. 3—7).!)
Belemnites sp. ind.
Nieht sicher bestimmbares Fragment, von Herbich als Bel.
polygonalis Bl. gedeutet.
Nautilus neocomiensis Orb.
Herbich hat ein Exemplar als Nautilus neocomiensis bestimmt
(Taf. I, Fig. 1, 2, pag. 11), welches in der That zu dieser Art zu
stellen sein dürfte. Die Rippen zeigen denselben Verlauf und dieselbe
Anordnung, wie bei der Art Orbigny’s, nur tritt an einzelnen Stellen
eine Rippenspaltung, wie bei Nautilus bifurcatus Oost. ein, während
Orbigny seiner Art durchaus einfache, ungespaltene Rippen zuschreibt.
Da jedoch die Form des Quersehnittes recht gut übereinstimmt und
man wohl annehmen kann, dass Orbigny’s Zeichnung etwas schema-
tisirt sein dürfte, empfiehlt es sich, die Identification mit Nautilus neo-
!) Dieser, sowie alle übrigen Hinweise beziehen sich auf die deutsche Ausgabe
der Herbich’schen Arbeit,
224 Dr. Victor Uhlig. [8]
comtiensis aufzunehmen. Das betreffende Exemplar ist verdrückt, die
Abbildung verfehlt.
Phylloceras infundibulum Orb. sp.
Aus dem veränderlichen Formenkreise des Phylloceras infundibulum
liegen 15 meist kleine Exemplare vor, von denen vier dem Phylloceras
infundibulum in der engeren Fassung angehören. Die grössere Mehrzahl
repräsentirt die von mir Phylloceras ladıinum genannte Form; bei einer
Anzahl kleinerer, schlecht erhaltener Stücke lässt sich die Zugehörigkeit
zu der einen oder anderen Form überhaupt nicht mit Sicherheit feststellen.
Herbich hat nur zwei Exemplare richtig bestimmt (Taf. XII,
Fig. 6, 7). Das grösste, leider verzogene und unvollständige Stück
betrachtete Herbich als Acanthoceras angulicostatum (Taf. XI, Fig. 2,
pag. 30), wie schon Haug richtig erkannt hat.
Phylloceras ladinum Uhl.
Im Neocom des Gardenazzastockes kommt eine mit Phylloceras
infundibulum sehr nahe verwandte Form vor, welche sich von der ge-
nannten Art dadurch unterscheidet, dass einzelne Schaltrippen auf der
Externseite hoch kammförmig anschwellen, während die Hauptrippen
eher abgeschwächt erscheinen. Auf den inneren Umgängen ist die
Abschwächung der Hauptrippen auf der Externseite besonders auffallend
und unvermittelt, und es schalten sich zahlreiche, oft gespaltene, schwache
Seeundärrippen ein, von denen wieder einzelne stark verdickt erscheinen.
Wenngleich diese Form Uebergänge zum echten Phylloceras infundi-
bulum zeigt, glaube ich doch den ertheilten Namen dafür aufrechterhalten
zu sollen. Jedenfalls wird in diesem Falle, wie in so vielen anderen,
die Kenntniss der Formen mehr gewinnen, wenn wir derartige Typen
unter besonderen Namen festhalten, als wenn wir sie in weiten Arten
aufgehen lassen. Die von E. Haug!) ausgesprochenen Zweifel an der
Berechtigung des Phylloceras ladinum erscheinen mir daher nieht ge-
nügend begründet.
Da die Exemplare aus dem Vale Muierii grösstentheils ziemlich
klein sind, haben wir fast ausnahmslos diejenige Form vor uns, bei
welcher die Hauptrippen plötzlich verschwinden und auf der Aussen-
seite zahlreiche schwache, oft gespaltene, dicht nebeneinander liegende
Schaltrippen zur Entwicklung kommen. Sie stimmen mit der von mir
gegebenen Abbildung eines Exemplares vom Gardenazza vollständig
überein. An mehreren Exemplaren sieht man die kammförmige Verdiekung
einzelner Schaltrippen auf der Externseite sehr deutlich. Bei einzelnen
Exemplaren tritt die Rippenspaltung schon in der Mitte der Flanken
auf, und es ist gleichzeitig die Zahl der Schaltrippen kleiner, die
letzteren selbst etwas stärker. Eine solche Form hat Herbich als
Scaphites apertus (Taf. XIII, Fig. 11, 12) abgebildet. Es existiren jedoch
Uebergänge von dieser Form zu den erstbeschriebenen, bei welchen auf
der Externseite sahlreiche streifige, gespaltene Schaltrippen auftreten.
Von Herbich’s Arten gehören ausser dem schon genannten
Scaphites apertus folgende hieher: Scaphites Meriani (Taf. XIII, Fig. 5
1) 1. ce. pag. 196,
[9] Ueber F. Herbich’s Neocomfauna aus d. Quellgebiete d. Dimbovicioara ete, 995
bis 10, pag. 40), Zhylloceras nodatocostatum (Taf. XV, Fig. 1, pag. 16),
Scaphites aequalis (Taf. XV, Fig. 6, 7, pag. 41), Olcostephanus Jeannoti
Taf. XV, Fig. 2, pag. 34), Orioceras pulcherrimum (Taf. XV, Fig. 3 und 5)
und Hoplites Castellanensis (pag. 29). Den beiden ersten Arten schrieb
Herbich Knoten am äusseren Rippenende zu, welche auf irrthümlicher
Beobachtung beruhen. Offenbar war es das ziemlich plötzliche Erlöschen
der Hauptrippen in der Nähe der Aussenseite, was auf Herbich den
Eindruck von Knoten gemacht hat.
Phylloceras Tethys Orb. sp.
Diese weitverbreitete, häufige Art liegt mir in 7 Exemplaren vor.
Eines hat Herbich ganz richtig als Phylloceras semistriatum Orb. (syn.
Tethys Orb.) bestimmt (Taf. VI, Fig. 3, 5), zwei andere bezeichnete er
als Phylloceras Velledae Orb. (pag. 14) und ein ferneres Stück endlich
wurde von ihm als neue Art aufgefasst und mit dem Namen Phylloceras
Gregorianum belegt (Taf. V, Fig. 1, 2). Es ist kein Grund vorhanden,
hier an Phylloceras Velledae aus dem Gault zu denken, da die vor-
handenen Exemplare ebenso gut mit Phylloceras Tethys übereinstimmen. ')
Phylloceras Gregorianum soll nach Herbich durch zwei Einschnürungen
gekennzeichnet sein, welche jedoch auf dem Stücke in Wirklichkeit
nicht existiren. Herbich liesssich durch den Erhaltungszustand täuschen.
Da auch sonst keinerlei Unterschiede gegen Phylloceras Tethys auf-
findbar sind, hat diese Art zu entfallen.
Endlich gehören noch hieher Herbich’s Phylloceras Terverii
Orb. (Taf. VI, Fig. 7) und sein Phylloceras Morelianum.
Phylloceras sp. indet.
Unbestimmbares Bruchstück einer Art aus der Formenreihe des
Phylloceras heterophyllum, welches ausser der feinen Sichelstreifung noch
zahlreiche flache, gegen die Externseite erlöschende Falten trägt und
dadurch an Phylloceras plicatum Neum. und Phylloceras Kudernatschi
Hau. genähert erscheint. Wahrscheinlich ist es dieselbe Form, welche
auch im Neocom des Gardenazzaplateaus vorkommt (Jahrb. d. k.k.
geol. Reichsanstalt. 1888, XXXVII. Bd., pag. 82).
Herbich hat das betreffende Stück irrthümlich als Olcostephanus
Astierianus bestimmt.
Phylloceras semisulcatum Orb. (?)
Ein mangelhaft erhaltenes Exemplar, welches nur die Wülste der
Externseite gut erkennen, die Furchenrosette der Nabelgegend dagegen
vermissen lässt. Wahrscheinlich ist dies nur eine Folge des schlechten
Erhaltungszustandes. Da dies jedoch nicht zweifellos festgestellt erscheint,
kann die Vertretung der genannten Art nicht bedingungslos angenommen
werden. Herbich stellte das Exemplar zu Phylloceras Calypso, das
Exemplar, welches er jedoch als Phylloceras Calypso abbilden liess, ist
nicht das besprochene, sondern ein Desmoceras Charrierianum Orb.
1) Ueber Phylloceras Velledae fehlen vorläufig noch eingehendere Untersuchungen ;
wahrscheinlich ist diese Art mit Phylloceras Tethys identisch (vergl. Kilian, l. c.
pag. 226).
996 Dr. Victor Uhlig h [10]
Lytoceras subfimbriatum Orb. sp.
Zwei Bruchstücke, die auch Herbiceh unter diesem Namen ver-
standen hat, lassen sich zwanglos mit dieser altbekannten und weit
verbreiteten Art identifieiren.
Lytoceras cf, densifimbriatum Uhl.
Ich rechne hieher jenes Bruchstück, welches Herbich (Taf. IX,
Fig. 2, 3, 4, pag. 26) als Zytoceras subfimbriatum abbilden liess. Der
hochelliptische Querschnitt schliesst jedoch die Zugehörigkeit zu dieser
Art aus, ebenso die sehr dichte Streifung. Dieselben Merkmale nähern
dagegen das genannte Vorkommen an Lytoceras puezanum Haug und
noch mehr an Zytoceras densifimbriatum Uhlig (Wernsdorfer Sch. Taf. VI,
pag. 191) aus dem Neocom von St. Auban (Var) und von der Veveyse
bei Freiburg. Eine sichere Fixirung der Art ist bei der Mangelhaftigkeit
des vorliegenden Stückes unmöglich.
Lytoceras anisoptychum Uhl.
Es liegt wohl nur ein kleines Bruchstück dieser Art vor, aber
dasselbe genügt, um die Vertretung derselben mit Sicherheit annehmen
zu können. Herbich hat dasselbe als Zytoceras inaequalicostatum Orb.
(Taf. XI, Fig. 1, pag. 25) abgebildet.
Lytoceras Phestus Math. sp.
Ein kleines Bruchstück, welches Herbich als ZLytoceras recti-
costatum aufgefasst hat (Taf. XI, Fig. 2), ist wohl mit Bestimmtheit
hier einzureihen. Herbich bildet ausserdem zwei andere Exemplare
als Zytoceras recticostatum ab, von denen das eine (Taf. XI, Fig. 3)
einem specifisch nicht sicher bestimmbaren, am ehesten mit Zytoceras
antsoptychum verwandten Fimbriaten angehört, während das andere
(Taf. XI, Fig. 1) ganz unbestimmbar ist. Es ist nicht gerade ausge-
schlossen , dass dieses Bruchstück von einem Costidiscus herrührt, es
könnte aber auch etwas ganz anderes sein.
Lytoceras crebrisulcatum Uhl.
Ein Exemplar , welches von Herbich als Zytoceras quadrisul-
catum Orb. (Taf. XI, Fig. 8, pag. 24) aufgefasst wurde, stimmt recht
gut mit der angezogenen, dem ZLytoceras quadrisulcatum übrigens
ziemlich nahestehenden Art überein.
Haploceras Grasi Orb. sp.
Herbich giebt an (pag. 17), dass sich diese Art im Neocom von
Vale Muierii ziemlich häufig vorfindet, mir liegen jedoch nur zwei
Exemplare vor, welche zur Artbestimmung eben noch ausreichen.
Desmoceras difficile Orb. sp.
Liegt in mindestens 26 Exemplaren vor und ist daher weitaus
die häufigste Art der zu beschreibenden Fauna. Neben Exemplaren,
| 11 | Ueber F. Herbich’s Neocomfauna aus d. Quellgebiete d. Dimbovicioara ete., 997
welche mit Orbigny’s Abbildung vollständig übereinstimmen, kommen
auch solche vor, welche einen etwas weiteren Nabel und niedrigere
und etwas diekere Umgänge aufweisen. L&enhardt und Kilian!)
haben gezeigt, dass dies auch bei dem südfranzösischen typischen Vor-
kommen der Fall ist, und haben hervorgehoben, dass sich diese Ver-
änderungen in der Gestalt und Einrollung des Gehäuses namentlich
im höheren Alter vollziehen.
Auch hiefür bietet das mir vorliegende Material neue Belege. Man
kann also die Uebereinstimmung wirklich eine allseitige nennen.
Herbich hat die Exemplare, welche man hier einreihen muss,
zum Theil richtig als Haploceras difficile (Taf. VI, Fig.1, 2), zum
Theil als Haploceras cassida bestimmt (Taf. III und Taf. IV, Fig. 2, 3
[non Fig. 1]. Das auf Taf. III abgebildete Exemplar stellt das ausge-
wachsene Stadium dieser Art vor. Der vorderste Theil des Gehäuses
gehört bereits der Wohnkammer an. Leider ist das Stück doch etwas
mangelhaft erhalten, es würde sich sonst empfehlen, eine nochmalige,
bessere Abbildung davon zu geben, da das Altersstadium dieser Art
noch nicht bildlich dargestellt wurde. Die Lobenlinie entspricht dem
Gruppentypus. Herbich hat dieselbe auf dem Originalstücke ziemlich
gut eingezeichnet, nur hat er zwei aufeinander folgende zweite Lateral-
loben zusammengezogen. Hiedurch erklärt sich die ganz abnorme Länge
des zweiten Seitenlobus in der Abbildung, die übrigens viel schlechter,
als die Zeichnung auf dem Stücke und ganz unbrauchbar ist. Das auf
Taf. IV, Fig. 2, 3 abgebildete Exemplar zeigt eine etwas auffallende
Dicke, die aber mindestens zum Theil sicher nur eine Folge von Ver-
drückung ist. Die Abbildungen Taf. VI, Fig. 1, 2 gehören zu den
besseren, nur die Nabelkante, die auf den Stücken sehr deutlich her-
vortritt, ist fast gar nicht markirt.
Die Zugehörigkeit des Haploceras cassida Herbich zu Desmoceras
difficile wurde bereits von Kilian und Haug vermuthet.
Das von Herbich auf Taf. XV, Fig. 11 unter dem Namen
Scaphites apertus Herbich abgebildete Exemplar gehört wohl sicher
hieher. Das Exemplar ist stark verzogen, wodurch sich Herbich
täuschen liess.
Ein Theil von dem, was Herbich als Haploceras nisus Orb.
bezeichnet hat, gehört ebenfalls hierher.
Desmoceras cassidoides Uhl.
Seltener als die vorhergehende, aber doch durch einige Exemplare
vertreten ist eine Art, welche sich durch weiteren Nabel und niedrigere
Umgänge von Desmoceras difficile unterscheidet und daher zu Desmo-
ceras cassidoides zu stellen ist. Das besterhaltene Exemplar ist jenes,
welches Herbich unter der Bezeichnung Haploceras muierense zum
Typus einer neuen Art erhoben und auf Taf. V, Fig. 3, 4 abgebildet
hat. Obwohl die Abbildung sehr viel zu wünschen übrig lässt, konnte
Kilian doch die Zugehörigkeit zu Desmoceras cassidoides Uhl. aus
derselben erschliessen. Das betreffende Exemplar scheint ein wenig
comprimirt. Der Nabel erweitert sich mit zunehmendem Alter ziemlich
1) Montg. de Lure, pag. 229.
Jahrbuch der k. k. geol. Reichsanstalt. 1891. 41. Band. 2. Heft. (Dr. V. Uhlig.) 30
398 Dr. Vietor Uhlig. [12
=
beträchtlich, wie man aus der Marke ersehen kann, die der letzte Um-
gang zurückgelassen hat. Die Scheidewandlinie ist nur in den gröbsten
Zügen erkennbar, sie wurde von Herbich unrichtig dargestellt, da
derselbe beim ersten Hilfs- und beim zweiten Seitenlobus die Linien
zweier Scheidewände zusammengezogen und daher doppeltlange Loben
erhalten hat.
Ein zweites, von Herbich als Haploceras cassıida (Taf. IV, Fig. 1)
abgebildetes Exemplar glaube ich ebenfalls hierher stellen zu sollen. Es
ist zwar nur ein Stück Wohnkammer und ein Stück des gekammerten
Theiles erhalten, allein die Bestimmung lässt sich doch mit ziemlicher
Sicherheit durchführen. Die Lobenlinie ist schlecht erhalten, die Zeichnung
derselben bei Herbich nicht brauchbar. Die Körper der Loben scheinen
etwas breiter zu sein, wie bei Desmoceras diffieile.
Ausser diesen Exemplaren rechne ich noch einige kleinere Stücke
und auch zwei sehr grosse Fragmente zu dieser Art. Bezüglich der
letzteren bin ich deshalb nieht ganz sicher, weil sie keine deutliche Nabel-
kante erkennen lassen. Möglicher Weise hängt dies aber nur von dem
schlechten Erhaltungszustande ab.
In einer Beziehung scheint das rumänische Vorkommen von dem
französischen und dem Südtiroler (Puezalpe)abzuweichen. Die Exemplare
zeigen eine geringere Dicke und scheinen sich daher mehr an Desmo-
ceras difficile anzunähern, als dies für den Typus dieser Art gilt. Es
ist dies vermuthlich nur eine Folge des Erhaltungszustandes, musste aber,
da nicht zweifellos feststellbar, doch hervorgehoben werden.
Desmoceras sp., aff. cassida (Rasp.) Orb.
Herbich bringt unter der Bezeichnung Haploceras Parandieri
Orb. (Taf. I, Fig. 1, 2) eine Form zur Abbildung, welche ohne Zweifel
nicht zu dieser Art, sondern in die Verwandtschaft von Desmoceras
diffieile Orb., cassıda (Rasp.) Orb. und cassidordes Uhl. gehört, aber
doch mit keiner bisher bekannten Art direet zu identifieiren ist. Der
schlechte Erhaltungszustand des Exemplares macht es leider unmöglich,
dasselbe eingehender zu berücksichtigen, man muss sich darauf be-
schränken, es bis auf die nächstverwandte Art zu bestimmen.
Kilian hat nach Herbich’s Abbildung die Zugehörigkeit zu
Desmoceras cassida vermutbet, und auch ich möchte diese als die nächst-
stehende Art bezeichnen. Der verhältnissmässig breite Querschnitt, der
enge Nabel und die Sculptur sprechen dafür, das einzige Merkmal,
welches die directe Identification nicht gestattet, ist die ziemlich scharf
ausgesprochene Nabelkante. Die Abbildung, welche Quen stedt (Cepha-
lopoden. Taf. XX, Fig. 9) von Am. cassida giebt, lässt zwar auch eine
leichte Nabelkante erkennen, allein es ist noch nicht sichergestellt, ob
Quenstedts Am. cassıda mit dem von Raspail und Orbigny
identisch ist, und dann ist bei dem vorliegenden Stücke die Nabelkante
doch noch beträchtlich stärker entwickelt, als bei der Form Quen-
stedts. Unter diesen Umständen erscheint die Identifieirung mit Am.
cassida nicht annehmbar.
Der enge Nabel und die Nabelkante nähern die rumänische
Form in hohem Grade auch an Desmoceras difficile an, doch ist die
Dicke der Umgänge zu großs, als dass man sie an diese Art an-
[13] Ueber F. Herbich's Neocomfauna aus d. Quellgebiete d. Dimbovicioara ete, 2929
schliessen könnte. Mit Desmoceras cassidoides Uhl. hat das vorliegende
Stück die grössere Dicke und die Nabelkante gemeinsam, das entschei-
dende Merkmal für Desmoceras cassidoides, der weite Nabel, trifft aber
nicht zu und dies verhindert die Anreihung an diese Art. Die Seulptur ist
bei allen genannten Arten ziemlich übereinstimmend und fällt daher bei
der Unterscheidung weniger in’s Gewicht. Es zeigt sieh deutlich, dass
eine gründliche Revision der vorliegenden Formengruppe, namentlich
aber des Am. cassıida, sehr nothwendig wäre. Vielleicht wäre es dann
möglich, das rumänische Exemplar trotz der mangelhaften Erhaltung
genauer zu bestimmen.
Desmoceras Charrierianum Orb. sp.
Ein Exemplar, welches Herbich als Phylloceras Calypso Orb.
(Taf. VI, Fig. 6) abgebildet hat, dürfte wohl zu der genannten Art gehören.
Die Bestimmung ist zwar nicht unanfeehtbar, weil die Lobenlinie nicht
sichtbar und die Erhaltung im Allgemeinen ziemlich mangelhaft ist,
aber die Sceulptur- und Formverhältnisse sprechen dafür. Man darf daher
wohl vorderhand diese Art als vertreten annehmen.
‚Silesites Seranonis Orbig. sp.
Liegt in zwei kleinen Steinkernen vor, deren Erhaltungszustand
zwar etwas mangelhaft ist, aber doch die Erkennung der bezeichnenden
Merkmale gestattet. Das eigenthümliche Ansteigen der Nahtloben ist
bei dem grösseren Exemplare sehr gut zu beobachten. Bei Herbich
erscheint diese wichtige Barr@mespecies als Lytoceras striatosulcatum
(Taf. XI, Fig. 7, pag. 26). Ein drittes Exemplar, von Herbich als
Lytoceras Honnoratianum Orb. bestimmt (Taf. XI, Fig.5, pag. 27) ge-
gehört entweder hierher oder zu der folgenden Art.
Silesites vulpes Cog. sp.
Durch zwei gut bestimmbare Exemplare vertreten. Bei dem einen
sind von der Scheidewandlinie der Aussen- und der erste Seitenlobus
sichtbar, welche mit der Lobenlinie der Wernsdorfer Exemplare vor-
trefflich übereinstimmen. Herbich hat diese Art Perisphinctes petrae
regis nov. sp. genannt und hat ihr Knoten auf den Seiten der Umgänge
zugeschrieben, von denen in Wirklichkeit keine Spur vorhanden ist
(Taf. XII, Fig. 1—4, pag. 28).
Hoplites aff. angulicostatus Orb. sp.
Ein schlecht erhaltenes und nicht sicher bestimmbares Bruchstück,
welches jedenfalls jener Formengruppe angehört, die man gewöhnlich
mit dem angezogenen Namen verknüpft. Wie Kilian hervorhebt,
ist eine Revision des Hoplites angulicostatus zur Klarstellung der
darunter zusammengefassten Formen nothwendig. Hier ist man nicht
gezwungen, auf diese Frage näher einzugehen, da es sich nur um eine
Annäherungsbestimmnng handelt. “
30 *
930 Dr. Victor Uhlig. [14]
Hoplites aff. pexiptychus Uhl.
Zwei sehr schlecht erhaltene Bruchstücke gehören in die nächste
Verwandtschaft der angezogenen Art, unterscheiden sich aber durch
den Mangel der Knötchen und die Beschaffenheit der Externseite,, auf
welcher die Rippen nicht in so ausgesprochener Weise unterbrochen zu
sein scheinen, wie bei dem Typus der Art. Eine präcisere Bestimmung
ist nach dem vorliegenden Materiale nicht möglich.
W. Kilian!) hat den Hoplites pexiptychus Uhl. neuerlich sehr
eingehend beschrieben und gezeigt, dass Hoplites Roubaudi Orbig., eine
alte, im Prodröme, II, pag. 64, ungenügend gekennzeichnete Art, damit
identisch ist.
Herbich beschrieb die vorliegenden Exemplare unter dem Namen
Hoplites eryptoceras Orb. (Taf. X, Fig. 5, 4).
Hoplites sp.
Ein Bruchstück eines ungefähr 15 Millimeter hohen Umgangs,
welches möglicherweise mit der Gruppe des 4. Malbosi Pict. aus den
Berriasschichten in Verbindung steht. Eine gewisse Achnlichkeit ist
aber auch mit der Hilsspecies Hoplites curvinodus Phill. vorhanden.
Hoplites romanus Herb. sp.
Unter dem Namen Acanthoceras romanum n. sp. hat Herbich
ein Exemplar beschrieben (Taf. X, Fig. 1, 2, pag. 32), welches offenbar
zur Gruppe des Hoplites eryptoceras gehört. Die Berippung. ist im
Allgemeinen dieselbe, wie bei der ganzen Gruppe, eine specielle Be-
schreibung erscheint daher wohl überflüssig. Die Seiten sind abgeflacht,
die Externseite ziemlich flach, nur wenig gewölbt. Leider ist das
Exemplar ein wenig verdrückt und daher die natürliche Form nicht
sicher erkennbar. Die Externseite ist fast glatt, die Rippen setzen nur
ganz abgeschwächt über dieselbe hinweg, ähnlich wie bei Hoplites vicarius
Vacek und bei Steinkernen von Hoplites amblygonius Neum. und Uhl.?)
Nach der Seulptur steht die vorliegende Form der letztgenannten
norddeutschen Art am nächsten. Die Rippen zeigen dieselbe kräftige
Ausbildung und denselben Verlauf, und es theilen sich auch hier, wie
bei amblygonius, einzelne Rippen schon in der Nähe der Naht. Hopfites
oxygonius hat etwas stärker geschwungene Rippen und kommt daher
weniger in Betracht. Eine Identität mit der norddeutschen Art ist aber
ausgeschlossen, denn die letztere ist entschieden engnabeliger und hat
höhere, rascher anwachsende Umgänge.
Derselbe Unterschied trennt die rumänische Art von Hoplites
eryptoceras Orb. Diese altbekannte Art bedarf allerdings erst einer
umfassenden Revision , allein man versteht darunter doch stets rascher
anwachsende und etwas engnabeligere Formen, wie Hoplites romanus,
so dass eine Uebertragung des Namens nicht vollkommen gerechtfertigt
wäre. Hoplites vicarius Vac. hat eine im Allgemeinen sehr ähnliche
Berippung, aber engeren Nabel und einen mehr gerundeten Querschnitt.
1) Sur quelg. fossiles du Cretac& inferieur de la Provence. Bull. Soc. g60l. France.
3. ser., XVI, pl. XVII, Fig. 2, 3, pag. 679.
?) Die Erscheinung des sogenannten eingesenkten Kieles ist bei dieser Art nur
bei Schalenexemplaren deutlich zu sehen,
u
[15] Ueber F. Herbich’s Neocomfauna aus d. Quellgebiete d. Dimbovicioara ete 231
Da sich demnach Hoplites romanus von allen verwandten Arten
durch engeren Nabel und etwas niedrigere Umgänge unterscheidet,
scheint es gerathen, diese Form als eine selbstständige zu betrachten.
Zur Begründung einer neuen Art reicht nun das vorliegende Exemplar,
ein Bruchstück, bei dem das innere Gewinde fehlt, allerdings streng:
genommen nicht aus. Die Lobenlinie ist nicht bekannt, und es fehlt
jede Gewähr dafür, dass das innere Gewinde dieselbe Seulptur besitzt
wie der äussere Umgang. Nachdem aber der Herbich’sche Name
bereits besteht, scheint es wohl am passendsten, denselben beizubehalten.
Die endgiltige Feststellung dieser Art wird erst auf Grund neuen, voll-
ständigeren Materiales erfolgen können.
Holcodiscus incertus Orb. sp.
Verdrücktes, schlecht erhaltenes Exemplar, welches Herbich als
Lytoceras Stefanescuanum n. sp. (Taf. XI, Fig. 1, pag. 24) beschrieben
und abgebildet hat. Man wird kaum fehlgehen, wenn man dasselbe
als Holcodiscus incertus bestimmt.
Holcodiscus Gastaldinus Orb. sp.
Drei Exemplare, von denen zwei ziemlich gut erhalten sind,
lassen sich zwanglos an die angezogene Art anschliessen. Das eine
Exemplar zeigt einen etwas schmäleren Querschnitt. da es aber augen-
scheinlich etwas zusammengedrückt ist, so kann darin kein Hinderniss
für die Identification gelegen sein. Ein Exemplar zeigt etwas gröbere
und entfernter stehende Rippen und damit eine Annäherung an
Holeodiscus Caillaudianus Orb. Herbich hat zwei Exemplare dieser
Art zu Orioceras Villiersianum Orb. (Taf. XV, Fig. 8, 9, pag. 49), eines
zu ÜOrtoceras Emerici gestellt.
Pulchellia Didayi Orb. sp.
Ein kleines Exemplar, welches auf den ersten Blick mehr
Aehnlichkeit mit Pulchellia pulchella zu haben scheint. Die Beschaffenheit
der Externseite bedingt jedoch die Zustellung zu Pulchellia Didayı, so
dass die Bestimmung Herbich’s, der diese Art als Hoplites Didayi
anführt (Taf. XII, Fig. 5, pag. 31), bestätigt werden kann.
Crioceras cf. Duvali Lev.
Das Exemplar, welches Herbich unter diesem Namen beschreibt
und abbildet (Taf. XVI, Fig. 4, pag. 35), lässt sich in der That am
besten an Orzoceras Duvali anschliessen. Die Seulptur entspricht dem
alpinen, feinrippigen Typus dieser Art, das Anwachsen scheint jedoch
merklich rascher zu sein, so weit sich dies aus dem kleinen, zusammen-
gedrückten Stücke entnehmen lässt. Es ist daher nur eine Annäherungs-
bestimmung möglich.
Heteroceras obliquatum Orb. sp.
Die von Orbigny im Jahre 1847 begründete Gattung Heteroceras
wurde von den Paläontologen lange vernachlässigt; erst die ausgezeichneten
Untersuchungen W. Kilian’s haben über diesen merkwürdigen Formen-
kreis neues Licht verbreitet. Man vermag nunmehr die hierhergehörigen
932 Dr. Vietor Uhlig. [16]
Formen viel sicherer zu erkennen, wie früher und kann gewisse, meist
fragmentäre Vorkommnisse, die als Toxoceras oder Anisoceras u. S. W.
beschrieben wurden, mit Sicherheit dieser Gattung zuweisen, deren Ver-
breitungsgebiet damit zugleich eine bedeutende Erweiterung erfährt.
Aus dem Neocom des Vale Muierii liegen mindestens drei Arten
vor, die nur in Bruchstücken erhalten sind und gegenwärtig eine end-
giltige Bestimmung nicht zulassen. Die Abbildungen, welche Herbich
von diesen Stücken gegeben hat, sind glücklicher Weise besser aus-
gefallen, als die übrigen und geben einen ziemlich guten Begriff von
den betreffenden Formen. Das grösste Exemplar führt Herbich
(Taf. XIV, Fig. 1, 2, 3) unter demselben speeifischen Namen an, der
hier gewählt wurde. Es ist nur ein Theil des Schaftes erhalten, die
Spirale und der Haken fehlen. Die Seulptur und die Beschaffenheit des
Schaftes sind jedoch so bezeichnend, dass man an der Zugehörigkeit
zu Heteroceras nicht zweifeln kann.
Innerhalb dieser Gattung sind H. Astieri Orb. und H. obliquatum
Orb. sp. sicher als die nächststehenden Arten zu bezeichnen. Die erstere
Art!) hat sehr ähnliche, grobe Rippen, wie das rumänische Exemplar,
das Anwachsen ist jedoch ein merklich langsameres, so dass eine voll-
ständige Identität nicht wohl angenommen werden kann. Als noch
näher stehend muss man jene Form betrachten, welche Orbigny als
Toxoceras obliguatum beschrieben hat (Pal. fr. C&ph. eret. Taf. 120,
Fig. 1—4). Die grobe Berippung zeigt bei beiden Formen keinerlei
Unterschiede und auch die rasche Verjüngung gegen die Spira ist
gemeinsam. Der einzige Unterschied, den man namhaft machen könnte,
wäre der, dass das rumänische Exemplar um eine Spur stärker gekrümmt
ist, als das französische. Ueber die Bedenken, welche sich aus dieser
Abweichung und aus der Unkenntniss der Scheidewandlinie ergeben,
könnte man sich vielleicht hinwegsetzen und die Bestimmung als gesichert
hinnehmen, wenn die typische Form Orbigny's besser fixirt wäre.
Orbigny stand bei Begründung seines Toxoceras obliguatum nur der
Schaft zur Verfügung, und man kann heute mit grosser Wahrschein-
ichkeit vermuthen, dass das Exemplar zu Heteroceras gehört (vergl.
Kilian, 1. e.), aber eine nochmalige Untersuchung wäre, namentlich
wegen des auffallend schmalen Endes in der Abbildung, doch sehr
wünschenswerth. Unzweifelhaft zu Zeteroceras gehörig ist die von
Pietet?) als Anisoceras obliquatum beschriebene Art von Barr&me,
welche sich jedoch von Orbigny’s Toxoceras obliguatum durch lang-
sameres Anwachsen und etwas feinere Rippen unterscheidet und einer
besonderen Art angehören dürfte. Kilian hält es für möglich, dass
die Pietet’sche Form nur eine eigenthümliche Varietät von Heteroceras
Astieri Orb. darstellt.
So lange die älteren, französischen Arten noch nicht vollständig
geklärt sind, muss man wohl auf die definitive Bestimmung solcher
Fragmente, wie das vorliegende verzichten und es kann daher die
Bestimmung des Stückes als Heteroceras obliguatum nur als eine vor-
läufige betrachtet werden.
| Vergl. Orbigny im Journal de Conchyliologie. Bd. III, pag. 219, Taf. 4,
Fig. 1. — Kilian, Montg. de Lure, pag. 428.
?) Melanges paleont. I, pag. 24, Taf. I, Fig. 1.
1 7 Ueber F. Herbich’s Neocomfauna aus d. Quellgebiete d. Dimboviecioara etc. 233
Heteroceras sp.
Die zweite Heteroceras-Species aus dem Neocom des Vale Muierii
wurde von Herbich unter der Bezeichnung Orioceras Duvallanum
(Taf. XVI, Fig. 1—3) abgebildet. Leider ist von dieser wichtigen Art
nur ein zusammengedrücktes Bruchstück des Schaftes vorhanden.
Auch bei dieser Art sind die Rippen ziemlich grob, aber doch
etwas feiner, wie bei Heteroceras obliguatum, und das Anwachsen erfolgt
etwas langsamer. Man könnte daher an Heteroceras Astieri denken,
wenn nicht die Beschaffenheit der Externseite dies ausschliessen würde.
Die Rippen endigen nämlich an der Externseite, wie dies schon aus
Herbich’s Abbildung kenntlich ist, jederseits in einem ziemlich gut
markirten Knoten und sind in der Medianebene unterbrochen oder
mindestens deutlich abgeschwächt, ähnlich wie dies bei der im Uebrigen
specifisch verschiedenen Art Heteroceras Giraudi Kilian (Montagne de
Lure, pag. 435, Taf. III, Fig. 4—5) der Fall ist. Ausser dieser wurden
noch einige andere Arten mit unterbrochenen Rippen beschrieben. So
hat Haug eine Form aus dem Barr&mien der Puezalpe als Heteroceras sp.
indet. abgebildet und damit die von mir unter der Bezeichnung Anzso-
ceras n. sp. ind. beschriebene Form von derselben Localität identifieirt.
Die Studien über Zeteroceras, welche Kilian seit dem Erscheinen
meines Aufsatzes über das Neocom des Gardenazzaplateaus an vor-
trefflich erhaltenem, südfranzösischem Materiale gemacht hat, ermög-
lichen es allerdings, die von mir beschriebene Form als wahrscheinlich
zu Heteroceras gehörig zu betrachten. Die Identität dieser Form mit
der von Haug scheint mir aber nicht erwiesen. Das eine Exemplar
stellt ein Schaftfragment von circa 10 Centimeter Durchmesser, das andere
ein solches von nur 1 Centimeter Durchmesser vor. Da müssten denn
doch mittlere Stadien bekannt sein, bevor man sich zu der Annahme
- völliger Identität entschliessen könnte. Beide Arten sind noch zu fixiren,
und es ist daher nicht möglich zu sagen, in welchem Verhältniss das
vorliegende rumänische Exemplar zu denselben steht. Es ist jedoch
sehr unwahrscheinlich, dass eine sehr nalıe Verwandtschaft oder gar
Identität obwaltet. Ebensowenig ist an eine Identität mit Heteroceras
Giraudi Kil. zu denken. Diejenige Art, welche hier vielleicht am
meisten in Betracht zu ziehen wäre, nämlich Zoxoceras Moutoni Orb.,
ist leider auch nur ganz unvollständig, durch eine kurze Beschreibung
im Prodröme, II, bekannt. Haug!) eitirt diese Art aus dem Barr&mien
der Puezalpe, konnte aber leider keine Abbildung liefern. Er ver-
muthet, dass Toxoceras Moutoni Orb. zu Heteroceras gehört, spricht
sich aber nicht bestimmt darüber aus und macht es ferner wahr-
scheinlich, dass das Orzioceras Duvalianum Herbich’s nach der Ab-
bildung auf die genannte französische Art zu beziehen ist. Da nun
die fragliche Abbildung Alles, was an dem Stücke zu sehen ist, ziem-
lich gut wiedergiebt, so gewinnt die Haug’sche Vermuthung sehr an
Wahrscheinlichkeit, wenn auch bei dem Mangel einer näheren Beschrei-
bung des Toxoceras Moutonianum eine bestimmte Identification nicht
vorgenommen werden kann.
1) 1. ce. pag. 210.
934 Dr. Victor Uhlig. [18]
Wir stehen also hier einer Reihe von mangelhaft bekannten Vor-
kommnissen gegenüber, deren definitive Klärung der Zukunft anheim-
gestellt bleiben muss.
Heteroceras sp, ind.
/wei kleinere, schwach bogenförmig gekrümmte Fragmente, welche
der Seulptur und der äusseren Beschaffenheit des Gehäuses zufolge
wohl auch zur Gattung Heteroceras gehören dürften. Herbich hat
eines davon unter der Bezeichnung Orioceras (Toxoceras) annulare Orb.
abgebildet (Taf. XIV, Fig. 4 bis 6, pag. 38). Möglicher Weise vertritt
jedes Exemplar eine besondere Species. Eine nähere Bestimmung erscheint
bei der Mangelhaftigkeit des vorliegenden Materiales und der Lücken-
haftigkeit unserer einschlägigen Kenntnisse gegenwärtig undurehführbar.
Zum Schluse müssen noch einige Exemplare besprochen werden,
die zwar speeifisch nieht sicher bestimmbar, aber von Herbich mit
Namen belegt worden sind.
Haplocer as Belus (Herbich, Taf. VI, Fig. 4) ist ein jugendliches
Exemplar aus der Gruppe des Desmoceras difficdle und cassida. Sichere
Bestimmung unmöglich.
Haploceras Beudanti (Herbich, Taf. VII, Fig. 1, 2, 3). Ein
Bruchstück, das nach der Beschaffenheit der Lobenlinie nicht zu der
angezogenen Art, sondern in die Gruppe des Desmoceras difficile, wahr-
scheinlieh zu dieser Art selbst gehört. Die Seulptur ist nicht zu sehen,
sonst würde die Bestimmung keinerlei Schwierigkeit unterliegen. Die
Lobenlinie ist übrigens bei Herbich ganz unrichtig dargestellt, es
wurden zwei Linien in eine zusammengezogen. Haploceras Beudanti Brong.
ist jedenfalls aus der Liste der Fauna zu streichen.
Haploceras Nisus. Herbich stellte mehrere Exemplare hierher,
die zum Theil, vielleicht sämmtlich nichts anderes sind, als schlecht -
erhaltene, jugendliche Exemplare von Desmoceras diffieile.
Haploceras bicurvatum Herb. (Taf. VIII, Fig. 1, 2, pag. 23). Grosses
Wohnkammerfragment, von dem sich nur soviel mit Sicherheit sagen
lässt, dass es mit Haploceras bieurvatum nichts zu thun hat.
Hoplites Emilianus Herb. n. sp. (Taf. XII, Fig. 1). Wohnkammer-
fragment eines Desmoceras, das vermuthlich der Gruppe des Desmoceras
diffieile angehört. Vielleicht Desmoceras psilotatum Uhl. Nicht sicher
bestimmbar.
Orioceras Emerici (Herbich, Taf. XV, Fig. 10) ist ein unbestimm-
bares Fragment, welches möglicher Weise zu Orioceras Tabarelli Ast.
gehört, aber auch eine Hamulina sein könnte.
Turrilites elegans (Herbich, Taf. XVI, Fig. 7, pag. 44) ist eine
kleine Plicatula.
Turrilites Robertianus (Herbich, Taf. XVI, Fig. 5, 6, pag. 44)
ist ein Lytocerenbruchstück.
Baculites neocomiensis Herb. Fin nicht näher bestimmbares Bruch-
stück, welches wahrscheinlich zu Hamulina gehört und innerhalb dieser
Gattung etwa an Hamulina pazxillosa Uhl. anzuschliessen sein könnte,
Hamites attenuatus (Herbich, Taf. XIV, Fig. 7, 8). Aeusserst
feinrippige Form, die wohl zu Hamulina gehört; nicht näher bestimmbar.
Die Insel älteren Gebirges und ihre nächste
Umgebung im Elbthale nördlich von Tetschen.
Von J. E. Hibsch.
I. Allgemeines.
Die Elbe durchbricht zwischen Tetschen in Böhmen und Pirna in
Sachsen die ceretaceischen Quadersandsteinbänke in einem engen Fels-
thale, welches caüonartig in das Sandsteinplateau eingeschnitten ist.
Von einer Plateauhöhe, die auf böhmischem Gebiete 440 Meter über
dem Meeresspiegel erreicht, senkt sich die Thalschlucht zu 120 Meter
Meereshöhe. Der Elbeaüon besitzt sonach eine Tiefe von 300 bis 320
Meter, während seine Breite 500 bis 900 Meter misst. Die leicht zer-
störbaren Sandsteinmassen senken sich als verticale Felswände nicht
bis zum Spiegel des Flusses herab; ihr Fuss ist im Caüon von einer
gewaltigen Schutthalde verdeckt. Diese erhebt sich vom Wasserspiegel
250 Meter hoch, so dass von den Sandsteinbänken nur noch etwa 50
Meter als verticale Felswände aus der Schutthalde herausragen. Die
Halden, aus grossen Sandsteinblöcken und aus kleinerem Detritus bis
zum losen Sande bestehend, besitzen einen Neigungswinkel von 30 bis
40 Grad.
Die unterste Thalsohle, auf welcher sich heute die Wassermenge
des Flusses bewegt, besteht aus Alluvionen, die bis zu einer Mächtigkeit
von 9 bis 10 Meter auf dem felsigen Untergrunde aufgeschüttet sind.
Diese Angaben stützen sich namentlich auf die beim Bau der Brücke
der österreichischen Nordwestbahn über die Elbe bei Tetschen ge-
sammelten Beobachtungen. Diese Brücke überquert die Elbe knapp
hinter deren Eintritt in den Caüon. Sie ruht auf drei Pfeilern. Am
rechtsseitigen ist ein Pegel angebracht, dessen Nullpunkt in 113682 Meter
Meereshöhe gelegen ist. Der rechtsseitige Brückenpfeiler erreicht den
felsigen Untergrund 7°36 Meter unter dem Pegelnullpunkte, der’ links-
geitige schon bei 7'29 Meter, während der mittlere Brückenpfeiler vom
Jahrbuch der k.k. geol. Reichsanstalt. 1891. 41. Band. 2. Heft. (J. E. Hibsch) 3]
236 J. E. Hibsch. [2]
Er
Nullpunkte ab erst in 12'74 Meter Tiefe auf dem Felsgrunde fundirt
werden konnte. Da die mittlere Wassertiefe in der Nähe dieses Pfeilers
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2:5 bis 3 Meter, vom Nullpunkte an gerechnet, beträgt, so. bleibt für
die Mächtigkeit der alluvialen Aufschüttung der Maximalbetrag von 9 bis
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238 J. E. Hibsch. [4]
10 Meter.!) Es ist nicht anzunehmen, dass diese gewaltige Schottermasse
in ihrer Gesammtheit vom Wasser des Flusses heute bewegt werden
kann, zumal die Alluvionen an ihrer untersten Schicht aus grossen
Sandstein- und Basaltblöcken bis zu Cubikmeter Rauminhalt bestehen.
Eine weitere Vertiefung der Thalfurehe findet demnach heute nicht
mehr statt.
Die Schutthalden sind zum grössten Theile bewaldet, Wiesen- und
Ackerland nur spärlich zu finden. Deshalb mied auch der Verkehr
zwischen Sachsen und Böhmen in früheren Zeiten diesen unwirthlichen
„Grund“, er suchte Strassen auf, die über das Sandsteinplateau führten.
Erst die Eisenbahn und der ausserordentlich gesteigerte Verkehr auf
der Elbe erschlossen auch diesen Theil des Elbthales. Heute führt die
Weltverkehrslinie Wien-Berlin-Hamburg dureh diese Thalschlucht. Trotz-
dem entbehren die im Elbgrunde gelegenen Ortschaften Ober-, Mittel-
und Niedergrund noch immer eines verbindenden Fahrweges.
Während der Elbeaüon unmittelbar bei Tetschen blos von Quader-
sandstein, von älteren und jüngeren Diluvialgebilden und von Alluvionen
begrenzt wird, ist etwa anderthalb Kilometer nördlich vom genannten
Städtehen durch die Elbthalfurche ein eigenes Grundgebirge unter den
Sandsteinen der oberen Kreideformation angeschnitten. Dasselbe liegt
in der Verlängerung der Erzgebirgsachse; an seinem Aufbau betheiligen
sich jedoch weder die Gneissformation, noch die Glimmerschiefer- oder
Phyllitformation dieses Gebirges. Es besteht vielmehr im Wesentlichen
aus klastischen Thonschiefern und aus Granitit, denen noch eine Reihe
anderer Felsarten in untergeordneter Menge beigesellt ist. Zur vorläufigen
Orientirung mag eine kurze Uebersicht des petrographischen und archi-
tektonischen Aufbaues dieses Grundgebirges hier Platz finden.
Von Süden her trifft man auf dem rechten Elbufer schon bei den
letzten Häusern der Ortschaft Laube (nördlich von Tetschen) ältere
Gesteine, und zwar findet man allda Grauwackenschiefer und
Diabasschiefer mit krystallinischem Kalk. Im Walde nörd-
lich von Laube, besonders am Promenadenwege in etwa 200 Meter
Höhe an der rechtsseitigen Thallebne kommen Serieitquarzschiefer
und Sericitgneiss vor. Weiter nördlich besteht die ganze Thalseite
des rechten Ufers bis zu Höhen von 300 Meter über dem Meeresniveau
auf eine Länge von 2 Kilometer aus Thonschiefern und Grau-
wackenschiefern, welche von vier Granititapophysen und
mehreren Lamprophyrgängen durchbrochen sind. Nördlich vom
Dorfe Rasseln tritt auf beiden Ufern der Elbe ein Granititstock
zu Tage, welcher anderthalb Kilometer weit die Flussufer begrenzt. Am
linken Ufer der Elbe gewinnt der Thonschiefer eine geringere Ent-
wicklung als am rechten. Man kann ihn von der Südgrenze des Granitit-
stoekes nach Süden nur etwa einen Kilometer weit verfolgen. In seinem
weiteren Verlaufe wird er von Diluvionen und Alluvionen bedeckt. Vor
seinem südlichen Ende sind dem Thonschiefer drei Lagergänge von
Diabas mit Diabasschiefern eingeschaltet. Von diesen Diabasen
ist auf dem rechten Elbufer dort, wo man sie bei Verfolgung der
!) Ob ein unterer Theil dieser Anschwemmungen dem Diluvium zugezählt werden
muss, ist unentschieden,
[5] Die Insel älteren Gebirges und ihre nächste Umgebung im Elbthale etc. 939
Richtung der Lagergänge vom linken Ufer aus erwarten sollte, nichts
zu finden. Sie treten am rechten Ufer, wie schon erwähnt, viel weiter
südlich zwischen den nördlichen Häusern von Laube wieder auf.
Vom Granititstocke aus hat der Thonschiefer, sowie der Diabas
eine contactmetamorphische Beeinflussung erfahren, welche sich nament-
lich auf dem rechten Ufer in der Ausbildung von Fleck- und Knoten-
schiefern, am unmittelbaren Contaet des Granitits mit dem Thonschiefer
aber durch Entwickelung von Hornfels äusserte.
Die Thonschiefer besitzen eine ostsüdöstliche Streichrichtung
zwischen h 7 bis h9 mit einem recht steilen Einfallen, 40°—80°. Diese
Aufrichtung der Thonschiefer, au welcher die Diabaslagergänge theil-
nabmen, fand während des Carbons statt, noch vor der Eruption des
Granitits, welcher Apophysen in den disloeirten Thonschiefer entsendet.
Granitit und Thonschiefer werden von jüngeren, also nachcar-
bonischen Lamprophyrgängen durchsetzt.
Zwischen der Zeit der Lamprophyreruption und der Ablagerung
der Kreidesandsteine muss eine gewaltige Abrasion stattgefunden haben,
wodurch die Thonschieferdecke, welehe den Granititstock bedeckte, ab-
getragen wurde.
Erst während der jüngeren Kreidezeit fanden aus dem von
Nord nach Süd fortschreitenden Kreidemeere wieder Absätze über dem
alten Gebirge statt: Conglomerate und grobkörnige Sandsteine, dann
glimmerreiche feinkörnige, endlich mittelkörnige Sandsteine. Die ersteren
führen Ostrea carinata Lam., sie gehören demnach zur Cenomanstufe,
letztere reihen sich wegen der in ihnen sich häufig findenden Leit-
muschel /noceramus labiatus Schloth. dem Unterturon ein. Die dem
Mittel- und Öberturon angehörigen Ablagerungen, welche über dem
heutigen Elbthale sicher abgelagert waren, sind heute allda nicht mehr
vorhanden. Durch spätere Abtragung, die wahrscheinlich schon im
Tertiär begonnen, sind .die ober- und mittelturonen Ablagerungen ent-
fernt worden, so dass das Quadersandsteinplateau, welches den Elb-
cahon in dem beschriebenen Gebiete rechts und links begrenzt, heute
vun dem unterturonen Labiatusquader gebildet wird.
Das Gebiet älterer Gesteine im Elbthale ist durch überlagernde
Kreidesandsteine inselförmig isolirt, so dass nirgends ein direeter Zu-
sammenhang mit anderen Gebieten gleichen Aiters erkennbar ist. Es
ist aber kaum ein Zweifel zulässig, dass unser Schiefergebiet unter
der Quaderbedeckung im Zusammenhange steht mit dem nordwestlich
von ihm gelegenen Schieferterritorium des „Elbthalgebirges“ in
Sachsen, welches soeben seitens der königl. sächs. Landesuntersuchung
einer Specialaufnahme unterzogen wurde, an welcher namentlich R. Beck
als Sectionsgeolog betheiligt war. Bis jetzt sind als Resultate der
Speeialuntersuchung veröffentlicht worden „Erläuterungen zur geol.
Specialkarte des Königreichs Sachsen, Blatt 102, Section Berggiesshübel“
von R. Beck '), sowie ein Vortrag desselben Herrn „Ueber das Schiefer-
gebirge der Gegend von Berggiesshübel, Wesenstein und Maxen“, ge-
halten in der Sitzung vom 9. December 1890 der naturforschenden
1) Leipzig 1889.
240 J. E. Hibsch. [6]
Gesellschaft zu Leipzig. !) Es herrscht eine sehr auffallende petrogra-
phische Uebereinstimmung unter den in beiden getrennten Gebieten
vorhandenen Gesteinen ; ebenso sind in beiden Gebieten die Lagerungs-
verhältnisse die gleichen. Hievon konnte sich Verfasser bei Begehung
des Schiefergebirges in der Umgebung von Berggiesshübel unter der
liebenswürdigen Führung des Herrn R. Beck überzeugen. Dieselbe Auf-
fassung gewann der genannte Forscher, als Verfasser ihn durch unser
Gebiet im Elbthale geleiten konnte.
Das geologische Alter dieses Elbthalschiefers ist in unserer kleinen
Schieferinsel nicht festzustellen. Die Entscheidung hierüber muss auf
sächsischem Gebiet getroffen werden. Bis jetzt wurden die Thonschiefer
des Elbthales, namentlich auch von G. Laube, der Phyllitformation
des Erzgebirges zugezählt.?) Dieser Formation gehören sie entschieden
nicht an. Die dem Elbthal zunächst, bei Buchenhain nördlich von Tissa,
auftretenden Erzgebirgsphyllite unterscheiden sich ganz wesentlich von
unseren Elbthalthonschiefern. Letztere führen auch keine Phycoden
wie die cambrischen Thonschiefer in Thüringen und Sachsen. Deshalb
sind dieselben vielleicht dem Untersilur, möglicherweise dem Devon
einzureihen. Die früheren Beobachter ®) liessen sich zu der Annahme
eines höheren Alters dieser Thonschiefer durch den relativ hochgradigen
krystallinischen Zustand derselben verleiten. Dieser ist aber dem Schiefer
erst secundär verliehen worden durch die contactmetamorphische Ein-
wirkung seitens des Granitits.
Es ist sehr wahrscheinlich, dass unser Schiefergebiet auch in
Verbindung steht mit den östlicher gelegenen Thhonschiefervorkommen
bei Georgenthal und des Jeschkengebietes. Darauf ist auch schon von
früheren Beobachtern, besonders von G. Laube, hingewiesen worden.
So viel steht aber fest, dass das Elbthalschiefergebiet dem eigent-
lichen erzgebirgischen Systeme nicht angehört, sondern den Schiefer-
gebieten des „Elbthalgebirges“ *) zuzuzählen ist. Schon vor der ersten
grossen Dislocation, welche das gesammte nördliche Böhmen während
des carbonischen Zeitalters erfasste, scheint ein gewisser Gegensatz
1) Besonderer Abdruck aus den Berichten der naturf. Gesellschaft zu Leipzig.
Jahrgang 1890/91, pag. 30—38.
2) G. Laube, Geologie d. böhm. Erzgebirges. II. Theil, Prag 1887, pag. 248 u. f.
®) F. A. Reuss, Mineralog. Geographie von Böhmen. Dresden 1793. — F. X.
M. Zippe, Uebersicht der Gebirgsformationen in Böhmen. Prag 1831. — Derselbe,
Allgem. Uebersicht u. s. w. in J. @. Sommer, Das Königr, Böhmen, statistisch-topogr.
dargestellt. I. Band, Prag 1833. — B. v. Cotta, Erläuterungen zu d. geognost. Charte
d. Königr. Sachsen u. d. angrenzenden Länderabtheilungen. IV. Heft, Erl. zu Sect. VII,
1848. — J. Jokely, Geol. Karte der Umgebungen von Teplitz und Tetschen, Mass-
stab 1: 144.000. K. k. geol. Reichsanstalt. Wien 1857. — Aug. v. Gutbier, Geognost.
Skizzen aus d. sächs. Schweiz. Leipzig 1858. — A. E. Reuss, Die Gegend zwischen
Komotau, Saaz, Raudnitz und Tetschen in ihren geognost. Verhältnissen. Mit 2 Karten.
Löschner’s balneologische Beiträge. II. Band, Prag 1864. — B.v. Cotta, Er-
läuterungen zur geognost. Karte der Umgebung von Dresden. Dresden 1868. —
Joh. Krejdi, „Vorbemerkungen“ u.s. w. Archiv für die naturwiss. Landesdurch-
forschung von Böhmen. Prag 1869, I. Band, pag. 13. — Herm. Mietzsch, Ueber
das erzgebirgische Schieferterrain in seinem nordöstlichen Theile zwischen d. Roth-
liegenden und Quadersandstein. Halle 1871, pag. 5. — A. Hettner, Gebirgsbau und
Oberflächengestaltuug der sächsischen Schweiz. Stuttgart 1887, pag. 255.
4) Man vergl. diesbezüglich : Herm. Credner, Ueber das erzgebirgische Falten-
system, Vortrag, geh. in Dresden am 3. Sept. 1883. Dresden.
[7] Die Insel älteren Gebirges und ihre nächste Umgebung im Elbthale ete. 941
zwischen dem Erzgebirge und dem Schiefergebiete des Elbthbalgebirges
vorhanden gewesen zu sein, so dass nach der Dislocation, also von
der produetiven Steinkohlenformation ab, das Gebiet der gefalteten
Erzgebirgsgneisse jäh abgebrochen erscheint in einer Linie, welche
nahezu senkrecht auf der nordöstlichen Richtung der Erzgebirgsfalten
von Südosten nach Nordwesten verlief. Diese Linie ist derzeit allerdings
vom Quadersandstein ganz überdeckt. Sie ist westlich vom heutigen
Elbthal zu suchen. Möglicherweise deuten die allerdings sehr jungen
Basaltausbrücke am „kahlen Berge“ nördlich von Eulau, im Dorfe
Schneeberg und bei Eiland annähernd ihren Verlauf an. Die Trans-
gression während des ceretaceischen Zeitalters fand im nördlichen Böhmen
an dem Orte, wo heute die Elbthalfurche das Quadergebiet durch-
schneidet, altpaläozoische Schiefer, hingegen Erzgebirgsgneisse ohne
Jüngere Bedeckung erst weiter südlich an der Stelle des vulkanischen
Mittelgebirges vor.
Die Erzgebirgsfalten streichen vorherrschend von Südwest nach
Nordost, wenn auch local namentlich im östlichsten Theile (so bei Tissa)
Abweichungen von dieser Richtung zu beobachten sind. Unsere Schiefer
im Elbthale streichen von Ostsüdost nach Westnordwest. Deshalb trennt
sich das Elbthalschiefergebiet vom Erzgebirge nicht durch die einfache
Verschiebungsfläche eines „Blattes“ im Sinne Ed. Suess’.!) Sonst
müsste in beiden Systemen die gleiche Richtung des Streichens vor-
walten. Die Trennungsfläche zwischen beiden Gebieten ist eine Grenze
anderer Ordnung.
So gewinnt unsere kleine Schieferinsel im Elbthale durch ihre
Lage zwischen dem Erzgebirgssysteme, dem Elbthalsysteme in Sachsen
und dem sudetisch gefalteten Jeschkengebiete eine allgemeine Bedeutung.
Da sie selbst dem sächsischen Elbthalgebirge zugehört, so ist die Ost-
grenze für das Erzgebirge weiter gegen den Westen zu verschieben.
Und das Elbthalgebirge reicht nach Süden bis zu dieser Stelle der
Elbthalfurche.
Das Kreidemeer setzte im Osten des Erzgebirges nicht blos
während des Cenoman, sondern auch im Turon vorzugsweise sandige
Ablagerungen ab. In der gleichen Zeit, namentlich im Turon, wurden
von Tetschen ab bis Teplitz einerseits und bis weit nach Mittelböhmen
andererseits vorzugsweise thonige und kalkreiche Sedimente abgesetzt.
Das weist auf die Existenz einer Erhebung hin, welche als niedriger
Rücken schon in der Kreidezeit östlich vom Erzgebirge vorhanden war.
Die zweite grosse Bewegung, welche im nördlichen Böhmen während
des Tertiärs, und zwar vom mittleren Oligocän ab vor sich ging, bestand
in grossen Einbrüchen. Dadurch wurden wohl an den Rändern der
Einbruchsfelder Schichten aufgerichtet, allein Faltung fand nicht mehr
statt. Während die cearbonischen Bewegungen die erfassten Schichten
in Falten legten, erzeugten die oligocänen Brüche. Das Einbruchsgebiet
findet seinen Nordrand entlang des südlichen Steilabfalles des Erz-
gebirges, greift aber in seinem weiteren nordöstlichen Verlaufe über
in das Quadersandsteingebiet und erfasst auch unsere Schieferinsel im
Elbthal, so dass unser Schiefergebiet an seinem Südrande jäh abge-
ı) Ed. Suess, Antlitz der Erde. I, 159.
242 J. E. Hibsch. [8]
brochen erscheint. Es überschreiten demnach die tertiären Bruchlinien
die früheren Grenzen verschieden gerichteter Falten, Erzgebirge und
Elbthalgebirge erscheinen von denselben Einbrüchen einheitlich abge-
brochen, unbeschadet alter Gegensätze und petrographischer, sowie geo-
logischer Verschiedenheit.
Durch die Bewegungen, welche im Sinne des tertiären Einbruches
innerhalb der alten Schieferinsel im Elbthale stattfanden, vollzogen sich
tiefgreifende Veränderungen in den Gesteinen derselben. Alle Gesteine
der Insel weisen die Wirkungen einer Dislocationsmetamorphose in
höherem oder geringerem Grade auf. Der höchste Grad der Umwand-
lung ist an der Südgrenze der Schieferinsel erreicht, allwo die grösste
Bewegung stattgefunden hat. Granitit ist an dieser Stelle zu einem
flaserigen Serieitalbitgestein zerquetscht, welches geradezu als Serieit-
gneiss angesprochen werden kann. Desgleichen ist Grauwackenschiefer
in einen Serieitquarzschiefer umgewandelt. Auf diese Bewegungen
sind auch zurückzuführen die flaserig entwickelte Gneissfacies an vielen
Orten innerhalb des Granititstockes, sowie auch die Andeutungen von
Druckschieferung, welche an vielen Stellen im Thonschiefergebiete
auftreten.
Der Erzgebirgsabbruch besteht aus einem ganzen System gleich-
gerichteter Brüche, entlang welcher von Süden gegen Norden an Intensität
abnebmende Verschiebungen eingetreten sind. Diese Bruchlinien finden
sehon im östlichen Theile des Erzgebirges, dann im Elbthale und öst-
lich von demselben eine Ablenkung von ihrer ursprünglichen Richtung.
Aus der nordöstlichen Richtung wird eine westöstliche, die endlich zur
südöstlichen wird. Einzelne Gneissschollen in Tissa streichen schon
110° Südost bei einem südwestlichen Einfallen von 60—70°. Die
Sehiehten des Quadersandsteines der Schäferwand bei Tetschen streichen
nahezu Ostwest mit einem südlichen Verflächen von 15—20°. Die
Schiehten einer Quadersandsteinscholle nördlich der Laubenschlucht,
rechts der Elbe, streichen ebenfalls Ostwest mit einem südlichen Ein-
fallen von 25°. Am Vogelstein nördlich von Losdorf bei Tetschen, öst-
lich vom Elbtbale, streichen die Quadersandsteinbänke Südost 140°
mit einem südwestlichen Verflächen von 10°.
Wenn man sich den Südrand derjenigen Gebirgsmassen, welche
vom Einbruche in der Tertiärzeit nicht ergriffen wurden, construirt, so
erhält man eine ausserordentlich unregelmässige Linie, welche im Erz-
gebirge einer nordöstlichen Hauptrichtung folgt, gegen das Elbthal zu
und bei Querung desselben eine ostwestliche Richtung annimmt, um
östlich vom Elbthale sicb nach Ostsüdost zu wenden.
Unsere Schieferinsel stellt sonach ein Gebiet dar, in welchem
selten Ruhe herrschte. Auf die Eruption der silurischen (?) Diabase
folgte die carbonische Faltung. Dann die carbonische oder postcarbo-
nische Eruption des Granitits, ferner die postearbonische, aber prä-
eretaceische Eruption der Lamprophyre. Nachdem vor der Kreide eine
weitgehende Abrasion stattgefunden, ging die Ablagerung der Kreide-
schiehten vor sich. Dieser folgten die tertiäre Senkung und die endliche
Erosion des Elbthales während des Diluviums,.
[9] Die Insel älteren Gebirges und ihre nächste Umgebung im Elbthale ete., 243
II. Das Schiefergebiet.
In ihrem südlichen Theile besteht die Insel älteren Gebirges aus
Thonschiefern, mit denen Grauwackenschiefer wechsellagern. An mehreren
Orten sind den Thonschiefern Lagergänge von Diabas und Diabas-
schiefer eingeschaltet. Ganz untergeordnet tritt an einem einzigen Punkte
in Verbindung mit Diabasschiefer krystallinischer Kalk auf. Demnach
betheiligen sich am Aufbau des Schiefergebietes folgende Gebirgsglieder :
l.a) Thonschiefer.
b) Grauwackenschiefer.
2. Diabas und Diabasschiefer.
3. Krystallinischer Kalk.
4. Quarzige und granitoide Ausscheidungen.
I. a) Thonschiefer.
Die Thonschiefer unseres Gebietes stellen dünnschieferige Gesteine
dar von lichtgrauer bis dunkelsehwarzer Färbung. Auf dem Querbruche
erscheinen sie matt. Trotzdem sie auf beiden Seiten der Elbe im All-
gemeinen gleich entwickelt sind, weisen sie doch auf dem linken Ufer
eine grössere Mannigfaltigkeit auf als am rechten. Ihr Gebiet gewinnt
auf der rechten Elbseite eine fast doppelt so grosse Ausdehnung als
dies auf der linken der Fall ist, das Elbthal schneidet die Schiefer
auf der rechten Seite in einer Strecke von 2200 Meter an, linksseitig
sind sie blos auf 1200 Meter zugänglich. Die rechtsseitigen Schiefer
weisen durch den grösseren Theil ihrer Ausdehnung eine vom Granitit-
stock ausgehende eontactmetamorphische Beeinflussung auf, während
die Zone der Contaetwirkung auf dem linken Ufer eine viel kleinere
ist. Deshalb will es scheinen, als ob die Südgrenze des Granititstockes
rechtsseitig einen anderen Verlauf nähme als auf der linken Seite. Der
Thonschiefer des rechten Ufers scheint nur eine dünne Scholle darzu-
stellen, welche dem Granititstock seitlich anhaftet. Diese Annahme
findet auch eine Stütze in dem Auftreten von Granitapophysen, welche
nur am rechten Ufer zu finden sind. Auch reicht der Thonschiefer
rechts der Elbe in bedeutendere Höhen, bis 300 Meter, während er
links nur zu 220 Meter Meereshöhe sich erhebt.
Neben den Schieferungsflächen, die der Schichtung parallel ver-
laufen, treten an wenigen Orten noch anders gerichtete Absonderungs-
flächen auf, die wohl auf Druckwirkung zurückzuführen sind. Als
Druckschieferung kann die Erscheinung noch nicht angesprochen werden,
sie ist hiefür noch nicht deutlich genug. Sobald Schieferung und die
genannte Absonderung gleichzeitig sich geltend machen, zerfallen die
Schiefer leicht in grössere oder kleinere rhomboidale Stücke. Solcher
Schiefer wurde früher als „Wetzschiefer“ verwendet. Das war nament-
lich beim Thonschiefer südlich von Rasseln der Fall.
Die Thonschiefer unseres Gebietes weisen auf der so kurzen
Strecke ihres Aufschlusses ziemlich einheitliche Lagerungsverhältnisse
auf: ein Streichen Ostsüdost und ein steiles Einfallen nach Nordnordost.
Jahrbuch der k. k. geol. Reichsanstalt. 1891. 41. Band. 2. Heft. (J. E. Hibsch.) 32
>44 J. E. Hibsch.
_
Doch lässt sich constatiren ,
von nahezu
[10]
dass die Thonschieferschichten an der
Südgrenze ihres Auftretens eine Streichrichtung
besitzen und sich dann in ihrem weiteren Verlaufe nach Südost wenden,
so dass die nördlichsten Schiefer Südost 125° bis 130° streichen.
Folgendem sind einige diesbezügliche Ablesungen notirt ;
Beobachtungsorte sind von Süd nach Nord angereiht.
wurden auf den wirklichen Meridian unter Annahme einer Declination
von 10° nach West redueirt.
Streichen Fallen
Rechtes Ufer.
1. Serieitschiefer bei den südlichen Granitapophysen
2. Thonschiefer nördl. von den südl. Granitapophysen
3. ”
4. N
unterhalb des Rosenkammes .
nördlich von 3.
5. Fleckschiefer nördlich von 4 :
6. Wetzschiefer unterhalb des aufgelassenen 'Schleif-
steinbruches
7. Grauwackenschiefer
Schleifsteinbruches
8. Fleckschiefer südlich von Rasseln
nördlich "des aufgelassenen
27 & im Elbbette südlich von Rasseln . .
10. Knotenschiefer, Rasseln Nord :
11. Hornfels zwischen Granitapophyse und Granitstock
Linkes Ufer.
12. Thonschiefer am unteren Wege neben Diabas II .
13. Diabasschiefer am oberen Wege . IE %
14. „ unteren Wege nördlich von 12.
15: Thonschiefer südlich des Tschirtenbaches .
16. r e am age
nach Maxdorf
17. Tbonschiefer nördlich des
18. Grauwackenschiefer nördlich des Tschirtenbaches .
|
Ostsüdost
95° bis 100°
Ostsüdost 95°
| Ostsüdost
100° bis 105°
Östwest
Südost 115°
| bis 130°
Südost 135°
Südost 125°
Südost 125°
I 125°
bis 130°
Südost 120°
Ostwest
Ostwest 85°
bis 90°
Ostwest 90°
Ostwest
Ostsüdost 95°
Ostwest
[ Ostwest bis
Ostsüdost 100°
Ostsüdost 100°
50° bis 70°
a
50° bis 75°
| Nordnordost
45°
Nord 70°
Nordost 60°
Nordost 40°
Nordost 60°
Ber 50°
bis 65°
Nordost 65°
Nordost 40°
saiger
saiger
| saiger bis
\ Nord 80°
Süd 70
saiger
saiger
Nord 70° bis 80°
Nord 80°
Zwischen beiden Ufern macht sich ein gewisser Gegensatz bemerkbar
Östwest
In
die angeführten
Die Aufnahmen
in der Riehtung des Streichens, so dass die Thonschiefer namentlich
bei Rasseln eine mehr nach Südosten gedrehte Richtung des Streichens
besitzen als die Schiefer der T'schirte. Weitere Gegensätze bestehen in
dem Auftreten von Diabasen südlich des Tschirtenthales und in dem
Fehlen von Granitapophysen auf dem linken Ufer.
Diejenigen Thonschiefer, welche ihren ursprünglichen Zustand am
besten erhalten haben dürften , finden sich am linken Elbufer südlich
des Tsehirtenbaches. Sie kommen allda in zwei Modificationen, im
Folgenden mit « und ? bezeichnet, vor.
nn
[11] Die Insel älteren Gebirges und ihre nächste Umgebung im Elbthale et. 9245
«) Etwa 650 Meter südlich vom Tschirtenbache, am Fahrwege
zwischen dem Bahnkörper und der Berglehne, steht die erste Modifieation
des Thonschiefers («) südlich der daselbst auftretenden Diabase an. Es
stellt der Thonschiefer « ein dunkelgrünlichgraues, stellenweise violett
geflecktes Gestein dar, welches dünnschieferig ist und matt oder auf
den Schieferungsflächen schwach glänzend erscheint. Dieses Gestein
wurde von den früheren Beobachtern als „Phyllit“ angesprochen. Von
allen Thonschiefern unseres Gebietes mag es sich auch am meisten dem
Phyllit nähern ; doch ist es von den Erzgebirgsphylliten, die, dem Elb-
thal zunächst, bei Buchenhain in Sachsen etwa 4°5 Kilometer nördlich
Tissa auftreten, durch Ansehen, mineralogische Zusammensetzung und
Struetur wesentlich verschieden. Diese Erzgebirgsphyllite sind von F.
Schalch der unteren Phyllitformation zugezählt worden.!) Aehnliche
ältere Phyllite werden auch von R. Beck aus der Umgebung von Berg-
giesshübel beschrieben.?)
Unter dem Mikroskope löst sich unser Thonschiefer, welcher dem
blossen Auge vollständig dicht erscheint, in ein ausserordentlich inniges
und feinkörniges Gemenge von Quarzkörnchen und Glimmerblättchen
auf. Die Mehrzahl der letzteren ist Kaliglimmer; Magnesiaglimmer
tritt nur untergeordnet auf. Auch büschelweise oder fächerförmig ange-
ordnete Chloritblättchen betheiligen sich am Gesteinsgewebe. Hie und
da ein Turmalinsäulchen. Allenthalben winzigste Erzkörner eingestreut,
darunter häufig Pyrit. Die Glimmerblättehen stehen mit ihren Haupt-
dimensionen oft senkrecht zur Schieferung, so dass auf Schliffen parallel
zur Schichtung schmale leistenförmige Durchschnitte sich ergeben. Rutil-
nädelchen sind nicht vorhanden. Eine das Licht einfach brechende
Substanz war nicht aufzufinden. Quarztrümehen und -Knauer von den
dünnsten mikroskopischen Haarfäden bis zu 10 und 20 Centimeter
mächtigen Gängen durchsetzen das Gestein. Pyritkryställchen werden
vom blossen Auge schon erkannt.
Ein Mineral der Amphibolgruppe, auf dessen Anwesenheit ein
relativ hoher Gehalt an Mg, wie die Bauschanalyse ausweist, schliessen
liesse, ist im constituirenden Mineralgemenge des Thonschiefers nicht
zu erkennen. Der Mg O-Gehalt ist vielmehr den Glimmermineralien und
dem Chlorit zuzuschreiben. Die leistenförmigen Umrisse, welche in den
Dünnschliffen erscheinen und als Längsschnitte. von Prismen gelten
könnten, sind, wie schon erwähnt, Durchschnitte von Glimmerblättchen.
Dagegen machen es die Ergebnisse der Analyse wahrscheinlich, dass
sich am mineralischen Bestande ein Kalknatronfeldspath betheiligt. Der
Gehalt an Na und Ca veranlasst daran zu denken, dann aber besonders
das mikroskopisch nachweisbare Vorkommen von Plagioklas der ge-
nannten Art in den grobkörnigeren Einlagerungen von Grauwacken-
schiefer innerhalb der Thonschiefer. In den dichten Thonschiefern sind
wahrscheinlich die Plagioklase wegen ihrer Kleinheit von Quarz nicht
zu unterscheiden.
!) Erläuterungen zur geologischen Specialkarte des Königreiches Sachsen. Section
Rosenthal-Hoher Schneeberg, pag. 6.
*) Erläuterungen zur geologischen Specialkarte des Königreiches Sachsen. Section
Berggiesshübel, pag. 11.
32*
246 J. E. Hibsch. 112]
Ein Theil der am Aufbau des Thonschiefers sich betheiligenden
Quarzkörnchen ist sicher allothigenen Ursprungs. Das gilt namentlich
für die grösseren. Die Glimmermineralien müssen zum Theile als
authigen angesehen werden. Denn Glimmerblättchen fremder Herkunft
wären durch die Sedimentationp mit ihren Flächen mehr oder weniger
parallel gerichtet worden, und sie könnten nicht mit ihren Hauptdimensionen
auf der Schichtungsfläche senkrecht stehen. Die grösseren Quarz-
körner besitzen einen Kern allothigener Art, um welchen sich authigene
Quarzsubstanz in gleicher optischer Orientirung angelagert hat. Diese
Jüngere Quarzsubstanz schmiegt sich in vielen Fällen eng an benach-
barte Glimmerblättchen, so dass dadurch die sonst feinkörnige Struetur
etwas flaserig wird. Diese Verflaserung von Quarz und Glimmerblättehen
weist wohl auf mechanische Einflüsse hin, denen der Thonschiefer aus-
gesetzt war. Mit der Verflaserung steht im ursächlichen Zusammenhang eine
andere Erscheinung. Die leistenförmigen Glimmerdurehschnitte, Quarze
(und ? Feldspathe) sind mit ihrer längeren Achse alle parallel gerichtet,
so dass sie bei Beobachtung im polarisirten Lichte gleichzeitig auslöschen.
Dieselbe „niedliche Erseheinung“ ist schon von H. Rosenbusch in den
„Phylliten® von Roth-Schönberg im Triebischthale, sowie in den Schiefern
von Wippra am Harz beobachtet und als eine Folge mechanischer Ein-
wirkung erkannt und beschrieben worden. Die mechanische Einwirkung
„hat alle Glimmerblättelien und Quarzkörner in die Länge gezerrt und
ihre lange Achse der Schichtung parallel gestellt“..)
Und so haben die ursprünglich klastischen Thonschiefer eine theil-
weise krystallinische Structur mit deutlicher Parallelstellung der einzelnen
Gemengtheile secundär erhalten.
Die ehemische Zusammensetzung dieses Thonschiefers, dessen
Dichte = 2-79, ist nach einer Analyse des Herrn L. Jesser in Wien
folgende:
Analyse I
KO be VE TRR
ALLG, same Mar
a Our ir. bear er
ONE har ee
NO en a
ION Setznzlad- ne rl ARE
Summe . . 9994
Diese Analyse würde annähernd folgende Mengen der constituirenden
Minerale beanspruchen: Quarz 48 Procent, Kaliglimmer 25 Procent,
Magnesiaglimmer 10 Procent, Feldspath (Kalknatronfeldspath), Chlorit
und Eisenkies 17 Procent.
") H.Rosenbusch, Die Steiger Schiefer u. s. w. Strassburg 1877, pag. 123
und 124.
[13] Die Insel älteren Gebirges und ihre nächste Umgebung im Elbthale ete. 247
%) Etwa 100 Meter südlich von der Modification « des Thon-
schiefers, also im Liegenden desselben, tritt ein fast schwarzer, auch
dünnschieferiger T'honschiefer auf, welcher im angewitterten Zustande
auf den Schichtflächen schwache Fältelung aufweist. Auch diese Modifi-
cation ? des Thonschiefers besteht aus einem ungemein dichten Gemenge
von Quarz, Glimmer und Chlorit in innigster Verwebung. In lang-
gestreckten Flecken und in Streifen häufen sich Rutilnädelehen und
winzigste dunkle Körnchen an. Letztere sind Ursache der schwarzen
Färbung. Es lag nahe, die schwarzen Körnchen für eine Form von
Kohlenstoff oder doch für einen kohlenstoffreichen Körper zu halten.
Allein einige zur Prüfung der fraglichen Körnehen von Herrn Dr. Franz
Ullik ausgeführte Reactionen wiesen auf eine an Kohlenstoff sehr
arme Substanz hin: 1. Beim Glühen an der Luft geht die schwarze
Färbung des Schiefers über in eine rothbraune; 2. beim Glühen im
Glasrohre mit O4 O entwickelt sich nur eine ganz minimale Menge von
CO, ; 3. bei der Sublimation entweichen keine brenzlichen Stoffe, sondern
fast reines Wasser mit nur schwach alkalischer Reaction. Demnach
enthalten die schwarzen Körnchen weder erhebliche Mengen von Kohlen-
stoff, noch solche von Schwefel. Da die Schiefer an der Luft leicht
verwittern, wobei sie sich gelbbraun verfärben, ferner beim Glühen
eine rostrothe Farbe annehmen, so darf wohl auf die Anwesenheit einer
Eisenoxydulverbindung geschlossen werden.
Auf dem rechten Ufer findet sich von der südlichsten Granitit-
apophyse nordwärts ein grünlichgrauer, dünnschieferiger Thonschiefer,
welchem Bänke von Grauwackenschiefer eingeschaltet sind. Neben der
grünlichgrauen Färbung treten stellenweise violette Flecke auf. Die
violetten Farben sind hervorgerufen durch locale Oxydation und Hydra-
tisirung von Eisenerzen. Am Aufbau des dichten Schiefergesteins be-
theiligen sich Körnchen von trübem Quarz (und von Plagioklas ?), wegen
ihrer Form als allothigen anzusehen, ferner Magnesiaglimmer und unter-
geordnet Kaliglimmerblättchen. Die dunkeln Glimmerblättehen sind häufig
quergestellt zur Schieferungsfläche, dann weisen sie trotz ihrer Kleinheit
sehr deutlichen Pleochroismus auf, und bei gekreuzten Nicols zeigen
sie lebhafte Interferenzfarben. Endlich finden sich allgemein viele rothe
Eisenoxydblättchen und Körnchen von Eisenkies eingestreut. Letzterer
hat zum Theil Umwandlung in braungelbe Eisenoxydhydrate erfahren.
Rutilnädelchen fehlen wie in der Modification « des linksseitigen Thon-
schiefers. Von diesem unterscheiden sich die Thonschiefer der rechten
Elbseite aber durch eine minder stark entwickelte krystallinische Aus-
bildung. Local tritt in den Thionschiefern Kaliglimmer in makroskopisch
schon erkennbaren Blättchen auf, so nördlich von der Granitapophyse IV
(von Süden an gezählt).
Der Thonschiefer des rechten Ufers weist die chemische Zu-
sammensetzung Il auf. Zum Vergleiche ist in Analyse I die schon auf
pag. 246 [12] angegebene Zusammensetzung von Thonschiefer des
linken Ufers wiederholt. Auch diese. Analyse II wurde wie alle Ana-
lysen I bis X von Herrn L. Jesser ausgeführt.
248 J. E. Hibsch. [14]
Analyse I Analyse II
BR se 1 re 6294
END, ‚>. ;16 7. ade er 17:49
Bes... i412.61 ine ee 3:08
VD. rerkreiein 1:20 121
Maß... ins 2-54
IND... Lla een 3:53
Wa; u... bauen 1:26
I ON ee ee 3-46
Summe . . 9994 100°51
Dichte . . 279 2:68
I.b) Grauwackenschiefer.
Mit den Thonschiefern sind durch Wechsellagerung Complexe von
harten, festen, zumeist dunkel schwarzgrau gefärbten Gesteinsbänken
verbunden, welche, klastischen Ursprungs, derzeit doch die mineralische
Zusammensetzung und auch nahezu die krystallinische Struetur von
dichten Gneissen besitzen. Nur mit Widerstreben nenne ich diese theil-
weise an Hälleflinte erinnernden Gesteine „Grauwacken“. Sie sind aber
unstreitig klastischer Herkunft, sie haben ihre subkrystallinische Struetur
erst nachträglich erhalten. Aus diesem Grunde kann man sie füglich
nicht gut anders benennen.
Die Grauwackenschiefer bilden 20 bis 25 Centimeter mächtige
Bänke, die sich zu Complexen von 20 Meter, 30 bis 50 Meter Mächtig-
keit gruppiren. Am zahlreichsten treten sie im südlichen Theile des
rechtsuferigen Thonschiefergebietes bei den südlichen Granitapophysen,
.dann in der Schlucht, welehe vom Rosenkamm zur Elbe führt, ferner
beim Lamprophyrgang unterhalb des aufgelassenen Schleifsteinbruches
südlich von Rasseln auf. Am linken Ufer sind sie von einer einzigen
Stelle, nördlich des Tschirtenbaches am Promenadenwege im Walde,
noch südlich der Knotenschiefer, bekannt. Die Färbung dieser Gesteine
ist, wie erwähnt, zumeist dunkelschwarzgrau, seltener lichtgrau oder
röthlichgrau. Sie sind grobkörniger als die Schiefer, dem blossen Auge
erscheinen sie krystallinisch-feinkörnig. Ihr Bruch fast muschelig.
Bei mikroskopischer Prüfung erweisen sie sich überwiegend aus
folgenden Mineralien zusammengesetzt: Körner von Quarz, von Plagioklas,
letzterer sehr reichlich und von frischester Beschaffenheit, von wenig
Örthoklas, dieser meist getrübt, Flasern von Glimmer. Zumeist ist der
Glimmer Biotit, nur ab und zu erscheint ein grösseres Blättehen von
Muscovit. Aber dort, wo das Gestein unverkennbar grösserem Druck
ausgesetzt war, so dass Bewegungen stattgefunden haben, zeigt sich
reichlich Serieit. Accessorisch kommen abgerundete Apatitkörner, rothe
Eisenoxydblättchen, Zirkonkörner, sowie Eisenkies vor. Der letztere
macht sich übrigens schon makroskopisch bemerkbar.
Quarze und Feldspathe sind häufig getrübt durch winzigste
Körnehen, Nädelehen und Blättehen, ersterer auch durch Flüssigkeits-
einschlüsse. Einzelne dieser trübenden kleinsten Einschlüsse erweisen
sich als Eisenoxydschüppchen, andere als Glimmerblättchen, die Mehrzahl
[15] Die Insel älteren Gebirges und ihre nächste Umgebung im Elbthale etc, 249
derselben ist aber nicht weiter definirbar. Viele Quarz- und Feldspath-
körner sind nachträglich zertrümmert, die eckigen Trümmer liegen
nebeneinander, durch secundären Quarz oder Glimmer verbunden. Die
grösseren Quarze und Feldspathe stellen ganz unregelmässig begrenzte
Körner dar. Diese sind wohl allothigen. Die neben diesen noch vor-
handenen kleineren Quarz- und Feldspathkörnehen müssen als authigen
angesprochen werden. Der authigene Quarz bildet häufig „eomplexe
Körner“. Die authigenen Plagioklase fallen durch ihren frischesten
Zustand auf. Ein Isoliren der Feldspathe zum Zwecke genauer Bestimmung
war bei deren geringen Dimensionen noch undurehführbar. Nur die
Beobachtung der Auslösungsschiefe bot einige Anhaltspunkte. Es zeigten
sich durchwegs sehr geringe Auslöschungsschiefen gegen die Zwillings-
streifung, Winkel von 5°—8°—10°. Hiebei sind nur jene Werthe be-
rücksichtigt, welche sich bei symmetrischer Auslöschung zu beiden
Seiten der Zwillingsnaht ergaben. Hienach wäre ein natronreicher Kalk-
natronfeldspath vorhanden. Nicht selten zeigen sich die Feldspathe von
Quarz in der bekannten Weise durchwachsen.
Die Struetur dieser Grauwackenschiefer nähert sich der flaserigen :
die grösseren Quarz- und Feldspathkörner sind von blätterig-schuppigen
Glimmerflasern und kleinkörnigen Gemengen der genannten Minerale
umwoben.
An einer Stelle, etwa 400 Meter südlich vom Rasselbach, ragt,
rings umgeben von gewöhnlichem Thonschiefer, ein isolirtes Felsriff
empor, welches von einem ausserordentlich harten, dunkelgrauen, dichten
Gestein gebildet wird. Bei der Verwitterung zerfällt es in kleine Stückchen.
Unter dem Mikroskope löst sich das Gestein in ein gleichförmiges,
sehr dichtes Gemenge richtungslos verbundener Quarzkörnchen und
Glimmerblättehen auf. Irgend ein Feldspath ist offenbar wegen der
Kleinheit der Körnehen von Quarz nicht zu unterscheiden. Das Gestein
trennt sich in Folge Mangels jeder Schieferung scharf vom Thonschiefer.
Eher lässt es sich als ein ausserordentlich feinkörniger Grauwacken-
schiefer auffassen.
Die chemische Zusammensetzung des Grauwackenschiefers, dessen
Dichte = 2:69, wird durch nachstehende Analyse III gegeben:
Salat ee
A) re
20, RE Sam) 08
BO ine Dehaeerh
ol ern. RE
Bear er Ve BR
NR. Sa
BEN a dr Nee 144
Summe . . 9964
Auch die chemische Zusammensetzung weist auf die Anwesenheit
von viel Quarz, dann von Kalknatronfeldspath, Kalifeldspath, Magnesia-
und Kaliglimmer hin.
350 J. E. Hibsch. [16]
2. Diabas und Diabasschiefer.
In den Thonschiefern treten vier Gänge von umgewandeltem
Diabas auf. Der erste ist nur zugänglich am Waldwege, welcher die
zerstreuten Gehöfte von Mittelgrund, links der Elbe, in etwa 175 Meter
Meereshöhe verbindet. Seine Fortsetzung nach Osten gegen die Elbe
ist angedeutet durch I.esesteine, die auf den Feldern ausserhalb des
Waldes zerstreut liegen. Soweit dieser erste Gang (in Folgendem mit
Gang I bezeichnet) erschlossen, ist er fast ganz in Diabasschiefer um-
gewandelt. Der zweite Gang (Gang II) liegt vom ersten etwa 200 Meter
weiter gegen Norden. Derselbe tritt sehr schön zu Tage an dem Fahr-
wege, welcher entlang der königl. sächsischen Staatsbahnstreeke nach
der Tsehirte führt. Er besitzt am Wege eine Mächtigkeit von nahezu
20 Meter. Nach zerstreuten Diabasblöcken zu urtheilen, würde sich der
Gang in seinem weiteren Verlaufe westlich im Walde in zwei Gänge
gabeln. Auf seiner Nordseite grenzt er sich gegen den 'T'honschiefer
durch eine Diabasschieferlage ab. Der dritte (nördlichste) Diabasgang
(Gang III) setzt im Thonschiefer 50 Meter nördlich vom zweiten in der
Mächtigkeit von ebenfalls 20 Meter auf. Auch dieser Gang ist am letzt-
genannten Wege gut aufgeschlossen. Auf seiner Nordseite geht er ganz
allmälig in Diabasschiefer über, welcher sich gegen den Thonschiefer
scharf abgrenzt. Auf das Vorhandensein eines vierten, am rechten Elb-
ufer gelegenen Diabasganges muss mit Sicherheit geschlossen werden,
weil sich ehloritreiehe Diabasschiefer bei den nördliehsten Häusern der
Ortschaft Laube vorfinden.
Alle Diabasgänge streichen in der gleichen Riehtung von Osten
nach Westen; ihr Einfallen ist theils saiger, so Gang II, theils mit
sehr steilem Winkel (70°—80°) nach Norden, Gang I, oder bei Gang Il
nach Süden. Die Lagerung der Thonschiefer ist in der Umgebung der
Diabase mannigfaltig gestört; die Schiefer erscheinen im Gegensatz zu
der recht gleichmässigen Lagerung des rechtsseitigen Thonschiefers derart
disloeirt, dass sie das gleiche Verflächen und Streichen aufweisen wie
die angrenzenden Diabasgänge. Und deshalb können die Diabasgänge
füglich als Lagergänge bezeichnet werden.
Das Gestein der Gänge ist stark zerklüftet. Die Klüfte besitzen
unregelmässigen Verlauf, doch herrscht bei den Kluftflächen die Richtung
des Gangstreichens vor. Dem unbewaffneten Auge erscheinen die Dia-
base als mittel- bis feinkörnige Gesteine von dunkelgraugrüner Färbung.
Nur das Gestein des zweiten und theilweise auch das des dritten
Ganges erscheint massig, während der erste Gang und ein grosser
Theil des zweiten Ganges mehr oder weniger schieferig ausgebildet sind.
Auch vom vierten Gange sind ‚nur schieferige Gesteine bekannt.
Unsere Diabasgesteine bestehen dermalen wesentlich aus Plagio-
klas und Hornblende. Dazu gesellen sich Titaneisen mit Leucoxen-
rändern, Apatit, ferner Chlorit, Caleit, Epidot, Magnesiaglimmer, Quarz,
stellenweise Anatas, endlich der schon makroskopisch auffallende Pyrit.
Diese Minerale betheiligen sich in verschiedenen Mengenverhältnissen
am Aufbau unserer Gesteine. Auch die Art der Ausbildung und des
Auftretens der einzelnen angeführten Gemengtheile wechselt ausser-
ordentlich. Desgleichen ist die Structur der hier zu erörternden Gesteine
[17] Die Insel älteren Gebirges und ihre nächste Umgebung im Elbthale ete. 99]
eine sehr mannigfaltige, so dass sich Gemeinsames nicht leicht an-
führen lässt.
Nirgends ist der Diabas in seinem ursprünglichen Zustande auf-
zufinden. Allenthalben hat er mehr oder weniger tief gehende Verände-
rungen in seinem mineralischen Bestande, in seiner Structur oder in
beiden erfahren. Die Ursachen dieser metamorphischen Erscheinungen
sind zu suchen in der Contaetwirkung seitens des benachbarten Granit-
stockes, namentlich aber in dynamischen Vorgängen, die mit den wieder-
holten Dislocationen des Schiefergebietes verbunden waren. Es ist nicht
möglich, jeden metamorphen Vorgang im Gestein auf eine bestimmte
Ursache zurückzuführen, indem sich die Wirkungen der verschiedenen
Ursachen noch lange nicht in der gewünschten Schärfe trennen lassen. !)
Unter den Veränderungen, welche der mineralische Bestand der
ursprünglichen Diabase erfahren hat, steht obenan das gänzliche Ver-
schwinden des Augits. Nirgends, auch nicht dort, wo das Gestein die
relativ geringste Veränderung erlitten hat, ist Augit aufzufinden. Ueberall
ist pleochroitische uralitische Hornblende an seine Stelle getreten. Sogar
die ursprünglichen Krystallformen des Augits sind verwischt. Die ura-
litische Hornblende bildet Faseraggregate, in welchen die einzelnen Horn-
blendefasern mit ihren Längsachsen einander parallel gestellt sind und in
ihrem Gesammtumriss die Formen des Augits wohl annähernd aufweisen,
über die Augitformen aber hinauswuchern. Die Uvralitisirung ist wohl
auf Contaetwirkung seitens des nördlich etwa 1000 Meter entfernten
Granitstockes zurückzuführen. 2) Denn diese Erscheinung tritt allgemein
auf, nicht blos local, und auch dort, wo nur geringfügig dynamische
Vorgänge sich abgewickelt haben.
Bei dieser Sachlage konnte der Diabascharakter vorliegender
Gesteine vorzugsweise nur aus der an manchen Orten erhaltenen Structur
erschlossen werden. Mit Lossen wären unsere Gesteine als am phi-
bolitisirte Diabase zu bezeichnen.
Die geringsten Veränderungen dürfte das Gestein des Ganges II
erlitten haben. Dasselbe besteht derzeit wesentlich aus Plagioklas und
uralitischer Hornblende. Ausserdem nicht selten Chlorit. Epidotkörner
und Caleitlappen im ganzen Gestein. Epidotkörner sind namentlich auch
1) Man vergl. K. A. Lossen, Stud. an metamorph. Eruptiv- u. Sedimentgest.
u.s, w. Jahrb. d. k. preuss. geol. Landesanstalt für 1883, pag. 635 u. 636.
?) K. A. Lossen, Erläuterungen zur geol. Specialkarte von Preussen u. s. w.
Blatt Harzgerode, Pausfelde, Wippra. 1882 u. 1883. — Derselbe, Studien an metamorph.
Eruptiv- u. Sedimentgest. u. s. w. I. u. II. Jahrb. d. k. preuss. geol. Landesanstalt für
1883 u. 1884. — A. Michel-Levy, Sur les roches &ruptives basiques cambriennes
du Mäconnais et du Beaujolais. Bull. Soc. g£ol. Fr. (3), XI, 281, 1883. — K. Th. Liebe,
Uebers. über den Schichtenaufbau Ostthüringens. Abhandl. z. geol. Specialkarte v.
Preussen u.s. w. 1884, V. Bd., Heft 4, pag. 8. — H. Rosenbusch, Mikroskop.
Physiogr. d. massigen Gesteine. II. Aufl., 1886, pag. 56 u. 57, feıner pag. 222 u. f. —
Derselbe, Mikroskop. Physiogr. d. petrogr. wichtigen Mineralien. II. Aufl., 1885, pag. 473.
— J. Roth, Allgem. u. chem. Geologie. III, 1890, pag. 92 u. 93. — W. Bergt, Bei-
träge zur Petrographie d. Sierra Nevada de Santa Marta etc. Tschermak’s Min. und
petrogr. Mitth. X. Bd., pag. 335 u. f. — R.Beck, Amphibolitisirung von Diabasgesteinen
im Contactbereiche von Graniten. Zeitschr. d. deutsch. geol. Ges. 1891, LXIII. Bd., pag. 257.
Letztere Mittheilung kam mir erst während des Druckes vorliegender Arbeit zu, konnte
daher im Texte leider nicht weiter berücksichtigt werden.
Jahrbuch der k. k. geol. Reichsanstalt. 1891. 41. Band. 2. Heft. (J. E. Hibsch.) 33
959 J. E Hibsch. [18]
zwischen den einzelnen Fasern der uralitischen Hornblendeaggregate an-
gesiedelt. Apatitsäulchen und Titaneisen allverbreitet.
Der Plagioklas tritt auf in Form breiter Tafeln und breitleisten-
förmig. Im letzteren Falle ordnen sich die Leisten divergentstrahlig. Der
Feldspath ist häufig sehr trübe. Die Krystalle sind mehrfach zerbrochen,
die Trümmer durch Caleit wieder zusammengeleimt. Caleit ist auch sonst
innerhalb der unzerbrochenen Feldspathe reichlich vorhanden. Soweit der
Plagioklas primäre Begrenzung noch besitzt, ist er zumeist automorph. Der
Plagioklas gehört einem natronreichen Kalknatronfeldspath an ; Messungen
der Auslöschungsschiefe ergaben bei Spaltblättchen auf der Fläche M
durehschnittlich Werthe von + 12°, auf der Fläche ? + 2° bis + 3°. Die
Diehte wurde zu 2°62 bis 2'658 bestimmt. Diese Werthe verweisen auf
die Reihe des Oligoklas. Ausserdem wurden im Dünnschliff nieht selten
an Zwillingen mit symmetrischer Auslöschungsschiefe zu beiden Seiten
der Zwillingsnaht Winkelpaare von 14° ermittelt. Im Vereine mit der
Diehte von 2:62 würden die letzteren Winkel auf einen fast kalkfreien,
dem Albit sehr nahe stehenden Plagioklas schliessen lassen. Dieser
letztere Plagioklas tritt im Gestein des Ganges II nicht in Form einer
feinkörnigen Mosaik, sondern in Gestalt von kurzen verzwillingten
Leisten und grösseren zum Theile nicht verzwillingten Körnern auf.
Diese sind wohl als seeundäre Neubildungen aufzufassen, aus kalk-
reicherem Plagioklas durch dessen Zerfall hervorgegangen, wie das auch
schon andererseits beobachtet worden ist. !)
Neben Plagioklas spielt die Hornblende unter den mineralischen
Gemengtheilen die wichtigste Rolle. Dieselbe ist, wie bereits angeführt
wurde, secundär aus dem ursprünglich vorhandenen Augit hervorgegangen.
Sie stellt Faserag ggregate dar, "welche die Augitformen ausfüllen ; des-
halb muss sie als uralitische "schilfige Hornblende“* bezeichnet werden.
„Compaete Hornblende* ist nicht vorhanden. Ihre Farben sind grün,
der Pleochroismus sehr deutlich: a und b gelblichgrün, c blaugrün.
Braune Hornblende fehlt. Die Faserbündel der Hornblende zerfasern
sich häufig am Ende. Inmitten der Faseraggregate treten kleine Blättchen
braunen Glimmers vereinzelt oder zu mehreren gruppirt auf. Es lässt
sich nieht entscheiden, ob dieser Glimmer aus dem primären Augit oder
aus der seeundären Hornblende hervorgegangen ist. Beides wurde be-
kanntlich vielfach beobachtet. ?)
Von primären Gemengtheilen sind Apatit und Titaneisen hervor-
zuheben. Ersterer ist in Form von Säulehen besonders im Plagioklas
häufig. Letzteres erscheint oft in durchlöcherten oder in lappig zer-
fetzten Formen, welche von Leucoxenrändern ‘umgeben sind.
Recht verbreitet treten ehloritische Substanzen. zwischen den übrigen
Gemengtheilen, aber auch im Innern derselben, namentlich im Innern
der Plagioklaskrystalle auf. Hier mussten die zur Pildung der Chlorit-
schüppehen nothwendigen Silicate einwandern. In Bezug auf die eben-
1) H. Rosenbusch, Mikroskop. Phys. d. mass. Gesteine. 2. Aufl., 1886,
pag. 223 u. 224. — K. Th. Liebe, Uebers. über d. Schichtenaufbau Ostthüringens.
Abhandl. z. geol. Specialkarte von Preussen u. s. w. Bd. V, Heft 4, pag. 83, 1884.
?) Vergl. B. Doss, Die Lamprophyre und Melaph. d. Plauen’schen Grundes.
Tschermak’s Miner. u. petrogr. Mittheil. N. Folge, Bd. XI, pag. 42, 1889. Daselbst
auch weitere Literaturangaben.
ia ds u re
[19] Die Insel älteren Gebirges und ihre nächste Umgebunz im Elbthale ete., 253
falls seeundären Minerale Epidot und Caleit wurden keine speciell her-
vorzubebenden Beobachtungen gemacht.
Die Structur des Diabas aus dem Gange Il hat sich trotz der
mannigfachen Veränderungen, denen das Gestein ausgesetzt war, als
deutliche divergentstrahlig-körnige Diabasstructur erhalten. Das giebt
sich durch die Anordnung der breitleistenförmigen Feldspathe kund und
durch die Begrenzung derselben gegenüber den xenomorphen , derzeit
uralitisirten Augiten. Daneben machen sich die Anfänge einer Kata-
klasstruetur dureh die Zerträmmerung der Feldspathe bemerkbar.
Von dieser Art der Gesteinsausbildung weicht der Diabas im
Gange III wesentlich ab. Zunächst zeigt sieh im südlichen Theile dieses
Ganges eine deutliche Flaserung; ferner tritt neben der uralitischen
Hornblende noch eine zweite Form dieses Minerals, eine actinolithische
Hornblende, auf. Letztere besitzt gelblichgrüne bis blassgrüne Färbung
ihr Pleoehroismus ist minder kräftig als bei der uralitisehen Hornblende,
Sie tritt in Form feiner Fasern auf, die sich namentlich um die Faser-
bündel der uralitischen Hornblende so gruppiren, dass diese von den
Actinolithfasern S-förmig umschlungen werden. Die Enden der Fasern
biegen alle in dieselbe Richtung ein, und dadurch ist die Flaserung
des Gesteins hervorgerufen. Verstärkt wird diese Struetur noch durch
das Einlenken der Faserenden der schilfigen Hornblendebüschel in die
allgemeine Richtung der Flaserung; auch die Titaneisenkörner ordnen
sich reihenweise in der gleichen Richtung. Die Flaserstructur tritt be-
reits makroskopisch hervor.
Die Plagioklase sind arg zertrümmert, die einzelnen Trümmer
verschoben und ganz erfüllt von Chloritschüppchen, farblosen Horn-
blendenadeln, Caleit- und Epidotkörnehen. Nur an wenigen Stellen ist
Zwillingsstreifung noch wahrzunehmen.
Da die actinolithische Hornblende sieh in unseren Diabasgängen
nur dort zeigt, wo bedeutendere dynamische Vorgänge sich vollzogen,
so ist dieselbe auch hier nur als das Ergebniss chemischer Processe
anzusehen, welche unter dem Einflusse von dynamischen Vorgängen
stattfanden. ')
Der flaserige Diabas geht im nördlichen Theile des Ganges III
allmälig in Diabasschiefer über. Die Felsarten dieser schieferigen Facies
erscheinen schon dem unbewaffneten Auge als unvollkommen schieferige
Gesteine von unruhiger, graugrüner Färbung. Auf dem Hauptbruche
entwickelt sich ein matter Glanz, der Querbruch ist matt. Kluftflächen
weisen reichliche Krusten von kohlensaurem Kalk auf.
Diese Schiefer bestehen vorzugsweise aus blassgrünen bis farb-
losen Actinolithnadeln, die sich zu Bündeln vereinigen, aus einem
Chloritmineral, aus spärlichen truben Plagioklaskörnern und -Leisten.
Hiezu treten noch sehr häufig Caleitkörner, Körnchen von Epidot, von
Titaneisen, sehr spärlich Quarz , hingegen viele zerstückelte und aus-
einandergedrückte Apatitsäulchen. Die uralitische Hornblende, welche
noch im flaserigen Diabas die Augitformen erfüllte, ist fast gänzlich ver-
schwunden. An ihre Stelle sind Actinolitbnadeln getreten. Die Schieferung
1) Vergl. H. Rosenbusch, Mikroskop. Physiographie d. massig. Gesteine.
2. Aufl., pag. 222 u. £,
33*
251 J. E. Hibsch. [20]
wird vorzugsweise durch die gleiehgerichtete Anordnung der Hornblende-
nadeln hervorgerufen, dann dadurch, dass sich auch die übrigen Gemeng-
theile eylindrischer und körniger Form, Feldspathe und Erzkörner, in
die Schieferungsriehtung einreihen.
Bei Bestimmung der Auslöschungsschiefe in solchen verzwilliugten
Plagioklaskrystallen, welehe zu beiden Seiten der Zwillingsnaht sym-
metrische Werthe zeigten, erhielt man häufig Winkel von 13°. Es ist
demnach vorzugsweise Albit vorhanden. Da derselbe als Neubildung
angesehen werden muss, Actinolith , Chlorit, Caleit und Epidot gleich-
falls seeundären Ursprungs sind, so würden diese Diabasschiefer Gesteine
darstellen, deren Material wohl auf plutonischem Wege geliefert wurde,
deren mineralische Gemengtheile jedoch alle bis auf wenige Reste von
Feldspathen und Erzen lange nach der ursprünglichen Verfestigung des
Gesteines neu gebildet wurden. Die Schiefer stellen jetzt nach ihren
wichtigsten Bestandtheillen Aectinolith-Chlorit-Albitschiefer
dar. Diese Schiefer sind mit dem flaserigen Diabas durch Uebergänge
verbunden. Deshalb ist kein Zweifel zulässig, dass diese Diabas-
schiefer durch metamorphe Processe aus ursprünglichem Diabas hervor-
gegangen sind.
Näher der Nordgrenze des Ganges III wird das Gestein grob-
schieferig. Auf dem Hauptbruche treten kleine, dunkle Knötchen und
langgestreckte Chloritflatschen hervor. Auch Pyritkrystalle sind zahl-
reich eingestreut. Bei der mikroskopischen Untersuchung ergiebt sich,
dass sowohl uralitische wie actinolithische Hornblende verschwunden
sind. Chlorit, Caleit und Quarzkörner sind an Stelle der Hornblende
getreten. Dabei ist die ursprüngliche Structur vollständig verwischt.
Dermalen liegen Plagioklaskrystalle und Quarzkörner regellos in einer
Art Grundmasse,, welehe aus Chloritblättchen, Caleit und aus einer
feinkörnigen Feldspathquarzmosaik besteht. Krystalle von Pyrit und
kleinere Erzkörnchen,, letztere zu Häufchen gruppirt, sind im ganzen
Gestein vertheilt. Die makroskopisch hervortretenden Knötchen bestehen
aus Anhäufungen von Erzkörnchen und Chlorit. Dieser Schiefer wäre
auf Grund seines mineralischen Bestandes Plagioklasechlorit-
schiefer zu nennen.
Aus denselben mineralischen Componenten baut sich auch der
Diabas des Ganges I auf. Auch hier liegen Plagioklase in Form von
Leisten, Körnern oder grösseren Krystallen in einer Grundmasse von
wirr gestellten Chloritblättehen und Caleitkörnern eingebettet. Auch in
diesem Gestein ist die aus Augit hervorgegangene Hornblende voll-
ständig verschwunden. An manchen Stellen des Dünnschliffes ist jedoch
die ursprüngliche divergent-strahlige Diabasstructur in der Anordnung
der automorphen Feldspathleisten gut erkennbar. Erzkörnchen,, Pyrit
und Titaneisen, letzteres zum Theil gebräunt oder in Leukoxen um-
gewandelt, sind recht häufig. Den Titaneisenkörnern sind Anatas-
kryställchen eingebettet.
Dem unbewaffneten Auge erscheint dieser Diabas als ein grau-
grünes, feinkörniges bis dichtes Gestein mit unvolikommen flaserig-
schieferiger Textur. Auf dem Hauptbruche ist matter chloritischer Glanz
bemerkbar. Caleitadern durchsetzen das Gestein. Vom ganzen, etwa
40 Meter mächtigen Diabasgange I ist nur eine kleine Zone in dieser
[21] Die Insel älteren Gebirges und ihre nächste Umgebung im Elbthale etc. 255
flaserig-schieferigen Ausbildung aufgeschlossen, der grösste Theil des
Ganges ist in ein ausgezeichnet dünnschieferiges Gestein von grau-
grüner Färbung umgewandelt, auf dessen Schieferungsflächen bis zoll-
lange Chloritflatschen hervortreten. Namentlich im angewitterten Zustande
des Gesteins sind die dunkelgrünen Chloritblätter sehr auffällig. Bei
mikroskopischer Untersuchung erweist sich dieser Diabasschiefer , wie
die flaserig-schieferige Ausbildung desselben Ganges als ein Plagioklas-
ehloritschiefer. Auch hier sind Plagioklase von recht guter automorpher
Begrenzung eingebettet in eine Art Grandmasse von Chloritblättehen.
Ein Theil der Feldspathe ist wohl secundär entstanden. Denn der
Feldspath weist oft nur geringe Auslöschungsschiefen auf, die Winkel
von 2°, 4°, 6°, 8° und 11° wurden häufig abgelesen. Man hat hier
offenbar neu gebildeten Albit vor sich.
In manchen Lagen dieser Schiefer treten auf dem Hauptbruch
Knoten hervor, theils vereinzelt, theils dicht gedrängt, von Hirsekorn-
grösse bis erbsengross. Dieselben werden hervorgerufen durch conere-
tionäre Ausscheidung von Chaleedon. Die Knoten sind radialfaserig
gebaut, löschen nieht einheitlich aus, sondern zeigen bei gekreuzten
Nieols das bekannte sphärolithische Interferenzkreuz.
Sehr häufig treten Eisenerze, Pyrit und Titaneisen, ferner Caleit
und Epidot in diesen Diabasschiefern auf. Der Epidot bildet Körner
oder auch wohl ausgebildete säulenförmige Krystalle, die sich gern zu
‘ kleinen Krystallgruppen aggregiren.
Schiefer, welche sich aus der Mineraleombination Plagioklas
(Albit), Chlorit, Caleit, Epidot, Titaneisen und Pyrit aufbauen, wären
nicht ohne Weiteres für Abkömmlinge von Diabas zu erkennen. Da
aber diese Schiefer in Gange I schon durch Uebergänge in Verbindung
stehen mit flaserig-schieferigen Gesteinen, welche eine deutliche Diabas-
struetur aufweisen. da ferner im Gange III der Uebergang von ähnlich
zusammengesetzten Schiefern in Diabas mit uralitisirtem Augit sehr
schön verfolgbar ist, so steht wohl fest, dass diese Schiefer alle durch
eontaet- und dynamo-metamorphe Vorgänge aus ursprünglichen Diabasen
hervorgegangen sind und derzeit eine metamorphe Diabasfacies
darstellen. Die Diabasschiefer unseres Gebietes erinnern zum Theil an
Gümbel’s Chloropitschiefer !), zum anderen Theil an dessen Schal-
steinschiefer. 2) Ferner sind ähnliche metamorphe Diabasfacies beschrieben
worden von K. A. Lossen aus der regionalmetamorphen Zone von
Wippra im Südharz ®), aus dem oberen Ruhrthale von Ad. Schenck ‘),
aus dem Taunus von Lossen’) und neuerdings von L. Milch®),
1) C, W. Gümbel, Geognost. Beschreibung des Fichtelgebirges u. s. w. Gotha
1879, pag. 232 u. f.
2) Ibidem, pag. 228 u. f.
») K. A. Lossen, Erläut. zur geol. Specialkarte von Preussen u. s. w. Blatt
Wippra. Berlin 1883. |
*#) Ad.Schenck, Die Diabase des oberen Ruhrthales u. s. w. Verhandl. d. naturh.
Ver. d. preuss. Rheinlande und Westphalens. 1884.
°) K. A. Lossen, Kritische Bemerkungen zur neueren Taunus-Literatur. Zeitschr.
d. deutsch. geol. Gesellsch. 1877, Bd. XXIX, 341-363. — Derselbe, Studien an
metamorphen Eruptiv- und Sedimentgest. u. s. w. I. u. II. Jahrb. d. k. preuss. geol.
Landesanstalt für 1883 und für 1884.
°) L. Milch, Die Diabasschiefer des Taunus. Zeitschr. d. deutsch. geol. Gesellsch.
1890, Bd. XLI, pag. 394 u. f.
256 J. E. Hibsch. [22)
endlich von Lehmann aus dem sächsischen Schiefergebirge.') Die
sehr eingehende Untersuchung der Diabasschiefer aus dem Taunus
von L. Milch liefert namentlich in denjenigen Umwandlungsprodueten,
welche aus „körnigem Diabas“ hervorgingen, treffliche Vergleichs-
objeete mit unseren Diabasgesteinen. Eine völlige, oder auch nur an-
nähernde Uebereinstimmung in der Art der Umwandlung und den
Produeten derselben ist jedoch um so weniger zu erwarten, als sich
bei unseren Diabasge-teinen contact- und dynamometamorphe Einflüsse
geltend gemacht haben. Augitreste sind hier nirgends erhalten, und
Serieit fehlt unseren Diabasgesteinen vollständig.
Gemeinsam ist dem Schiefergebiet des Taunus und der kleinen
Schieferinsel des Elbthales die Erscheinung, dass die Umwandlungen
der Diabase auf ganz kleinem Raume quantitativ und qualitativ ver-
schieden sein können. Flaserdiabas, Actinolith-Plagioklas-
chloritschiefer und Plagioklaschloritscehiefer treten im
Elbthale kaum 1'5 Meter von einander entfernt auf, Achnliehes berichtet
L. Milch aus dem Taunus. ?) Weil sich ferner die Umwandlungen aus
undeutlich flaserigen in schieferige Gesteine in Gang I und Gang Ill
trotz verschiedener Entfernung vom Granititstock in gleicher Weise
wiederholen , so ist die Ausbildung der schieferigen Diabasfaeies auch
in unserem Gebiete nicht als Contactmetamorphose, sondern als Dynamo-
metamorphose anzusehen.
In Verbindung mit dem Diabasgang III treten noch zwei Schiefer-
gesteine auf, deren Zusammenhang mit Diabas nicht durch Uebergänge
direct nachweisbar ist. Das eine ist ein dunkelgraugrüner Schiefer mit
chloritischem Glanze auf dem Hauptbruche. Schon das unbewaffnete
Auge erkennt viele Pyritkrystalle, die reichlich dem Gesteine einge-
streut sind. Das Mikroskop lässt eine ausgesprochen körnig-streifige
Structur erkennen. Streifen von Chloritblättchen wechseln ab mit
Streifen, die aus einer farblosen Mosaik von Quarz- und Feldspath-
körnehen, denen sich sehr reichlieh Caleit zugesellt, gebildet sind.
Erzkörnchen sind sehr häufig vorhanden und verstärken durch reihen-
weise Anordnung die Streifenstructur. Kleine Epidotkörnchen sind
namentlich den Chloritblättehen eingestreut.
Der zweite Schiefer ist grau von Farbe. Auf dem nur schwach
glänzenden Hauptbruche treten dunklere glänzende Flatschen und kleine,
schwarze Körnchen hervor. Das Gestein besteht fast ganz aus Chlorit-
blättehen und Caleitschbuppen. Erze (Pyrit) sind bäufig und gleiehmässig
durch das ganze Gestein verbreitet. Auffallend ist der Reichthum an
kleinen, sehr vollkommen ausgebildeten Octaederchen von Magnetit. ?)
Feldspath und Quarz finden sich als feine Körnehen zwischen den
Chloritblättehen,, sie betheiligen sich nur in untergeordneter Quantität
am Gesteinsaufbau. Die oben erwähnten Flatschen werden durch An-
häufungen von Chloritschuppen gebildet; die dem blossen Auge schwarz
!) J. Lehmann, Unters. über d. Entstehung der altkryst. Schiefergesteine u. s. w.
Bonn 1884.
?) ]. e., besonders aus dem Gebiet von Rauenthal (Blatt Eltville), pag. 397 u. £.,
sowie pag. 403.
®) Magnetitkryställchen werden auch für die Taunusdiabasschiefer als charakte-
stisch angeführt.
N
u a LS u ZZ
[23] Die Insel älteren Gebirges und ihre nächste Umgebung im Elbthale etc. 257
erscheinenden Körnchen hingegen stellen radialfaserige, eoneretionäre
Gebilde dar, aus einer farblosen oder schwach braun gefärbten doppelt-
brechenden Substanz bestehend, die analog den früher beschriebenen
grösseren Coneretionen aus den Diabasschiefern von Gang I wohl auch
als Chaleedon angesprochen werden kann.
Die beiden zuletzt beschriebenen chloritreichen Schiefer finden
sich an der Nordgrenze des Diabasganges Ill; sie stellen möglicher-
weise durch Dynamometamorphose aus Diabastuff hervorgegangene
Gesteine dar.
3. Krystallinischer Kalk.
Der sehr schlecht aufgeschlossene Diabasgang IV am rechten
Ufer erweckt besonderes Interesse. Er ist allerdings nur durch grüne
Schiefer mit grossen Chloritflatschen auf dem Hauptbruche vertreten.
Solche Schiefer stehen unmittelbar bei dem Hause C.-Nr. 6 in Laube
nördlich von Tetschen an, auch finden sich Lesesteine in der näheren
Umgebung genannten Hauses. Die dünnschieferigen Gesteine sind sehr
ähnlich den Diabasschiefern, welche beim Gange I des linken Ufers
auftreten. Besonders hervorgehoben muss jedoch werden, dass sich in
Verbindung mit diesen Schiefern Kalkschiefer und körniger Kalk vor-
finden. Das Auftreten kalkiger Gesteine konnte nur durch Lesesteine
in der nördlichen Umgebung des oben bezeichneten Hauses constatirt
werden, so dass leider über die Form des Vorkommens und über die
Verbindungsart mit den grünen Schiefern nichts Näheres festzustellen
war. Es ist aber immerhin von Wichtigkeit, dass in Verbindung mit
den Diabasschiefern des Elbthales in analoger Weise kalkige Gesteine
auftreten, wie in der Fortsetzung des Elbthalschiefergebietes in Sachsen. !)
Der Kalk tritt entweder in grobkörnigen Blöcken auf oder in
diekschieferigen Lagen. Seine Färbung ist weiss, röthlichgrau oder
dunkelgrau. Die Blöcke sind fast reiner Caleit, dem ganz untergeordnet
Quarz, Pyrit und kohlige Substanz beigemengt sind. Die Caleitkörner
zeigen fast alle Zwillingsstreifung. Dieser Kalk enthält an Carbonaten
75 Procent.
4. Quarzige und granitoide Ausscheidungen in der Umgebung der
Diabasgänge.
In den Thonschiefern, welche die Diabasgänge umgeben, treten
grössere Linsen und kleinere Knauer von Quarz recht häufig auf. Die
grösseren Quarzlinsen erreichen die Mächtigkeit von 1 Meter, die Mehr-
zahl der. Quarzausscheidungen besitzt jedoch geringere Dimensionen,
sie können selbst zu mikroskopisch kleinen Quarzäderchen werden.
Während die Quarzlinsen mit ihrer Längenerstreckung dem Schiefer
in dessen Streichriehtung sich einschalten, stehen die kleinen Quarz-
äderchen senkrecht auf der Schiehtungsebene. Letztere schliessen häufig
Chloritblättchen ein, die sich in helminthisch gekrümmten Gruppen an-
!) Man vergl. H. Mietzsch, ]. e.,, sowie R. Beck, Erläut. z. geol. Special-
karte d. Königr. Sachsen. Section Berggiesshülel, pag. 19 u. f.
258 J. E. Hibsch. [24]
ordnen. Die grösseren Quarzausscheidungen hingegen umschliessen
Fetzen von Thonschiefer. Die Schieferfetzen winden sich um die Quarz-
knauer derart herum, als wären Quarz und Schieferfragmente durch-
einandergeknetet. Der Quarz ist grobkrystallinisch und weiss von Farbe.
In ähnlicher Weise wie Quarz finden sich granitoide Aus-
scheidungen; nur besitzen letztere stets geringere Dimensionen.
Ihre Mächtigkeit geht nieht über einige Centimeter, so dass sie stellen-
weise das Aussehen sehr schmaler Gänge gewinnen. Da sich dieselben
aber nicht auf längere Strecken verfolgen lassen, sondern sich immer
wieder auskeilen, können sie nicht als Gänge angesehen werden. An
manchen Orten gewahrt man in ihnen Hohlräume, in welche ganz
kleine Feldspathkryställchen mit freien Krystallflächen hineinragen.
Dieselben besitzen eine Dichte von 2:62—2'63. Spaltblättchen zeigen
Auslöschungsschiefen von + 16° bis + 18° auf der Fläche M, von
+53 bis + 4° auf P. Deshalb müssen sie für Albit angesehen werden,
trotzdem diese Bestimmung nicht durch eine chemische Untersuchung
gestützt wurde.
Die recht grobkörnigen granitoiden Ausscheidungen lassen schon
das unbewaffnete Auge eine Zusammensetzung aus Quarz und einem
roth gefärbten Feldspath erkennen. Kluftflächen sind mit grünen
Malachitanflügen überzogen. Eine nähere Untersuchung des Feldspathes
liess in ihm einen dem Anorthit nahestehenden Plagioklas (wahrschein-
lich Bytownit) erkennen: Spaltblättchen besitzen auf M eine Aus-
löschungsschiefe von —35°, auf P —32°; die Diehtenbestimmung des
stark zersetzten Feldspathes ergab 2:64. Ausser Quarz und Bytownit
betheiligen sich auf Grund der Ergebnisse der mikroskopischen Unter-
suchung noch ein Chloritmineral, Turmalin, sehr viele Erzkörnchen
(Schwefelmetalle) und untergeordnet Serieithäute am Aufbau dieser
interessanten Ausscheidungen. Das Chloritmineral zeigt deutlichen Pleo-
chroismus: grün und fast wasserhell; bei gekreuzten Nicols treten
dunkelblaue Interferenzfarben auf. Turmalin bildet Prismen, die an einem
Ende blau, am anderen bräunlichgelb gefärbt sind. Die Erzkörner
dürften aus einer Schwefelverbindung des Kupfers bestehen. Eine
qualitative Untersuchung ergab reichliehen Kupfergehalt in diesen grani-
toiden Ausscheidungen.
Wo Thonschiefer und granitoide Ausscheidungen sich berühren,
stellt sich entlang der Thonschieferränder, aber innerhalb des Schiefers,
eine Anreicherung der dunklen Erztheilchen ein. Es kommt auch vor,
dass Thonschieferfetzen in die granitoiden Ausscheidungen hineinragen,
sich allmälig schwanzförmig verschmälern und endlich mit Zurück-
lassung eines dieht gedrängten Schwarmes von Erzkörnchen ganz ver-
schwinden, als wären dieselben eingeschmolzen. Da aber Turmalin und
Schwefelmetalle so häufig vorkommen, scheinen andere Vorgänge, als
ein blosses Einsehmelzen des Thonschiefers, stattgefunden zu haben.
Wahrscheinlich haben heisse Dämpfe den Thonschiefer bis auf die
schwer löslichen Erze zerstört, aus den hiedurch entstandenen Lösungen
schieden sich zuletzt die genannten Minerale aus. Man kann hiebei an
pneumatolytische Processe im Sinne von W. C. Brögger') denken.
') W. €. Brögger, Pegmatitische Gänge u. s. w. Zeitschr. f. Krystallo-
graphie u.s. w. XVI. Band. 1890.
[25] Die Insel älteren Gebirges und ihre nächste Umgebung im Elbthale ete. 259
Quarzlinsen und die letztbeschriebenen Ausscheidungen halten in ihrem
Auftreten die gleiche Richtung des Streichens ein wie der Thhonschiefer
und die Diabasgänge. Man wird auch deshalb ihre Entstehung unge-
zwungen mit dem Ausbruch der Diabase in Verbindung bringen können.
III. Der Granitit.
Der Thonschiefer des Elbthales setzt nördlich von Rässeln am
rechten, und nördlich vom Tschirtenbache am linken Ufer scharf an
einem Granititstock ab, welcher durch die Erosion der Elbe auf eine
Entfernung von etwa 1!/, Kilometer blossgelegt worden ist. Die wahre
Form dieses Granititvorkommens kann nicht ermittelt werden, da von
seinen Grenzen nur die gegen den Thonschiefer auf sehr kurze Strecke
im Elbthale zugänglich ist, während er sonst rings von Quadersand-
stein überdeckt wird. Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass der
Granitit von dieser Stelle des Elbthales unter der Quaderbedeekung
im Zusammenhang steht mit den nördlich und östlich unter dem Quader
auftauchenden Granititen der Lausitz und des Elbthalgebirges in Sachsen.
Die petrographische Uebereinstimmung der Granitite von den genannten
Localitäten ist eine so allgemeine, dass diese Anschauung gerechtfertigt
erscheint. Hierauf wurde schon von G. Laube!) hingewiesen. Bereits auf
pag. 243 [9] ist erwähnt worden, dass der Granititstock auf dem rechten
Ufer eine grössere Ausdehnung nach Süden zu haben scheint, als am
linken Ufer. Desgleichen erhebt sich derselbe am rechten Ufer zu be-
deutenderen Höhen, bis nahe 220 Meter Meereshöhe, während er auf
dem linken blos zu 190 Meter emporsteigt. Die Oberfläche des Granitit-
stockes senkt sich allmälig von Süden nach Norden, das Südende be-
findet sich bei 220 Meter, sein Nordende nördlich des Studenbaches
taucht unter den Elbspiegel bei 120 Meter. Auf eine Strecke von
1800 Meter Länge senkt er sich um 90 Meter. Die Gesammtausdehnung
am linken Ufer beträgt 1600 Meter, am rechten hingegen 1800 Meter;
dazu kommen noch vier südliche Apophysen von je 20 Meter bis
55 Meter Mächtigkeit.
Die Granititapophysen besitzen im Allgemeinen dieselbe Richtung
des Streichens wie der Thonschiefer: Ostwest.
Der Granititstock ist von früheren Beobachtern in übereinstimmen-
der Weise geschildert worden. B. Cotta beschreibt ihn in „Erläute-
rungen zu der geognost. Karte des Königreichs Sachsen“ u. s. w.,
4. Heft, Seet. VII?) als „sehr normal aus Quarz, Glimmer und Feld-
spath zusammengesetzt“. Dem scharfen Auge dieses Beobachters ent-
gingen nicht die gneissartigen Formen, welche hier auftreten: „am
linken Thalgehänge geht der Granit gegen Tschirte allmälig in Gneiss
über“. J. Jok&ly, welcher diesen Theil des Elbthales im Jahre 1857
als Geolog d. k. k. geol. Reichsanstalt kartirte, schied auf seiner Karte °)
1) G. Laube, Geologie des böhmischen Erzgebirges. Prag 1887, II. Theil,
pag.5 u. 6.
?) Dresden und Leipzig 1845, pag. 9.
8) Geognost. Karte d. Umgeb. v. Teplitz u. Tetschen. Maassstab 1: 144.000. Wien,
k. k. geol. Reichsanstalt.
Jahrbuch der k. k. geol. Reichsanstalt. 1891. 41. Band. 2. Heft. (J. E. Hibsch.) 34
960 J. E. Hibsch. [26]
sogar mehrere Gneisspartien aus dem Granite aus. Eine ausführliche
Beschreibung des Granitits wurde von ihm in seinen Aufnahmsberichten
ebensowenig wie von der ganzen Schieferinsel gegeben. Joh. Krejei
erwähnt im I. Bande des „Archiv d. naturwiss. Landesdurchforschung
von Böhmen“, Prag 1864, auch im Allgemeinen des Granitstockes im
Elbthale.!) Ausführlicher behandelt G. Laube unseren Granitit in
seinem bereits angeführten Werke?): „Das Gestein besteht aus einem
ziemlich gleichmässigen Gemenge von fleischrothem Orthoklas, ebenso
gefärbtem Plagioklas, rauchgrauem Quarz und Biotit.*“ ... „Es weicht
in seinem Aussehen wesentlich ab von allen im böhmischen Erzgebirge
vorkommenden Gebirgsgraniten, wozu neben dem rothen Feldspath der
Mangel an Kaliglimmer vornehmlich beiträgt. Er stimmt vielmehr mit
den Graniten, welche bei Meissen und auf dem rechten Elbeufer bei
Dresden angetroffen werden, zu welchen er wohl auch gehört.“ ...
„Als eine besonders eigenthümliche Ausbildung muss die vollständig
gneissartige Form, welche das Gestein zwischen Tschirte und dem
Adalbertusfelsen zeigt, bemerkt werden. Hier erscheint der Glimmer
derartig vertheilt, dass man einen glimmerarmen Gneiss vor sich zu
haben glaubt. Nur im Zusammenhange mit dem folgenden typischen
Granite vermag man die Zugehörigkeit dieser Abweichung in der
Structur zu erkennen“; ... „zwischen beiden Formen des Gesteins
schalten sich Uebergänge ein.“
Mineralische Zusammensetzung des Granitits. Am
Aufbau des Granitits betheiligen sich wesentlich Quarz, viel Plagioklas,
weniger Orthoklas und Magnesiaglimmer. Im normalen Zustande des
Gesteins ist nur brauner Magnesiaglimmer vorhanden, ein anderer
Glimmer fehlt. Wo aber der Granitit grösserem Druck ausgesetzt war,
erscheint regelmässig secundär gebildeter Kaliglimmer. Von accesso-
rischen Mineralen wären zu nennen: reichlich auftretender Eisenglanz,
vereinzelt Titaneisen, Apatit in feinen Nadeln und grösseren Krystallen
mit abgerundeten Kanten, hie und da Zirkon, an manchen Orten
Granat, auch Turmalin. Secundär treten ausser dem genannten Kali-
glimmer noch Quarz, Caleit und Dolomit auf. Die beiden letzteren finden
sich in Form von Körnchen oder feinen Trümmern, welche kleinste
Spalten ausfüllen, die überall dort häufig vorhanden sind, wo das Ge-
stein grösserem Gebirgsdruck ausgesetzt war. Das Material für diese
Carbonate stammt aus zersetztem Plagioklas und aus dem Magnesia-
glimmer. Stellenweise braust das Gestein auf bei Behandlung mit
Salzsäure.
Auch der seeundäre Quarz heilt gern kleine Spaltrisse aus und stellt
dadurch den durch mechanische Vorgänge gestörten Zusammenhang
wieder her. Derjenige Quarz, welcher als primärer Gesteinsgemengtheil
auftritt, erscheint in grösseren, einbeitlich aufgebauten Körnern, häufig
aber als ein Haufwerk von Körnchen in verschiedener optischer Orien-
tirung. Oft ist der Quarz getrübt durch Flüssigkeitseinschlüsse, diese zum
Theil mit Libelle, durch Glimmerblättehen und durch Eisenglanzflitterchen.
Vom Quarz eingeschlossene Apatitsäulchen erscheinen regelmässig zer-
stückelt, die einzelnen Prismenscheibehen gegeneinander verschoben.
!) pag. 13.
?) ]. ce. pag. 249, 5, 6.
[127] Die Insel älteren Gebirges und ihre nächste Umgebung im Elbthale ete 261
Unter den Feldspathen tritt der Ortkoklas an Menge zurück gegen-
über dem Plagioklas. Letzterer ist auf Grund seiner optischen Eigen-
schaften und seiner Dichte, die mit 2:65 bestimmt wurde, ein kalk-
reicher Oligoklas. Beide Feldspathe sind im ganz frischen Zustande
von grauer oder weisser Färbung, so dass ein Granitit mit solchen
Feldspathen eine im Ganzen graue Farbe besitzt. Wo aber das Gestein
angewittert ist oder dynamischen Wirkungen ausgesetzt war, erscheinen
die Feldspathe röthlichgrau bis roth gefärbt, und in Folge dessen ge-
winnt auch das ganze Gestein eine röthlichgraue Färbung. Das ist
besonders am Süd- und Nordende des Granititstockes der Fall, während
in der Mitte desselben der Granitit eine frischere graue Färbung auf-
weist. Die secundäre rothe Färbung der Feldspathe scheint von mini-
malen Mengen einer Eisenoxydverbindung herzurühren, deren Bildung
aus primär vorbandener Eisenoxydulsubstanz durch die dynamischen
Vorgänge gefördert wurde. Die bekannte mikroperthitische Verwachsung
verschiedener Feldspathe ist recht häufig. Mehrfach führen die Feld-
spathe secundäre Quarzkörnchen und blätterige Zersetzungsproducte.
Die Zwillingslamellen des Oligoklas sind häufig geknickt und verbogen ;
auch der Orthoklas weist Sprünge auf, die durch secundären Quarz
wieder verleimt sind.
Der Biotit tritt im Granit ausser in wohlausgebildeten Krystallen
auch in langgezogenen Fetzen auf von brauner, seltener grüner Farbe.
Einschlüsse sind nicht allzubäufig; hervorzuheben wären solche von
Rutilnadeln, welche dem Glimmer in drei, unter Winkeln von 60° sich
schneidenden Systemen eingebettet sind.!) In Schnitten parallel zur
Basis der Glimmerblättehen kommt diese Erscheinung besonders schön
zur Geltung. Auch Apatit tritt als Einschluss im Biotit auf. Kaliglimmer
findet sich in der Form von Serieit regelmässig in der später zu be-
schreibenden Gmeissfacies des Granitits. Die feinschuppigen Serieit-
aggregate bilden allda grobe Flasern, welche Quarzfeldspathmosaik so
umgeben, als wäre dieselbe von Serieit umflossen.
Strucetur. Das Gestein im Granititstock besass ursprünglich
durchgehends eine gleichmässig körnige Structur, die sich auch bis auf
die später anzuführenden Fälle erhalten hat. Die Korngrösse ist eine
mittlere zu nennen. Nur an einem Orte, etwa 300 Meter nördlich von
der Südgrenze des Stockes am rechten Ufer, wird die Structur etwas
porphyrartig, indem aus einem kleinkörnigeren Gemenge der consti-
tuirenden Minerale grössere Feldspath- und Biotitkrystalle hervortreten.
Eine abweichende Ausbildung an der Grenze des Granitits gegen den
Thonschiefer ist bis auf die Ausscheidung grösserer und wohl um-
grenzter Feldspathkrystalle im Granitit entlang des Contactes kaum
wahrzunehmen. Es scheint demnach der Contact mit dem Thonschiefer
auf den Granitit keinen wesentlich structurändernden Einfluss genommen
zu haben. Ebensowenig ist zu beachten, dass im Granitit am Schiefer-
contact irgendwie Glas vorhanden wäre, auch nicht in den Granitit-
quarzen. Unser Gestein verhält sich in dieser Beziehung wie die
Granitite von Barrandlau und Hochwald in Berührung mit dem Steiger
1) Vergl.H.Rosenbusch, Mikrosk. Phys. d. Mineral. 2. Aufl., 1885, pag. 483
und 484,
34*
962 J. E. Hibsch. [28]
Schiefer. ‘) Der Granitit der schon erwähnten Apophysen weicht in
seiner Struetur nicht merklich ab von der Structur des Stockes.
Gneissfacies des Granitits. ?)
An mebreren Stellen im Granititstock hat das Gestein durch
grösseren Gebirgsdruck eine Kataklasstructur erhalten mit Entwieklung
einer ausgesprochenen Flaserung. Das Auftreten solch gneissartiger
Gesteinsausbildung hat J. Jok&ly veranlasst, auf seiner oben ange-
führten Karte geradezu Gneiss auf beiden Ufern der Elbe, rechtsseitig
sogar an zwei verschiedenen Stellen, zu verzeichnen. G. Laube stellt
indess schon richtig, dass dieses flaserige Gestein nur eine Gneisfacies
des Granitits darstellt. )
Folgende Punkte des Granititstockes zeigen die Gneissfacies recht
deutlich ausgeprägt: Zunächst am Nordrande des Stockes, am Studen-
bach rechts der Elbe, beim Eisenbahndurchlass nördlich des Adalbertus-
felsens (des „Kutschken“) links der Elbe; ferner am Südende des
Stockes, nördlich von Rasseln, etwa in 200 Meter Höhe in gleicher Ent-
fernung von den beiden Schneussen 44 und 45; auch in der Mitte
des Stockes, links der Elbe, in einer Erstreckung von 100 Meter von
der Schneusse ab nach Süden; dann rechts der Elbe, der vorbin ge-
nannten Stelle gegenüber, in dem kleinen Seitenthälchen, welches
zwischen Schneusse 43 und 44 in das Elbethal mündet; besonders schön
aber an einem Felsen etwa 100 Meter südlich von diesem Thälchen
in 180 Meter Höhe. — Bei der Mehrzahl der hier angeführten Vor-
kommnisse ist die Flaserung des Gesteins so deutlich, dass Streichen
und Fallen dieser Flaserungsrichtung abgelesen werden können : Streichen
allenthalben Ostwest oder ostsüdöstlich 100°; Verflächen mit 60° nach
Norden. Da überall, wo die Gneissfacies auftritt, dieselben Richtungen
im Streichen und Verflächen gefunden wurden, und die Flaserstructur
stellenweise ungemein gneissähnlich sich zeigte, wurde es während der
Feldarbeiten für diese Studien sehr begreiflich, dass Jok&ly zu seinen
Anschauungen betreffend die Gneissnatur dieser flaserigen Ausbildungen
gelangt ist. Das Vorkommen von Thonschiefereinschlüssen im flaserigen
Gestein an der Südgrenze des Granititstockes (Rasseln Nord), ferner
der durch die mikroskopische Untersuchung geführte Nachweis ent-
schiedener Kataklasstructur, endlich die vorhandenen Uebergänge von
der ausgesprochen flaserigen Ausbildung in die granitisch-körnige sprechen
entschieden für die Auffassung dieser Gesteinsausbildung als gneiss-
ähnliche Facies des Granitits.
Weil die Flaserung dieses gneissartigen Granitits an allen Orten
parallel gerichtet ist, so muss die Erscheinung auf einen einheitlichen
Ursprung, auf eine gewaltige, von Süden nach Norden gerichtete Druck-
kraft ursächlich zurückgeführt werden. Die Thonschiefer besitzen im
grossen Ganzen dasselbe Streichen mit gleichfalls nördlichem Einfallen
1) H. Rosenbusch, Die Steiger Schiefer u. ihre Contactbildungen a. d. Grani-
titen von Barrandlau u. Hochwald. Strassburg 1877, pag. 156.
2) Gneissfacies im Sinne von H, Rosenbusch, Phys. d. mass. Gesteine. 2. Aufl.,
pag. 41 u. 42.
®) 1. cc. pag. 6.
u 1 ee en a a
[29] Die Insel älteren Gebirges und ihre nächste Umgebung im Elbthale etc. 263
wie die Gneissfacies des Granitits. Die Aufriehtungz derselben fand
schon vor der Eruption des Granitits statt. Wenn man im Jüngeren Granitit
Wirkungen gleich gerichteter Kräfte auffindet, so mussten «demnach
dieselben Kräfte auch noch in postearbonischer (aber präcretaceischer)
Zeit an der Arbeit bleiben. — Wie in den oben beschriebenen Diabas-
gängen local eine Auswalzung bis zum Diabasschiefer nachweisbar
war, so ist auch innerhalb des Granititstockes die Zertrümmerung und
Flaserung nur an wenigen Orten vor sich gegangen, an denen wohl
irgend eine Prädisposition hiezu vorhanden gewesen ist. Auf gewaltige
stattgefundene Bewegungen weist auch das gangförmige Auftreten einer
1 bis 2 Meter, stellenweise 4 Meter mächtigen Reibungsbreecie mitten
im Granititstocke links der Elbe, nahe dem Südrande des Granitits,
hin. Auch diese Breceie ist mit ihren Grenzflächen gegen den Granitit
nach Ostwesten gerichtet mit saigerem Einfallen.
Eine Reihe anders gerichteter Bewegungen und Verschiebungen
hat Bankungen im Granititstocke und sehr bemerkenswerthe Verwer-
fungen in Aplitgängen hervorgerufen, welche den Granititstock durch-
setzen. Von diesen soll später noch gesprochen werden.
Während das unbewaffnete Auge ausgesprochene Flaserung er-
kennt, tritt bei mikroskopischer Untersuchung der Gneissfacies eine
„Kataklasstruetur“ !) scharf hervor. Quarze sind in langgestreckte,
linsenförmige Körper ausgewalzt, die aus einem Aggregat kleiner, optisch
verschieden orientirter Körner bestehen. Diese Theilkörner greifen mit
verzahnten Nähten ineinander. Ebenso sind die Feldspathe (Plagioklas
und Orthoklas) zertrümmert und wie die Quarze zu linsenförmigen
Aggregaten gestreckt. Dabei wurden die Zwillingslamellen der Pla-
gioklase mannigfach verbogen. Die Feldspathfragmente verkitten sich
untereinander durch Schnüre von secundärem Quarz. Um die linsen-
förmigen Quarz- und Feldspathaggregate schmiegen sich Biotitblättchen
herum. Dadurch wird vorzugsweise die Flaserstructur hervorgerufen.
Die kleinen Glimmerblättchen ordnen sich gern in abgestuften Reihen.
Auch sie zeigen durch Stauchungen der Blättchen den Einfluss mecha-
nischer Wirkungen. Nicht selten sinken ihre Dimensionen zu solcher
Kleinheit herab, dass sie wolkenförmige Haufwerke kleinster Blättehen
und Schüppchen darstellen, ähnlich der Serieitform des Kaliglimmers.
Neben Biotit erscheint lichter Kaliglimmer in zweierlei Formen: er
bildet grössere Blättchen und schuppige Aggregate von Serieit. Er ist
wohl ausschliesslich secundären Ursprunges. Dem dunklen Glimmer
sind sehr häufig kleine Ilmenitkörnchen, zum grossen Theile in Leucoxen
umgewandelt, eingebettet. Mit den dunklen Glimmern sind auch kleine
Körner von Granat vergesellschaftet. In manchen Feldspathen treten
ausserordentlich zarte Sillimanitfasern auf. Durch das ganze Gestein
ist Caleit verbreitet.
Die Dynamometamorphose hat demnach neben der mechanischen
Umformung aller Gemengtheile des ursprünglichen Granitits auch die
Neubildung von Kaliglimmer (und Serieit), Granat und Sillimanit hervor-
1) „Kataklasstructur“ im Sinne von Th. Kjerulf, Grundfjeldprofilet ved Mjösens
sydende (Nyt Mag. f. naturvid. XXIX, 3. Heft, pag. 215—294). Kristiania 1885. Ref.
in N. Jahrb. f. M., G. u. P. 1886, II, 243.
964 J. E. Hibsch, [30]
gerufen. Der sonst in metamorphen Graniten beobachtete Epidot konnte
in unserem Gestein nicht mit Sicherheit erkannt werden.
Auch die Gesteine der südlichsten Granitapophysen weisen eine
sehr ausgesprochene Kataklasstruetur auf, mit Neubildung von Kali-
glimmer.
Chemische Zusammensetzung des Granitits vom
Adalbertusfelsen oder Kutschken:
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BEER u apa, = >50 N2 m Tage Se Ze
Summe . . 9954
Aplitgänge.
Granititstock und Apophysen sind mannigfach durchsetzt von
Aplitgängen. Dieselben besitzen sehr verschiedene Mächtigkeit, von
wenigen Centimetern bis zu einem halben Meter. Ebenso wechselnd ist
auch die Richtung der Gänge, am häufigsten kann man noch ein nord-
westliches Streichen, Nordwest 130° Südost, und ein Fallen nach Nord-
ost mit! 70—75° beobachten. Das Gestein dieser Gänge ist von
fast zuckerkörniger Beschaffenheit. Es besteht aus einem sehr glimmer-
armen Gemenge von Quarz, überwiegend Kalifeldspath und etwas
zurücktretendem Plagioklas. Caleit und Chlorit müssen als secundäre
Minerale genannt werden. Die Continuität der Aplitgänge ist allent-
halben durch Verschiebungen in dem von Aplit durchsetzten Granitit
gestört, wodurch sich entlang der Aplitgänge Verwerfungen zeigen.
Verwerfungen dieser Art sind besonders schön an einem Aplitgange
etwa 150 Meter vom Südrande des Granititstockes rechts der Elbe zu
verfolgen (s. Fig. 1 auf pag. 265 [31]).
Bankung und Verwerfungen im Granititstock.
Wurde schon durch die Kataklasstructur der Gmeissfacies des
Granitits festgestellt, dass der ganze Granititstock grossem Drucke
ausgesetzt gewesen ist, so wird dies auch noch documentirt durch ein
System von Kluftflächen, welche den Granitit in paralleler Richtung
durchsetzen und eine grobe Bankung erzeugen. Die Kluftflächen bleiben
eine Strecke weit aus, treten aber immer von Neuem in der alten
Richtung auf. Häufig ist staubförmiges Rotheisen auf den Klüften aus-
geschieden. Die Kluftflächen streichen nahezu Ostwest, nämlich 100° bis
110° nach Ostsüdost, und verflächen nördlich mit Winkeln von 45°— 50°,
[31] Die Insel älteren Gebirges und ihre nächste Umgebung im Elbthale ete. 965
Da an manchen Orten in den Thonschiefern eine secundäre Schieferung
angedeutet ist, welche zu der beschriebenen Bankung des Granitits
parallel läuft, so ist auf Druckkräfte zu schliessen, welche das ganze
alte Gebirge, Schiefer und Granit beeinflussten. Durch dieselben wurde
demnach einerseits eine Aenderung der Gesteinsstructur hervorgerufen,
das körnige Gestein local zertrimmert und die Trümmer in flaseriger
Anordnung wieder verkittet, andererseits jedoch wurde der Zusammen-
hang im Gestein stellenweise aufgehoben und eine Bankung erzeugt.
Fig. 1.
Aplit- Gang
em Granibil-Stockhnuun Basseln.
Srich r ehtung des Gange Fi So 130 Y Verflächen:NO 503
Rich?ung der Verwertung<hhüfte Sfreichen SO 750°,
Vorflächen SW 20°.
4” 5”
Maassstab für die Höhe und Länge 1:50.
Wie in den meisten Fällen, wenn in älterem Gebirge die Wir-
kungen von Druckkräften, gewöhnlich mit „Gebirgsdruck“ bezeichnet,
auftreten, so ist man auch hier nicht im Stande, diese bestimmt erkannten
Wirkungen auf sichere Ursachen zurückzuführen. Es muss unentschieden
gelassen werden, welche Druckwirkung in unserem Falle dem Gewicht
der einst über dem „Tiefengestein“ lastenden Massen zuzuschreiben,
welche Wirkung den unbekannten , horizontal schiebenden Faltungs-
kräften, und welche einer eventuellen Volumsvermehrung der Silicate
966 J. E. Hibsch. [32]
beim Uebergange aus dem glutflüssigen in den festen Aggregatzustand ?)
zuzuzählen ist. Von anderen eine Volumsvermehrung herbeiführenden
Factoren, als Wasseraufnahme, Oxydation, sonstige chemische Um-
setzungen u. $. w., sei hier ganz abgesehen.
Vorgänge anderer Art haben im Gestein grössere Verschiebungen
veranlasst. Dieselben würden sich der Wahrnehmung entziehen, weil
sie im Granitit selbst gar nicht auffallen, wenn nicht durch sie auch
die Aplitgänge, welche den Granititstock durchsetzen, zerstückelt und
die einzelnen Theile gegeneinander verworfen wären. Besonders ein
grosser Aplitgang, welcher oben auf pag. 264 [30] bereits erwähnt wurde,
zeigt dies sehr schön (Fig. 1). Die Verwerfungsklüfte streichen Südost
140° und fallen Südwest mit Winkeln von 20%. Die Richtung dieser
Klüfte ist von den früher beschriebenen Kluftsystemen verschieden. Im
Ganzen müssen die Verschiebungen im Granititstocke recht bedeutende
sein; man misst auf die kurzen Entfernungen von 4 Meter Vertical-
und ebensoviel Horizontalabstand eine Sprunghöhe von im Ganzen
3 Meter als Summe der Partialsprunghöhen auf den einzelnen Ver-
werfungsklüften. Störungen: dieser Art scheinen ursächlich nicht auf
einen Druck zurückführbar, vielmehr scheinen sie stattgefunden zu haben
als ein Nachsinken in Folge Ausweichens des südlichen Widerlagers,
also im Zusammenhange mit dem tertiären Einbruche, welcher den
südlichen Theil unserer alten Gebirgsinsel so stark in Mitleidenschaft
208. Bemerkenswerth ist es, dass die Riehtungen der beiden Kluft-
systeme im Granititstock, des ersteren nach Norden einfallenden und
des zweiten nach Süden geneigten, auf einander senkrecht stehen.
Neben der erwähnten Zerklüftung bemerkt man im Granititstock
noch die vielen Granititen eigene grosscubische Absonderung.. Bei der
Verwitterung zerfällt unser Granitit in einen zuerst grob-, später fein-
körnigen Grus. Dieser kann sich bei der grossen Steilheit der Thal-
gehänge nur an wenigen Stellen zu grösseren Massen anhäufen.
IV. Die Contactzone am Granititstocke.
Die Thonschiefer unseres Gebietes weisen in der Umgebung des
Granititstockes eontactmetamorphische Phänomene auf. Dieselben sind
am unmittelbaren Contact von Granit und Schiefer am stärksten aus-
geprägt und treten mit der wachsenden Entfernung vom Granititstocke
allmälig zurück. Am linken Ufer reicht die Zone der umgeänderten
Schiefer von der Granitgrenze bis zum nördlichsten Diabasgange; die
zwischen den Diabasgängen vorhandenen Schiefer scheinen vom Granit
aus unbeeinflusst geblieben zu sein, während alle Diabase die schon
oben beschriebene Umwandlung erfahren haben. Während die Zone der
Contaetwirkung im Thonschiefer demnach nur 800 Meter misst, reicht
sie in Bezug auf den Diabas bis zu 1200 Meter Entfernung von der
!) Vergl. Friedr. Nies, Ueber d. Verbalten d. Silicate beim Ueberg. aus dem
glutflüss. in d. festen Aggregatzustand. Progr. z. 70. Jahresfeier d. k. w. landw.
Akad. Hohenheim, Stuttgart 1889; ferner Lang. Dissert. Halle 1873; Hornstein,
Zeitschr. d. deutsch. geol, Gesellsch. 1883, 636.
[33] Die Insel älteren Gebirges und ihre nächste Umgebung im Elbthale etc. 267
Granitgrenze. Auf der rechten Seite der Elbe erstreckt sich die meta-
morphe Schieferzone bis auf 1400 Meter Entfernung von der Südgrenze
des Granitstockes. Innerhalb der Contaetzone des rechten Ufers gewahrt
man als Beginn der Contaetwirkung an der Südgrenze der Zone das
Auftreten kleiner, dunkel gefärbter Flecke auf den Spaltflächen der
grauen Thonschiefer. Weiter gegen den Granitit zu werden die Flecke
deutlicher und grösser. Nur die dünnschieferigen Thonschiefer weisen
solche Flecke auf, die diekbankigen Grauwackenschiefer zeigen gar
keine Veränderung. An mehreren Orten südlich von Rasseln, so im
Elbbett, dann unterhalb des aufgelassenen Schleifsteinbruches, der im
Unterquader angelegt war, südlich von Schneusse 1, bei dieser Schneusse
selbst und a. a. O. ist der Fleckschiefer härter und sondert sich in
rhomboidalen Stücken ab. Diese beiden Eigenschaften gestatten eine
Verwendung dieses Fleckschiefers als „Wetzschiefer“. Bei Rasseln selbst
ist der metamorphe Schiefer leider durch eine Schutthalde von Labiatus-
quader verdeckt. Erst nördlich von diesem Orte tritt wieder Schiefer
zu Tage. Dieser ist jedoch in der Umwandlung viel weiter vorgeschritten:
er stellt einen Knotenschiefer dar. Auch der Knotenschiefer wechsel-
lagert mit Bänken von Grauwackenschiefern, welche Veränderungen
nur in unbedeutender Weise erkennen lassen. Zuletzt, unmittelbar im
Granitcontact, tritt eine schmale Zone von Hornfels auf.
Einfacher gestaltet sich die Contactzone auf der linken Seite der
Elbe. Die erste Contactwirkung im Thonschiefer ist nördlich vom
Diabasgang III zu bemerken. In der Umgebung des Gasthauses („Glöckel-
schenke“) in der Tschirte steht ein grau-violett gefärbter Thonschiefer
an von etwas gröberem Korn, als der normale Thonschiefer besitzt.
Auf den Schieferungsflächen des minder dünnschieferigen Gesteines
zeigen sich kleine, lichte Glimmerschüppchen ; auf den sonstigen Kluft-
flächen ist viel rothes Eisenoxydpulver ausgeschieden. Auch der minera-
lische Bestand weicht von dem des normalen Thonschiefers ab, da zu den
Gemengtheilen des letzteren, nämlich Quarz und Glimmer, noch rothe
Eisenoxydschüppchen und sehr häufig winzige Turmalinprismen treten. Ein
Auftreten von Flecken ist nicht zu bemerken. Näher zum Granitit, aber
nördlich vom Tschirtenbache, steht schwarzgrauer, harter, undeutlich
geschichteter, aber stark zerklüfteter Grauwackenschiefer an, mit welchem
Lagen von „Fleckschiefer“ wechsellagern. Diesem folgt auf eine Ent-
fernung von 20 Meter sofort „Knotenschiefer“. Die folgende Zone und
der unmittelbare Graniteontact sind leider durch eine 150 Meter breite
Schutthalde von Quadersandstein verdeckt.
Fleekschiefer. Vom normalen Thonschiefer unterscheiden sich
die in der äussersten Contactzone auftretenden Fleckschiefer durch
Flecke von dunklerer Färbung und stärkerem Glanz, welche dicht
gesäet auf den Schichtungsflächen erscheinen und sich vom lichter ge-
färbten Thonschiefer scharf abheben. Hervorgerufen sind die Flecke
durch flachgedrückte, längliche Körperchen von etwa 3 Millimeter Länge,
1 Millimeter Breite und der im Vergleich zur Länge ganz geringen
Dicke von 0'1—0'2 Millimeter. Sie sind im dünnschieferigen Thon-
schiefer regellos eingestreut. Wegen ihrer so geringen Dicke kann
man die scheibenförmigen Körperehen nicht gut „Knoten“ nennen. Bei
mikroskopischer Untersuchung heben sich die Körperchen als dunkle,
Jahrbuch der k. k. geol. Reichsanstalt. 1891, 41. Band. 2. Heft. (J.E.Hibsch.) 35
268 J. E. Hibsch. (34)
in die Länge gezogene, elliptisch umgrenzte Flecke von der lichten
Schiefermasse ab. Sie sind ‚nicht durch Anhäufung eines Pigmentes
entstanden, ebensowenig durch Coneretionen von Mineralien des übrigen
Gesteinsgewebes; vielmehr stellen sie gegenüber den übrigen Gesteins-
gemengtheilen im Thonschiefer etwas Fremdes, Neugebildetes dar. Die
Flecke erscheinen als ein Gemenge von lappig umgrenzten Chlorit-
schuppen und Quarzkörnehen. Chloritschuppen besitzen Pleochroismus:
farblos-apfelgrün. Zwischen gekreuzten Nicols entwickeln sie blaue
Interferenzfarben. Schwefelsäure löst sie nur schwer unter Abscheiden
von Kieselgallerte. Vielleicht sind Chlorit und Quarz aus ehemals vor-
handenem Cordierit hervorgegangen.!) Das zwischen diesen scheiben-
förmigen Körperchen vorhandene Gesteinsgewebe besteht aus unver-
änderter Thonschiefermasse: ein innigstes Gemenge von Quarzkörnchen
und Glimmerblättehen, vorwiegend Kaliglimmer, untergeordnet Magnesia-
glimmer; hie und da eingestreute Pyritkryställchen.
Eine Bauschanalyse eines Fleekschiefers („Wetzschiefer“) vom
Promenadenwege unterhalb des aufgelassenen Schleifsteinbruches südlich
von Rasseln lieferte die Resultate V; in II ist die Analyse eines un-
veränderten Thonschiefers vom rechten Elbufer; in I die eines vom
linken Ufer der Elbe wiederholt.
Analyse V Analyse II Analyse I
nn ar 62-94 61'60
A On 0 17-49 20:32
ee eh 8:08 8:03
Re 1:21 1:20
Gr ch Feet 2:54 2:83
Ba a 3:53 2:35
NE ER a 7 1:26 1:43
Di in Be 150 3:46 2-18
Summe . . 9978 10051 99-94
Dichte . . 25 2:68 2:79
Knotenschiefer. Die zweite Stufe contactmetamorpher Um-
wandlung, die sich vom Stadium der Fleckschiefer gut unterscheiden
lässt, wird von Knotenschiefern gebildet. Bei diesen liegen in einer,
im Vergleiche zum Fleckschiefer dunkleren, krystallinischen und grob-
schieferigen Thonschiefermasse schwarzgraue, seidenglänzende Knötchen
und Schmitzen. Die Knoten und dunklen Schmitzen des Knotenschiefers
nördlich der Tschirte am linken Ufer erweisen sich bei der mikrosko-
pischen Untersuchung als linsenförmige oder streifenartige Aggregate
von vorwiegend Serieitschüppehen, die sich im Gegensatze zum ma-
kroskopischen Verbalten als hellere Partien von der dunkleren Grund-
masse abheben. Die Grundmasse, welche in Form von Flasern und
einzelnen Lagen die genannten Aggregate umgiebt, besteht aus einem
Gemenge von Quarzkörnchen, Biotitblättehen und Kaliglimmerschuppen
und -Blättern, dem Pyrit, Eisenglimmer und kurze, dicke Turmalin-
säulchen eingestreut sind. Die im Contact ausgebildeten Biotitblättehen
') Auch E. Hussak hat beobachtet, wie Knoten in einigen Knotenschiefern aus
der Zersetzung eingewachsener Krystalle von Cordierit, Andalusit u, s. w. hervorgegangen
sind. Verhandl. d. naturhistor, Vereines d. Rheinlande u. Westphalens, 1887, XLIV. Bd.
[35] Die Insel älteren Gebirges und ihre nächste Umgebung im Elbthale etc. 269
überwiegen in diesem Gemenge die übrigen Minerale. — Der Knoten-
schiefer, wie er am rechten Elbufer nördlich von Rasseln am Fahrwege
im Walde ansteht, hat eine noch weiter vorgeschrittene krystallinische
Ausbildung erfahren. Auch er besteht aus abwechselnden Lagen, lang-
gestreekten Linsen und Flasern von einem Quarzbiotitgemenge und
Serieitaggregaten mit Cordieritresten. Die letzteren sind unregelmässig
begrenzt, farblos und reich an Einschlüssen. Die biotitreichen Lagen
sind grobkörniger als die feinschuppigen Serieitanhäufungen. Auch hier
sind Turmalinkrystalle in Form kurzer, dieker, im Querschnitt ungleich
sechsseitiger, an den Enden der Hauptachse hemimorph ausgebildeter,
gelbbrauner Säulehen eingestreut, desgleichen Blättehen rothen Eisen-
oxyds. In diesen Knotenschiefern erscheinen fast alle Gemengtheile
in Folge contaetmetamorphen Einflusses neu gebildet: Cordierit, Biotit.
Kaliglimmer, Turmalin und Quarz. Glimmer und Quarz sind bei weitem
grossblätteriger und grobkörniger als im normalen Thonschiefer !) und
ebenso wie die, dem unveränderten Schiefer fremden, eigentlichen
Contactminerale in der bekannten, für die Neubildungen innerhalb der
Contactzonen so charakteristischen Weise als einschlussreiche Krystall-
skelete entwickelt.2) Da vom Chlorit, der in den Fleckschiefern vor-
handen war, in den Knotenschiefern nichts zu sehen ist, so mag wohl
der Magnesiaglimmer hier an dessen Stelle getreten sein. ®) Die Serieit-
anhäufungen sind offenbar an Stelle des Cordierits bei dessen Umänderung
getreten. In dem so häufigen Auftreten von Serieit und in der ge-
streckten Structur des Knotenschiefers sind wohl Beweise zu suchen,
dass die dynamischen Einflüsse, welche im Granitit erkennbar waren,
auch am Knoten- und Fleckschiefer nicht spurlos vorübergegangen sind.
In Folgendem die Bauschanalyse eines Knotenschiefers vom Wald-
wege nördlich von Rasseln.
Analyse VI
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Summe . . 100'29
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Hornfels. Bei weiterer Annäherung an den Granitit folgen Ge-
steine, welche durchaus krystallinisch und entweder gleichmässig fein-
körmig oder ähnlich den Knotenschiefern lagenweise streifig- körnig
entwickelt sind. Beiderlei Ausbildungsweisen müssen als Hornfelse an-
gesprochen werden. Der erstere derselben ist fast schwarz von Farbe.
Er besteht aus Quarzkörnern, Biotitblättern und Sericitaggregaten, mit
!) Vergl.H.Rosenbusch, Die Steiger Schiefer u. s. w., pag. 192.
?) A. Sauer, Erläuterungen zur geol. Specialkarte d. Königreiches Sachsen.
Section Meissen. 1889. — O. Herrmann und E. Weber, Contactmetam. Gesteine d.
westl. Lausitz. N. Jahrb, f. M., G. u. P. 1890, IT, 188.
°) Vergl.H. Rosenbusch, |. c. pag. 192.
35 *
270 J. E. Hibsch. [36]
Resten von Cordieritkrystallen, hie und da ein Apatitkorn. Von
Schiehtung ist jede Spur verschwunden. Dieser Hornfels ist nach
seinem mineralischen Bestande ein Quarzglimmerfels mit unter-
geordnetem Cordierit. Hornfels von dieser Ausbildung tritt besonders
in einer etwa 20 Meter mächtigen Zone in der Umgebung der Granit-
apophyse (Rasseln Nord) auf. Zwischen dieser Apophyse und dem
Granititstocke steht hingegen Hornfels der zweiten Ausbildungsart an.
Dieser nähert sich in der Struetur durch abwechselnd im Gestein vor-
herrschende serieitreiche und biotitreiche Lagen dem oben beschriebenen
Knotenschiefer. Auch dieser zweite Hornfels ist ein Quarzglimmer-
fels mit zurücktretendem Cordierit. Dieser Hornfels enthält Turmalin,
welcher dem ersteren abgeht.
Der gleichmässig körnige Hornfels besitzt dieselbe für eontact-
metamorphe Gesteine so charakteristische Structur, welche von A.Sauer!)
aus dem Contacthofe des Syenits von Meissen als „Maschenstruetur“,
von OÖ.Herrmann und E. Weber?) aus der westlichen Lausitz als
„bienenwabige Structur* beschrieben worden ist. Für dieselbe ist be-
zeichnend die Polyederform der Quarze, die geradflächige, unverzahnte
Verbindung von Quarz und Glimmer. Diese Bienenwabenstruetur geht
dem lagenweise streifigen Hornfels ab.
Beiden Hornfelsformen gemeinsam ist aber die durch den Reichthum
an Einschlüssen bedingte skeletartige Ausbildungsweise aller im Contact
neu gebildeten Minerale: Magnesiaglimmer,, Quarz, Kaliglimmer, Cor-
dierit, ja selbst des Turmalin. Eine Neubildung von Feldspath scheint
im Contact nicht stattgefunden zu haben.
Die eigenthümliche streifig-lagenweise Strucetur mit Serieitquarz-
aggregaten ist wohl nur ein Product der Dynamometamorphose, welcher
dieser Hornfels unterworfen war.
Die chemische Zusammensetzung eines lagenweise streifigen Horn-
felses ist durch Analyse VII gegeben. Zum Vergleiche mit derselben
sind die früher bereits angeführten Analysen von unverändertem Thon-
schiefer I und II, Fleckschiefer V und Knotenschiefer VI hier wiederholt.
Analyse VII
Analyse I Analyse II Streifig. Horn-
Unveränderter Unveränderter Analyse V Aa er fels, nahe der
a a
s linken A ;
Elbufers Ufers Rasseln Süd Rasseln Nord Be Nord
BIO, 50 62:94 291 62:85 6664
4110, 2038 17:49 2235 2043 22:06
Fe,0,.. 8'083 8:08 3:68 8:26 4:32
7 P EEE 16 121 0:58 0:79 180
MON... 2:88 2.54 184 0:93 1:24
On 2:35 353 332 281 2:16
No404 ,.143 1'26 I 2. 1:00
Buldiaaner 218 3:46 398 311 218
Summe . 99:94 100°51 99-78 100'29 10140
Sp. Gew. 2'792 2:68 2.19 2:73 2.18:
') A. Sauer, Erläuterungen zur geol. Specialkarte d. Königreiches Sachsen,
Section Meissen, pag. 56 und 57.
’) 0.Herrmann und E. Weber, Contactmetam, Gesteine d, westl, Lausitz, Neues
Jahrb. f. M., G. u, P. 1890, II, 187.
37] Die Insel älteren Gebirges und ihre nächste Umgebung im Elbthale ete. 271
Grauwackenschiefer im Granititeontact. Die inner-
halb der Contactzone anstehenden Grauwackenschiefer weisen gegen-
über dem Thonschiefer eine minder energisch Umänderung auf. In
den gröber struirten Gesteinen haben Quarze und Feldspathe fast gar
keine Veränderung erfahren, selbst nicht an jenen Orten der Contact-
zone, an denen der Thonschiefer das Umwandlungsstadium der Horn-
felse erreicht hat, zwischen der Granitapophyse und dem Granitstocke
nördlich von Rasseln. Eine Veränderung tritt nur in der Zwischenmasse
zwischen den genannten srösseren Körnern von Quarz und Feldspath
auf. In derselben bilden sich grössere Blätter von Magnesia- und Kali-
glimmer neu. Ja es kann sich die contactmetamorphe Umänderung
bis zur Ausbildung von Cordierit in der Zwischenmasse steigern. Die
charakteristische „Bienenwabenstruetur“ tritt nirgends hervor. Selbst
die skeletartige Ausbildung der neu entstandenen Minerale ist nur theil-
weise eingetreten.- In der äusseren Erscheinung sind die Grauwacken-
schiefer wenig verändert. Sie erscheinen dem blossen Auge von Orten
ausserhalb der Contactzone als dieselben dunkelgrauschwarzen, dem
Schieferhornfels nicht unähnlichen, feinkörnigen Gesteine wie von Stellen,
wo benachbarter Thonschiefer schon in Knotenschiefer oder in Quarz-
glimmerfels umgewandelt wurde.
Schliesslich sei daran erinnert, dass die Contactzone unseres Ge-
bietes nur einen Theil des durch die Arbeiten von Naumann und
Cotta, Mietzsch, Rosenbusch, Beck u. s. w. bekannten Oontact-
gebietes des „Elbthalgebirges“ darstellt und (sowie unser gesammtes
Schiefergebiet) seine Fortsetzung am linken Elbufer in Sachsen findet.
Auch in unserem Gebiete sind durch die Contactmetamor-
phose die innerhalb der Zone der Contactwirkungen vorhandenen Ge-
steine in ungleicher Weise je nach ihrer Metamorpho-
sirungsfähigkeit beeinflusst worden, die Diabase und
Thonschiefer in stärkerem Grade als die Grauwacken-
scehiefer. Auf die Thatsache einer ungleichen Beeinflussung im Con-
tact, bedingt durch das der Contactwirkung unterworfene Material, ist
von Brögger, Barrois u. A. bereits hingewiesen worden. Die
Contaetmetamorphose hat in denvonihrerfassten Thon-
schiefern eine Neubildung der Minerale Quarz, Magnesia-
glimmer, Kaliglimmer, Cordierit, Turmalin und in minder
auffälliger Weise auch der Eisenerze veranlasst. Dadurch wurde ein
fast vollständiges Umkrystallisiren der Gesteinsbe-
standtheile bewirkt, welches schliesslich einesubkrystallinische
Struetur herbeiführte. In den Diabasen wurde innerhalb
der Zone der Contactwirkung die Uralitisirung des Au-
gits hervorgerufen.
V. Die Lamprophyre.
Thonschiefer sowohl, als auch der Granititstock werden von ver-
_ schieden mächtigen Lamprophyrgängen durchsetzt. Am rechten Ufer finden
sich solehe Gänge: 1. Im Thonschiefer über der vierten Granitapophyse,
272 J. E. Hibsch. [38]
von Süden an gezählt; nur in Form stark zersetzter, loser Blöcke be-
kaunt. 2. Nördlich der Riese, welche vom aufgelassenen Schleifstein-
bruch südlich von Schneusse 1 zur Elbe niederführt, setzt im Grau-
wackenschiefer ein &0 Centimeter mächtiger Gang auf mit schmalem,
stark zersetztem,, schieferigem Salband. 3. Im Granititstock , Rasseln
Norden, tritt südlich von Schneusse 44 ein 10 Meter mächtiger Gang
auf, mit südöstlichem Streichen. Am linken Ufer sind nur zwei solcher
Gänge bekannt: 4. Beim Eisenbahndurchlass nördlich der Schneusse 30,
mit südöstliehem Streichen und nordöstlichem Verflächen; auf seiner
Grenzfläche gegen den Granitit ist ein Harnisch ausgebildet. 5. Südlich
am Adalbertusfelsen tritt ein Schwarm von Lamprophyrgängen auf,
welche alle südöstlich streichen, Südost 160° (s. Fig. 2).
Bi, 2:
RUN
y
Lamprophyrgänge (ZL 1-5) im Granititstocke (Gt)
am Adalbertusfelsen.
Die Lamprophyre des Elbthales stellen grauschwarze Gesteine
dar von mittlerem bis feinem Korn. In der Verwitterung sind manche
bereits arg vorgeschritten, so dass ursprüngliche Structur und Zusammen-
setzung nicht überall in gewünschter Schärfe erkannt werden können.
Doch lässt sich mit Sicherheit eonstatiren, dass die Gesteine aller Gänge
derzeit von gleicher Struetur und mineralischer Zusammensetzung sind.
Alle Elbthallamprophyre setzen sich wesentlich aus Hornblende
und Orthoklas zusammen, gehören demnach zu den syenitischen Lampro-
phyren, und zwar zu der Gruppe der „Vogesite“ Rosenbusch’s. !)
Neben Hornblende tritt ein dunkler Glimmer local häufig auf, während
an anderen Stellen der Gänge Glimmer ganz zurücktritt. Augit ist nicht
zu finden. Ausser Orthoklas stellt sich untergeordnet ein Plagioklas ein,
der im Lamprophyrgang des Granititstockes rechts der Elbe allerdings
sehr häufig wird. Im ganzen Gestein finden sich allenthalben feinere
und stärkere Apatitnadeln sehr zahlreich vor. Dieselben sind in manchen
Gängen der Quere nach in einzelne Glieder zerdrückt, die vollständig
auseinander geschoben sein können. Untergeordnet nur treten Magnetit
und Titanit auf. Diesen primären Gemengtheilen stehen Caleit, Quarz
und Epidot als seeundär entstandene gegenüber. Besonders letzterer
!) Mikroskop. Phys. d. mass. Gesteine. II, Auflage, pag. 315.
[39] Die Insel älteren Gebirges und ihre nächste Umgebung im Elbthale ete. 97:
überwuchert in dem Lamprophyrgange südlich von Rasseln alle übrigen
Gemengtheile.
Die Structur der Elbthallamprophyre ist, da eine Wiederholung
in der Krystallisation der einzelnen Gemengtheile nicht eintrat, keine
porphyrische, sondern eine körnige. Soviel bei dem zersetzten Zustande
dieser Gesteine festzustellen ist, haben sich nicht alle ceonstituirenden
Minerale automorph ausgebildet, vielmehr scheint dies nur bei der Horn-
blende der Fall zu sein, während die Feldspathe xenomorph auftreten.
Hornblendekrystalle werden ringsum von breitleistenförmigen und körni-
gen Feldspathen umgeben. Gegen die Grenzflächen zu wird das Gang-
gestein durch ein feineres Korn der Gemengtheile dichter. Ja es tritt
allda eine entschiedene Fluidalstructur parallel zu den Contactflächen
auf. Ausnahmsweise ist ein schieferiges Salband zu beobachten.
In Bezug auf die Ausbildung der einzelnen Gemengtheile mag
Folgendes hervorgehoben werden. Die automorpbe, zu den ältesten Aus-
scheidlingen gehörende Hornblende zeigt prismatische Formen, an denen
im Querschnitte oo ? (110) und o # & (010) gut zu beobachten sind;
die terminale Begrenzung lässt sich in Längsschnitten nicht scharf de-
finiren. Die Färbung der Hornblende ist lederbraun, fleckenweise durch
secundäre Ausbleichung grün oder ganz farblos, letzteres namentlich
an den Prismenenden. Ausbleichung verändert die Auslöschungsschiefe
nicht, welche zu 14°, 15°5°, 17° und bis zu 20° gegen die parallelen
Spaltrisse in Schnitten der Prismenzone gefunden wurde. Eine Zer-
faserung an den Enden der Hornblendeprismen findet unter normalen
« Verhältnissen nicht statt. Nur dort, wo mechanische Einflüsse sich auch
sonst geltend machen, sind die Hornblenden nicht allein an den Enden
aufgefasert, sondern durch die ganze Masse des Krystalls „schilfig“.
Nicht selten erscheinen dann auch die Fasern der schilfigen Hornblende
in ihrer Gesammtheit verbogen, ja selbst geknicekt. Die schilfige Horn-
blende besitzt die bekannte apfelgrüne Färbung. Pleochroismus ist bei
der „compacten* braunen Hornblende deutlich, schwächer bei der
grünen, gar nicht bei der farblosen vorhanden. Hingegen zeigen die
farblosen Stellen der „compaeten“ Hornblende bei gekreuzten Nicols
lebhafte Interferenzfarben. Wo grüne „schilfige“ Hornblende an Stelle
der braunen „compacten“ tritt, wächst dieselbe über den ursprünglichen
Krystallraum hinaus. Q@uerschnitte lassen das gut beobachten: der
früher durch Prismenflächen und Klinopinakoid scharf begrenzte sechs-
seitige Raum weist jetzt unregelmässig abgerundete Contouren auf.
Die prismatische Spaltbarkeit ist erhalten. Mit der Umwandlung scheint
eine chemische Umsetzung vor sich zu gehen, die sich durch reichliche
Ausscheidung des Ca in Form von Carbonat kundgiebt. 1) — Magnesia-
glimmer wechselt in seiner Menge ausserordentlich. Seine Formen sind
xenomorph begrenzte Lappen von verschiedener Grösse. Auch dem
Feldspathe gegenüber, welcher doch zu den letzten Kıystallisations-
produeten gehört, ist der Magnesiaglimmer häufig xenomorph ausge-
bildet: deshalb wird man die grössere Menge des Magnesiaglimmers für
secundär halten müssen. Die Farbe des Glimmers ist braun , seltener
1) Man vergl. Erwin Goller, welcher (N. Jahrb. f. M., G. u. P. Beil.-Bd. VI,
pag. 517 u. 518) in Lamprophyren des Südspessarts noch weitere interessante Horn-
blendezersetzung mittheilt.
274 J. E. Hibsch. [40]
srün. Bei beginnender Zersetzung treten die bekannten, zierlichen
Rutileinschlüsse in der Anordnung auf, dass sie sich mit Winkeln
von 60° kreuzen. Endlich finden sich kleine Glimmerblättchen häufig
neben oder zwischen den schilfigen Hornblendeaggregaten vor. — Feld-
spathe sind schon recht zersetzt, deren Aufbau deshalb nur schwierig
erkennbar. Es ist Orthoklas und ein Plagioklas — wie schon erwähnt
— vorhanden. Beide in Form breiter Leisten, Tafeln und Körner. Bald
überwiegt Orthoklas den Plagioklas, bald ist das Umgekehrte der Fall.
Der häufig bräunlich getrübte Plagioklas ist wegen der geringen Aus-
löschungsschiefe ein dem Oligoklas nahestehender Kalknatronfeldspath. —
Ueberaus häufig tritt in manchen Lamprophyren Epidot in Gestalt von
wohlausgebildeten Krystallen und von Körneraggregaten auf.) Nament-
lich in dem Lamprophyrgang südlich von Rasseln überwuchert derselbe
alle übrigen Gemengtheile. Seine Färbung ist blassbräunlich, der Pleo-
chroismus sehr schwach. Die Krystalle besitzen deutliche Spaltrisse
nach o P (001), diesen geht auch die Auslöschung parallel. Auf Schnitten
in der orthodiagonalen Zone ist häufig der Austritt eines Axenbalkens
bemerkbar. Manche Schnitte, nämlich die parallel zur Symmetrieebene,
zeigen äusserst lebhafte Interferenzfarben.
In manchen Lamprophyren des Elbthales, nicht in allen, tritt
Quarz auf. Dieser ist nicht als „Einschluss“ zu betrachten, da ihm die
abgerundeten Contouren und der bekannte Augitkranz ?) abgehen. Viel-
mehr scheint er secundären Ursprungs zu sein. Er füllt im Gestein-
gewebe Lücken aus, die von den übrigen Gemengtheilen in geradliniger
Begrenzung offen gelassen werden; eingebettet in Caleitaggregate er-
scheint er mit hexagonalen Umrissen. Letzteres ist besonders schön
am Lamprophyr des Adalbertusfelsen zu beobachten. Deshalb ist eine
nachträgliche Einwanderung von Quarz aus dem angrenzenden Granitit
nicht unwahrscheinlich. Der durch den Contact mit dem Lamprophyr
beeinflusste Granitit konnte durch nachträgliche Verwitterung leicht
Lösungen von Kieselsäure liefern, welche Veranlassung von Quarzaus-
scheidung im Lamprophyr gaben. Diese Entstehungsart von Quarz inner-
halb von Lamprophyr entsprieht nicht den diesbezüglichen, auf einer
Hypothese von J. B. Iddings °)fussenden Anschauungen vonB. Goller®),
nach denen dieser Quarz ein Product von einer unter eigenthümlichen
Umständen sich vollziehenden Erstarrungsweise des Gesteinsmagmas
bei Einwirkung überhitzten Wasserdampfes darstellen würde. Diesen
Anschauungen Goller’s über Quarzbildung in den von ihm genannten
Lamprophyren soll hier nicht entgegengetreten werden; es soll nur
1) Auch B. Doos führt reichliches Auftreten von Epidotkörnchen in Lampro-
phyren des Plauen’schen Grundes an. Tschermak’s Miner. u. Petrogr. Mitth. XI,
24, 1889.
®2) R. Pöhlmann, Einschlüsse v. Granit im Lamprophyr (Kersantit) des
Schieferbruches Bärenstein bei Lehesten in Thüringen. N. Jahrb. f. M., G. u. P,
1888, II, pag. 92 u.f. — B. Doos, Die Lamprophyre u. Melaphyre d. Plauen’schen
Grundes. Tschermak’s Min. u. Petrogr. Mittheil. 1889, XI, 62.
®) J. B. Iddings, On the Origin of Primary Quartz in Basalt. Americ, Journ.
of Science. Vol. 36, Septb. 1888.
*) E. Goller, Die Lamprophyrgänge des südl. Vorspessart. N. Jahrb. f. M.,
G.u.P. VT. B.-B. 1889, pag. 560 u. f. Auf pag. 564 auch weitere Literaturangaben über
d, Auftreten von Quarz in Lamprophyren.
[41] Die Insel älteren Gebirges und ihre nächste Umgebung im Elbthale ete, 275
für unsere Lamprophyre die grössere Wahrscheinlichkeit einer seeundären
Einwanderung von Quarz aus dem Nebengestein betont werden.
Contacterscheinungen in den Lamprophyren. Eine
Einwirkung seitens der Lamprophyrgänge auf die durchsetzten Gesteine,
also exomorphe Contactwirkung, ist mit Sicherheit nirgends nachzu-
weisen. Dagegen weisen die Gänge selbst endomorphe Contaeterschei-
nungen auf, die sich jedoch bei den einzelnen Gängen verschiedenartig
äussern. Der Lamprophyrgang südlich von Rasseln, 80 Centimeter mächtig,
grenzt sich gegen den umgebenden Grauwackenschiefer mit einem
äusserst schmalen (3—4 Millimeter), schieferigen Salband ab. Dasselbe
besteht vorzugsweise aus Quarz, welcher durch Brauneisen gefärbt ist, aus
eingestreuten, dunklen Glimmerblättehen und chloritischen Aggregaten.
Bedeutender ist die endomorphe Contaetwirkung bei dem Schwarm von
Lamprophyrgängen am Adalbertusfelsen. Hier weist das Gestein am
Salbande eine feinkörnige bis dichte Modification auf, mit secundär
schieferiger Ausbildung. Das diehte Salband besteht aus vorherrschend
kleinen Blättehen von Magnesiaglimmer und äusserst kleinen Feldspath-
säulchen und -Körnchen. Durch die mehr oder weniger gleich gerich-
teten Glimmerblättehen wird eine Fluidalstructur hervorgerufen. Die
Formen und das Auftreten des Glimmers sprechen dafür, dass dieses
Mineral im Salbande nicht aus Hornblende secundär hervorgegangen
ist, sondern einen ursprünglichen Gesteinsgemengtheil darstellt. Olivin
tritt im Salband nicht auf. Sonst erinnern die endomorphen Contact-
erscheinungen in den Elbthallamprophyren einigermassen an die, welche
von B. Doss in Lamprophyren des Plauen’schen Grundes beobachtet
worden sind. 1) Auch ©. Chelius beschreibt „fast dichte und schwarze“
Salbänder von syenitischen Lamprophyren des Odenwaldes. ?)
VI. Sericitgesteine.
Fast allenthalben, wo grössere dynamische Wirkung in den früher
beschriebenen Gesteinen sich äusserte, trat Serieit in das Gesteinsgewebe
ein. In diesen Fällen war das Vorkommen von Serieit jedoch nur ein
locales. Anders verhält es sich nahe der Südgrenze der Insel älteren
Gebirges: allda finden sich Gesteine vor, in denen der Sericit allgemein
auftritt und einen wesentlichen Gesteinsgemengtheil bildet.
Serieitgesteine mit Serieit ais wesentlichem Gemengtheil kommen
im Elbthale dreierlei Arten vor:
a) Serieitgneiss;
b) flaseriger Quarzsericitschiefer ;
c) stengeliger Quarzsericitschiefer.
a) Sericitgneiss. Dieses Gestein tritt zwischen der südlichsten
Granititapophyse und der Schneusse 4 am rechten Elbufer auf, im
engen Anschluss an den Granitit. Leider ist die unmittelbare Berührung
beider Gesteine nicht aufgeschlossen. Auch die Lagerungsverhältnisse
des Gneisses sind unbekannt. Trotzdem ist es sehr wahrscheinlich, dass
1:6. pagn6h.
2) C. Chelius, Die lamprophyrischen u. granitporph, Ganggesteine im Grundgeb.
d. Spessarts u. Odenwaldes. N. Jahrb. f. M., G. u. P. 1888, II, 75.
Jahrbuch der k.k. geol. Reichsanstalt. 1891. 41. Band. 2. Heft. (J. E.Hibsch.) 36
Tb J. E. Hıbsch. [42]
der Serieitgneiss, wie schon auf pag. 13 ausgesprochen wurde, durch
Dynamometamorphose aus dem Granitit hervorgegangen ist.
Das körnigflaserige Gestein lässt das unbewaffnete Auge graue
Quarzkörner, fleischfarbene Feldspathe und fettglänzende, grünlichgraue
Serieitflatschen erkennen. Letztere schmiegen sieh in vorwiegend gleicher
Riehtung den Quarz- und Feldspathkörnern an, und dadurch wird eine
Art Flaserstructur erzeugt.
Der Quarz erscheint in grösseren Körnern und als feinkörnige
Mosaik. Seine Begrenzung geschieht allenthalben durch verzahnte Ränder.
Dieses, im Vereine mit undulöser Auslöschung, lässt auf Druckwirkung
schliessen. Die grösseren Körmer sind reich an Einschlüssen von
Flüssigkeit und winzigen Blättehen (wahrscheinlich Glimmer). Der
Feldspath erweist sich trotz starker Zersetzung als Albit. Seine Dichte
ist 2:60—2'61. Viele Feldspathkrystalle sind zerdrückt, die einzelnen
Stücke entlang der Spaltungsflächen verschoben, oder die unregelmässigen
Trümmer sind durch Quarzäderchen wieder zusammengeleimt. Kali-
glimmer findet sich selten in grösseren Blättern, deren einzelne Lamellen
geknickt oder verbogen sind, zumeist tritt er in den Schuppenaggregaten
(les Serieits auf. Dessen Dichte beträgt 2:88. Von accessorischen Ge-
mengtheilen fallen zerdrückte Apatitsäulchen auf, deren einzelne Stücke
oft weit von einander geschleift sind. Eisenerze sind als Pyrit und als
Rotheisen vorhanden.
In folgender Analyse VIII ist die Zusammensetzung dieses Ge-
steins gegeben; dieser Analyse ist die Bauschanalyse des Granitits vom
Adalbertusfelsen zum Vergleiche beigedruckt.
Analyse VIII, Analyse VII,
Sericitgneiss südlich der Granitit vom Adalbertus-
ersten Granitapophyse, Felsen,
rechtes Elbufer, Laube Nord linkes Elbufer
Bo. NND Se 68:58
A ar OR 15°67
OLE Lee u RR 2:95
BO A at 2:10
BD ae a 1:17
ee erh 5:01
Ne. 1 re 2:36
Du Oii,Yr sta 1:30
PRO... .\ Mieht bestimmt 040
Summe . . 101'09 99-54
Die chemische Zusammensetzung des mittelst einer Lösung von
Kaliumquecksilberjodid isolirten Serieits ist durch folgende zwei Analysen
(IX und X) gegeben. Die Dichte desselben beträgt 288.
Analyse IX Analyse X
rk en een 4775
Alain. abe 3578
BE Has u u >11
Er. 0:55 0:55
Bun) 02 „2 007 0:25 025
hl 6 este tere 8:58 S:54
Rh euer 0.54 0:54
20 a 4-50
Summe . . 101:50\ 101'00
[43] Die Insel älteren Gebirges und ihre nächste Umgebung im Elbthale ete, 977
b) Flaseriger Quarzsericitschiefer. Südlich vom Sericit-
gneiss, etwa von der Sehneusse 4 ab gegen Süden, finden sich an der
steilen Berglehne Rollsteine eines lichten, grünlichgrauen Quarzserieit-
schiefers. Auf den Kluftflächen ist rothes Eisenoxyd abgeschieden,
auch die Oberfläche der Rollsteine ist durch dasselbe roth gefärbt.
Dieses Gestein, welches dem unbewaffneten Auge fast quarzitisch er-
scheint, besteht aus grösseren Quarzkörnern und kleinkörniger Quarz-
mosaik, welche von Sericitflasern und -Häuten umgeben sind. Hiedurch
wird eine ausgesprochene Flaserstruetur erzeugt. Irgend ein Feldspath
konnte nicht nachgewiesen werden. Von accessorischen Gemengtheilen
sind scharf umgrenzte Zirkonkrystalle hervorzuheben, ferner Pyrit und
Pseudomorphosen von Brauneisen nach letzterem Mineral.
c) Stengeliger Quarzsericitschiefer. Dem vorigen
ähnlich, jedoch durch stengelige Structur unterschieden, ist ein Gestein,
welches über den Granitapophysen II, III und IV (von Süden an ge-
zählt) in der Umgebung der Schneusse 3 auftritt. Besonders schön ist
es aufgeschlossen über der Apophyse II. Es schiebt sieh hier mit einer
Mächtigkeit von 5—10 Meter zwischen den Granitit und den Grau-
wackenschiefer. Man kann ein Streichen des stengeligen Gesteins von
nahezu Ostwesten constatiren. Es ist häufig von Kluftflächen durchsetzt,
die auf der Richtung des Streichens- senkrecht stehen. Alle Kluftflächen
sind reichlich mit rothem Eisenoxyd ausgefüllt. Die Genesis dieses auf-
fallenden Gesteins ist dunkel. Am nächsten liegt die Annahme, es für
einen durch Contactmetamorphose, dann aber auch in hervorragender
Weise durch Dynamometamorphose beeinflussten Grauwackenschiefer zu
halten. Hiefür spricht das Auftreten serieitreicher Partien im Grau-
wackenschiefer, z. B. 200 Meter nördlich von der Granitapophyse IV,
wo gleichfalls bedeutendere mechanische Einwirkung stattgefunden hat.
Die mineralischen Gemengtheile dieses Gesteins sind Quarz und
Serieit. Ersterer ist fast nur in Form kleinkörniger Aggregate vor-
handen, dessen einzelne Körner mit verzahnten Rändern aneinander
stossen. Letzterer bildet die bekannten faserigschuppigen Häute und
Flasern. Feldspath fehlt dem Gestein. Von accessorischen Gemeng-
theilen sind Reste von Titaneisen, umgeben von diekem Leucoxenfilz,
zu nennen; Zirkon ist nicht selten. Im Quarz finden sich häufig Ein-
schlüsse von kleinsten Blättehen und Körnern, die sich gern zu Schnüren
ordnen. Die stengelige Structur des Gesteins wird namentlich durch
die Anordnung der Serieithäute hervorgerufen, indem die spindelförmig
ausgezogenen Quarzaggregate von Serieitflasern umhüllt werden. Durch
das ganze Gestein ist Rutil relativ häufig verbreitet. Er bildet dickere,
prismatische Krystalle mit abgerundeten Enden an der Hauptachse,
während die Prismenzone recht scharfe Begrenzung aufweist: oP (110)
und Po (100). Die Prismenflächen sind deutlich vertical gestreift.
Färbung bräunlichgrau bis farblos. Zum Theil umgewandelt in weissen
Leucoxenfilz, welcher auch im auffallenden Lichte hellweiss erscheint.
Querschnitte liefern im eonvergenten Lichte ein schönes Achsenkreuz.
An dieser Stelle seien kurz die Wirkungen der Dynamo-
metamorphose in unserem Gebiete zusammengefasst. Dieselben
36*
278 J. E. Hibsch. [44]
erstrecken sich aut Umwandlungen einzelner Minerale, Neu-
bildung von Mineralen, endlich Struceturänderungen
im Gestein. Zur Mineralumwandlung durch Dynamometamorphose
scheint zu zählen das „Schilfigwerden“ compacter Hornblende in den
Lamprophyren. Als Mineralneubildung ist anzuführen das Auftreten
von Actinolith und Albit in den Diabasschiefern ; das Auftreten von
Chloritmineralen, soweit dasselbe nicht als Verwitterungserscheinung
aufzufassen ist; vielfach das Vorkommen von Quarz; namentlich aber
das Vorkommen des kleinschuppigen Kaliglimmers, des Serieits. Mit
der von Norden gegen Süden wachsenden Energie der dynamischen
Vorgänge steigert sich der Gehalt an Sericit in den Gesteinen. Als
unter dem Einflusse von dynamischen Vorgängen eingetretene Struetur-
änderungen sind anzusehen die Kataklasstruetur (im Sinne von Kjerulf,
Törnebohm, Eichstädt, Lossen u. A.) an vielen Stellen des
Granitits, die Anordnung der blätterigen und faserigen Gemengtheile in
parallele Richtung, wodurch die Flaserung der Gneissfacies des Granitits,
die Ausbildung der Diabasschiefer, endlich die Entstehung des Serieit-
gneisses hervorgerufen wurden.
VII. Die Kreideformation.
Das Gebiet älteren Gebirges im Elbthale wird allenthalben von
Ablagerungen der oberen Kreideformation bedeckt. Diese letzteren
beherrschen den landschaftlichen Charakter des Elbthales auch dort,
wo die älteren Gesteine mit der grössten Mächtigkeit sich über das
Niveau der Elbe erheben. Die ceretacäischen Quadersandsteine haben
dem Elbthale nördlich von Tetschen wie der ganzen „sächsisch-
böhmischen Schweiz“ das eigenthümliche Gepräge gegeben; daran
ändern die älteren Gesteine fast nichts. Nur das Auge des Eingeweihten
verfolgt an den Buckeln und vorspringenden dunklen Felsmassen entlang
der bewaldeten Thallehnen die Grenzlinien der älteren Gesteine unter
den darüber sich aufthürmenden, nackten Quaderwänden.
Cretaeöische Sedimente überlagern direet und discordant die
älteren Thonschiefer und den Granitit. Eine Einschiebung jurassischer
oder anderer Ablagerungen zwischen Kreidesandsteine und die älteren
Gebirgsglieder ist hier nicht zu beobachten.
Im Gegensatze zu der reichen Gliederung der oberen Kreide-
formation in den benachbarten westlichen und nördlichen Theilen des
sächsisch-böhmischen Quadergebirges zeigt diese Formation im Elbthale
nur eine einfache Entwicklung. Es sind in unserem Gebiete nur Quarz-
sandsteine zu finden; kalkige, mergelige und glaukonitische Gesteine
fehlen. Die Sandsteine gehören dem Cenoman und dem Turon an.
Das Cenoman beginnt mit Conglomeraten und grobkörnigen Sandsteinen,
auf welche feinkörnige Sandsteine folgen, die zur Stufe der Ostrea
carinata zu zählen sind. Vom Turon ist nur die untere Abtheilung.
die Stufe des I/noceramus labiatus, als mittelkörniger Sandstein ent-
wickelt. Diese Gliederung soll dureh folgende Tabelle übersichtlich
dargestellt werden.
[45] Die Insel älteren Gebirges und ihre nächste Umgebung im Elbthale etc. 9279
Gliederung der oberen Kreideformation (des Quadergebirges)
im Elbthale nördlich von Tetschen.
I an Fer a ie er Mächtig- | Benennung |
| keit nach Krejti|
| Turon |
\ (Mittel- jap Stufe bis | Weissen- |
quader | turon , des Inoceramus labiatus; | 150 | berger
| nach ı mittelkörniger Sandstein Meter | Schichten
ıGeinitz) |
Feinkörnige Sandsteine mit
Cenoman Östrea carinata |
Br 40 ıKorytzaner
a 2 Meter | Schichten
Geinitz) Grundconglomerate, |
grobkörnige Sandsteine |
| |
Die unzweifelhaft einst auch über unserem Gebiete vorhandenen
Jüngeren Turonstufen !) sind dureh Denudation abgetragen worden. Die
!) Ueber die Gliederung, über die Petrefakten u. s. w. der Kreideformation in
Böhmen und Sachsen vergleiche man namentlich: A. E. Reuss, Geognostische Skizzen
aus Böhmen. Prag und Teplitz, 1840 bis 1844, I. und II. Bd. — Derselbe, Die Ver-
steinerungen der böhmischen Kreideformation. Stuttgart 1845 bis 1846. — C. F. Nau-
mann und B. Cotta, Erläut. z. geognost. Karte des Königreiches Sachsen und der
angrenzenden Länderabtheilungen. 1848, IV. und V. Heft. — J. Jokely, Allgem. Ueber-
sicht über die Kreideformation im östl. Theile d. Leitmeritzer Kreises. Verhandl. d.k. k.
geol. Reichsanstalt. 1858, pag. 72; ferner 1859, pag. 60. — Derselbe, Quader- und
Plänerablagerungen des Bunzlauer Kreises. Jahrb. d. k. k. geol. Reichsanstalt. 1861 und
1862, XII. Bd., pag. 367. — Aug. v. Gutbier, Geognost. Skizzen aus der sächsischen
Schweiz. Leipzig 1858. — C.M. Paul, Geol. Verhält. d. nördl. Chrudimer und südl.
Königgrätzer Kreises. Jahrb. d. k. k. geol. Reichsanstalt. 1863, XIII. Bd., pag. 452. —
A. Wolf, Ueber d. Gliederung d. Kreideform. in Böhmen. Jahrb. d. k. k. geol. Reichs-
anstalt. 1864, XIV. Bd., pag. 463 und 1865, XV. Bd., pag. 183. — C. W. Gümbel,
Beiträge z. Kenntniss d. Procän- oder Kreideform. im nordwestl. Böhmen. Abhandl. der
königl. bayr. Akad.d. Wiss. II. Cl. 1868, X. Bd., 2. Abth. — U.Schlönbach, Die
Brachiopoden d,. böhm. Kreideform. Jahrb.d.k. k. geol. Reichsanstalt. 1868, X VIII. Bd.,
pag. 139. — Fr. Hochstetter, Durchschnitt durch d. Nordrand d. böhm. Kreideform.
bei Wartenberg u. s. w. Jahrb. d. k. k. geol. Reichsanstalt. 1868, XVIII. Bd., pag. 247.
— J. Krejti, Studien im Gebiete d. böhm. Kreideform. Archiv d. naturw. Landesdurchf.
von Böhmen. Prag 1869. — A. Fritsch, Studien im Gebiete d. böhm. Kreideform.
I. bis IV. Archiv d. naturw. Landesdurchf. von Böhmen. 1869 bis 1890. — H.B.
Geinitz, Elbthalgebirge in Sachsen. Cassel 1871. 4 Bde. — A. Fritsch u. U. Schlön-
bach, Die Cephalopoden d. böhm. Kreideform. Prag 1872.— F. Teller, Rudisten aus
der böhm. Kreideform. Sitzungsber. d. kais. Akad. d. Wiss. Wien 1877. LXXV.Bd. —
0. Novak, Beitrag z. Kenntniss d. Bryozoen d. böhm. Kreideform. Denkschrift d. kais.
Akad.d. Wiss. Wien 1877, XXXVII. Bd. — A.Fritsch, Reptilien und Fische der
böhm. Kreideform. Prag 1878. — G. Laube, Note über das Auftreten von Bakuliten-
schichten in der Umgebung von Teplitz. Verhandl. d. k. k. geol. Reichsanstalt. 1872,
XXI. Bd., pag. 232. — Von demselben Autor im Jahrb.d. k. k. geol. Reichsanstalt,
1864, XIV. Bd., eine Angabe von Petrefakten der Bakulitenschichten von B.-Kamnitz.
280 J. E. Hibsch, [46]
Grösse des Abtrages lässt sich nur annähernd bestimmen. In einem
späteren Abschnitte wird festgestellt, dass seit dem Oligoeän die Kreide-
ablagerungen im Minimum um 175 Meter abgetragen” worden sind.
I. Das Cenoman.
Unmittelbar über dem älteren Gebirge ist durch den Elbeanon
das Cenoman (Unterquader) angeschnitten, welches nun als eine schmale,
ringförmige Zone die älteren Gesteine rings umsäumt. Wenn auch an
manchen Orten durch Gebirgsschutt aus turonem Mittelquader verdeckt,
wird seine Gegenwart bekundet durch den grossen Reiehthum an Quellen,
welche allenthalben den cenomanen Schichten entströmen. Denn den
mittelkörnigen , wasserdurchlässigen Sandsteinen des Turons gegenüber
verhalten sich die feinkörnigen Sandsteine des Cenomans als wasser-
haltende Schichten.
Innerhalb des Cenomans im Elbthale lassen sich folgende Stufen
unterscheiden :
a) Grundconglomerate und versteinerungsleere, grobkörnige Sand-
steine.
5) Feinkörniger Sandstein mit Ostrea carinata Lamk.
Allerorts, wo das Cenoman gut zugänglich, so nördlich vom
Studenbach rechts der Elbe, allwo das Cenoman zum Niveau der Elbe
herabsinkt, dann am linken Ufer oberhalb des Adalbertusfelsen oder
Kutschken, beginnt dasselbe mit Conglomeraten oder grobkörnigen
Sandsteinen. Eine Süsswasserstufe mit Crednerien (Perutzer Schichten
nach Krej@i und Fritsch) fehlt.
Die Conglomerate bestehen aus erbsen- bis nussgrossen, theils
eckigen, theils abgerundeten Quarzen von weisser oder blaugrauer
Färbung und Thonschieferfragmenten mit bald lockerem, bald recht
festem , sandig-thonigem oder eisenschüssigem Bindemittel. Darnach
können sie ein sehr verschiedenartiges Aussehen gewinnen. Die blau-
grauen Quarzkörner der Conglomerate entstammen wohl dem Granitit,
doch lässt sich der Ursprung der bis nussgrossen, weissen und gelben
Quarzkörner nicht gut auf zerstörten Granitit zurückführen, da Quarze
dieser Art und dieser Dimensionen dem heute zugänglichen Granitit
abgehen. Speculationen über die mögliche Herkunft dieser Quarze er-
scheinen noch nicht zeitgemäss. Die Conglomerate und grobkörnigen
Sandsteine bilden Bänke von ein bis zwei, selbst mehreren Metern
Mächtigkeit.
Feinkörnige Sandsteine. Ueber den Bänken der unteren
Cenomanstufe tritt ein feinkörniger Sandstein auf, welcher an den
meisten Orten eine lichte Färbung besitzt. Nur stellenweise, z. B. an
dem kleinen Wassergerinne südlich von Schneusse 42 in etwa 200 Meter
— Derselbe, Geologie d. böhm. Erzgebirges. Prag 1887, pag. 245. — Ph. Pocta,
Beiträge z. Kenntniss d. Spongien d. böhm. Kreideform. I. und II. Bd. Abhandl. d. königl.
böhm. Ges. d. Wiss. 1884, VI. Folge, XII. Bd. — A. Hettner, Gebirgsbau und Ober-
flächengestaltung d. sächs. Schweiz. Stuttgart 1887. — F.Schalch, Erläut. zur geol.
Specialkarte d. Königreiches Sachsen; Sect. Rosenthal-Hoher Schneeberg. Leipzig 1889.
— R. Beck, Erläut. z. geol. Specialkarte d. Königreiches Sachsen ; Sect. Berggiesshübel.
Leipzig 1889.
[47] Die Insel älteren Gebirges und ihre nächste Umgebung im Elbthale etc. 981
Meereshöhe am rechten Ufer, ist er dunkelgrau gefärbt und Glaukonit
führend. Der Sandstein ist ein Quarzsandstein mit thonigem Bindemittel.
Das Elbthal nördlich von Tetschen, mit dem Rosenkamm.
von H.Krone, Dresden.
Nach einer Photogr.
Recht häufig treten lichte Glimmerblättehen auf. An organischen Resten
ist dieser feinkörnige Sandstein relativ reich, wenn auch unser Elbsandstein
282 J. E. Hibsch. [48]
an Petrefaktenreichthum nicht dem bekannten, gleichalterigen Vorkommen
vom Ostende des Dorfes Tissa gleichkommt. Die Art der Erhaltung
der organischen Reste lässt Vieles zu wünschen übrig; es sind fast nur
Steinkerne und Rudimente von solchen zu finden. Das gelegentlich
dieser Studien aufgesammelte Material enthält folgende Arten, deren
Bestimmung durch den Herrn Geheimen Hofrath Dr. H. B. Geinitz
durchgeführt wurde und vielfach nur dessen geübtem Auge möglich war.
Öidaris vesiculosa Goldf.
Serpula sp.
Cardium sp.
Protocardium hillanum Sow.
Arca glabra Park.
Pinna sp.
Avicula sp. (cf. Roxellana d’Orb.)
Pecten elongatus Lam.
Spondylus striatus Sow.
Vola aequicostata Lam.
„ phaseolus Lam.
„ digitalis Röm.
OÖstrea carinata Lam.
> ? hippopodium Nilss.
5 (Exogyra) lateralis Nilss.
Exogyra haliotoidea Sow.
= sigmoidea Rss.
„. columba Lam.
P conica Now.
Rihynchonella compressa Lam.
Mächtigkeit. Die zwischen das ältere Grundgebirge und das
Turon sich einschiebenden Cenomanschichten erlangen im Elbthale
nirgends grössere Mächtigkeit als 30 bis 40 Meter. Davon entfällt der
grössere Theil auf die obere Stufe (25 bis 30 Meter), während auf die
untere Stufe der grobkörnigen Sandsteine 10 bis 15 Meter entfallen.
Die dem Elbthale zunächst gelegenen Gebiete des Unterquaders im
Gefällenbachthale bei Biela nordwestlich von Bodenbach, dann bei
Tissa weisen dieselbe Mächtigkeit auf. Demnach besteht die
Grundlage für das gesammte Quadersandsteingebiet in
seinem südlichen Theile aus einer 30 bis 40 Meter
mächtigen Folge von cenomanen Sandsteinen, welche
vom Erzgebirge bei Schönwald und bei Tissa bis in
das Elbthal nördlich Tetschen reichen, hier wie dort
die Grundgebirge discordant überlagernd.
An den Lehnen des Eibthales bilden namentlich die grobkörnigen
Sandsteine des unteren Cenomans senkrecht abstürzende Felswände,
während die feinkörnigeren Sandsteine des oberen Oenomans zumeist
minder steil abfallen und eine sanft geböschte Stufe entlang der Thal-
lehne darstellen.
Im feinkörnigen Sandstein ist an einer Stelle, Rasseln Süd, ein
Schleifsteinbruch angelegt, der allerdings derzeit nicht mehr im Be-
triebe ist.
[49] Die Insel älteren Gebirges und ihre nächste Umgebung im Elbthale etc. 283
2. Das Turon.
Die cenomanen Sandsteine werden im Elbthale nördlich von
Tetschen von einer bis 150 Meter mächtigen Folge von Quadersand-
steinbänken überlagert, die von recht gleichmässiger petrographischer
Beschaffenheit und mit sehr spärlicher, aber gleichartiger Petrefakten-
führung in paläontologischer Hinsicht eine weitere Gliederung nicht
zulassen. Die mittel- bis feinkörnigen Quarzsandsteine dieser Stufe
besitzen ein thoniges oder eisenschüssiges Bindemittel. Ihre Farbe ist
weiss, gelblichgrau, bräunlichgelb bis dunkelbraun. Von organischen
Resten wurden bis jetzt nur gefunden:
Inoceramus labiatus Schloth.
Exogyra columba Lamk.
Pinna decussata Goldf.
Rollblöcke über dem Unterquader enthielten noch:
Eriphyla (Lucina) lenticeularis Nuss.
Rhynchonella octoplicata Sow.
Lima pseudocardium Reuss.
Von allen ist /noceramus labiatus die verbreitetste Art. Dieselbe
weist diesen Sandsteinen auch ihre Stellung im Turon zu, und zwar als
unterste Stufe desselben. Höhere Turonstufen konnten bis jetzt nicht
von den Labiatusquadern in unserem Theile des Elbthales abgegliedert
werden. Möglicherweise sind jene Sandsteinbänke, welche nördlich des
Tschirtenbachthales, dann am Lachenberg bei Mittelgrund in Höhen
von 400—450 Meter anstehen, als Reste höherer Turonstufen anzu-
sehen. Ein sicheres Urtheil hierüber ist noch nieht fällbar, da es noch
nicht gelang, entscheidende Petrefakten allda aufzufinden.
Lagerungsverhältnisse der Quaderformation.
Die mächtigen Platten des Quadersandsteines folgen in ihrer
Lagerung im Allgemeinen der Oberfläche des liegenden Grundgebirges.
Letztere, die ursprüngliche Auflagerungsfläche der Absätze des von
Nord nach Süd transgredirenden Kreidemeeres, ist eine ziemlich ebene
Abrasionsfläche der aufgeriehteten Thonschiefer und des in diese
Tbonschiefer eingedrungenen Granitit-Lakkolithen gewesen. Die Auf-
lagerungsfläche des Cenomans auf das Grundgebirge steigt gegen das
Erzgebirge zu, also gegen Westen, allmälig an. Während dieselbe im
Liegenden des Cenomans unter dem Rosenkamm im Elbthale nur die
Meereshöhe von 300 Meter erreicht, steigt sie im Liegenden der
Kreideablagerungen bei Tissa, etwa 15°5 Kilometer westsüdwestlich
von genannter Stelle des Elbthales, bis zu 570 Meter. Aber auch vom
Rosenkamme nordwärts senkt sich die Oberfläche des Grundgebirges
Jahrbuch der k.K. geol. Reichsanstalt. 1891. 41. Band. 2. Heft. (J. E. Hibsch.) 37
284 J. E. Hibsch. [50]
im Liegenden der Kreideschichten, und zwar viel rascher als vom Erz-
gebirge gegen das Elbthal. Von 300 Meter Meereshöhe unter dem
Rosenkamme erreicht dieselbe schon 3 Kilometer weiter nördlich beim
Studenbache das Niveau der Elbe in 120 Meter über dem Meeresspiegel.
Da nun die gesammten Kreideschichten des Elbthales in ihrer Lagerung
dieser Oberfläche des Grundgebirges folgen, so besitzen sie im Allge-
meinen vom Rosenkamm ab nach Norden ein flaches, nordöstliches
Einfallen. Südlich vom Rosenkamme ändern sich diese Verhältnisse.
Die nördlichste der Bruchlinien von dem Systeme der tertiären Erz-
gebirgsbruchlinien durchquert südlich des Rosenkammes das Elbthal.
Südlich dieser Linie senkt sich die Oberfläche des eingesunkenen
Grundgebirges sehr rasch, um 180 Meter auf eine Entfernung von
1 Kilometer. In gleicher Weise fallen auch die Kreideschichten in
südlicher oder südwestsüdlicher Riehtung mit Winkeln von 5°, 10°, 15°
bis 25° ein. Die Quadersandsteinplatten sind zwischen den einzelnen
Bruchlinien in Schollen zerbrochen , welche dem einbrechenden Grund-
gebirge passiv nachsanken. (Vergl. das Profil auf Seite 237.)
Auch im Quadergebirge nördlich des Rosenkammes müssen noch
verschiedene Bruchlinien vorhanden sein, längs welcher Einbrüche im
Grundgebirge stattfanden; sonst wäre das Untertauchen des Cenomans
unter die Linie des Elbniveaus nördlich vom Studenbach unverständlich.
Allerdings ist im Quadergebirge selbst bis auf das nördliche und nord-
östliche Verflächen von Dislocationen sehr wenig zu beobachten. Es
scheinen aber die Seitenthäler der Elbe, so das Tschirtenbachthal und
seine Fortsetzung am rechten Ufer östlich von Rasseln, ja das Elbthal
selbst, solehen Bruchlinien im Quadergebirge zu folgen. !)
VIII. Das Schwemmland.
Im engen Elbeaüon finden sich nur jungdiluviale Ablage-
rungen vor: Sand, lehmiger Sand und sandiger Lehm.
Diese Ablagerungen bilden 5 bis 10 Meter mächtige Terrassen von
130—140 Meter Meereshöhe. So namentlich am Eingange in's Tschirten-
thal, bei Rasseln und oberhalb dieses Ortes in Form eines schmalen
Streifens südlieh bis gegen Laube. Sand und Lehm sind bräunlichgelb
gefärbt und glimmerreich. Altdiluviale Ablagerungen fehlen
dem Elbeaüon in unserem Gebiete. ?)
Ausser den genannten Diluvialterrassen sind im Elbthale Allu-
vionen zum Absatz gelangt. Die Thalgehänge sind bedeckt von grossen
Sehutthalden, die vorwiegend aus Blöcken und Verwitterungsdetritus
von Labiatusquader bestehen. Der Flusslauf der Elbe ist beiderseits
von Schotter eingesäumt. Dieser heute noch sich mehrende Elbschotter
besteht aus sehr verschiedenartigem Gesteinsmaterial: alle Gesteine des
böhmischen Mittelgebirges, der Kreideformation in Mittelböhmen , des
1) Vergl. A. Hettnerl.c.
2) Ueber Glacialerscheinungen im Elbsandsteingebiet vergl. E.Mehnert, Inau-
gural-Dissert. Leipzig 1888; ferner derselbe Autor, Entwickelung des Flusssystems der
Elbe vor und nach der Eiszeit. Sitzungsber. d. Isis. Dresden 1888.
[51] Die Insel älteren Gebirges und ihre nächste Umgebung im Elbthale ete. 985
Rothliegenden, des Carbons, des Silurs im Innern Böhmens, des Grund-
gebirges im Böhmerwalde, Riesengebirge, Erzgebirge u. s. w. sind ver-
treten. Gneissvarietäten, Urschiefer, Granite, Sandsteine, Kieselschiefer,
Quarzite, Basalte und Phonolithe liegen in Eintracht, bunt durcheinander-
gemengt, nebeneinander. Ab und zu fällt ein Feuersteinknollen als
Fremdling in dieser Gesellschaft recht auf. Die Dimensionen der
Schotterbestandtheile schwanken von Nuss- bis Eigrösse, dazwischen
findet man kiesige, selbst sandige Ablagerungen je nach der mittleren
Geschwindigkeit der Wasserbewegung an der betreffenden Stelle des
Elblaufes. Die Mächtigkeit der alluvialen Elbschotter steigt an manchen
Orten bis zu 10 Meter. In den tieferen Lagen der Elbschotter finden
sich grössere Blöcke vor, deren Rauminhalt den eines Cubikmeters
erreichen kann. Basaltische und tephritische Gesteine aus dem böhmi-
schen Mittelgebirge haben häufig das Material zu diesen Blöcken geliefert,
doch finden sich auch Blöcke von Quarzit, Granit und anderen Gesteinen,
wenn auch seltener, vor.
An denjenigen Stellen der Thallehnen, die von dem Labiatus-
quaderschutt nicht bedeckt wurden, findet man die Verwitterungsböden
der älteren Gesteine: über dem Granitit vielerorts eine sandig-lehmige
Krume von brauner Färbung, über dem Thonschiefer eine graue
lehmige und über den Serieitgesteinen eine hellrothbraune, lehmige
Krume.
Das Quaderplateau ausserhalb des Elbthales ist in der näheren
Umgebung des Canons mit den Verwitterungsproducten des Sandsteines
bedeckt. Dieselben finden sich jedoch in auffallend geringer Menge vor,
so dass auf relativ raschen Abtrag derselben geschlossen werden kann.
Für die Grösse derjenigen Denudation, welche seit dem Oligoeän bis
heute vor sich gegangen, besitzen wir annähernd einen Massstab in
solchen Sandsteinablagerungen, welche durch Ueberdeckung mit einem
wahrscheinlich oligocänen Basaltgestein vor dem Abtrag geschützt
waren. Die Quadersandsteine sind an vielen Punkten von Basalten
durchbrochen; aber an wenigen Orten ist die ursprüngliche Ueber-
lagerung durch den Basalt in einem Grade erhalten, dass für den Zweck
einer Bestimmung der Abrasionsgrösse ein Anhaltspunkt geboten würde.
So sind z. B. der Basalt vom Raumberge bei Eiland, sowie der im
Dorfe Schneeberg (westlich vom Elbthale) nur Rudimente des einstigen
Auftretens. Auch der Basalt des grossen Zschirnstein ist nicht als
Öberflächenerguss anzusprechen; wegen seines groben Kornes muss er
in der Tiefe erstarrt sein. Hingegen scheint das basaltische Gestein auf
dem Gipfel des Rosenberges den Rest eines Oberflächenergusses zu
bilden. Das Gestein, ein Nephelinbasanit, ist säulenförmig abgesondert
und steht in 570 Meter Meereshöhe an. Der Sandstein ist am Rosen-
berge mit Sicherheit noch in 525 Meter zu beobachten. Wird die
durchschnittliche Höhe des östlich der Elbe gelegenen Sandsteinplateaus,
auf welchem sich der Rosenberg bis zu 620 Meter Meereshöhe erhebt,
mit 350 Meter angenommen, so wäre die Abtragsgrösse vom (?) Oligoecän
‚bis heute auf diesem Quadersandsteinplateau im Minimum : 525—350 =
=175 Meter.
Das normale Verwitterungsproduet des Quadersandsteines ist in
unserem Gebiete ein schwach lehmiger Sand. Derselbe findet sich auf
37%
986 J. E. Hibsch. [52]
dem Quaderplateau auch an allen jenen Stellen, welche keine stärkere
Abweichung von einer horizontalen Ebene besitzen, so dass das Ver-
witterungsproduet auf ursprünglicher Entstehungsstätte liegen bleiben
konnte. An Orten mit etwas grösserer Neigung hat jedoch ein Schlem-
mungsprocess des lehmigen Sandes stattgefunden. Man findet dann fast
reinen Quarzsand in den höheren Lagen und ein lehmartiges Product
in den tieferen Mulden. Letzteres enthält ausser thonigen Bestandtheilen
in grosser Menge feinste, scharfkantige Quarzkörnchen. Material äoli-
scher Herkunft liess sich nicht beobachten. Das genannte, feinkörnige
Schlemmproduet bildet in halbwegs mächtigen Ansammlungen wasser-
haltende Schichten; die flachen Mulden mit solchem Untergrund neigen
zur Versumpfung.
Nachtrag.
Die Arbeiten von W. Salomon „Geologische und petrographische
Studien am Monte Aviölo u. s. w.“ (Zeitschr. d. Deutsch. geolog. Ge-
sellschaft. 1890) und „Ueber einige Einschlüsse metamorpher Gesteine
im Tonalit“ (N. Jahrb. f. Min., Geol. u. Pal., Beil.-Bd. VII, 1891) gingen
mir während des Druckes vorstehender Abhandlung zu. Deshalb konnten
die Beobachtungen dieses Autors über „Contactstructuren“ und über
Umwandlung des Cordierits in Serieit, welche unsere Anschauungen be-
stätigen, im Texte leider nicht mehr berücksichtigt werden.
3] Die Insel älteren Gebirges und ihre nächste Umgebung im Elbthale ete. 987
Inhaltsübersicht.
Seite
BEER ne REN day ne ae ante » ER] 288
Der Elbeaüon. Uebersicht über den geologischen Aufbau der Insel
älteren Gebirges. Das umgebende Kreidegebiet. Zugehörigkeit
zum „Elbthalgebirge“. Geologisches Alter. Literatur. Verhältniss
zum Erzgebirge. Carbonische Faltung. Tertiärer Einbruch. Dis-
locationsmetamorphose. Der Nordrand des tertiären Einbruches.
Häufige Wiederkehr der Bewegungen in unserem Gebiete,
Il. Das Schiefergebiet . [9] 243
1. «) Thonschiefer. Ausdehnung des Schiefervorkommens. Ab-
sonderungsflächen. Wetzschiefer. Lagerungsverhältnisse. Mine»
ralische Zusammensetzung. Chemische Zusammensetzung,
b) Grauwackenschiefer. Klastischer Ursprung desselben, Ver-
wandtschaft mit dichtem Gneiss. Wechsellagerung mit Thon-
schiefern. Mineralische Zusammensetzung. Structur. Chemische
Zusammensetzung.
2. Diabas und Diabasschiefer. Vier Diabasgänge. Uebergang
der Diabase in Diabasschiefer. Mineralischer Bestand. Contact-
und Dynamometamorphose. Uralitisirung des Augits ein Product
der Contactmetamorphose. Actinolith, ein Resultat der Dynamo-
metamorphose. Actinolithchloritalbitschieferr und Plagioklas-
chloritschiefer. Diabasschiefer als metamorphe Diabasfacies.
Vergleich mit Diabasschiefern anderer Gebiete, mit dem Taunus.
3. Krystallinischer Kalk in Verbindung mit Diabasgang IV.
4. Quarzige und granitoide Ausscheidungen in der
Umgebung der Diabasgänge.
EEE EN a er EEE EL RS] 29
Mineralische Zusammensetzung. Structur. Gmneissfacies in Folge
dynamischer Vorgänge. Chemische Zusammensetzung. Aplit-
gänge. Bankung und Verwerfung im Granititstock.
IV. Die Contactzone am Granititstocke . -. . » : 22 2220002. .[32] 266
Ungleiche Ausdehnung der Contactzone auf den beiden Ufern.
Fleckschiefer.Knotenschiefer.Hornfels(Quarzglimmer-
fels mit Cordierit). Chemische Zusammensetzung der Contact-
producte. Grauwackenschiefer im Granititcontact. Zusammen-
fassung der Contactwirkung,
288 J. E. Hibsch. [54]
Seite
EBhNT: ı.. .- - + 00.0 De Tale
Fünf Lamprophyrgänge („Vogesite“) im Thonschiefer und Granitit.
Mineralischer Bestand. Secundäre Bestandtheile. Structur. Sal-
bänder. Auftreten von Quarz, wahrscheinlich aus dem Nachbar-
gestein eingewandert.
VI; Serieitgestelnas.u. En Sl Alena He era TE
a) Sericitgneiss; b) flaseriger Quarzsericitschiefer; c) stengeliger
Quarzsericitschiefer. Mineralische Zusammensetzung. Structur.
Chemische Zusammensetzung des Sericitgneisses; des Sericits.
Zusammenfassung der Wirkungen der Dynamo-
metamorphappriietaliisustzthill © oo neun . (delete
Vi. Die aldearnallen. 7 >. Pte le er ARE
Verbindung mit dem Grundgebirge, directe und discordante Auf-
lagerung. Gliederung der Kreideformation des Elbthales. Literatur.
Das Cenoman. Entwickelung. Petrefakten des Carinatensand-
stein. Mächtigkeite Das Turon. Lagerungsverhältnisse der
Quaderformation.
vi. DasvSchwensiland' sa er erlernte a
Jungdiluvialer Sand und Lehm. Alluvionen. Minimale Grösse der
Abrasion seit dem Oligocän. Verwitterungsproducte,
Beiträge zur Kenntniss der Erzlagerstätte des
Schneebergs bei Mayrn in Südtirol.
Von A. v, Elterlein.
Mit Tafel IV und mehreren Zinkotypien im Texte.
Einleitung.
Wenn man von Sterzing aus das stark besiedelte, belebte Mareither
Thal aufwärts wandert, kommt man ein halbes Stündehen oberhalb
Mayrn in das Thal des Lazzacher Baches, der sich hier in die Mareith
ergiesst. Die nordwestliche Marschrichtung wird jetzt zur südwestlichen
und das breite Thal zur Schlucht, deren von Lawinen kahlgefegte
Flanken jäh zum Bache abstürzen. Der Anfang bleibt indess, Dank der
vorzüglich erhaltenen alten „Erzstrasse*, die sich an dem südlichen Steil-
gehänge aufwärts windet, gemächlich bis dahin, wo man diese unweit
des fiscalischen Unterkunftshauses „Kasten“ verlassen muss. Von hier
ab noch drei Viertelstunden steil aufwärts und man steht nach etwa
achtstündigem Marsche in einer Seehöhe von rund 2500 Meter vor dem
Mundloche eines Stollns, mit dem man zu Förderungszwecken den-
Jenigen Theil des langen vorliegenden Rückens durchfahren hat, der
zwar sein unansehnlichster, am wenigsten charakterisirter, trotzdem
der ganzen Localität den Namen gegeben hat. Dies ist der Schneeberg.
Sein Joch heisst „das Kaindl“, nach ihm der Stolln „Kaindlstolln“.
Tritt man aus seinem westlichen Mundloche heraus, so bietet sich
dem Auge ein eigenartiges Bild dar: Vor uns liegt eine weite Mulde.
Mit der Starrheit der Natur eontrastirt auf das Wohlthuendste das rege
bergmännische Leben, das sich hier entfaltet. Wir sehen einzelne Ge-
bäude, einen belebten Bremsberg, Tagebaue und Halden bis zu unserem
Standpunkte hinan sich über das östliche Gehänge verbreiten, auf dem
westlichen nur Fels und Schnee. Im Muldentiefsten bewegt sich, bald
im Sturze, bald in ruhigem Flusse, ein Bach thalabwärts.
Zwanzig Minuten später haben wir St. Martin?) erreicht, die fis-
ealische Zeche. So heisst officiell eine Gruppe von Gebäulichkeiten, die
') Den Anwohnern ist der Name „St. Martin“ unbekannt; sie nennen die Loca-
lität einfach „der obere Berg“.
Jahrbuch der k. k. geol. Reichsanstalt. 1891. 41. Band. 2. Heft. (A. v. Elterlein.)
290 A. v. Elterlein. [2]
theils Erbauungs- und Restaurationszwecken, theils der Verwaltung und
dem Betriebe, theils endlich der Unterbringung der Leute und Vorräthe
dienen.
Einer Anregung des Herrn Professor Groth folgend, habe ich
mich hier während der Monate Juli und August 1890 sechs Wochen
lang aufgehalten und das Material zusammengebracht, welches, die
Schneeberger Suite der Münchener mineralogischen Staatssammlung er-
gänzend, Anlass wurde zu den nachfolgenden im mineralogiscehen Institute
der Universität zusammengestellten Bemerkungen.
Ich darf zu diesen selbst nicht übergehen, ohne der das Uebliche
weit überragenden Liebenswürdigkeit zu gedenken, mit der meine Be-
strebungen auf dem Schneeberg von den massgebenden Herren unterstützt
wurden. Dem Herrn k. k. Oberbergverwalter und Amtsvorstand Löffler
in Klausen, dem Herm k.k. Bergverwalter Billek in Mayrn, in
Sonderheit aber Herrn k. k. Bergmeister Synek, dem damaligen Be-
triebsleiter, spreche ieh deshalb auch hier meinen ergebensten Dank
aus für ihr Entgegenkommen sowohl als ihren erfahrenen Rath, der
mir freimüthigst zur Verfügung gestellt war und dem ich so viel verdanke.
Auch dem Hutmann- und Aufseherpersonal bin ich zu Danke ver-
pflichtet für viele Details.
Geschichtliches.
Die Geschichte des Schneeberger Bergbaues ist sehr alt. Mancherlei
werthvolle Nachricht über denselben giebt Joseph v. Sperges!), dessen
nach gründlicher Sichtung des ihm zugänglichen bedeutenden Urkunden-
materials veröffentlichtes Buch ein trefflicher Anhalt ist für die Beurtheilung
der ehemaligen Bergwerksverhältnisse seiner Heimat. Als glückliche Er-
gänzung dieses Werkes kann man die Publicationen Moll’s?) betrachten.
Nach Sperges geschieht der erste Spatenstich „auf dem Schnee-
berg hinter Gossensass im Gerichte Sterzingen* in den Sechziger-Jahren
des 15. Jahrhunderts. Ein anschauliches Bild von dem Adel der Lager-
stätte zu geben, erzählen seine Quellen -—- ganz im Geiste ihrer Zeit —
von dem Reichthum und der fürstlichen Lebensführung der Gewerken.
Nachdem sie noch im Jahrhundert ihrer Taufe ihre höchste Blüthe er-
reicht hat — für das Jahr 1486 schon wird eine Belegschaft von
1000 Mann angegeben ’) —, macht die Zeche auf dem Schneeberg von
da ab alle Phasen des übrigen Tiroler Bergbaues mit und kann sich
auch nieht vom Verfalle ausschliessen, den diesem das 17. Jahrhundert
bereitet. Als Ursachen des Niederganges führt Sperges an: Theuerung
der Lebensmittel und daraus resultirende zu hohe Löhne, Holzpreise in
unerschwingliche Höhe getrieben hauptsächlich durch schlechte Wald-
!) Joseph v. Sperges auf Palenz ete., Landmannes in Tyrol, Tyrolische Berg-
werksgeschichte ete. Wien 1765.
2) Jahrbücher der Berg- und Hüttenkunde, herausgegeben von Karl Erenbert
Freyherrn v. Moll. Bd. II, X. Brief, Salzburg 1798. j
») Notice sur quelques-unes des principales mines de !’Etat Autrichien pour
servir a l’explication de la collection des minerais ete,, envoyes ä l’exposition l’uni-
verselle de Paris 1878.
[3] Beiträge zur Kenntniss d. Erzlagerstätte des Schneebergs bei Mayrn etc. 201
wirthschaft — Abforstung ohne Aufeultur —, Abneigung der Einhei-
mischen gegen das (obendrein vielfach zugewanderte) vom Gesetzgeber
so sehr bevorzugte Bergvolk, technisches Unvermögen, die mit der Teufe
wachsenden Schwierigkeiten zu überwinden, Raubbau u. A.
Der Tiroler Bergbau tritt nun in das Stadium der Fristung. Viele
Gruben, die sich sonst frei verbauten oder gar Ausbeute brachten,
werden Zubussegruben oder ganz auflässig. Das Privatcapital zieht sich
immer mehr zurück und nur noch der Staat leiht seine Unterstützung
aus nationalökonomischen Gründen. Dass man indess ernstlich bemüht
gewesen ist, indem man den aus der Lage der Grube entspringenden
Nachtheil des theueren Erztransportes thunlichst zu vermindern suchte,
die Zeche auf dem Schneeberg über Wasser zu halten, beweist eine
von Sperges (1765) aus dem „Schwatzerischen alten Bergbuch“ !)
übernommene Notiz, welche lautet: „Von dem Schneeberg, einem bei
Sterzingen sehr hoch gelegenen Bergwerke, ist noch anzumerken, dass
ein ganzes Gebirge daselbst mit grossen Kosten durchgehauen worden,
wodurch Menschen und Saumrosse von einem Thale in das andere
mitten durch den Berg gehen können.“ Damit ist zweifellos der Kaindl-
stolln gemeint. Da nun Moll?) 1798 schreibt: „Alles Erz von diesem
Bergwerke muss über die Kuppe (das Joch) des Schneeberges durch
Pferde gesäumet ... werden“, so hat man den Stolln verbrechen lassen,
Vielleicht fand man, dass seine Unterhaltungskosten im Hinblick auf
das stets abnehmende Förderquantum zu hohe seien. Jedenfalls waren
sie laufende, während das Säumen nur periodisch — wenn aufbereitetes
Hauwerk in entsprechender Menge vorhanden war — einzutreten brauchte.
Man darf aus diesem Vorgange wohl schliessen, dass entweder Baulust
und Capital nur noch das Nöthigste leisteten oder die Betriebsleitungen
dieser Zeit des Blickes und der Energie ihrer Vorfahren ermangelten.
Nachdem Sperges den ehemaligen Reichthum des Schnee-
berges an „Glaserzt und Bleiglanz“ gerühmt — man fände „sogar die
alten Bergstempel von Silber- und Bleierzte angeschossen*“ —, stellt er
das Werk zu den nur noch Bleierz liefernden. In den „Bleierztschiefern“,
von denen er hier spricht, darf man wohl die Boulangerit führende
Zone, welche die Lagerstätte mit ziemlicher Constanz begleitet (siehe
Capitel Lagerstätte), vermuthen. (Auch das bekannte Bergholz führt er an.)
Um diese Zeit war der Schneeberg schon mit sieben Neuntel im Be-
sitze des Aerars, mit zwei Neuntel war noch die Jenbacher Berg- und
Schmelzwerksgesellschaft betheiligt. ®) Nachdem er in den Jahren 1766/68
10.555 fl. Zubusse verschlungen, zogen sich die Privaten gänzlich zurück.
Die nun rein landesfürstliche Verwaltung fristet den immer mehr zu Grunde
gehenden Bergbau weiter, bis — wohl noch im 18. Jahrhundert — der
Grubenbetrieb ganz aufhört und man sich begnügt die Halden zu kutten
und die so gewonnenen Zeuge im Seemooser und Vierzehn-Nothhelfer-
Pochwerk aufzubereiten. Auch das war bald vorüber und damit ein einst
glänzender Bergbau „in einem Tage zergangen“.
1) Eine Jahrzahl giebt Sperges (pag. 336) nicht an, doch dürfte das Schwatze-
rische Bergbuch noch dem ersten Drittel des 18. Jahrhunderts angehören.
?) Jahrbücher der Berg- und Hüttenkunde etc.
3) Beiträge zur Geschichte der Tirolischen Bergbaue. Von Alois R. Schmidt.
Oe. Z. f.B. u. H. 1883, pag. 94.
Jahrbuch der k. k. geol. Reichsanstalt. 1891. 41. Band. 2. Heft. (A. v. Elterlein.) 38
99 A. v. Elterlein. [4]
Als man etwa 70 Jahre später in Wien die Tiroler Bergbaue
Revue passiren liess, da war es der damalige Referent und Chef des
Staatsbergbaudepartements im Finanzministerium Dr. Otto Freiherr
v. Hingenau'), der „die Vollstreekung des über den Schneeberg schon
gesprochenen Todesurtheils“ verhinderte. Seine Rehabilitation hatte das
Werk einem Gutachten des Kitzbichler Verwalters, späteren Bergraths
K. Sternberger, zu verdanken, dessen sachliche und hoffnungsreiche
Ausführungen in einem ergänzenden Berichte der Herren v. Hingenau
und v. Beust, dem Resultate einer Inspectionsreise vom Sommer 1867,
in so hohem Grade ihre Bestätigung fanden, dass schon 1871 der Be-
trieb unter den günstigsten Auspieien wieder aufgenommen wurde.
Damit beginnt eine neue Aera für die alte Grube: Der Bleiglanz
tritt in den Hintergrund, die Zinkblende, von den Alten zu den Bergen
geworfen, wird Hauptverkaufserz. Grossartige Förderanlagen entstehen:
Der gegen 800 Meter lange Kaindlstolln wird aufgewältigt, und für
moderne Fördergefässe practicabel gemacht, durch sieben Bremsberge 2),
deren bedeutendste der rund 800 Meter lange Vierzehn-Nothhelfer- und
der nur wenig kürzere Lazzacher Bremsberg sind, und ihre Zulaufbahnen
wird Seemoos mit Mayın verbunden, und es entsteht an diesem Orte
eine Aufbereitung, in der durch ein elektromagnetisches Verfahren die
Blende vom Breunerit, im Uebrigen von den sie begleitenden Silicaten
getrennt wird. Auf vortrefflicher Thalstrasse geht das Verkaufserz von da
nach Mareith 3), das es nach Passirung eines achten Bremsberges erreicht.
Von Mareith wieder Fuhrwerkstransport nach dem Bahnhofe Sterzing,
wo es verladen und an verschiedene Hütten abgeführt wird.
All diese grossartigen Anlagen, in der That, wie die Grube,
werth das Ziel bergmännischer Studienreisen zu sein, haben zwar be-
deutende Summen verschlungen, was man aber von ihnen erwartet hat,
haben sie geleistet: Sie haben in Verbindung mit energischem Betriebe
und günstigen Zinkpreisen in verhältnissmässig kurzer Zeit den Schnee-
berg zur Ausbeutegrube gemacht. Wir finden auf ihm heute eine Beleg-
schaft von rund 260 Mann, die vom März bis Ende November theils in
der Grube, theils auf den Scheideplätzen und in der Seemooser Bleiglanz-
aufbereitung, theils endlich auf den Förderanlagen über Tage ihre
Schichten verfahren. Ein Untersuchungsbau im Lazzacher Thal, mit dem
man vermuthlich die Fortsetzung des Hangendganges aufgeschlossen
hat, erwies sich zur Zeit meiner Anwesenheit als hoffnungsvoll, während
die Anbrüche in der Grube constant sehr befriedigend blieben. Ener-
gische Gewältigungsarbeiten in den obersten (Himmelfahrtstolln) und
untersten Teufen (Peterstolln) erschliessen dem modernen Betriebe immer
mehr, was die Alten, deren Baue man vielorts in der Grube bewundern
kann, übrig gelassen haben. Dies ist vor Allem ein Zinkblende-
schatz, wie er sich nirgends sonstwo findet. Möchten seine
Reiehthümer dem Schneeberg treu bleiben bis in die ewige Teufe !
!) Die Erzlagerstätten vom Schneeberg bei Sterzing in Tirol. Von Konstantin
Freiherrn v. Beust mit einleitendem Vorwort vom Redacteur (Dr. Otto Freiherr
v. Hingenau). Oe. Z. f.B. u. H. 1871, pag. 201.
®) Jeder bringt ungefähr 300 Meter ein.
») Eine Bahn von Mareith bis Sterzing ist in Aussicht genommen,
[5] Beiträge zur Kenntniss d. Erzlagerstätte des Schneebergs bei Mayrn etc. 293
Topographisches.
Der Schneebergbach, wie ihn Beust nennt: die Lebensader für
den Schneeberger Bergbau '), ist einer der obersten Zuflüsse des Passeier-
baches, als dessen östlicher Quellenarm er betrachtet werden kann. Er
entspringt in dem am Fusse der südlichen Gipfelwand des Schwarzsee-
spitz eirca 2600 Meter hoch gelegenen Schwarzsee als einer derjenigen
Wasserläufe, welche dem mächtigen Stock des Sonklar-Feuerstein, hier
die Wasserscheide zwischen Inn und Etsch, in südlicher Riehtung ent-
strömend, der Familie der letzteren zugehören. Sein Thal, in boden-
plastischem Sinne isoklinales Diagonalthal, bildet, die Verbindung her-
stellend zwischen dem Kaindl und der Karlscharte 2), in seiner Quer-
richtung also, den Uebergang vom Lazzacher in das Oetzthal, seiner
Längsrichtung nach aber den Südabhang des Schwarzseespitz, von dem
aus dasselbe, die nordöstliche Streichrichtung der Schichtgesteine, denen
es eingegraben, schrägend, in drei Querstufen steil zum Passeier abfällt.
Die oberste Stufe (300 Meter Durchmesser) wird fast ganz vom Schwarzsee
eingenommen, aus dem sich der Bach, den Thalriegel durehbrechend,
fast direet auf die zweite stürzt, deren grösste Ausdehnung (1800 Meter)
mit seinem Rinnsal zusammenfällt. Der morphologische Gesammt-
charakter dieser beiden Abschnitte ist der einer in ihrem Sohlentheile
weiten, nach Süden offenen Mulde, deren Flügel mit zunehmender Höhe
steiler werden und schliesslich jäh aufspringend in scharfen, von hohem
Felsgemäuer gekrönten Rücken oder Spitzen endigen, die im Osten die
Namen Rumer (2560 Meter), Schneeberg (2719 Meter) und Sprinitzer
Wand :) (2897 Meter) tragen, im Norden Moarer (Mayrer) Weisse und
Schwarzseespitz (2992 Meter), im Westen endlich Karl-Weisse und
Gürtelwand genannt werden.
Den Thalriegel, auf den der Bach jetzt stösst, umgeht er im Westen,
um in tief eingeschnittenem Bette und reissendem Strome die dritte
Stufe (400 Meter Durchmesser) zu erreichen, das links von dem Süd-
abstürzen des Rumer und den Steilwiesen der Schönen Alm, rechts von
der Gürtelwand begrenzte Becken des Seemoos, dessen Sohle von einem
Torfmoor bedeckt ist, das zu Werkszwecken abgebaut wird.
Von hier aus erreicht der Bach, nachdem er sich durch einen
engen Einschnitt des hohen aus einzelnen „Köpfen“ aufgebauten letzten
Riegels gezwängt, begleitet im Osten von den Gehängen der Schönen
Alm, die ihm den Schöne Alm-Bach zusendet, und dem Hütterberg, im
Westen den Fuss der Berge der Oberen Gost-Alm und von Saltnuss
bespülend, in enger Rinne nach einer Gesammtstromentwicklung von
6—7 Kilometer rasch die Passeier.
Gegenüber dieser Vereinigung erheben sich die Berge von Raben-
stein, die, allmälig zu dem mächtigen Zuge des hohen First anwachsend,
mit den Sechs SpitzIn und dem weiter östlich gelegenen Hohen und
Kleinen Kreuzspitz den Horizont auch in südlicher Richtung abschliessen.
1) Auch heute gilt dies noch bis zu einem gewissen Grade.
2) Die Karlscharte trennt die Karl-Weissen von der Gürtelwand.
3) Diese drei werden von den Eingesessenen unter dem Namen „das Himmel-
reichgebirg“ zusammengefasst.
38*
294 A. v. Elterlein. [6]
Die für die späteren Betrachtungen vorwiegend in Frage kommenden
Thalabschnitte sind die zweite und dritte Stufe sammt der sie ver-
bindenden Böschung. Auf der zweiten Stufe liegt St. Martin !) mit dem
oberen Scheideplatz im Horizont des jetzt als Hauptförder- und Einfahrts-
stolln für die oberen Teufen benutzten Martinstollns in einer Seehöhe
von 2232 Meter unter 46° 54° nördl. Br. und 11° 12° östl. L. Auf der sich
anschliessenden südlichen Böschung mündet, 122 Meter unter dem
Martinstolln, der Hauptförder- und Einfahrtsstolln für die unteren
Teufen, der Pockleithener. Auf der Seemooser Etage endlich, nicht
ganz 2100 Meter über dem Meere, liegt der untere Scheideplatz mit
einer Bleiglanzaufbereitung.
Geologisches.
Ueber das Alter, respective die Zugehörigkeit der die Schneeberg-
mulde zusammensetzenden Gesteine sind, trotzdem sie wiederholt von Be-
rufenen begangen worden ist, doch sehr differirende geologische Karten
zusammengestellt worden. In der einschlägigen rein mineralogischen Lite-
ratur findet man zwar immer Glimmerschiefer als das Muttergestein der
vom Schneeberg stammenden Mineralien angeführt und auch die ziemlich
zahlreichen Einzelaufsätze ?) (meist technischen Inhalts), die die Lagerstätte
des Schneebergs zum Gegenstand haben, sprechen sich in diesem Sinne
aus, indess die beiden einzig vorhandenen kartographischen Publieationen
weichen so bedeutend von einander ab, dass schon aus diesem Grunde
die erneute Begehung, insonderheit aber die, wenn auch nur eursorische
petrographische Behandlung des in Rede stehenden Geländes, das durch
seine Lagerstätte eine so eminente Bedeutung gewinnt, wünschens-
werth hat erscheinen müssen. Die ältere dieser Publicationen, die „geo-
gnostische Karte von Tirol, herausgegeben vom montanistischen
Verein von Tirol und Vorarlberg, Innsbruck 1851“, giebt als
herrschendes Gestein Glimmerschiefer an, dessen zahlreiche oft sehr
mächtige, jedenfalls sehr charakteristische Einlagerungen sie jedoch,
den Charakter einer ersten, generellen Aufnahme an sich tragend, ausser
dem „krystallinischen Kalk“ nicht verzeichnet.
Die jüngere und bisher meines Wissens nicht überholte Karte aber,
die „geologische Uebersichtskarte der österreichischen Monarchie ete.
von Franz Ritter v. Hauer“ vom Jahre 1867 (Blatt Nr. 5) benützt
zur Wiedergabe der geologischen Verhältnisse auf dem Schneeberg die
Thonschieferfarbe. Angesichts der theils sehr schwierigen, theils un-
möglichen Begehung des zu besprechenden Revieres kann natürlich auch
die von mir ausgearbeitete Skizze ?) nicht den Anspruch unabänderlicher
Genauigkeit erheben, doch finden auf ihr die Haupteomponenten des
!) Mittlerer Barometerstand 571 Millimeter, Seit dem Auflassen des oberen
Rauriser Goldbergbaues ist die Schneeberger Zeche die am höchsten ge-
legene Europas.
2?) Solche findet man in: Verhandl. d. k. k. geol. Reichsanstalt; Oe. Z. f.B. u. H.;
N. J. f.M.,G. u. P.; B.- u. H.-Z2. von Kerl und Wimmer.
’) Ihr liegt die k. k. Generalstabskarte zu Grunde.
[7] Beiträge zur Kenntniss d. Erzlagerstätte des Schneebergs bei Mayrn etc. 295
fraglichen Gebietes in ihren räumlichen Beziehungen, soweit diese zu
übersehen, Berücksichtigung.
An dem geologischen Aufbau der Schneebergmulde betheiligt
sich ausser den Alluvionen, die sich als Schutthalden in besonderer
Mächtigkeit und Ausdehnung den Dolomitkrönungen der Muldenflügel
angehängt haben und im Uebrigen den Bachlauf begleiten, die archä-
ische Gruppe, das Diluvium und die Lagerstätte.
Die erstere ist, wie der herrschende Glimmerschiefer darthut,
durch ihren höheren Horizont vertreten. Mit dem Glimmerschiefer wechsel-
lagern Gneisse, Amphibolite und Quarzite und er geht, indem sich
reichlich Kalk-, dann Magnesiacarbonat einstellt, die nach und nach
die herrschenden Bestandtheile werden und Glimmer, Quarz und Feld-
spath schliesslich ganz verdrängen, in mächtige Einlagerungen von
krystallinischem Dolomit über. Dieses Capitel zerfällt demnach natur-
gemäss in die folgenden Unterabtheilungen :
l. Die archäische Gruppe.
a) Die krystallinischen Schiefer wechsellagernd
mit Gneissen.
b) Einlagerungen.
2. Das Diluvium.
3. Die Lagerstätte.
I. Die archäische Gruppe.
(Profile und Skizze.)
a) Die krystallinischen Schiefer und die Gneisse.
Die archäische Gruppe wird repräsentirt durch eine Schichtenfolge
krystallinischer Sedimente, deren weitüberwiegende Mehrzahl durch ihren
überaus häufigen Wechsel in Mineralbestand und Korngrösse — und
zwar nach Fallen und Streichen — durch die Anordnung ihrer einzelnen
Gemengtheile in Lagen und daraus resultirende Schieferung in oft
dünnste Platten, endlich durch das fast gänzliche Fehlen eines plagio-
klastischen Feldspathes genügend als krystallinische Schiefer
charakterisirt ist.
Das Generalstreichen dieser Schichtgesteine, deren einzelne Vari-
anten in ihrer Mächtigkeit, soweit diese controlirbar, zwischen den
weitesten Grenzen schwanken, verläuft nach h 17 (des 24theiligen
Compass !), also von Südwesten nach Nordosten. Die Schwankungen
hierin sind nicht bedeutend, wohl aber in Bezug auf das Fallen in
südost-nordwestlicher Richtung. Auf dem Ostflügel und in dem Sohlen-
theil der Mulde übersteigt dieses kaum je 40°, bleibt aber oft nicht un-
erheblich hinter dieser Zahl zurück. Je höher man aber auf dem West-
flügel steigt, umsomehr richten sich die Schichten auf, so dass sie in
der Nähe der Dolomiteinlagerung mit 70°—80° einschiessen und direct
am liegenden Salband derselben nahezu auf dem Kopf stehen (Profil 4-2).
Hiezu kommt noch die Erscheinung der transversalen Schieferung an-
nähernd senkrecht zum Streichen, die sich umso deutlicher ausprägt,
') Dieser liegt auch den späteren Angaben des Streichens zu Grunde,
996 A. v. Elterlein, [S]
je näher an jener Dolomitmasse, d.i. dem Scheitel des Gewölbes, die
von ihr ergriffenen Gesteine liegen.
Die Glimmerschiefer, die Hauptrepräsentanten des Urschiefer-
systems, sind kaum je feldspathfrei, meist ist dieser in geringer Menge
vorhanden, vereinzelt aber tritt er in soleher Vielzahl der Individuen
auf, dass er nahezu dem Quarz an Masse gleichkommt, ohne dass indess
der Schiefercharakter verloren ginge und ohne dass als Schlussglied einer
solchen Reihe feldspathführender Schiefer Gneiss erschiene. Dieser tritt
vielmehr gewöhnlich ganz unvermittelt neben fast feldspathfreiem Glimmer-
schiefer auf, assoeirt sich, wo er Hornblende führt, sofort mit Amphi-
bolit und drängt sich zusammen nach der Dolomitmasse der Karl-
Weissen hin. Im Grossen scheint es, als ginge die Anreicherung mit
Feldspath Hand in Hand mit der Abnahme des Museovit und umgekehıt.
Ihrem äusseren Aussehen nach sind die in Rede stehenden Schiefer
theils röthliche, theils ganz dunkle, selten weisse, fast immer aber stark
glänzende Gesteine, die den Eindruck völliger Frische machen. Die
meist vorzüglich entwickelte Lagenstruetur ist der Anlass, dass man oft
nach Belieben eine helle oder dunkle Schieferungsfläche erhalten kann.
Da sich dies auf den Dünnschliff überträgt, der einer Quarzschicht auf-
liegende Glimmer sich überdies zum grossen Theile abschleift und
deshalb zu Gunsten des widerstandsfähigen Quarz immer stark zurück-
tritt, so konnte der Speeification der Handstücke in vielen Fällen nur
der makroskopische Befund zu Grunde gelegt werden.
Die Schieferungsflächen zeigen häufig feine Fältelung des sie be-
dingenden Glimmerbelages und sind meist eben, werden aber doch oft,
wenn der fast nie fehlende Granat grössere Dimensionen annimmt oder
sich linsenförmige, zwischen den Glimmerlagen eingeschaltete Quarz-
partien einstellen, ausgezeichnet knotig. Da hiemit meist die Zunahme
der Dimensionen der Glimmerindividuen zusammenhängt, so resultirt
hieraus ein Blätterigwerden des sonst sehr feinkörnigen Gefüges und
der leichte Zerfall in Folge mechanischer Trennung der Gesteinscom-
ponenten. Solche blätterige Schiefer stehen vor Allem in den höheren
Horizonten an.
Der unter den Gemengtheilen weitaus vorwiegende meist poly-
synthetische Quarz bildet gewöhnlich Aggregate grosser eckiger Körner,
die, nahezu unter Ausschluss dieser Mineralien, zwischen den Feldspath-
oder Glimmerpartien liegen. Viel seltener findet man ihn, neben den
grosskörnigen Aggregaten, in kleinen Körnern, die dann mit den Feld-
spathindividuen unregelmässig verwachsen sind.
Bald sind die häufig undulös auslöschenden Quarzkörmer fast
‚absolut frei von Einschlüssen, bald beherbergen sie in grosser Menge
bandförmig angeordnete, seltener gehäufte, Flüssigkeitseinschlüsse mit
oft flottbeweglichen Libellen, Muscovit- (seltener Biotit-) Blättchen, Erze,
Zirkon und Kohle. Dass die bandförmig angeordneten Flüssigkeitsein-
schlüsse aus einem Individuum in ein anderes fortsetzen, konnte häufig
beobachtet werden, nie aber mit Sicherheit System in dem Verlaufe der
Züge, etwa Parallelismus in einer oder der anderen Richtung. Selten
sind Apatiteinschlüsse, wie denn dieses Material auch als accessorischer
Gemengtheil nur sehr spärlich vertreten ist. Die sonst so häufigen
Trychite scheinen dem Quarz dieser Schiefer vollständig zu fehlen.
[9] Beiträge zur Kenntniss d. Erzlagerstätte des Schneebergs bei Mayrn ete, 297
Sehr häufig findet man den Quarz auch hier für sich allein oder
mit wenig Glimmer vergesellschaftet, in schmitzen- bis trümerförmigen
Gebilden (oft von bedeutenden Dimensionen) den Schieferschiehten eben
so oft eoncordant eingelagert, als sie in allen denkbaren Richtungen
durchsetzend. Da diese Anhäufungen nie an der Schieferung des sie
umlagernden Gestemes theilnehmen, so darf man sie wohl als durch
Lateralsecretion in präexistirenden Rissen oder Spalten entstanden,
mithin als echte Seeundärtrümer betrachten.
Der Muscovit zeigt die Tendenz, in feinsten Schüppehen aufzu-
treten, die in zusammenhängenden Häuten in erster Linie die theilweise
vorzügliche Schieferung der Gesteine bedingen. Grössere Individuen liegen
dann gewöhnlich in diesen Aggregaten, deren Componenten oft so winzig
werden, dass es zur Bildung von damouritartigen Massen kommt, die
dem Gestein fettig sich anfühlende Aussenflächen verleihen.
Der Muscovit ist gewöhnlich farblos, hält auf dem Längsschliff
meist Basislage ein und zeigt längliche Gestalten, an denen Kniekung
und sonstige Deformationen nur selten zu bemerken sind. Ausser diesem
farblosen konnte in einigen Fällen auch ein grünlicher Museovit mit
Sicherheit beobachtet werden.
Der Biotit tritt meist in Mitte des überwiegend vorhandenen
Muscovit in einzelnen Individuen in oft recht gleichmässiger Vertheilung,
eine Art Schuppenstructur bedingend, auf. Oft vereinigen sich diese
einzelnen Blättchen zu mehr oder weniger nach der Streichriehtung ge-
streckten Flasern, in selteneren Fällen aber entstehen aus dieser Ver-
einigung Biotitlagen,, die sich dann , wie dies besonders am Hangend-
schiefer vom Barbara- und Martinhorizont mehrfach zu beobachten ist,
auf oft 2—3 Centimeter verdieken. Diese Anbäufungen sind dann häufig
mit Gröberwerden des Kornes auch der übrigen Gemengtheile verbunden,
zu denen sich in den an den beiden genannten Punkten geschlagenen
Handstücken noch Cordierit gesellt.
Zur völligen Verdrängung des Muscovit durch den Biotit kommt
es nie.
Auch der Biotit liegt in den allermeisten Fällen mit der Basis
parallel der Schieferungsfläche. Er zeigt roth- bis lederbraune oder
(seltener) ölgrüne Farbe, meist grosse Frische — Umwandlung, die
dann stellenweise bis zu völliger Bleichung geführt hat, ist nicht häufig
— starken Pleoehroismus und führt an Einschlüssen ausser den übrigen
Gesteinscomponenten und Erzen Rutil, Zirkon und Staurolith. Insonder-
heit erscheint er oft wie vollgepfropft mit Quarz und, in der Nähe
der Gänge, mit Erzen.
Pleochroitische Höfe sind oft wahrzunehmen. Verwachsungen mit
Museovit, Staurolith und Granat liegen sehr häufig vor. Die Verwachsung
mit dem Museovit ist öfters nach der a-Axe erfolgt, im Uebrigen lässt
sich Gesetzmässigkeit nicht erkennen.
Der Biotit zeigt häufig sehr lückenhaftes Wachsthum, Er-
scheinungen aber, die auf Bewegungsphänomene: zurückgeführt werden
müssten, wie Kniekung und auffallende Zerfaserung der Enden der
Leistehen, sind an frischem Biotit kaum zu beobachten. An umgewan-
deltem, wo sie häufiger, dürften sie zweifellos Zersetzungsresultat sein.
298 A. v. Elterlein. [110]
Ausser dem aus Biotit entstandenen Chlorit findet man dieses
Mineral auch primär, in grösserer Menge in den grobkörmigen Gesteinen
nahe den Salbändern der Gänge.
Der Feldspath ist fast ausschliesslich Orthoklas; Plagio-
klas ist nur in Spuren vorhanden. Nie tritt er makroskopisch wahr-
nehmbar auf, immer nur in mikroskopischen Körnern oder Körneraggre-
gaten. Meist unterscheiden sich die Feldspathindividuen durch bedeutend
geringere Grösse und rundlichere Formen schon im parallelen Lichte
von dem Quarz, der, wie erwähnt, gewöhnlich Aggregate grosser eckiger
Körner bildet. In der Regel ist der Feldspath frisch, selten nur zeigt
er Umwandlungserscheinungen. Meist löscht er, wie der Quarz, undulös
aus. Die Menge der Flüssigkeitseinschlüsse ist geringer als beim Quarz,
im Uebrigen sind seine Einschlüsse die dieses Minerals. Die sehr oft
gänzlich fehlenden Spaltungsrisse, verbunden mit tadelloser Frische, er-
schweren in den Aggregaten kleiner Körner sehr seine Unterscheidung
vom Quarz.
Ausser dem Feldspath ist es in den krystallinischen Schiefern
unter den accessorischen Gemengtheilen vor Allem der Granat, der
das Interesse in Anspruch nimmt. Er fehlt mit ganz vereinzelten Aus-
nahmen keinem der gesammelten Gesteine, ist in ihnen vielmehr in oft
recht beträchtlicher Vielzahl der Individuen und fast durchweg sehr
gleichmässig vertheilt verbreitet. Nur da, wo es zu umfangreicheren
Quarzausscheidungen gekommen ist, findet man auch den Granat in
grösseren derben Partien. Entweder in Körnerform oder als mehr oder
weniger deutliches Dodekaäder auftretend — ausserhalb der Gänge
habe ich ihn nie in anderer Form gesehen — schwankt er in seinen
Dimensionen zwischen Grössen von 12—15 Millimeter und mikroskopi-
scher Kleinheit. Er ist von hellrosa- bis fleischrother Farbe, wird
aber auch einerseits fast blutroth, anderseits (unter dem Mikroskope)
nahezu farblos. Immer ist er völlig isotrop, ebenso oft compact als in
Bruchstücken vorhanden, wobei in der Regel Quarz als Kitt der ein-
zelnen Partikel auftritt. Die nur mikroskopisch wahrnehmbaren , oft
traubenförmig gehäuften Granatindividuen sind häufig ganz frei von
Einschlüssen; mit der Dimension aber wächst die Zahl der Inter-
positionen und wird oft so gross, dass die Granatsubstanz sich nur wie
ein schwaches Geäder zwischen den sie vorzugsweise erfüllenden Quarz-
körnern darstellt. Einzelne Schnüre von Granat liegen oft isolirt zwischen
den übrigen Gemengtheilen oder hängen sich als „pseudopodienähnliche
Fortsätze !)“ an die Conturen compacterer Krystalle. Ausser Quarz um-
schliesst er häufig Feldspath, Rutil, Erze und kohlige Substanz. Letz-
tere häuft sich in den mikroskopischen Individuen gerne centrisch an.
Flüssigkeitseinschlüsse sind ebenso häufig als anscheinend leere, das
heist nicht nachweisbar mit Flüssigkeit erfüllte, längliche Poren, welch
letztere meist in Zügen auftreten, die einer Diagonale des Querschnittes
parallel laufen.
Theilweise Umwandlung in chloritische oder muscovitische Substanz
kann man hie und da beobachten.
Besonders deutlich tritt die Tendenz des Granat, als „Structur-
centrum“ zu fungiren, in einigen staurolithreichen Schiefern von der
') Rosenbusch, Mikroskopische Physiographie ete., pag. 259.
| | | Beiträge zur Kenntniss d, Erzlagerstätte des Schneebergs bei Mayrn etc. 241,
Höhe des Rumer hervor. Vorbehaltlich der Analyse stelle ich den Granat
zum Almandin.
Ausser ihm treten accessorisch noch auf: Staurolith, Rutil,
Cordierit, Turmalin, Apatit, Andalusit, Titanit, Caleit,
Zirkon, Zoisit, opake Erze und kohlige Substanz.
Der Staurolith ist oft in grosser Menge vorhanden, tritt aber
nur äusserst selten auf dem Handstück in grösseren Krystallen hervor. ')
Er bildet meist lange dieke Säulen, die auf dem Dünnschliffe schon
mit blossem Auge wahrgenommen werden können. Sein Hauptver-
breitungsgebiet sind die von kohliger Substanz dunkel gefärbten Schiefer
vom Rumer. Von da ab lässt er sich verfolgen bis in das Bereich
des Hangendganges, auf dem Westflügel der Mulde verschwindet er
fast ganz.
Auch der Rutil ist sehr verbreitet. Er tritt meist in Krystall-
form — Einzelindividuen, Zwillingen und Drillingen — auf, weniger
häufig unregelmässig begrenzt in Körnern. Seine Farbe wechselt zwischen
einem tiefen Honiggelb, Rothbraun und ganz hellem Grünlichbraun.
Feinste Rutilnadeln in zersetztem Biotit sind stellenweise zu beobachten.
Die primären Individuen sind oft von ganz beträchtlicher Grösse.
Der Cordierit tritt in einigen Gesteinen aus der Nähe der
Gänge und vom Westflügel in ziemlicher Verbreitung in leichtgetrübten
Körneraggregaten auf. Zu seiner Bestimmung wurden isolirte Körnchen
(nach Borficky) mit Kieselfluorwasserstoffsäure behandelt.
Der Turmalin tritt in schlanken, fast immer deutlich hemi-
morphen Säulen in einigen Schiefern immer neben Biotit auf.
Den Apatit findet man als körnigen Gemengtheil nur selten, als
mikrolithischer Einschluss ist er häufiger.
Desgleichen besitzt der Andalusit nur ganz geringe Verbreitung.
Man findet ihn entweder in allotriomorphen Partien oder dicken vier-
seitigen Querschnitten mit deutlicher domatischer Spaltbarkeit. Meist
sind diese letzteren, deren Winkel einem Rechten sehr nahe kommen,
in ihrer äusseren Zone in muscovitische Substanz umgewandelt. Der
Andalusit wurde nur in zwei Handstücken beobachtet.
Der Titanit scheint noch spärlicher vertreten. Ausser als Zwilling
nach OP und Einzelkıystall mit den Flächen ?/;, P2 und !/,;, Po habe
ich ihn nicht gefunden.
Calcit kommt in der Glimmerschieferreihe nur in der Nähe
der Salbänder der Gänge vor, dürfte somit neuerer Entstehung sein.
Zirkon ist meist nur als Einschluss, selten zwischen den übrigen
Gemengtheilen vorhanden.
Der Zoisit tritt nur ganz selten in einzelnen länglichen Körnern
und Krystallbruchstücken auf. |
OpakeErze sind, besonders in der Nähe der Gänge, in grosser
Menge vorhanden. Unter ihnen überwiegt der Magnetkies an Menge
alle übrigen. Ihm zunächst steht Arsenkies. Eisenkies ist bedeutend
seltener und Magnetit scheint nur in ganz geringer Menge aufzutreten.
!) Mir hat nur eine dergleichen Stufen vorgelegen, die aber in ziemlicher Menge
10 Centimeter lange und 5 Centimeter dicke Krystalle der gewöhnlichen Form o P.
.o Poo.Poo zeigt, und zwar sowohl in Einzelindividuen als auch als Zwillinge nach
s,Pp®
12 is
_ Jahrbuch der k. k. geol. Reichsanstalt. 1891. 41. Band. 2. Heft. (A. v. Elterlein.) 39
300 A. v. Elterlein. [12]
Hiezu kommt noch secundäres Brauneisen und — in Spuren —
Eisenglanz, letzterer meist als Einschluss im Granat.
Kohlige Substanz ist weit verbreitet und bedingt die schon
erwähnte Dunkelfärbung mancher Gesteine. Durch Glühen der Präparate
konnte sie leicht entfernt werden.
Im Nachfolgenden sollen nun einige Repräsentanten der für das
in Rede stehende Gebiet am meisten charakteristischen Schiefer ein-
gehender beschrieben werden, und zwar von Osten nach Westen, das
ist von dem Liegendsten nach dem Hangendsten fortschreitend.
Auf höchster Höhe des Rumerkammes steht zunächst ein
Feldspath und Granat führender Muscovitbiotitschiefer
an. Das dunkelgraue, fast schwarze, glänzende, gut schiefernde Gestein
zeigt auf seinen Schieferungsflächen Häutchen feinster Museovitschüppchen,
durchzogen von flaserartig angeordnetem Biotit, dessen etwas grössere
stark glänzende tombakbraune Blättehen häufig senkrecht stehen zu
denen des Muscovit, die immer mit der Basis parallel der Schieferungs-
fläche liegen. Blutrother Granat, dessen sechsseitige Querschnitte die
Grösse von 2 Millimeter nie übersteigen, kommt in grosser Menge auf
dem Querbruche zum Vorschein. Die im Ganzen lagenweise Anordnung
der einzelnen Gemengtheile bringt hier eine trotz der dunklen Färbung
noch immer deutlich wahrnehmbare Bänderung hervor.
Unter dem Mikroskope erkennt man, dass der alle übrigen Haupt-
gemengtheile an Masse und Korngrösse weit überragende, gewöhnlich
undulös auslöschende Quarz in grossen meist polysynthetischen Partien
von ziemlich constanter Grösse der Individuen auftritt. Ausser einer
geringen Menge kohliger Substanz, die ihn in parallelen Zügen, zu-
sammengesetzt aus winzigen Pünktchen, durchzieht, führt er keinerlei
Einschlüsse.
Neben dem Quarz treten die aus meist bedeutend kleineren Körnern
zusammengesetzten Orthoklasaggregate sehr zurück. Diese zeigen
nirgends Zersetzungserscheinungen, sind vielmehr von tadelloser Frische.
Ausser etwas mehr kohliger Substanz als der Quarz beherbergt auch der
Örthoklas keinerlei Einschlüsse. Quarz sowohl als Feldspath heben sich
scharf ab von dem sie umgebenden Aggregat kleinster Muscovitblättchen.
Diese sind, neben dem Biotit, die Hauptträger der das Gestein färbenden
Kohle.
Der Biotit erscheint auf dem Längsschliff vielfach in langen Leist-
chen mit starkem Pleochroismus (//c lichtgelb bis farblos, | c dunkelleder-
braun), wobei stets der ordinäre Strahl bedeutend stärker absorbirt
wird als der extraordinäre. Seine basischen Schnitte verhalten sich wie
die eines optisch einaxigen Minerals. Er ist meist von tadelloser Frische,
Umwandlung in chloritische Substanz ist nur ganz vereinzelt wahr-
zunehmen. Als Einschluss führt auch er nur Kohle, und zwar in grosser
Menge und oft recht umfangreichen Partikeln.
Der fast farblose, durchweg isotrope Granat zeigt ziemlich scharfe
sechsseitige Begrenzung. Ausser an seinen Rändern, die hie und da
in ehloritische Substanz umgewandelt sind, ist er völlig frisch. Er um-
schliesst nur wenig Quarz und Biotit, aber sehr reichlich Kohle.
[13] Beiträge zur Kenntniss d. Erzlagerstätte des Schneebergs bei Mavrn ete, 301
Senkrecht stehend auf den Rändern seiner sechsseitigen Quer-
schnitte findet man einzeln unvollkommen entwickelte, sehr viel kohlige
Substanz umschliessende Staurolithsäulen.
Hiezu kommt noch in nieht unbedeutender Menge ein Mineral,
dessen sehr markantes Relief verbunden mit fast völliger Reinheit es
sehr scharf hervortreten macht. Die ausgesprochene Spaltbarkeit nach
einer Richtung, der Pleochroismus: // den Spaltrissen fleischroth,
| dazu farblos, die sehr starke Lieht- und Doppelbrechung ceharakteri-
siren es mit genügender Schärfe als Andalusit.
Erze sind nicht vorhanden.
Nur wenig über dem eben beschriebenen Gestein — auf halber
Höhe des Rumer, das Hangende des Ausbisses im oberen Tagebau
bildend — steht ein
Feldspathfreier Staurolith und Granat führender Musco-
vitbiotitschiefer
an, ein graulich-silberweissglänzendes Gestein mit unebenen bis knotigen
Schieferungsflächen. Auf seinem Querbruch zeigt es deutliche Bänderung,
die von abwechselnden Quarz- und Glimmerlagen hervorgerufen wird.
Der herrschende Glimmer ist Muscovit, der in zusammenhängenden
Membranen die Schieferungsflächen überzieht. Auf diesen Membranen
erscheint der Biotit in langgezogenen Flasern. Beide liegen mit der
Basis meist parallel der Schieferungsfläche und bilden kleinste stark-
glänzende Schüppchen. Zahlreiche hellrothe Granaten — 2 —3 Millimeter
gross — mit sehr undeutlicher krystallographischer Begrenzung machen
die Schieferungsflächen knotig.
Unter dem Mikroskope erweist sich auch hier polysynthetischer
Quarz als der Haupteomponent des Gesteines. Er bildet gross- bis mittel-
körnige Aggregate, deren Individuen ausser Muscovit, Biotit, Rutil und
Zirkon nur einige wenige Flüssigkeitseinschlüsse enthalten. Die auch
hier ziemlich verbreitete Kohle beschränkt sich fast ganz auf die
Glimmer.
Der Musecovit überwiegt den Biotit an Menge und bildet fein-
schuppige Complexe, die zwischen farblos und lichtgrünlich schwanken.
Die bedeutend grösseren Biotitblättchen zeigen meist stark lücken-
haftes Wachsthum und halten ausser den übrigen Gemengtheilen und
Kohle vor Allem zahlreiche lange dieke Säulen von Staurolith umschlossen.
Pleochroismus, Absorption und Verhalten im convergenten Licht wie
bei dem Biotit des zuerst beschriebenen Gesteines. Ausser mit leder-
brauner tritt er hier auch mit olivengrüner Farbe auf.
Der sehr hellroth gefärbte Granat von deutlich sechsseitigem Quer-
schnitt ist ziemlich eompact, selten partienweise in Chlorit umgewandelt
und stets isotrop. Er führt reichliche Einschlüsse von Eisenglanz, Rutil,
Zirkon, Staurolith und kohliger Substanz. Ganz besonders deutlich er-
scheint er hier als „Structurcentrum“ , insoferne der Staurolith in je
2 bis 3 langen säulenförmigen Individuen an seinen Eeken angeschossen
ist, radialstrahlig in die übrigen Gemengtheile hineinragend. Auch sonst
ist der Staurolith in dem Gesteine sehr verbreitet. Er bildet stets nach
der Prismenzone entwickelte Krystalle ohne Endausbildung mit deut-
39 *
302 A. v. Elterlein, [14]
lichem Pleochroismus (//c liehtbraungelb, | ce honiggelb). In einzelnen
Fällen ist er ganz erfüllt mit Kohle.
Turmalin ist theils in basischen Querschnitten,, theils in prisma-
tischer Entwicklung in beträchtlicher Menge vorhanden.
Auch der Rutil gehört zu den häufigen accessorischen Gemeng-
theilen. Er tritt theils mit honiggelber, theils mit schmutzig-grünbrauner
Farbe auf, und zwar sowohl in Körnern als in Einzelkrystallen und den
bekannten Kniezwillingen — meist nach P&, vereinzelt aber auch
nach 3 Po.
Apatit ist nur in wenigen Körnern vorhanden, Titanit nur durch
einen Zwilling nach OP vertreten. Feldspath und Erze fehlen ganz.
Südwestlich von dem Punkte, an welehem das eben beschriebene
Gestein geschlagen wurde, beisst die Lagerstätte etwa in Höhe des
Barbarastollen-Mundloches auf der Pockleithener Böschung aus.
Aus dem Hangenden dieses Ausbisses stammt ein
Feldspath und Granat führender Muscovitbiotitschiefer,
Es ist ein dunkelgraues, gut schieferndes Gestein, das starke
Fältelung zeigt des seine Schieferungsflächen bedeekenden Muscovit.
Biotit tritt in ganz vereinzelten Blättechen auf, Granat aber, in Grössen
bis 3 Millimeter, ist sehr verbreitet. Auf dem Querbruche werden einige
Quarzlinsen sichtbar, die jedoch bald wieder auskeilen, so dass es zu
der sonst so ausgesprochenen Lagenstructur nieht kommt.
Die mikroskopische Untersuchung zeigt, dass der auch hier poly-
synthetische Quarz gross- bis mittelkörnige Aggregate bildet, die ausser
Kohle keinerlei Interpositionen umschliessen. Der Muscovit bildet Aggre-
gate wie oben beschrieben und ist vollgepfropft mit kohliger Substanz.
Das letztere gilt auch von dem Biotit, dessen tiefrothbraune basische
Schnitte sich völlig wie ein optisch einaxiges Mineral verhalten. Ortho-
klas ist nur in wenigen völlig frischen kleinen Körnern vorhanden.
Schon 30 Meter etwa unter dem oberen Tagebau, dem mittelsten,
der den Zug der Ausbisse der Lagerstätte bezeichnenden Punkte —
der höchste ist der Vierzehn-Nothhelfer-Tagebau (weniger tiefer als das
westliche Mundloch des Kaindlstollns gelegen), der tiefste der Ausbiss in
Höhe des Barbarastollns — also im Horizont des Martinstollns finden
wir in der Region der Gänge Gesteine mit völlig verändertem Habitus.
Sie zeigen meist starken Glanz und röthliche Töne, die hervorgerufen
werden durch ein inniges Gemenge von kleinsten Muscovit- und Biotit-
individuen.
Wo sich diese mehr sondern, tritt immer der Biotit zurück, ordnet
sich, wobei seine Individuen grösser werden, flaserförmig, beschränkt
sich oft auf Schuppenbildung und verschwindet in einzelnen Fällen
ganz. Als typisch hiefür sollen Gesteine vom Martinquerschlag aus dem
Liegenden des Hangendganges, und zwar je ein solches 30 Meter und
1 Meter vom Salband entfernt, schliesslich der Hangendschiefer des
Hangendganges vom Ort Nr. 7 (Rudolfhorizont) besprochen werden.
Von dem ersten der drei genannten Punkte liegt mir ein Hand-
stück eines
[15] Beiträge zur Kenntniss d. Erzlagerstätte des Schneebergs bei Mayrn etc, 303
FeldspathundGranatführendenMuscovitbiotitschiefers
vor, dem auf das Innigste verwobener Muscovit und Biotit röthliche
Farbe, verbunden mit starkem Glanze, verleiht. Das mittelgut schiefernde
Gestein zeigt auf seinem Q@uerbruche, wo unregelmässig begrenzte
Körner eines rosarothen Granat in ziemlicher Meuge ersichtlich werden,
deutliche Bänderung, hervorgerufen durch abwechselnd helle und dunkle
Lagen. In grosser Menge bemerkt man hier auch noch stark glänzende
tombakfarbige und gelblichweisse kleinste Partikelehen von Erzen.
Der mikroskopische Befund ergiebt, dass der Feldspath (Ortho-
klas) dem Quarz an Menge nahezu gleichkommt, dieser aber in grösseren
Körnern und Körneraggregaten auftritt, jener dagegen fast ausschliess-
lieh die kleinkörnig struirten Partien des Schliffes zusammensetzt.
Den Quarz charakterisirt vor Allem seine meist ideale Reinheit,
die nur in geringem Masse gestört wird durch wenige als Zirkon und
Apatit zu deutende Einschlüsse. Hiezu kommen noch Spuren der auf
dem Schliffe zahlreich vorhandenen Kohlepartikelchen, ganz selten
kleinste Muscovit- und Biotitblättchen.
Der Orthoklas ist fast durchwegs von grosser Frische, Zersetzungs-
producte sind nur auf den Rissen einzelner grosser Körner wahrzu-
nehmen. Er hält reichlich Zirkon und Apatit, insonderheit aber Erze
und Kohle umschlossen. Der Muscovit tritt gewöhnlich als Aggregat
kleinster fetzenförmiger Gebilde auf, daneben aber auch in einzelnen
längeren Leistehen. Er ist absolut farblos und im parallelen Lichte
bemerkt man nichts von der Begrenzung seiner Individuen. In Bezug
auf Menge scheint er den Biotit um Weniges zu überragen, mit dem
er gewöhnlich verwachsen ist, wobei nur selten Gesetzmässigkeit
zu erkennen ist. Ganz vereinzelt umschliesst er Zirkon, Apatit und
Kohle, deren Stäubehen, zu kleinen Klümpehen vereinigt, sich auch
häufig kranzartig um ihn gruppiren.
Der Biotit zeigt röthlichbraune, ganz lichtbraune und lichtölgrüne
Farbe, stark lückenhaftes Wachsthum und ist erfüllt mit Quarz, Feld-
spath, Erzen und Kohle. Ausser diesen Interpositionen erkennt man
noch einige Zirkonmikrolithe. Seine basischen Schnitte sind immer
isotrop, die wenigen oft gebogenen und an ihren Enden zerfaserten
Leistehen immer stark pleochroitisch (//c ganz lichtgrünlichbraun, fast
farblos, | c lederbraun). Absorption @>c. Wenn, wie es vorkommt,
nach einem Längsschnitte lichtbräunlicher, grünlicher und farbloser
Glimmer mit gleichmässig orientirten c-Achsen verwachsen sind, so muss
es dahingestellt bleiben, ob das farblose Mineral, das keinerlei Spuren
von Absorption zeigt, gebleichter Biotit oder Museovit ist.
Der durchwegs isotrope Granat tritt in Gestalt ganz unregelmässiger
Körner auf, die so mit Quarz erfüllt sind, dass sieh die Granatsubstanz
nur als dünne Aeste, die ihrerseits zahllose Risse zeigen, zwischen den
Quarzkörnern hindurchzieht.
Ausser dem Granat betheiligen sich an der Zusammensetzung des
Gesteines opake Erze, die am Schlusse dieser Reihe, als überall gleich
vorhanden, besprochen werden sollen.
Nähert man sich dem Gang bis auf 1 Meter vom liegenden Sal-
band, so stösst man auf einen
304 A. v. Elterlein. [1 6]
Feldspath, Granat und Biotit führenden Muscovit-
schiefer,
dessen Schieferungsflächen durch zahlreiche Granaten von fleischrother
Farbe und im Mittel 2 Millimeter Grösse knotig sind. Da hier der
Muscovit der weitaus herrschende Glimmer ist und der Biotit nur
in einzelnen Blättchen, die sich hie und da zu kleinen Flasern schaaren,
auftritt, so zeigt das Gestein im Grossen silberweisse, stark glänzende
Flächen, von denen sich die tombakfarbigen lebhaft spiegelnden Biotit-
partien und die Granaten scharf abheben.
Unter dem Mikroskope bemerkt man, dass der Quarz im Vergleich
mit dem letzten Gestein an Menge zu-, der Orthoklas abgenommen hat.
Ersterer ist sehr reich an bandförmig angeordneten Flüssigkeitsein-
schlüssen. Der Orthoklas bildet kleine Partien zwischen den Quarz-
aggregaten. Er ist immer frisch.
Die Glimmer verhalten sich, abgesehen von dem Zurücktreten des
Biotit, wie in dem zuletzt beschriebenen Gestein. Grünlichen Biotit
findet man indess hier häufiger in chloritische Masse umgewandelt unter
Ausscheidung von Magnetit, dessen parallelverwachsene Kryställchen
ibn deutlich als solehen charakterisiren.
Der isotrope Granat ist compacter als oben und zeigt oft deutlich
krystallographische, dem Dodekaöder entsprechende Begrenzung. Stellen-
weise ist er in chloritische Masse umgewandelt. An Einschlüssen führt
er Quarz und Erze. Apatit tritt in einzelnen unregelmässig gestalteten
Körnern auf: opake Erze sind sehr verbreitet, und zwar in grossen
Klumpen und Krystallen, welch letztere sich oft zu Gruppen vereinigen.
Auf dem in etwa 60 Meter Saigerabstand vom Martinhorizont, und
zwar tiefer gelegenem Rudolfhorizont habe ich in Ort Nr. 7, wo er das
Hangende des Hangendganges bildet, den in dem untersuchten Revier
einzig vorhandenen völlig biotit- und feldspathfreien
Muscovitschiefer
anstehend gefunden. Er ist ein ausgezeichnet dünnschieferiges silber-
weisses Gestein von lebhaftem Glanze. Seine hoch entwickelte Schieferung
verdankt es dünnen Membranen von Museovit, die zwischen den Schichten
körnigen Quarz, die oft bis !/, Centimeter Mächtigkeit erreichen, liegen.
Der Querbruch zeigt deshalb vollkommene Lagenstructur. Granat fehlt
gänzlich, Erzpartikel sind in ziemlicher Anzahl wahrzunehmen.
Unter dem Mikroskope erweist sich der Quarz als überaus reich
an bandförmig angeordneten Flüssigkeitseinschlüssen, die ihn nach
allen Richtungen durchziehen, wobei die Grenzen der Einzelindividuen
häufig überschritten werden. Seine Korngrösse ist sehr bedeutend und
beherbergt er ausser den oben erwähnten Flüssigkeitseinschlüssen Mus-
covit und reichlich Zirkon, welch letzterer besonders deshalb scharf
hervortritt, weil seine Mikrolithe häufig von einem Kranze kleinster
schwarzer Pünktehen umgeben sind, die wohl einem der Erze zuzurechnen
sein dürften.
Der Muscovit ist völlig farblos. In seinen Schnitten parallel der
c-Achse zeigt er ausgezeichnete Spaltbarkeit. Ausser ganz kleinen
1 7] Beiträge zur Kenntniss d, Erzlagerstätte des Schneebergs bei Mayrn etc, 305
schwarzen Pünktchen (Erze) führt er keinerlei Einschlüsse. Apatit tritt in
vereinzelten kleinen Körnern auf. Ausser den genannten Mineralien be-
theiligen sich an der Zusammensetzung des Gesteins zahlreiche Erzpartikel.
Diese Erze, die sich in bemerkenswerther Weise mit zunehmender
Nähe der Lagerstätte in immer steigender Menge vorfinden, gehören
meist den Species Magnetkies und Arsenkies an. Eisenkies tritt gegen
diese sehr zurück, Magnetit ist kaum vorhanden.
Der Magnetkies scheint häufig in einzelnen oder mehreren zu
Bündeln oder Rosetten geordneten lichttombakfarbigen, stark glänzenden
Krystallen, welche wie die in der Lagerstätte in Drusenräumen ange-
schlossenen immer nur — dies aber sehr deutlich — die Combination
oP. oo P zeigen. Ausser in dieser Form tritt der Magnetkies häufig in
grossen derben Partien im Schliffe auf, von den ihn begleitenden übrigen
Erzen immer schon durch seine Färbung leicht unterscheidbar. Ihm
kommt der Arsenkies an Häufigkeit des Auftretens am nächsten, oft
gleich. Seine gelblich silberweisse Farbe, verbunden mit charakteristischem
Glanz, besonders aber seine häufigen, stellenweise massenhaft vorhandenen
und dann Granat und Biotit oft ganz erfüllenden deutlichen Krystalle
schützen ihn vor Verwechslung. In einem Dünnschliff vom Hangend-
schiefer des Hangendganges vom Martinhorizont konnten befriedigende
Messungen vorgenommen werden. Das immer herrschende Prisma ist
terminal begrenzt von 2 Domen, deren steileres den Mittelwerth 103°,
deren flacheres den von 65° ergab. Die Annäherung an die von Miller
angegebenen Werthe 100° 38° und 62° 8° ist so gross, dass man aus den
erhaltenen Winkeln auf die Flächen ! (P&) und n ( A, P») als die vor-
liegenden mit Sicherheit schliessen kann.
Nahe dem Liegenden des Liegendganges auf dem Margarethen-
horizont steht eine eirca 15 Centimeter mächtige Schieht eines sehr
frischen röthlichweissen, Turmalin und Staurolith führenden Muscovit-
biotitschiefers an, in dem zahlreiche Arsenkieskrystalle porphyrartig
ausgeschieden schwimmen. Sie erreichen die Grösse von 3—4 Milli-
meter und zeigen die Combination &P. Px mit herrschendem Prisma.
Diese Krystalle sind völlig einschlussfrei und meist mit umgewandeltem
Biotit verwachsen. Nach seinem Hangenden und Liegenden geht dieser
Horizont ohne Zwischenstufe in sehr quarzreichen Glimmerschiefer über,
der keinerlei makroskopisch sichtbaren Arsenkies führt.
Es soll noch eines Erzes Erwähnung geschehen, das in dem oben
besprochenen Muscovitschiefer in nicht geringer Menge vorkommt, und
zwar in einzelnen langen Nadeln mit starker Längsriefung, dann in
büschelförmig oder radial angeordneten Gruppen und schliesslich in
derben Partien. Es zeigt licht stahlgrauen metallischen matten Glanz.
Terminale Endigungen sind nieht vorhanden. In Anbetracht des häufigen
Vorkommens von Nestern derben Boulangerits in nächster Nähe ist an-
zunehmen, dass auch das fragliche Erz diesem zuzurechnen ist.
Aus der Region der Gänge ist noch ein Gestein zu vermerken,
das auf dem Pockleithenhorizont (etwa 30 Meter entfernt vom Hangenden
des Hangendganges) ansteht. Es ist dies ein
Feldspath, Cordierit und Granat führender Biotit-
moscovitschiefer.
306 A. v. Elterlein. L 8]
In diesem Gesteine treten makroskopisch die Glimmer sehr zurück
gegen die dasselbe hauptsächlich zusammensetzenden Mineralien Quarz
und Cordierit. Da sich die Glimmer auch hier, vorzüglich der ziemlich
grossblätterige Biotit. in Lagen vereinigen, die oft ziemliche Dicke er-
reichen, so zeigt das Gestein sehr vollkommene Schieferung. In der
Richtung senkrecht zu dieser ist es dagegen ausserordentlich wider-
standsfähig.
Unter dem Mikroskope sieht man, dass ein grosser Theil des
Präparates ein Aggregat feinster Museovitblättchen einnimmt, aus dem
sich der Quarz in theilweise völliger Reinheit seiner grossen eckigen
Körner — er beherbergt nur wenig Zirkon, Muscovit und bandförmig
angeordnete Flüssigkeitseinschlüsse — scharf hervorhebt. Neben ihm be-
merkt man Partien, die sich aus mittelgrossen, meist stark getrübten
Körnern zusammensetzen. Hellere Stellen derselben zeigen stets das
Achsenbild optisch einachsiger Mineralien und sehr lebhafte Polari-
sationsfarben. Mit Hilfe des Boriceky'schen Verfahrens, welches sehr
deutlich die charakteristischen Krystalle des Kieselfluormagnesium ergab,
wurde das Mineral als Cordierit bestimmt.
Der scheinbar optisch einaxige. stark pleochroitische rothbraune
Biotit zeigt immer sehr compacte Formen, die ausser wenigem Rutil
keinerlei Einschlüsse führen.
Orthoklas ist nur in geringer Menge worhanden. Einzelne oft recht
grosse Körner desselben sind frisch, die stellenweise auftretenden klein-
körnigen Aggregate aber meist in museovitische Substanz umgewandelt.
Der accessorisch anwesende Granat ist von mikroskopischer Klein-
heit der Individuen. Diese sind meist traubenförmig gruppirt, völlig
isotrop und gewöhnlich von sehr scharfer sechsseitiger Begrenzung. Als
einziger bemerkenswerther Einsehluss tritt etwas Rutil auf. Dieser
letztere ist auch zwischen den übrigen Gemengtheilen sehr verbreitet
und zeigt deutliche Zwillinge nach 3 P«.
Apatit tritt ganz vereinzelt in kleinen Körnern auf.
Steigt man vom westlichen Ufer des Schneebergbaches aus auf-
wärts, so trifft man erst nach Ueberschreitung der Alın wieder anstehendes
Gestein. Zu unterst tritt in bedeutender Mächtigkeit dünnschieferiger
Feldspath und Granat führender Museovitbiotitschiefer
auf, dessen völlig ebene Schieferungsflächen, ausser feinschuppigen herr-
schenden Muscovit, tombakbraunen stark glänzenden Biotit in ziemlich
gleichmässiger Vertheilung zeigen. Auf dem Querbruch, wo Lagenstruetur
nur andeutungsweise vorhanden ist, erscheint Quarz in körnigen Partien.
Unter dem Mikroskope erkennt man, dass Quarz und Muscovit in
etwa gleicher Menge vorhanden sind. Ersterer bildet polysynthetische
Aggregate grosser eckiger Körner. Theils ist der Quarz völlig frei von
Einschlüssen, theils beherbergt er in beträchtlicher Menge Museovit,
Biotit, Zirkon und bandförmig angeordnete Flüssigkeitseinschlüsse, wozu
auch einiger Apatit tritt.
Der Museovit bedeckt in Gestalt kleiner farbloser Blättchen einen
grossen Theil des Schliffes.
[19] Beiträge zur Kenntniss d. Erzlagerstätte des Schneebergs bei Mayın etc. 307
Der bedeutend seltenere Biotit tritt in einzelnen leder- bis roth-
braunen eompacten lappenförmigen Partien von tadelloser Frische auf,
die nur wenig Zirkon und Kohle umschliessen.
Orthoklas findet sich nur in wenigen immer ganz frischen Körnern.
Der nur unter dem Mikroskope erkennbare Granat mit scharfer
dodekaädrischer Begrenzung bildet meist trauben- oder kranzförmige
Aggregate.
Rutil ist in Menge da, theils in Körnerform, meist aber in Einzel-
krystallen und Zwillingen nach Po.
Von Erzen ist nur wenig Arsenkies vorhanden.
In den höheren Horizonten dieses Flügels wechsellagernd mit den
Gneissen, Caleitmuseovitschiefern, Ampbiboliten ete., findet man meist
grossblätterige knotig struirte dunkle Schiefer. Der nachfolgend beschrie-
bene steht in einer Höhe von rund 2700 Meter an und ist ein dünn-
schieferiger
Feldspathfreier Granat führender Muscovitbiotit-
schiefer.
Seine Schieferungsflächen werden durch Granaten, die oft bis
10 Millimeter gross sind, und noch umfänglichere Quarzlinsen ausge-
zeichnet knotig. Der die Schieferungsflächen bedeckende grossblätterige
Museovit ist, anscheinend durch Kohle, dunkel gefärbt und überwiegt
an Masse den in Flasern auftretenden Biotit bedeutend.
Die mikroskopische Untersuchung ergiebt, dass der grosskörnige,
polysynthetische Quarz ziemlich reich an Einschlüssen ist. So beherbergt
er ausser Zirkon (diesen oft in ungewöhnlich grossen Krystallen) viel
kohlige Substanz und bandförmig angeordnete Flüssigkeitseinschlüsse.
Der Muscovit bildet zusammenhängende Züge grosser farbloser Indi-
viduen. Der Biotit, durchaus frisch und scheinbar optisch einaxig, ist von
dunkelrothbrauner Farbe, stark pleochroitisch und so mit Quarz erfüllt,
dass er selbst nur in schmalen Leistehen zwischen der Quarzsubstanz
erscheint. Wie der Muscovit, beherbergt auch der Biotit viel kohlige
Substanz. Der Granat zeigt stets die Form &©O und umschliesst Erze,
viel Quarz und Kohle.
Von Erzen ist Arsenkies und Eisenkies — beide in geringer
Menge — vorhanden.
Die mit den vorstehend beschriebenen Schiefern wechsellagernden
Gneisse treten in enger Verbindung mit den Amphiboliten in der Nähe
der grossen Dolomitlinse der Karl-Weissen auf. Sie sind theils richtungslos
körnig struirte, theils Gesteine mit ausgezeichneter Parallelstructur, bald
sehr glimmerreich und mehrere Species derselben führend, bald fast ohne
Glimmer. Im Nachfolgenden sollen vier Typen beschrieben werden, die
für die Reihe charakteristisch sind, und zwar zunächst ein
Hornblendeführender Cordieritgneiss von halber Höhe
der Karl-Weissen.
Der bläuliche richtungslos körnig struirte, jeder Schieferung ent-
behrende Gneiss trägt ganz den Habitus eines Massengesteines. Granaten,
Jahrbuch der k. k. geol. Reichsanstalt. 1891. 41. Band. 2. Heft. (A. v. Elterlein.) 40
308 A. v. Elterlein. [20]
bis 5 Millimeter gross und sehr deutlich das Dodekaäder zeigend,, 12 bis
15 Millimeter lange Biotitleisten und ebensolange Hornblendesäulen sind
in beträchtlicher Menge in demselben verbreitet. Feinste Muscovit-
schüppehen verleihen seiner Oberfläche hohen Glanz.
Unter dem Mikroskope nimmt man wahr, dass Quarz, der zahl-
reiche Einschlüsse von Museovit, Biotit, Zirkon und Apatit beherbergt,
und theilweise stark getrübter Cordierit die Hauptgesteinseomponenten
sind. Der farblose Museovit ist gleichmässig, den Biotit an Zahl der
Individuen überragend, über den Schliff verbreitet. Der Biotit, gewöhnlich
sehr frisch, zeigt meist stark unterbrochenes Wachsthum, ebenso wie
«die Hornblende, mit der er häufig unregelmässig verwachsen ist. Während
ihre Schnitte senkrecht der c-Achse stets compact sind, erweisen sich die
Längsschnitte dieser beiden Mineralien so erfüllt mit Quarzkörnern, dass
sie selbst nur wie dünnes Netzwerk zwischen diesen erscheinen. Beide
sind stark pleochroitisch. Die Hornblende erscheint //a grünlichgelb,
// 5 olivengrün, //e blaugrün; die Auslöschungsschiefe beträgt im Mittel
18°, Absorption ce >5 > a. Sie umschliesst in ihren Querschnitten wenig
Biotit, Kohle in feinsten Stäubchen und Magnetit.
Der Granat ist stets deutlich sechsseitig begrenzt, isotrop und
erfüllt mit länglichen ziemlich umfangreichen Poren, die mit Gasen oder
Dämpfen gefüllt scheinen — Flüssigkeit lässt sich wenigstens nicht
nachweisen — und in Züge parallel einer Diagonale des Querschnittes
angeordnet sind. Ausserdem beherbergt er nur noch wenig Kohle.
Primärer Rutil ist in grosser Menge und schönen Krystallen vor-
handen.
Wenig über diesem Gesteine ist in einem blätterigen Muscovit-
biotitschiefer, der sehr reich an Granaten ist, eine 50 Centimeter
mächtige Schicht eines dichten
Biotitgneiss
eingelagert. Er ist ein hartes klüftiges Gestein von splitterigem Bruch
und hälleflintaähnlichem Aussehen, auf dessen Querbruch abwechselnde
bläuliche, bräunliche und hellere Streifen deutliche Bänderung hervor-
rufen.
Die mikroskopische Untersuchung ergab, dass die bläulichen
Streifen zusammengesetzt werden von einem kleinkörnigen Gemenge
von Quarz und orthoklastischem Feldspath, die beide viel Kohle be-
herbergen. Daneben finden sich Quarzaggregate aus grossen eckigen
Körnern, die nahezu einschlussfrei sind. Die kleineren Quarzindividuen
beherbergen, ausser Kohle, wenig Zirkon und Magnetit. Ausser diesen
Gemengtheilen tritt nur noch wenig theils frischer, theils in chloritische
Substanz umgewandelter Biotit auf.
Brauneisen bedeckte in solcher Menge den Schliff, dass dieser vor
der Untersuchung mit Salzsäure digerirt werden musste.
Noch höher als dieser Biotitgneiss, etwa 30 Meter im Liegenden
des Dolomit der Karl-Weissen, in nächster Nähe des Schwarzseespitz,
steht ein grauer, diekschieferiger, völlig frischer
Muscovitbiotitgneiss
[21] Beiträge zur Kenntniss d. Erzlagerstätte des Schneebergs bei Mayrn etc. 309
an. Der in zusammenhängenden Membranen seine Schieferungsflächen
bedeckende Muscovit verleiht dem Gesteine starken Glanz. Dunkelgrüne,
stark gestreckte Biotitblättchen liegen schuppenartig ziemlich gleichmässig
vertheilt inmitte des Muscovit, dessen Individuen partienweise so winzig
werden und sich dabei so häufen, dass es zur Bildung von völlig
dichten